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Handlung eingebrochen und aus einer Kontrollkasse und aus einem Schrankfach bar Geld im Betrage von etwas über 100 entwendet.
Stuttgart 4. Nov. Es wird die weitesten Kreise interessieren, daß Graf Zeppelin schon seit längerer Zeit mit der Herausgabe seiner Memoiren beschäftigt ist. Dr. Eckener ist mit der Durchsicht und Sichtung des Materials beauftragt.
Kirchheim u. T. 4. Nov. Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Triebwagen und einem Fuhrwerk wurde das Fuhrwerk mit den beiden Pferden zirka 50 Meter weit - geschleift und vollständig zertrümmert. Auch die Beschädigungen des Triebwagens sind bedeutend. Personen wurden nicht verletzt.
Raidwangen OA. Nürtingen 4. Nov. Von Alt und Jung freudig begrüßt, kamen die neuen Glocken für unsere Kirche hier an. Sie kommen aus der Glockengießerei H. Kurtz in Stuttgart und wiegen zusammen 564 kx. Die größte Glocke trägt außer einem hübschen Eichengewinde und einem wohlgelungenen Reliefbild Luthers die Inschrift: „Eine feste Burg ist unser Gott!" Die zweite Glocke ziert ein Reben- und Traubenkranz und das Wort: „Gottes Wort bleibet in Ewigkeit!" Die kleinste Glocke zeigt ein Rosengewinde mit dem Spruch: „Lasset die Kindlein zu mir kommen!" Die Glocken erklingen im U-cknr Dreiklang: d, ä, k und sind gestern und heute auf dem Turm montiert worden. Die beiden größeren Glocken sind Stiftungen hiesiger Familien.
Geislingen 4. Nov. Auf dem Rathaus wurde gestern die Wahl des neuen Stadtbaumeisters vorgenommen. Von 21 Bewerbern erhielt Werkmeister Otto Steiff auf dem hiesigen Stadtbauamt und Werkmeister Christian Aichelin zur Zeit in Mühlacker, die gleichen Stimmen. Das Los entschied dann zu Gunsten des Erstgenannten, der somit gewählt ist. Bei dieser Gelegenheit sei nochmals darauf hingewiesen, daß der letzte hiesige Stadtbaumeister bei einem irrtümlichen Aussteigen aus dem Bahnzug auf der Station Eislingen den Tod fand. Von verschiedenen Seiten ist dann sofort angeregt worden, den Namen der Station „Eislingen" wegen seiner Ähnlichkeit mit „Geislingen" zu ändern, vielleicht in „Klein-Eislingen", aber es scheint, daß die ganze Angelegenheit wieder ein- Mschlafen ist, bis wieder etwas passiert. Man Mte doch meinen, daß eine solche Bagatelle sich ohne langes Zögern kurzerhand erledigen ließe, Hmn kleinliche Einwürfe, wie sie von da und dort gekommen sind, verdienen keine Beachtung.
' Reutlingen 4. Nov. Der Unterricht des Wintersemesters 1909/10 am Technikum für Textilindustrie in Reutlingen wurde am 5. Oktober mit über 200 Tagesschülern aus
genommen. Der Besuch der Schule verteilt sich nach den einzelnen Abteilungen folgendermaßen: Spinnerei 68, Weberei und Musterzeichnen 110, Wirkerei 23, Textilchemie 5, zusammen 207 Tagesschüler, womit die Höchstziffer seit Bestehen der Anstalt erreicht worden ist. Gegenwärtig wird auch der fabrikmäßige Betrieb der komplott eingerichteten Abteilung für Kammgarnspinnerei ausgenommen, und damit ist der täglich zehnstündige Fabrikationsbetrieb der Maschinen aller Abteilungen durchgeführt. Die nächsten Kurse beginnen in der Weberei, Wirkerei und Färberei am 5. April 1910, für die Spinnerei am 4. Oktober 1910.
Reutlingen 4. Nov. Todesfälle, deren Ursache direkt auf Typhus zurückzuführen ist, sind in den letzten Tagen nicht mehr vorgekommen. Die Epidemie hat, wie der Oberbürgermeister im Gemeinderat mitteilte, nachgelassen und die Zahl der Erkrankungen nimmt stetig ab. In der gleichen Gemeinderatssitzung, in der diese Mitteilung gemacht wurde, sind die Gemeinderatswahlen auf den 9. Dezember anberaumt worden.
Ulm 4. Nov. Bei der Operation im Spital ist hier ein junger Mann gestorben, der mit einem Stich in der Herzgegend eingeliefert worden war. Er hatte sich diesen Stich mit einem Taschenmesser anscheinend selbst beigebracht. Die näheren Umstände sind noch nicht aufgeklärt.
