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Angabe, daß sie des Diebstahls verdächtig seien, zur Herausgabe ihrer Wertsachen. So erbeutete er in 4 Fällen Beträge von 60 ^ bis 16 sowie 3 Taschenuhren und mehrere Messer. Wenn er das Geld in Händen hatte, ließ er sich nicht mehr sehen. In 4 weiteren Fällen machte er sich an Zugereiste heran, besuchte mit ihnen eine Wirtschaft und säuberte ihnen ihre angeblich beschmutzten Kleider mit einer Taschenbürste, oder ließ sich von seinem Begleiter einen fingierten Spreißel aus der Hand entfernen, wobei er ihnen das Geld aus der Tasche stahl. Hierbei fielen ihm Geldbeträge in Höhe von 17, 48, 53 und 154 ^ in die Hände. Schließlich hatte er in einer Wirtschaft einem Gast eine Pelerine gestohlen. In allen Fällen war der Angeklagte geständig. Das Gericht erkannte gegen den Angeklagten auf 2 Jahre Gefängnis, abzüglich einen Monat Untersuchungshaft, sowie auf 5 Jahre Ehrverlust.
Zuffenhausen 17. Dez. Die von einigen wenig erfreulichen Erscheinungen begleitete hiesige Gemeinderatswahl ist von einer großen Anzahl Bürger angefochten worden.
Hohenhaslach O.A. Vaihingen 17. Dez. Vorgestern wurde unser ganzer Ort in Aufregung versetzt. In der Wohnung der Johann Frank's Witwe sah man mittags ein Licht brennen, sie selbst aber war im ganzen Hause nicht zu finden. Von einem Knaben erfuhr man endlich, er habe sie im Weinberg in einem Abgrund liegen sehen. Schuhmachermeister G. Elbe und der ledige Karl Staib holten die Leiche und trugen sie in ihre Wohnung. Die 62jährige Frau hatte sich zweifellos in der Nacht von ihrem Hause entfernt und in den Abgrund gestürzt. Im Juli dieses Jahres starb ihr Mann, Gemeinderat Frank. Seit jener Zeit bemerkte man, daß es mit ihr nicht mehr ganz richtig war, sie schien schwermütig geworden zu sein. Kinder sind keine vorhanden.
Freudenstadt 17. Dez. Das Schöffengericht verhandelte dieser Tage gegen den belgischen Gutsbesitzer Endo re Kinet de Boga erde, der am 8. August ds. Js. auf der Fahrt von Freudenstadt nach Baden-Baden bei Schwarzenberg die 16jährige Gipserstochter Anna Gaiser von Schönmünzach mit seinem Automobil angefahren hatte. Das Mädchen wurde von dem Automobil überfahren und 14 Meter weit geschleift. Nachdem das Unglück geschehen war, versuchte er davonzufahren, doch wurde das von dazukommenden Leuten, die einen Wagen über
die Straße schoben, verhindert. Der Angeklagte, der dem verletzten Mädchen eine Entschädigungssumme von zusammen 3500 ^ gegeben hat, wurde zu der höchst zulässigen Geldstrafe von 900 °^, eventuell zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt.
Ulm 17. Dez. Bei der fünften Kompagnie des 12. bayrischen Infanterie-Regiments in Neu-Ulm ist wieder'ein Fall der Genik- starre festgestellt worden, der tödlich verlief. Die fünfte Kompagnie ist isoliert worden und für die Truppenteile beider Städte sind strenge Absperrungsmaßregeln erlassen.
Aus Baden 17. Dez. Ein bedauerlicher und folgenschwerer Unglücksfall ereignete sich beim Rodeln in Triberg. Der 13 Jahre alte Hugo Grieshaber und der 8jähr. Franz Fehren- bach rodelten eine steile Wiese am Schelmenrain herab und stürzten dabei an der Gerwikstraße eine 8—10 Meter hohe Böschung herab, wobei der erstere eine Gehirnerschütterung und starke Kopfverletzungen, der letztere einen Armbruch und schwere innere Verletzungen davontrug. Die beiden mußten zur ärztlichen Behandlung ins Spital verbracht werden.
Mülheim a. Rhein. Der Wilderer Schiefer, der am Sonntag zwei Beamte erschossen hat, hat sich, als er von Kölner Kriminalbeamten in der Wohnung eines Onkels seines Komplizen überrascht wurde, selbst erschossen.
