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Natur, die nur durch alle an der AlgeciraS-Akte beteiligten Mächte zu lösen ist. Vor allem ist es nicht richtig, daß die Regierung nicht für die deutschen Inte­ressen eingetreten ist. In beiden interessierten Lagern gibt eS Deutsche, deren Interessen berechtigt sind. Ich meine, daß man einen solchen Widerstreit inter­nationaler und nationaler Interessen wie diese auf völkerrechtlicher Grundlage beruhende Frage nicht so leichter Hand lösen soll. Diese Frage ist vielmehr einer schiedsgerichtlichen Lösung vorzubehalten. Ein deutsches Monopol für Erzgewinnung in Marokko wäre sehr schön, auf Grund der Algeciras Akte mit dem Prinzip der Gleichberechtigung, die wir mit allem Nachdruck von Anfang an vertreten haben, aber nicht denkbar. Das Erwerben von Berg- gerechtsamkeiten soll den Angehörigen aller Nationen in gleicher Wnse offen stehen, wobei die Erwerbung der Bergrechte selbst sich nach d:r Prioritär der Er­werbung richten soll. Dieser Grundsatz soll auch in das marokkanische Bergrecht ausgenommen werden. Abg. Gröber (Ztr): Zu diesem Etat haben wir wieder einen Sparsawkeltsantrag e ngebracht, mit dem wir erfreulicher Weise die Zustimmung auch der Nationalliberolen finden. Wenn wir verant­wortlich gemacht werden für die hohen Flotten­ausgaben, so steht Abstrichen nichts entgegen. Unsere Abstrtchsanträge find aber stets abgelebtst wo den. Was die Ausführungen des Grafen Bernstoiff be­trifft, so muß betont werden, daß chauvinistische Kundgebungen von deutscher Seite im Anslande viel ernster genommen werden als bei uns Es war vielleicht der größte Fehler des Fürsten Bülow, daß er das Zentrum bei der Finanzreform ausgeschaltet wissen wollte. Wenn der Abg. Bassermann eine Wiederholung des Kulturkampfes als unerwünscht bezeichnet, so möchte ich darauf Hinweisen, daß rach der Reichstagsauflösung die Wahlparole hieß:LoS von Rom!" Es liegt im Wesen der nationalliberalen Partei, den Kampf gegen den UltramontaniSmus zu predigen. Der Abg. Scheidemann hat von der Ex­propriation der Großbetriebe gesprochen, lber ver­gessen, daß das Erfurter Programm auch die Ex­propriation der Kleinbetriebe, des Handwerks und der Kleinbauern verlangt. Ferrer ist hier (zu den Sozialdemokraten g wandt) Kulturherold. (Wider­spruch bet den Eoz.) Sie haben kein Wort des Tadels für die Greueltaten in Barcelona gehakt Wenn die Linke immer mit der Behauptung kommt, das Zentrum sei eine konfessionelle Partei, so sage ich: Wir treten für die Religionsfreiheit aller Parteien ein. Abg. Zimmermann (Rfp) verteidigt ramentlich die Haltung seiner Partei bei der Reicht finanzresorrn und fordert zu einem Zusammengehen aller bürger­lichen Parteien gegen dte Sozialdemokratie auf. Abg. Heinze (natl.) legt zunächst an der Hand der der Tabaksteuer dar, wie verfehlt dieseBesitzsteuer"- Politik der neuen Mehrheit sei. Dte Talonstruer treffe keineswegs die Besitzenden, sondern wie auch neulich aus den Eingaben städtischer Behörden klar hervorgehe, die Masse der Steuerzahler. Ueber die sächsische Landtagswahl habe man eine ganz falsche Darstellung verbreitet. Das neue Wahlrecht habe vielmehr alle Erwartungen erfüllt. Von einer Ueberslutung mit Sozialdemokraten sei nichts zu sehen. Letztere seien auch zweifellos nicht dieselben geblieben, wie sie 1884 waren. Tatsache sei ferner, daß in den bürgerlichen Kreisen der soziale Sinn

mehr und mehr anwachse und das lasse hoffen, daß die bürgerlichen Kreise wieder mehr Fühlung mit den Arbeitern gewinnen werden. Daß die national- liberale Partei den Kampf gegen die katholische Religion irgendwie gebilligt hätte, davon sei keine Rede. Unerhört sei der Vorwurf Scheidemanns, daß der Zentralverband deutscher Jndustreller nationalliberale Abgeordnete kaufe, daß diese also käuflich seien. Zu bekämpfen sei die Sozialdemokratie und die Unzufriedenheit im Volke. Eine energische Sozialpolstik mit aller Kraft weiter zu führen sei daher Aufgabe der Regierung. Ein Hauptgrund der Unzufriedenheit sei der Stand der preußischen Wahlrcchtsfcage. Diese Frage sei von größter Bedeutung auch für das ganze Reich. Redner billigt schließlich die Ostmarkenpolttik der preußischen Regie­rung. Werde der Kampf aber einmal geführt, so müsse er auch er sage das mit Bezug auf die Beamten-Maßregelungen in Kattowitz mit Konse­quenz und Energie geführt werden. Abg. Höffel (Rp.): Es find Anzeichen vorhanden, als od die maßgebenden Kreise wehr als zuvor sich neuerdings mit der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage be­schäftigen. Das ist zu begrüßen. Höher als der partikulare Gedanke steht bei uns in Elsaß-Lothringen der Gedanke der Angliederung an das Reich. (Beifall.) Selbstverständlich müßten Garantien vorhanden sein gegen Bestrebungen cntgegengesttzter Art. Aber sicher ist, daß die Verschmelzung mit dem Reich immer mehr an Boden gewinnt. (Beifall) Montag