Saulgau 4. Nov. Ueber den bereits gemeldeten Unglücksfall inHohentengen wird weiter berichtet: Wie bekannt, hat mit dem 1. November die Postfahrt I. Eberhardt hier übernommen. Da er einen neuen Postwagen anschaffte, wollte er den alten, schwerfälligen Wagen in seinen Garten verbringen. 6 Kinder benutzten nun die Gelegenheit, um eine kurze Postsahrt zu machen von der Straße durch den ! Hofraum in den Garten, 3 im Wagen und 3 auf dem Bock. Als das Pferd mit dem Wagen um die Hausecke von Eberhard fuhr, scheute es und schleuderte den Wagen gegen das Haus, so daß er umstürzte und die 3 Knaben auf dem Bock unter sich begrub. Ein 6jähriger Knabe, namens Rauch, war sofort tot, ein zweiter, 7jähr., namens Beller, erlitt zweifellos schwere innere Verletzungen, namentlich am Brustkorb, so daß er kaum mehr zu atmen vermag, einem dritten,
9 bis 10 Jahre alt, wurde die Stirnhaut abgestreift. Von den drei Insassen des Postwagens erlitt Eberhards Töchterlein einen Achselbruch, die übrigen zwei kamen so ziemlich unbeschädigt davon.
Ravensburg 4. Nov. Der Fischereilehrkurs wurde mit eine Ansprache des Ober- verwaltungsgerichtsrates Dr. Haller, 2. Vorsitzenden des württ. Landesfischereivereins, an die Kursteilnehmer geschloffen. Er dankte wieder
holt dem Oberbürgermeister Reichle für die Ueber- lassung des Konzerthaussaales, dem Hofrat Hinderer, Fabrikanten Vogler, sowie allen, welche sich für das Arrangement des Kurses bemüht haben, insbesondere aber dem Oberstudienrat Dr. Lampert und Dr. Hein für ihre Vorträge. Tarauf wurde die hiesige Fischzuchtanstalt besichtigt, wo noch einige praktische Demonstrationen stattfanden. Hierauf folgte ein Spaziergang an den Flattbachweiher, wo Oberförster Schlette im Namen der Kursteilnehmer für die Abhaltung des Kurses dankte.
Pforzheim 3. Nov. In der Nacht nach der Landtagsstichwahl wurde hier im Cafe Windsor in dem mehrere Herren der Nationalliberalen saßen, ein großes Schaufenster im Werte von 350 mit einem Stein vorsätzlich ein- geworfen. Der Täter entkam.
Aus dem bayr. Allgäu 4. Nov. Im königlichen Jagdgebiet Oberstdorf stießen zwei Jagdaufseher auf Wilderer. Es kam zu einem erbitterten Kampfe, in dem einer der Wilderer (vom Lechtale) erschossen wurde. Der andere konnte dingfest gemacht werden und wurde ans Amtsgericht Sonthofen eingeliefert.
München 4. Nov. Die Kammer der Abgeordneten hat mit 130 gegen 20 Stimmen das Einkommensteuergesetz angenommen, durch das eine allgemeine progressive Einkommensteuer im Königreich Bayern eingeführt wird.
Köln a. Rh. 4. Nov. Der heute Vormittag aus Leichlingen hier eingetroffene „kill" unternahm um II?/s Uhr eine Geschwindig- keitsfahrt, legte 10 km 2 mal in 18 bezw. 21 Min. zurück und landete um 1.30 Uhr vor der Halle. Das Luftschiff fuhr in Höhen bis zu ca.
- 500 m. An der Geschwindigkeitsfahrt nahmen
- teil: Major Sperling, Oberst Messing und Hauptmann Grützner. Bei der Abfahrt von Bickendorf nach Leichlingen stieß „P III" an einen Dachsparren der in unmittelbarer Nähe gelegenen Kantine an, ohne jedoch Schaden erlitten oder angerichtet zu haben. — II" stieg um 12 Uhr zu einer Höhenfahrt auf und zwar unter Führung des Majors Groß, umfuhr in ca. 1300 m Höhe in weitem Umkreise die Stadt Köln und landete nach etwa 5stünd. Fahrt um 5'/- Uhr. — Um 2 Uhr unternahm „kl" gleichfalls eine Höhenfahrt unter Führung des Hauptmanns v. Kehler, machte über Köln eine Schleifenfahrt in ca. 1000 m Höhe und landete gegen 5 Uhr ca. 300 m von der Halle entfernt. — „2 II" beteiligte sich an den Höhenfahrten nicht, da die Motore einer genauen Prüfung unterzogen wurden. Das Wetter war sichtig, der Wind aber zeitigweilig sehr stark böig, was namentlich das Jnnehalten einer gleichmäßigen Höhe bei der Schiffsführung unmöglich machte.
