Amts- und Aiyeigeblatt für den GberamtrbeM Lalw

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« onn, r« ta 2 ' Frettag und Samstag. Ans-rtionspr-i's iO Psg. pro Zeile für Stadt u.Bezirksort«; außer Bezirk l» Mg.

. den 6. Dezember 1909.

r. i. d. Stadt 'Mhrl. m. LrLgerl. Mk. t.2S. Postbezugspr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. >/^ährl. Mk. 1.20. im Fernverkehr lik. t.go. Bestell-. tn Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen

Die Gemeindebehörden nnd die Herren Bertvrltungsattuare

wollen dafür Sorge tragen, daß der OberamtS- pflege die in Z 65 der Vollz Veif. zum Gemeind e- steuerges tz Reg.-Bl. 1 1904 S 295 vor- geschriebene Anzeige über die Grundlagen der AmtSlörperschaftSbestenerung, soweit dies noch nicht geschehen ist, alsbald erstattet wird. Dabet ist zu beachten, daß in die Anzeigen auch die Ka­tasterbetreffe der Gemeinden, ihr Kapitalsteuerertrag und der ste treffende Anteil am Einheitrsatz für die staatliche Einkommensteuer sowie die Überweisungen aufzunehmen find und daß in sämtlichen Gemein­den das Gewerbesteuerkapital mit Abzug anzugeben ist. Vergl. hiezu Nr. 104 Abs. der Vollz.-Verf. zur Bez.-Ordnung

Die erforderlichen Formulare folgen in den nächsten Tagen durch die Post.

Calw, 3. Dezember 1909.

K. Oberamt.

Voelter.

TsseSseviskettes.

Calw 6. Dez. Am Samstag abend ist in Möttlingen das Gasthaus z. Krone (Besitzer Wilh. Fricker) samt angebauter Scheuer total niedergebrannt.^Das Feuer soll in der Scheune entstanden sein. Vom Mobiliar konnte nur wenig gerettet werden, auch sind 2 Schweine mitverbrannt. Der Gebäude­schaden wird auf etwa 16 000 ^ geschätzt. Es wird Brandstiftung vermutet.

Se. Maj. der K^önig haben am 3. Dezbr. d. I. geruht eine gehobene Postsekretärstelle in Calw dem Postsekretär Schwarzmaier daselbst auf An­suchen unter Verleihung des Titels Postkassier zu übertragen.

Calmbach 4. Dez. Unweit von hier im Kleinenztal läßt Architekt Speidel von Pforzheim eine große Fischzuchtanstalt anlegen. Sie soll u. a. über 30 Weiher erhalten.

Tübingen 4. Dez. Dem Bericht über die Schöffengerichtsverhandlung gegen 44 Wirte in der Automatensache ist noch hinzuzufügen, daß 7 Wirte freigesprochen wurden. Sie hatten sogenannteZeppelin-Automaten" und die AutomatenHab Acht" in ihren Lokalen aufgestellt und diese Automaten seien nach Aussage des Sachverständigen als Geschicklichkeits- Automaten und nicht als Glücksautomaten zu betrachten. 37 Wirte wurden zur niedrigsten Geldstrafe von 3 Mk. verurteilt. Einige der Wirte wollen Revision gegen dieses Urteil einlegen.

Tübingen 4. Dez. Vor der Straf­kammer standen wegen versuchter Er­pressung die Bäckergesellen Heinr. Rents ch- ler von Herrenalb und Friedrich Jüngling von Heidelberg. Sie haben in Pforzheim zwei Briefe an eine Witwe und deren Sohn in Her­renalb geschrieben und gedroht, einen angeblichen Mord an einem reichen Amerikaner, einem Onkel des Rentschler, der vor vielen Jahren aus Herren­alb verschwunden sein soll, in die Oeffentlichkeit zu bringen, wenn die Witwe und ihr Sohn nicht 15 000 postlagernd nach Straßburg senden. Die Briefe waren mitEine schwarze Hand" und geheimnisvollen Zeichen unterschrieben. Jüng­ling reiste nach Karlsruhe, um die Briefe auf­

zugeben, und später nach Straßburg, um das Geld abzuheben. Dabei wurde er und später auch der Urheber des Ganzen, Rentschler, ver­haftet. Das Gericht sah die Sache merkwürdig mild an und verurteilte jeden der Angeklagten zu zwei Monaten Gefängnis.

Backnang 5. Dez. Vorgestern abend kurz vor 7 Uhr ist zwischen Oppenweiler und Backnang auf der Brücke in der Nähe der Adolfs'schen Fabrik ein Güterzug in eine aus dem Pferch ausgebrochene Schafherde, die sich auf die Bahnstrecke verirrt hatte, hineingefahren. Etwa 50 Tiere wurden getötet. Der Betrieb der Bahn ist nicht gestört worden.

Friedrichshafen 5.Dez. Derfurcht- bare Sturm, der in den letzten Tagen und Nächten wütete, hat dem Felchenfang ein rasches Ende bereitet. Der Fang war im all­gemeinen gut, doch ließ der Gangfischfang viel zu wünschen übrig. Morgen ist die Laichzeit beendigt und dann müssen die Netze, die seit dem 25. November ausgespannt sind, mit samt den Stangen wieder entfernt werden. Der Sturm hat die Netze sehr verdorben und teil­weise förmlich zu Seilen zusammengedreht, wo­durch auch das Aussehen der Fische gelitten hat.