I Uhr Fortsetzung.

Berlin 11. Dez. Die gestrigen Er­

klärungen des Reichskanzlers über die Be­ziehungen zum Auslande wird von den Morgen­blättern lebhaft kommentiert. Allgemein haben die Worte Bethmanns befriedigt. Das wenige, was er vortrug, hatte Hand und Fuß und die Art seiner Darlegungen verrät erfreuliche

Sicherheit auf einem Gebiete, das ihm bisher fremd war.

Berlin 11. Dez. Die Persönlichkeit

der Toten, deren Rumpf am Sonntag von zwei Schiffern aus der Oberspree gezogen wurde, ist heute durch die Kriminalpolizei ermittelt worden. Es handelt sich um die wohnungslose Prostituierte Anna Luise Arnholz aus Stettin, geboren am 1. Mai 1872, die sich meist in Lokalen in Rixdorf aufhielt. Die Ausstellung der Kleidungsstücke der Toten hat deren Er­mittelung ermöglicht.

Berlin 11.Dez. Kapitän Engelhardt, der seit einigen Tagen auf dem Flugfelds in Johannistal mit Wright'schen Fliegern deutschen Fabrikats Flugversuche unternahm, die bisher ausgezeichnet verliefen, ist heute Morgen gegen

II Uhr das Opfer eines Unfalles ge­worden. Kurz nachdem er aufgestiegen war, versagte der Motor und der Apparat stürzte aus beträchtlicher Höhe herab. Kapitän Engelhardt wurde bewußtlos aus den Trümmern des Aero- plans hervorgezogen. Er hatte schwere Ver­letzungen am Kopf, sowie wahrscheinlich auch innerer Organe erlitten und wurde sofort mit

dem Automobil nach dem Kranketthause gebracht wo er bewußtlos eingeliefert wurde.

Berlin 11. Dez. Der heute mittag verunglückte Kapitän Engelhardt wird bereits in einigen Tagen wieder völlig hergestellt sein. Engelhardt erlitt Fleischwunden im Gesicht und eine Verstauchung des linken Beines. An der Maschine ist der Schlitten mit dem Frontruder zerbrochen.

Frankfurt a. M. 11. Dez. Der Finanz-Ausschuß der Jla hat seine Abrechnung heute beendet und das Defizit der Jla auf 170000 ^ festgestellt. Nach diesem Ergebnis werden die Garantie-Fonds-Zeichner mit 15°/» herangezogen.

Hamburg 11. Dez. Gestern Nachmittag verstarb der Arbeiter Brüggmann, der bei der Gasexplosion schwere Verletzungen er­litten hat. Die Zahl der Toten einschließlich eines Vermißten beläuft sich nunmehr auf 18. Das Befinden zweier schwer Verletzten ist bedenk­lich. Heute findet die gemeinsame Bestattung der Opfer statt.

Hamburg 11. Dez. Von den 11 See­fischerbooten aus Finkenwärder, die seit dem Sturm vom 3. Dezember vermißt werden, ist bis zur Stunde keine Nachricht eingetroffen. Man muß daher annehmen, daß sie mit der ganzen Bemannung von über 40 Fischern in der Nordsee untergegangen sind.

Paris 11. Dez. DerTemps" hält die vorgestrige Rede des neuen Reichs­kanzlers für sehr wichtig, da sie fundamentale Unterschiede der Methoden Bülows und Beth­manns zeigte. Bülow habe in Deutschland den westeuropäischen Parlamentarismus herangebildet und je nach der Frage, um die es sich handelte, Mehrheiten gebildet aus den verschiedensten Parteien. Für ihn sei die Unterstützung durch eine Majorität des Parlaments eine Ehrenfrage geworden, über die er schließlich gestürzt sei. Bethmann dagegen erklärt, nur dem Kaiser verantwortlich zu sein und kehrt damit zum alten Konstitutionalismus zurück. Die gestrigen Erklärungen des Reichskanzlers Bethmann-Holl- weg findet man hier durchaus den Erwartungen entsprechend, soweit das Verhältnis Deutschlands und Frankreichs in Betracht kommt. Besondere Aufmerksamkeit verdiene der England gewidmete Absatz. Im Allgemeinen bestärkt hier die gestrige Rede des Reichskanzlers den vorgestrigen Ein­druck, daß Knappheit und Präzision die Haupt­merkmale der Kundgebungen dieses Staats­mannes sind.

