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stellung gefunden habe. In den beiden letzten Tagen kam Otto, der schon einige Zeit ein ver­störtes Wesen zu Schau getragen, nicht zur Arbeit, und auch von seiner Wohnung blieb er fern, so daß nach ihm gesucht wurde. Gestern mittag stellte er sich wieder ein und begab sich um die genannte Zeit aufs Rathaus, wo er einigen Beamten gegenüber Andeutungen über sein Vor­haben machte. Bevor er sich ins Bürgermeister­amt begab, ließ er sich auf der Kanzlei ein GlaS Wasser geben, offenbar, um das mitgebrachte Cyankali aufzulösen. Als er dann gleich darauf das Bürgermeisteramt verließ, nahm er das Gift, das binnen wenigen Minuten seinen Tod herbeiführte.

Berlin 19. Nov. Der Verkehr in den Straßen Berlins hatte noch bis gestern Abend sehr unter dem Schnee zu leiden. Hunderte von Gefährten blieben längere Zeit stecken. Eine ganze Anzahl Pferde stürzten so schwer, daß sie der Abdeckerei überwiesen werden mußten. Die Verkehrsstörungen im Straßenbahnwesen machten sich bis gestern Abend bemerkbar. Die Wagen konnten nicht fahrplanmäßig verkehren. Auch ist es bisher noch nicht gelungen, die vielen unter­brochenen Fernsprechleitungen wieder herzustellen. Eine große Gefahr bildeten gestern die Schnee­lawinen, die nachmittags und in den Abend­stunden von den Dächern auf die Bürgersteige herabstürzten, wobei zwei Personen erheblich ver­letzt wurden. Auch aus dem Reich treffen un­unterbrochen Berichte über die vom Schneesturm verursachten Schäden ein.

Berlin 19.Nov. Zu einer aufregenden Diebesjagd kam es gestern, weil 2 Burschen von etwa 20 Jahren, die einen Diebstahl aus­geführt hatten, sich auf das Dach eines Hauses geflüchtet hatten und hinter dem Schornstein hockten. Sie konnten die Flucht nicht fortsetzen, weil das Nebengebäude niedriger war. Die Schutzleute begaben sich auf das Dach, wurden aber von den Burschen bedroht. Schließlich blieb nicht anderes übrig, als die Feuerwehr kommen zu lassen. Bevor sie eingriff, ergaben sich die Diebe, die bei dem fast dreistündigen Aufenthalt auf dem Dach nahezu erstarrt waren.

Paris 19. Nov. Inder Deputierten­kammer setzte Doumer in der Generaldis­kussion über das Budget seinen Bericht fort. Er verglich das französische Budget mit dem deutschen. Der Reichstag habe 520 Millionen an neuen Steuern oder an Steuer­erhöhungen bewilligt, die dieselben Gegenstände trafen, die auch in Frankreich besteuert würden. Doumer erklärte die Anträge auf Ablehnung der neuen Steuern en dloe für unannehmbar, Regierung und Kommission seien aber bereit, die Steuern einzeln zu beraten und, wenn nötig, abzuändern. Die Ausgleichung des Budgets sei die Bedingung für die Verwirklichung der Ar­beiterversorgung und für die Wohlfahrt des Landes. Finanzminister Cochery wies nach, daß der Wohlstand des Landes in gleichem Maße zugenommen habe wie das Budget gewachsen sei. Er habe vor allen Dingen ein klares Budget aufstellen wollen, glaube aber nicht, daß im Marineetat Ersparnisse gemacht werden können. Die Welt müsse die Empfindung haben, daß Frankreich in finanzieller Hinsicht stark und mächtig sei.

Rom 19. Nov. Dem Prinzen und der Prinzessin Antici Mattei wurden, während sie zwischen Parma und Modena im Speisewagen saßen, ihre Juwelen im Werte von 15 000 Lire gestohlen.