Berlin 17. Dez. (Beraubung eines Postamtes.) Gestern mittag hat ein junger Mann auf dem Postamt 68 in der Ritterstraße, während die Markenverkäuferin einen Augenblick den inneren Schalterraum verlassen hatte, die Schranke überstiegen und die Wechselkasse, in der sich 150 Mk. befanden, gestohlen. Obgleich sich in dem Postamt Beamte und Publikum befanden, ist der Dieb mit der Beute entkommen.
Berlin. Der in einem gewissen Zusammenhang mit der Frauenmordaffäre stehende Raufbold, den der Kriminalbeamte Wild in der Notwehr erschossen hat, ist jetzt mit Hilfe seiner Frau durch den Erkennungsdienst genau erkannt. Er heißt Schocke und war nicht nur Zuhälter, sondern auch einer der gefährlichsten Bauernfänger.
Dresden 17. Dez. (Schwere Explosion.) In der großen chemischen Fabrik von Dr. v. Heyden, A.-G. in Radebeul bei Dresden entstand heute früh gegen 9 Uhr in
300 000 ^ beziehen 66 Personen, ein solches von 300000 bis über 3 000000°^ 31 Personen. Diese 21 Personen haben zusammen ein jährliches Einkommen von insgesamt 9 733 555^ fatiert.
Stuttgart. Die Landung des Ballons „Parse val III" auf dem Cannstatter Wasen hat für nächtliche Bewachung, GasekNeuerung usw. einen Gesamtaufwand von rund 1300 ^ verursacht, wovon die Stadtverwaltung einen Teil, die Hauptsache der Württ. Verein für Luftfchiffahrt übernimmt.
Stuttgart 17. Dez. Der „Verein Reforinschule Stuttgart" hat kürzlich seine jährliche Mitgliederversammlung abgehalten. Gleichzeitig fand eine Besichtigung der Reformschule Heidehofstraße 7 unter Leitung des Hauptlehrers Henschen statt. Die zahlreichen Besucher waren überrascht, welche Fortschritte die kleinen Schüler und Schülerinnen gemacht haben. Es zeigte sich, daß die nach modern-pädagogischen Grundsätzen geleitete Schule ohne Ueberanstreng- ung die Kinder so weit fördert, daß sie jederzeit in eine staatliche oder städtische Schule übertreten können. Es war eine wirkliche Freude, zu sehen, mit welcher Anteilnahme und ernster Arbeitslust die Kleinen ihrem Lehrer und ihrer Lehrerin folgten. Jedem Kinderfreund kann nur empfohlen werden, sich die Schule einmal anzusehen, die Henschen nach vorheriger Mitteilung bereitwilligst zeigt. Das Resultat der Sitzung war, daß der Verein beschloß, die Schule auch fernerhin aus seinen Mitteln aufs kräftigste zu subventionieren, damit sie immer mehr werden könne, was Staat und Stadt und die Eltern von ihr fordern dürfen, nämlich eine Stätte ernster pädagogisch-psychologischer Arbeit. — Nachdem die Neuwahl des Vorstands vorgenommen war, wurde beschlossen, die Rosegger-Stiftung mit einem namhaften Beitrag zu bedenken und dann recht energisch Mitglieder für die gute Sache der Reformschule zu werben.
Stuttgart 16. Dez. (Strafkammer.) Ein äußerst gefährlicher Taschendieb stand in der Person des 36 Jahre alten Schneiders Johannes Harsch von Wasseralfingen vor der Strafkammer. Der Angeklagte mietete sich, nachdem er eben das Gefängnis verlassen hatte, am 1. Okt. in Cannstatt unter falschem Namen ein Zimmer. Hierauf nahm er sein altes „Gewerbe" wieder auf. Er trat auf der Straße jungen Leuten von 14—16 Jahren gegenüber als Fahnder auf und veranlaßte sie unter der
ihn stummer Frage auf den Arzt, ein beruhigender Wink gab ihm Mut, näher zu treten. Und wie seine Augen auf ihr ruhten, da übten sie ihre alte zauberhafte Macht, langsam hoben sich die schweren bläulichen Lider, sie sah ihn an; ein Lächeln zog über das blasse Gesicht, und ihre Lippen bewegten sich leise. Er küßte ihre Stirn, ihre Hand.
„Inge, mein Liebling, mein Abgott."
„Ein Knabe, Mark. Freust Du Dich?"
Wie ein Hauch, so leise berührte die Frage sein Ohr.
„Unsäglich, Inge. Aber Du, mein armes, liebes Weib, wie hast Du leiden müssen!"
„Küsse mich noch einmal, Mark!"
