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bronn entspringende, in der Nähe von Schwendi in die Rot sich ergießende Laubach zeigt seit mehreren Jahren merkwürdige Erscheinungen, seinWasserreichtum verschwindet plötzlich und nur kleine Tümpel bleiben übrig. Viele Hunderte kleinere und größere Fische gehen dabei zu Grunde. Die Erscheinung dauert Heuer, trotz der reichen Regenniederschläge, länger an als früher. Sie ist umso merkwürdiger, als der Bach durch einen größeren Weiher, wie durch viele ihm aus den Waldungen zufließende Rinnsale gespeist wird. An eine Versinkung, ähnlich wie bei der Schwarzwalddonau, ist wohl kaum zu denken, doch dürsten eingehende Forschungen Aufklärung finden.
Burgrieden OA. Laupheim 18. Nov. Eine ledige, zuletzt in Ulm bedienstet gewesene Kellnerin schwindelte einem hiesigen Burschen, der im Herbst ds. Js. in Ulm vom Militär entlassen wurde, vor, daß sie ein Vermögen von 12000 ^ besitze, 28 Jahre alt sei und ihn heiraten wolle. Der Bursche nahm die reiche Braut mit nach Hause, wo sie von dessen Eltern aufs gastfreundlichste empfangen und mehrere Wochen beherbergt wurde. Da die Brautleute heiraten und eine Wirtschaft kaufen wollten, so besichtigten sie während dieser Zeit in den angrenzenden Oberämtern mehrere Wirtschaften, bis sie dann in Hörenhausen Gemeinde Sießen eine solche fanden, die ihnen paßte. Die Wirtschaft wurde von der reichen Braut um die Summe von' 21000 gekauft. Als gestern bei der
Uebernahme der Wirtschaft der Betrag von 5000 angezahlt werden sollte, stellte sich heraus, daß die Braut 35 Jahre alt und völlig mittellos sei. Weil dem bedauernswerten Bräutigam durch das betrügerisch erkaufte Anwesen bedeutende Kosten verursacht worden sind, so wurde^die stellenlose Schwindlerin festgenommen und an das Amtsgericht Laupheim eingeliefert.
Pforzheim 18. Nov. Gestern nachmittag vergiftete sich auf dem hiesigen Rathause im Zimmer des Bürgermeisters Dr. Schweickert der 30 Jahre alte verheiratete frühere Tiefbausekretär Otto. Er ist vor einiger Zeit wegen seines leichtsinnigen Lebenswandels entlassen worden. Die Tat erregte im Rathause große Bestürzung.
Donaueschingen 18. Nov. Der Kaiser begab sich mit dem Fürsten zu Fürstenberg und der Jagdgesellschaft heute Mittag zur Fuchsjagd in das Revier Amten- hauser Berg. Zur Erinnerung an die im Vorjahre in Donaueschingen erfolgte Begrüßung des Kaisers durch den Grafen Zeppelin mit seinem Luftschiff ist vom Fürsten zu Fürstenberg eine - Bronzetafel gestiftet worden, welche, nach dem eigenhändigen Entwurf des Kaisers von dem Bildhauer Sauer gefertigt, am fürstlichen Schloße angebracht und gestern im Beisein des Kaisers enthüllt wurde. Die Tafel hat
folgende Inschrift: „Am 7. Nov. 1908 zu Ehren der Ankunft des Kaisers und Königs Wilhelm II traf Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff „2 II" mit dem Kronprinzen Wilhelm an Bord, genau zu der Tags vorher angesagten Stunde von Manzell kommend um 2.05 Uhr nachmittags bei klarem, schönen Wetter vor dem Schloß ein, paradierte über dem Schloßhof, von allen die das Glück hatten an dem unvergeßlichen Augenblick teilzunehmen, mit begeistertem Jubel stürmisch begrüßt." Es folgen die Namen der damals im fürstlichen Schloß versammelt gewesenen Gesellschaft mit dem Generaladjutanten Grafen Hülsen-Häseler an der Spitze.