„Heute habe ich kein gutes Gewissen, Herr v. Ferni," sagte sie, mit einem reizenden Lächeln zu Armand aufschauend, „ich kam in räuberischer Absicht."
Er sah sie fragend an, in dem Blick ein seltsames bewunderndes Leuchten.
„Ich suche ein Motiv für ein Bild und hoffte hier eins zu finden, die Erlaubnis, es zu malen, hätte ich natürlich erst nachgeholt aber immerhin raubte ich's Ihnen doch."
Armand lachte auf.
„Wenn es weiter nichts ist, Baronin, wonach Sie Verlangen tragen, die ganze Ruine mitsamt dem See und dem Klosterhof drüben steht Ihnen zur Verfügung. Ich wußte ja übrigens gar nicht, daß Sie auch dieses Gebiet der Kunst beherrschen."
„Welche Kunst beherrscht die Baronin nicht, wenn sie will!" warf Callein dazwischen, lüftete den Strohhut und fuhr mit seinem Foulard leicht über die Stirn.
„Sie beurteilen mich schmeichelhaft, Graf Callein," entgegnete Evelin mit demselben holden Lächeln und den unbefangensten Blicken ihrer schönen blauen Augen.
„Das kommt auf die Auffassung an, gnädige Frau," antwortete er, ohne sie anzusehen, halblaut. Evelin lächelt auch hierzu und droht ihm scherzend mit dem Finger. Sie widmet sich heute ganz den Damen. Zwischen dem düstern Schwarz ihrer Trauerkleider hebt sie sich in ihrer zarten, mit farbigen Zeichen geschmückten Sommertoilette wie eine Licht- gestglt ab, und unter dem großen, weißen Spitzenhut mit dem köstlichen Rosenschmuck schaut ihr entzückendes Gesicht mit den großen, leuchtenden Blauaugen wie ein Blumenantlitz hervor — sie bringt Anregung, Frische, Heiterkeit in den kleinen Kreis. Armand teilt sein Interesse zwischen ihr und seiner Braut, er ist fröhlicher als sonst — Callein stiller; wenn er
etwas sagt, ist es treffend, geistvoll, humoristisch-satyrisch; ein kurzes Wortgefecht zwischen ihm und Evelin ist eine Verschwendung an schlagfertigem Witz und sprühenden Geistesfunken. Anna v. Fernis Augen ruhen mit Bewunderung auf ihm. Inge sitzt seitwärts auf dem Stück eines mächtigen Quadersteins, sie lehnt an dem altersgrauen Gemäuer des Kreuzganges, durch die leere Fensterhöhlung über ihr nicken Efeuranken. Ihre Augen, weit geöffnet, sind geradeaus gerichtet, sie schaut in das grüne Blättergewirr der alten Friedhofslinden, wo die Vögelein ihr Abendlied zwitschern Armand sieht jetzt nur noch Evelin; ihr lachender Mund, ihre lachenden Augen erscheinen ihm als etwas Neues, Reizvolles in der stillen, noch immer von Trauer umhauchten Atmosphäre seines täglichen Lebens, und ein paarmal stimmt er fast übermütig in das fröhliche Lachen ein. Nach langer Zeit hat er wieder einmal das Empfinden, daß er wirklich noch lustig sein kann, zum erstenmal beneidet er fast Callein um seine Schlagfertigkeit, seine Art zu sprechen, seine Fähigkeit, die Menschen ganz für sich zu interessieren. Evelin hat für ihn, Armand, gar keine Aufmerksamkeit, eigentlich niemand, alle haben nur Augen und Aufmerksamkeit für Callein, der auf einer kleinen steinernen Bank sitzend, ein Knie über das andere gelegt und die Hände darum geschlungen, den kleinen Kreis beherrscht. Inge ist die einzige, die nicht zu ihm hinübersieht, aber, daß sie den Wortlaut seiner Stimme hört, das kann sie nicht hindern, dagegen kann sie sich nicht verwahren. „Wer ist glücklich?" Diese Frage drängt sich ihr wieder plötzlich auf — wer von denen, die hier um sie versammelt sind — wer? Anna mit ihrer Unabhängigkeit, ihrem Reichtum, dem schwächlichen kränklichen Körper, oder Gräfin Lie Volgers, die alles, was ihr im Leben lieb gewesen, begraben, und deren Alter nun einsam ist oder Callein, der ruhelose, oder die schöne, heitere Frau, oder Armand und sie oder gar Mathilde Berner? „Vielleicht ja, vielleicht doch Mathilde Berner, und ich — und ich", ruft sie dann innerlich. (Forts, folgt.)