Er kniete an ihrem Bett nieder, küßte den zarten, blaßroten Mund, die durchsichtige Hand, die seinen Ring trug. Der Sanitätsrat tippte ihm leise auf die Schulter.
„Herr Graf, ich möchte bitten, nicht länger zu bleiben."
„Gute Nacht, mein Lieb, man schickt mich fort."
Ein mattes, zärtliches Lächeln zeigte, daß sie ihn verstanden; auf den Fußspitzen schritten die Männer, einer hinter dem anderen, hinaus. —
Die Nacht war nicht gut, Fiebererscheinungen und Schwäche bis zur Ohnmacht, die nächsten Tage verliefen dann besser. Callein befand sich in einer hochgradigen Erregung, dies Schwanken zwischen Furcht und Hoffnung war entsetzlich, der Gedanke, sie könnte ihm genommen werden, erschien ihm ungeheuerlich und dann die Mitteilung, es gehe wieder besser, so überwältigend und beglückend, daß er anfangs noch gar nicht daran zu glauben wagte, und sich doch wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm, an jedes noch so kleine Zeichen günstigen Fortschritts klammerte. Jetzt in diesen Tagen fühlte er erst ganz, wie sehr er sie liebte. Gräfin Lie und Anna kamen jeden Tag für ein paar Stunden herüber, und Anna litt mit Callein, wie nur eine Frau mit dem Mann, den sie seit Jahren liebt, leiden kann. Anna und Gräfin Volgers waren es auch, die in erster Linie dem kleinen Gräflein ihr liebevolles Interesse zuwandten.
„Sieh doch nur, Mark, er ist doch ein herziges Kerlchen!" sagte Gräfin Lie, den Kleinen zärtlich in den Armen schaukelnd. „Du mußt ihn wirklich mal ordentlich anschauen."
Aber Callein hatte immer nur einen flüchtigen Blick und ein flüchtiges
Lächeln für den kleinen Weltbürger, der mit seinen glänzenden, großen Augen so dumm und so lieb aus den spitzenbesetzten Kissen ins Leben schaute.
Die Hoffnungen, die der Arzt an ein geringes Zunehmen der schwachen Kräfte bei Inge knüpfte, erfüllten sich nicht, der leise Schimmer von Rot, der auf ihren Wangen erschien, wich wieder krampfhafter Blässe, und das Fieber setzte mit erneuter Kraft ein. Inge selbst mochte wohl der Gedanke kommen, es stehe nicht gut mit ihr.
Als Callein eines Vormittags an ihrem Bett saß, verlangte sie nach dem Kinde. Wie sie es dann im Arm hielt, ruhten ihre Blicke zärtlich auf dem schlafenden Knaben, der die kleinen Fäustchen gegen das Köpfchen gedrückt, leise atmend schlummerte.
„Mark, wenn ich nicht bei euch bleiben sollte, versprich mir, daß Du ihn recht lieb haben willst, er kann ja nichts dafür", bat sie leise, mit den schlanken, weißen Fingern die feinen dunklen Härchen von der Stirn des Kindes streichend.
„Inge, sprich nicht so, ich bitte Dich." — Die Stimme versagte ihm.
„Ich will ja nicht sterben, Schatz, ich glaube es auch nicht, aber auf alle Fälle wollte ich Dich darum bitten, und dann, Mark, das muß ich Dir auch noch sagen, wie ich Dich geliebt habe, und wie viel Glück Du mir gegeben, nur Glück und Liebe —"
Callein sitzt an ihrem Bett und hält ihre Hand in der seinen. Inge lächelt. —
„Wir drei hier zusammen,'wie schön, nicht wahr, Mark? Du, ich und unser Kind, unser kleines, liebes — — — —."
Diesem Tage folgte eine schwere Nacht. Die Todesfittiche rauschten um Gräfin Inges Lager, der Professor wurde noch einmal telegraphisch gerufen, er konnte aber keinen Trost mehr geben, keine Hilfe spenden, er so wenig, wie der gute, sorgsame alte Doktor. Was kommen mußte, kam, kam unaufhaltsam.
Callein fragte sie beide. „Sagen sie mir die volle Wahrheit — ich kann ertragen, sie zu hören."
„Herr Graf, der Zustand Ihrer Frau Gemahlin ist sehr ernst, sehr."
Callein drückte ihm stumm die Hand. Am Nachmittag reiste der Professor ab, das war für alle das sicherste Zeichen. Markus sitzt am Bett seiner Frau ganz allein, die Wärterin ist im Nebenzimmer.