Paris 11. Dez. (Demonstrierende Kriegsschüler.) In St. Cyr fand eine große lärmende Kundgebung in der Kriegsschule statt, wodurch das Gerücht entstand, daß unter

frau alle Hände voll zu tun. Mächtige Koffer bergen die kostbaren Toi­letten, Juchtentaschen mit schweren Beschlägen die Juwelen. Die Wert­papiere aber barg Tante Carolin mitsamt dem Strick des Gehenkten in einer besonders gut versicherten Handtasche, die sie sorgsamer hütete als ihren Augapfel. Der kleine, elegante Haushalt wurde aufgelöst, die Dienerschaft entlasten, und eines Morgens fuhren Evelin und die dicke Tante in dem kleinen Coups zur Bahn. Ungefähr ein Jahr war ver­gangen, seit sie, von Armand Ferni empfangen, das Herz von stolzen Hoffnungen geschwellt, den Kopf voll eitler Pläne, den gleichen Weg ge­fahren; vorüber, alles vorüber! Von Ferne ragten die Türme des Schlosses Klosterhof in die blaue Sommerluft, und jenseits die Ruinen von Sankt Benedikt, in denen ihr und Armands Liebesspiel begonnen. Das Liebesspiel war aus und durch das Ende des Mannes zu einem Trauerspiel geworden.

Markus Callein war nun auch fort; die Fenster in Neudeck waren wieder verhangen und die Möbel mit ihren Schutzhüllen bezogen. Der Kammerdiener, ein Reitknecht und das Lieblingspferd des Grafen, der Rappe waren in seiner Begleitung.

Im Klosterhof war es zunächst still und einsam, aber die Bewirt­schaftung der Güter, das Hineinleben in den Beruf, der Anna jetzt oblag, nahm viel Zeit in Anspruch, und die Tage vergingen einer wie der andere in Gleichmäßigkeit und Stille, hin und wieder unterbrochen durch einen Besuch in oder aus der Nachbarschaft, und es kam allmählich über Inge eine gewisse friedliche Ruhe, etwas innerlich Ausgeglichenes, das sie seit ihrer Verlobung verloren. Es gibt gewisse seelische Zwangszustände, die man erst als solche erkennt, wenn man davon erlöst ist. Jetzt, wo Inge wieder frei, wurde sie sich erst klar darüber, sie wußte, daß sie im Begriff gewesen, ihr ganzes Leben als Opfer zu bringen. Trotzdem gab es viele Stunden, wo sie Armand vermißte, wo die Erinnerungen an die kurzen

sonnigen Tage ihrer ersten Liebeszeit lebhaft vor ihre Seele traten und um das Bild des Toten jenen verklärenden Schein zauberten, der die Fehler und Charakterschwächen mildert, die guten Eigenschaften um so leuchtender hervortreten läßt; wenn Inge irgend jemand einen Vorwurf macht, so macht sie ihn sich selbst, obgleich Anna und Gräfin Volgers jede derartige Aeußerung aus wahrer Ueberzeugung heraus widerlegten.

Aus Markus Callein's Aufzeichnungen.

An Bord der . . . 28. 6. 19 . .

Wieder trägt mich das Schiff übers Meer dem anderen Erdteil ent­gegen ; weit und endlos dehnt sich die ungeheure Fläche, nichts als Himmel und Wasser. Die Luft mit scharfem, kräftigen Flügelschlag durchschneidend, auf den Wellen sich schaukelnd, tauchend nach den ihnen von den Passa­gieren zugeworfenen Leckerbissen, umkreisen uns Schwärme von Möven. Ich stehe oft und sehe ihrem Spiel zu, und es überkommt mich so etwas wie Neid aus diese freien, schönen, kraftvollen Geschöpfe, die sich so weit in die klare, sonnendurchtränkte Luft Hinausschwingen, und die sich so tief in die Flut tauchen, wenn es gilt, daß irgend Schönheit und Reinheit

eine Einbuße erleiden.-Wir hochbegabten menschlichen Kreaturen

kommen nicht immer so glatt davon, wenn wir einmal in die Tiefe tauchen. Vor einem Jahr, als ich diesen selben Weg hinüber und herüber machte, war alles so ganz anders, damals gab es in meinem Leben noch keine Inge Herrnstein, damals war Armand für mich mein Vetter und Jugend­freund, ein liebenswürdiger, leichtlebiger Mensch, auf dem Punkt, sich in eine vornehme Kokette zu verlieben und ich selbst, so alt und über­sättigt vom Leben ich war, beschäftigte mich noch mit der idealen Frage, ob für mich noch einmal das Weib erscheinen würde, das imstande wäre, ein großes, wahres, tiefes Gefühl, eine wirkliche Leidenschaft in mir wach­zurufen.

(Fortsetzung folgt.)