München 18. Nov. Gestern Mittag fand aus Anlaß der Anwesenheit des Herzogs Albrecht von Württemberg in der Residenz ein Diner zu 25 Gedecken statt, an dem der Prinzregent, Prinz Rupprecht, der württem- bergische Gesandte, Kriegsminister von Horn und eine Reihe von Offizieren und höhere Würdenträger teilnahmen. Abends gab der württembergische Gesandte zu Ehren des Herzogs ebenfalls ein Festmahl.
Berlin 18. Nov. An 4 Stellen und im Zentrum der Stadt sind im Lauf des Vormittags infolge des unausgesetzten Schneefalls die oberirdischen Telephonleilungen in großer Zahl gerissen. Da die herabfallenden Drähte auf die Starkstromleitung der Straßenbahn fielen oder zu fallen drohten, mußte die Feuerwehr zur Beseitigung der Gefahr alarmiert werden. Der Werder'sche Markt mußte längere Zeit für den Verkehr gesperrt werden, bis die Post Schutznetze unter ihre Leitungen gespannt hatte. Auch der Ortsverkehr war infolge mehrerer Drahtbrüche erheblich gestört. Im Innern der Stadt stürzten unter der Last des Schnees und der Wirkung des Sturmes je zwei Schornsteine ein.
Berlin 12. Nov. Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Nach einer telegraphischen Meldung des kaiserl. Konsuls in Chicago sollen unter den bei dem schweren Grubenunglück des Bergwerks St. Paul der Coal Company in Cherry (Illinois) vermißten Bergleuten angeblich mehrere Deutsche sich befinden. Der kaiserl. Konsul entsandte sofort einige Konsulatsbeamte an Ort und Stelle, um die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
Paris 18. Nov. Eine neue Protestversammlung gegen die neuen Steuern auf alkoholische Getränke und Lebensmittel fand gestern seitens der interessierten Hotelbesitzer, Restaurateure u. s. w. statt. Es wurden heftige Reden gehalten und angekündigt, daß die Betreffenden bis zum Aeußersten Widerstand leisten würden.
Vermischtes.
Memoiren Napoleons. Der Verlag von Robert Lutz in Stuttgart, der mit einer
Auswahl aus Napoleons Briefen angefangen hat, dM Zorsep bei uns als Schriftsteller weiteren Kreisen bekannt zu machen, wird nun auch die Memoiren Napoleons unter dem Titel: »^Napoleons Leben; von ihm selbst" veröffentlichen.
Bismarck und der Letzlinger Becher. Ein Leser schreibt der „Tgl. Rdsch.": Die ergötzliche Erzählung von dem Letzlinger Sabberbecher hat eine nette Erinnerung in mir wachgerufen. Mein Vater war in den Jahren 1860 bis 1873, also in unserer großen Zeit, Pfarrer in Setzlingen. Er wurde natürlich auch stets zur Tafel geladen. So hatte er die Ehre gehabt, alle die Großen jener Zeit persönlich kennen zu lernen, und ist auch des öfteren Zeuge gewesen, wie sich dieser oder jener von ihnen besabberte. Ich weiß nicht, in welchem Jahr es war, daß auch Bismarck das erstemal in Setzlingen erschien. Der bewußte Becher wurde ihm gereicht, alles sah zu, ob auch „er" sich beklickern würde; aber „er setzt' ihn an, er trank ihn aus", hob den Becher empor und rief, zum König gewandt, laut und deutlich: „Noch einen!" Dieses erzählte ich gestern, als ich nach Tisch meine „Tägliche" las, meinen Jungens. Drauf sagt der Aelteste, ein Quintaner, der sehr stolz darauf ist, wie einst Bismarck Schüler des Grauen Klosters zu sein, zu dem jüngeren Bruder voll Verachtung: „Na, wäre Bismarck in deine Schule gegangen, hätte er sich sicher och besabbert."
Gottesdienste.
24. Sonntag «ach Hrtnkt., 21. Nov Vom Turm: 6L0. Predigtlied: 62t. 9'/s Uhr: Predigt, Stadtpfarrer Schneid. 11 Uhr: Abendmahl für Leidende und Gebrechliche im VereinShaus. 1 UhrChristenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr: Lichtbilder-Abend im Bereinshans.