Schechingen O.A. Aalen. Der pen­sionierte Schultheiß Krieger entfernte sich, laut Remszeitung, am letzten Mittwoch nach­mittag von Hause, offenbar in einem Anfall geistiger Gestörtheit, und ist seitdem spurlos verschwunden. Am Abend wurde er noch im Felde gesehen, fiel aber niemand auf, da man glaubte, er mache seinen gewohnten abendlichen Spaziergang. Als er zur gewohnten Zeit nicht nach Hause kam, waren die Seinigen um ihn sehr besorgt und begaben sich sofort auf die Suche, leider ohne Erfolg. Auch gestern wurde die ganze Umgegend ergebnislos abgesucht. Heute wurde die ganze Mannschaft der Feuerwehr auf- geboten, sie konnten auch keine Spur von dem Verunglückten entdecken. Es liegt ein tiefes Dunkel in dieser Sache, in welcher Art und Weise diesem Mann ein Unglück zugestoßen sein mag. Er war hier und in der ganzen Umgegend sehr beliebt und geachtet.

Neuhausen a. d. Würm 4. Dez. Von der Gewalt des letzten Sturmwindes kann man sich einen Begriff machen, wenn man erfährt, daß gestern zwei mit Stroh beladene Wagen, die zwei Händlern von Merklingen gehörten, in der Nähe unseres Ortes vom Sturme über die Straße geschleudert und auseinander gerissen wurden. Die Strohhändler mußten in der Nachbarschaft zwei neue Wagen holen und die alten umladen.

Pforzheim 4. Dez. In Biesels­berg hat sich gestern in selbstmörderischer Absicht der ledige 27jährige Goldarbeiter Jakob Burk­hardt in seiner elterlichen Wohnung mit einem Rasiermesser den Hals zur Hälfte durch und öffnete sich außerdem beide Pulsadern. Er lebt noch und wurde ins Krankenhaus nach Calw übergeführt. Burkhardt litt in letzter Zeit an Schwermut. Er dürfte kaum mit dem Leben davonkommen.

Pforzheim 4. Dez. Eine drakonische Strafe erhielt der Maurerverbands-Delegierte

Leicht vom hiesigen Schöffengericht für seine drastische Agitation. Er wollte einen aushilfs­weise an einem Neubau in der Schützenhausstr. als Maurer mitarbeitenden Techniker dadurch zum Beitritt in den Maurerverband bringen, daß er den Techniker in der Bauhütte überfiel, an der Gurgel packte und so lange würgte, bis dieser zustimmte. Als der Techniker seine Gurgel wieder frei hatte, war auch die Lust zum Bei­tritt zum Verband geschwunden und er machte Anzeige. Leicht erhielt sechs Wochen Gefängnis.

Berlin 4. Dez. (Reichstag.) Am Bundesratstisch: die Staatssekretäre Delbrück und Tirpritz. Zunächst wird ein schleuniger Antrag der Freisinnigen debattelos angenommen zur Einstellung zweier gegen den Abgeordneten Hansen (Däne) beim Landgericht Flensburg und beim Reichsgericht schwebenden Strafver­fahren. Es folgen die Interpellationen der Freisinnigen und der Sozialdemokraten betreffend den Werftbetrieb in Kiel. Abgeordneter Dr. Wiemer (Frs. Vp.): Mit Rücksicht darauf, daß über das Urteil im Kieler Werftprozeß Einzelheiten noch nicht vorliegen, erscheint es wünschenswert, die Beratung der Interpellationen um einen oder zwei Tage zu verschieben. Abg. Singer (Soz.) schließt sich diesem Wunsch an. Staatssekretär Tirpitz erklärt sich bereit, die Interpellationen am Montag zu beantworten. Die Interpellationen werden darauf von der heutigen Tagung abgesetzt, ebenso die übrigen Interpellationen, nachdem deren Beantwortung regierungsseitig für die nächsten Tage in Aus­sicht gestellt ist. Hierauf wird die erste Beratung der Vorlage betreffend Hinterbliebenenversicherung (8 15 des Zolltarifgesetzes 1902) fortgesetzt.

Berlin 3. Dez. Bei dem versuchten Raubmord in dem Postamte in der Schwedenstraße traten die Täter mit großer Kühnheit auf. Während der eine Briefmarken forderte, zog sein Spießgeselle einen Revolver hervor und gab einen Schuß auf den Beamten ab. Als er zum zweitenmal abdrücken wollte, versagte die Waffe. Die Kugel durchlöcherte den Uniformrock und drang unter der rechten Achsel ins Fleisch ein. Der Uniformrock warf an dieser Stelle eine Falte, sodaß die Kugel das Tuch zweimal durchbohren mußte. Die Wirkung des Schusses wurde dadurch bedeutend herabgemindert. Der Beamte behielt soviel Geistesgegenwart, das Schalterfenster zuzuwerfen, wodurch der Raub verhindert wurde. Dann aber eilte er, anstatt die Verfolgung der Verbrecher aufzunehmen, an den Telephonapparat, um das Hauptpostamt zu unterrichten, von dem das Zweigamt in der Schwedenstraße abhängt. Während er die Kurbel hastig drehte, eilten die Kollegen aus den Hin­teren Räumen herbei. Die Verbrecher hatten aber inzwischen das Freie gewonnen und waren spurlos verschwunden.

Berlin 5. Dez. Heute vormittag wurde in der Spree bei der städtischen Gasanstalt in der Nähe der Breslauer Straße der unbekleidete obere Teil des Rumpfes einer weib­lichen Person, der ursprünglich in Papier verschnürt gewesen war, von Fischern bemerkt und ans Land gezogen. Unterleib, Kopf und sämtliche Gliedmaßen fehlten und sind anscheinend mit einem scharfen Instrument abgetrennt wor-