Windsor 19. Nov. Das Wiederauftauchen der Meldung, es sei eine Heirat zwischen König Manuel und einer englischen Prinzessin geplant, hat hier große Verstimmung hervor­gerufen. DasReuter'sche Bureau" ist aus­drücklich davon unterrichtet worden, daß die Nach­richt, Verhandlungen irgendwelcher Art hätten über diesen Gegenstand stattgefunden, vollkommen unrichtig ist.

New-Jork 19. Nov. Auf einem gestern Abend von der hiesigen Handelskammer veranstalteten Festmahl hielt der deutsche Bot­schafter Graf Bernstor ff eine Rede, in der er die Kriegsfurcht der letzten Zeit und die Reden

unverantwortlicher Personen geißelte und erklärte, der internationale Handel sei die stärkste Friedens­quelle. Die Nationen würden auf keinem anderen Wege besser zusammengeführt als durch die kommerziellen Bande und es sei deshalb höchst wünschenswert, daß dies auch zwischen Deutsch­land und Amerika der Fall sein möchte. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen müßten nach dem 7. Februar 1910 neu geregelt werden. Er hoffe aber, daß sie normal bleiben werden, und dies Gefühl scheine in Amerika und Deutschland ein gegenseitiges zu sein.

Vermischtes.

Eine prinzipielle Entscheidung. An­gesichts der in letzter Zeit durch die Presse ge­gangenen Erörterungen über die unverhältnis­mäßige Höhe der durch die Eisenbahn-Betriebs­ordnung vorgeschriebenen Strafe für solche Reisende, die eine höhere als die auf ihrer Fahr­karte angegebene Wagenklasse benützen, und an­gesichts der Erwägungen, die hieran über die Gründe geknüpft wurden, die manche Reisende zu diesem an sich unberechtigten Vorgehen ver­anlassen, ist eine Verhandlung von Interesse, die heute vor der Strafkammer Stuttgart stattfand. Am Abend eines Sonntags im März fuhr eine Gesellschaft von 7 Mann von Endersbach nach Stuttgart in der II. Klasse statt in der III., für die sie Karten hatten. Als sie in Endersbach einstiegen, war in der III. Klasse kein Platz, weshalb sie sich in das anstoßende Abteil II. Klasse des gleichen Wagens setzten. Dem durch den Wagen gehenden Zugmeister sagten sie das, der ihnen antwortete, daß am Ende des Zuges noch ein fast leerer Wagen III. Klasse laufe. Hinter Waiblingen kontrollierte der Schaffner die Fahrkarten; inzwischen war in dem anstoßenden Abteil III. Klaffe wieder Platz geworden, was der Schaffner den Reisenden sagte, diese blieben aber sitzen, wurden in Stuttgart vorgeführt und erhielten Strafbefehle über je 6 Auf die von zwei der Reisenden beantragte gerichtliche Entscheidung wurden vom Schöffengericht beide freigesprochen mit folgender Begründung: nachdem die Reisenden dem Zugmeister den Grund ihres Aufenthalts in der höheren Wagenklasse gesagt hatten und dieser sie nicht ausdrücklich aufforderte, umzusteigen, sondern sie nur auf das Vorhandensein leerer Plätze in der III. Klasse aufmerksam machte, konnten die Reisenden sich für berechtigt halten, weiter in der II. Klasse zu fahren; man konnte ihnen auch nicht zumuten, in Waiblingen umzusteigen, und da die Reisenden in dem Verhalten des Zugmeisters ein still­schweigendes Einverständnis erblicken konnten, so mußten sie aus subjektiven Gründen freigesprochen werden. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwalt­schaft Berufung ein und zwar auf Veranlassung des Präsidenten v, Stieler; die Generaldirektion wünschte die Herbeiführung einer grundsätz­lichen Entscheidung. In der Verhandlung vor der Strafkammer sprach der Verteidiger sich sehr scharf darüber aus, daß man die beiden Angeklagten als Versuchskaninchen zur Herbei­führung einer prinzipiellen Entscheidung benutze und beantragte Verwerfung der Berufung. Die Strafkammer hielt jedoch die Berufung für be­gründet, hob das erste Urteil auf und verurteilte beide Angeklagte zu 6 ^ Geldstrafe und zur Tragung sämtlicher Kosten. In der Begründung heißt es, daß die Aeußerung des Zugmeisters und des Schaffners über die freien Plätze natürlich keinen andern Sinn haben konnte als den, die Reisenden zum Verlassen der II. Klasse zu ver­anlassen und diese hätten mindestens hinter Waiblingen auch in die dann wieder frei ge­wordenen Plätze III. Klasse des gleichen Wagens umsteigen müssen. Das hätten sich selbstverständlich auch die Angeklagten sagen müssen und es liege demnach auch subjektiv eine Uebertretung vor, wegen der die Angeklagten zu bestrafen seien.