Aa««erstag, 25. Nov. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Dekan RooS
Samstag, 27. Nov. 6 l's Uhr: Vorbereitungsrede und Beichte, Stadtpfarrer Schneid.
Reklameteil.
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sich aus hundert kleinen, bedeutungsvollen Einzelheiten zusammen. Aus Armands verändertem Wesen, seiner häufigen Abwesenheit vom Klosterhof zu Zeiten, wo er auch nicht in Pareicken war — oft kommt er erst lang nach Mitternacht heim — vor allem aber aus seinem und Inges gegenseitigem Verhalten. Inge ist blaß und kummervoll, und oftmals meine ich, es ihren Augen anzusehen, daß sie geweint hat . . ."
„Und beklagt sich natürlich auch bitterlich," warf er mit scharfem Sarkasmus dazwischen.
„Inge sich beklagen? Wenn Du das vermutest, kennst Du sie wenig genug. Inge ist viel zu stolz und zu edel, als daß sie über den Mann, den sie liebt, auch nur eine abfälliae Bemerkung machen würde."
Er biß sich -auf die Lippen. Rc hatte sich Hinreißen lassen, etwas zu behaupten, woran er ja selbst nicht glaubte; nein, sie würde nichts sagen, nie, wenn ihr Herz stückweise zerrissen, ihr das Blut tropfenweise herausgepreßt, wenn ihre Seele Qualen leiden würde, und ihr Lebensglück zusammengebrochen vor ihr läge. Ein unbeschreibliches Gefühl von Zorn gegen Armand loderte in ihm auf, aber er bezwang sich.
„Ich kenne Dich als eine zu feine, zu scharfe und zu wahrheitsliebende Beobachterin, Anni, als daß ich Zweifel in Deine Worte setzen sollte," entgegnete er. „Was verlangst Du aber von mir, was soll ich tun?"
„Du sollst mit Armand sprechen, Du sollst ihm die Augen öffnen. Nicht wahr, sie ist schlecht, ganz schlecht, diese Baronin Evelin?"
Callein nahm die beiden Hände der vor ihr Stehenden in die seinen und sah ihr unendlich gütig, aber auch mit strengem Ernst in die Augen. „Anni, verkehrt Evelin nicht bei Euch, bei Tante Lie, bei vielen
vornehmen Familien in Berlin, Dresden, Paris? Trägt sie nicht einen guten alten Namen, und war ihr Mann nicht ein achtungswerter Ehrenmann?"
„Pah — als ob das ausschlaggebend wäre! Wem sagst Du das, Mark? Mir, einem Mädchen von dreißig Jahren, das mit offenen Augen durchs Leben gegangen? Du willst mir nichts antworten, weil Du mir nichts Gutes antworten kannst. Das genügt mir, ich hätte es mir denken können."
„Du denkst sehr viel und sehr klug, meine kleine Base, und oft auch gewiß sehr richtig; ob aber deine Kombinationen immer unfehlbar richtig sind, will ich doch nicht behaupten", entgegnete er mit einem Lächeln.
Anna wehrte ihn etwas ungeduldig ab. „Ich kenne ja das Gebot der Ehre und Noblesse, das einem Manne verbietet, eine Frau zu verraten", sagte sie, ohne auf seine Worte einzugehen, „aber ich bin nicht zum Scherz zu Dir herüber gekommen; Du weißt, daß ich Armand von Herzen liebe, Du weißt, er war unserer Mutter Abgott, seine glückliche Zukunft mit Inge ihr letzter Gedanke. Ich kann mich an niemand anders wenden, als an Dich. Was soll ich tun? Auf mich würde er nicht hören, ich würde nicht die rechten Worte finden. Ein Mann zum Mann kann anders sprechen, Markus, hilf ihm, hilf uns allen, Du allein kannst es", schloß sie innig flehend.
„Du überschätzest meinen Einfluß und meine Fähigkeiten, Anni, und unterschätzest die Schwierigkeit der Situation. Ich bin nicht die geeignete Persönlichkeit, laß mich aus damit."
Alle guten und bösen Gewalten reizen ihn; was Anna ihm eben gesagt hat, hat ihn über die Maßen erregt. — In seinen Blicken glimmt ein unruhiges Leuchten.- (Forts, folgt.)