(Neck.-Ztg.)

Eine merkwürdige Krankheits­erscheinung. Ein Furunkel-Epidemie ist in Reinickendorf ausgebrochen. In der Gegend der Residenz- und Hauptstraße gibt es fast kein Haus, das von der Krankheit verschont geblieben ist. Vielfach sind ganze Familien da­

von befallen worden. Die Furunkel zeigen sich hauptsächlich am Halse und bestehen in dicken, schmerzhaften Geschwüren, sie erreichen eine solche Größe, daß die Leute meist gezwungen sind, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und das Zimmer zu hüten. Die Hauptschuld an der Epidemie wird dem Wasser zugeschrieben, es ist aber ein Rätsel weshalb gerade ein begrenzter Teil von Reinickendorf-Ost davon heimgesucht ist. Die Aufsichtsbehörde und das Reichsgesundheits­amt sind von der Krankheitserscheinung in Kenntnis gesetzt worden.

Ein erschütterndes Familien- drama hat sich in der Kohlenstraße in Linden bei Hannover abgespielt. Dort hat der Arbeiter Andre sich mit seiner Frau und seinen beiden Kindern (Mädchen im Alter von 8 und 10 Jahren) vergiftet. Der Grund liegt in Nah­rungssorgen.

Der Hagenbeck'sche Tierpark in Stellingen bei Hamburg hat in diesem Jahr etwa eine Million zahlende Besucher aufzuweisen. Im Jahr 1907, dem Eröffnungsjahr, wurden 842 749 Besucher gezählt, im vorigen Jahr 956 296 und in diesem Jahr fehlten am 10. November nur noch 6500 Personen an einer Million. Nach Hagenbecks System wird jetzt in Rom von einer Aktiengesellschaft ein großartiger Zoologischer Garten gebaut.

Zum Ausfüllen hohler Bäume, die erhalten werden sollen, wird im praktischen Rat­geber im Obst- und Gartenbau in Frankfurt a. O. empfohlen, das im Innern des Baumes befind­liche abgestorbene, lose Holz auszuscharren, hierauf sämtliche Innenflächen dick mit nassem Lehm zu bestreichen, dann den ganzen Hohlraum mit Beton auszufüllen und diesen gut festzustampfen. Mischung zum Beton 1 Teil Portlandzement, 4 Teile Sand und 8 Teile Kies oder kleingeschlagene Ziegel­stücke. Außen sichtbare Flächen sind mit Port- landzement-Mörtel, dem etwas Kalk zugesetzt werden kann, zu putzen. Der braunen Rinde entsprechend, kann auch mit Zementfarbe gemischt werden. Unfern Lesern wird die fragliche Nummer genannter Gartenzeitschrist vom Geschäftsamt des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau in Frankfurt a. O. auf Wunsch kostenlos zugesandt.

Standesamt Calw.

Gestorbene.

12. Nov. Maria Magdalene Meurer, geb. Engel, von Lirbevzrll, 45 Jahre 3 Mon alt.

17. Albert,S.d. Johannes Strobel,Weichen-

wärteis, 6 Jahre 11 Monate alt.

19. Wilhelm Friedrich Karl, S. d. Karl

Wilhelm Lösch, Lokomotivheizers, 2 Monate alt.

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