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und den Ersatz der Kosten für die Krankenhausbehandlung und sonstiger Auslagen. Graf Zeppelin habe ihm 3000 geboten unter der Voraussetzung, daß Böhler anerkenne, daß dies aus Liberalität geschehe. Der Kläger hat das Angebot aber abgelehnt. Der Vertreter des Grafen Zeppelin, Rechtsanwalt Dieterle-Ravensburg, bestreitet die Fahrlässigkeit, da Graf Zeppelin nach dem Stand der damaligen Erfahrungen alles getan habe, was zur Sicherung des Schiffes nötig gewesen sei. Unrichtig sei, daß Graf Zeppelin das Angebot militärischer Hilfe abgelehnt habe. Die mechanische Verankerung habe nicht bloß in dem Anker, sondern auch in einem mit Erde gefüllten und eingegrabenen Sack bestanden. Ebenso sei das Wetter ständig beobachtet worden. Der Sturm sei aber so plötzlich aufgetreten, daß er das Schiff völlig überraschend angegriffen habe. Der nächste Termin wurde, laut Franks. Ztg., auf 14 Tage verschoben, um Zeit zu Vergleichsverhandlungen zu gewinnen, zu denen sich grundsätzlich beide Parteien bereit erklärt haben.
Stuttgart 27. Okt. Der Württemb. Gartenbauverein hielt gestern abend seine erste Monatsversammlung in diesem Spätjahr, im großen Saal des Bürgermuseums. Der Vorstand Oberfinanzrat v. Renner kam in seiner Begrüßungsansprache u. a. auf das Ergebnis des Wettbewerbs für Fenster- und Balkonschmuck zu reden, bei dem die Leistungen nicht ganz im Verhältnis zu der großen Beteiligung gestanden seien; jedenfalls aber dürfe der Verein sich das Verdienst zuschreiben, daß allgemein in Stuttgart, auch in Kreisen, die sich an dem Wettbewerb nicht beteiligten, der Blumenschmuck der Häuser und Straßen einen schönen Aufschwung genommen haben. Weiterhin wies der Vorstand auf die Veröffentlichung einer neuen Mitgliederliste hin, die zugleich dazu beitragen soll, die Werbearbeit für den Verein zu beleben und den Rückgang der Mitgliederzahl durch Ergänzung aus den Reihen befreundeter und be-' kannter Familien auszugleichen. An der Ausstellung von Blumen und Pflanzen, die mit den Monatsversammlungen regelmäßig verbunden ist, hatten sich 10 Gärtnerfirmen, sowie die Villagärtnerei Berg beteiligt. Man sah viel Schönes, namentlich in Cyklamen und Chrysanthemum. Hervorgehoben seien die prachtvollen Riesendahlien Wilhelm Pfitzers, darunter eine Neuheit für 1910 „Riese von Stuttgart", die mächtigen Hortensien von Julius Fischer, ferner aus den Kollektionen dieser beiden Aussteller ganz gänseblumenartige rote Chrysanthemen, die fein gekräuselten werßen Chrysanthemum von P. Sick, die mit ihrem üppigen Blätterwuchs den Topf dicht überwölbenden Cyklamen von C. Faiß, die zu einer Pyramide gezogenen
Medeola-Schlingpflanzen von Fr. Haug, usw. Ein Vereinsmitglied, H. Aldinger vom Burgholzhof erfreute mit einer für die späte Jahreszeit überraschend reichhaltigen und schönen Sammlung abgeschnittener Rosen aus dem Freien. Für den Vortrag des Abends war Prof. Dr. E. Fraas gewonnen, den der Vereinsvorstand in einleitenden Worten zu seiner völligen Genesung von schwerer, als Nachwehen der ostafrikanischen Reise aufgetretenen Erkrankung beglückwünschte. Der Redner entwarf ein reichhaltiges, fesselndes und durch drastischen Humor belebtes Bild von der ostafrikanischen Vegetation, angefangen von der Farbenpracht, welche die nicht ausschließlich durch tierische, sondern auch durch pflanzliche Lebewesen gebildeten Korallenriffe vor den ostafrikanischen Häfen bei Ebbe darbieten. Man lernte, vielfach in neuer, eigenartiger Schilderung, wie sie nur eigene Anschauung zu geben vermag, die Mangrovewälder an der Küste kennen, an deren Ausbeutung zu industriellen Zwecken (Gerberei) auch eine Stuttgarter Gesellschaft beteiligt ist, dann einige durch Größe und Seltsamkeit der Erscheinung besonders auffallende, wildwachsende Bäume, wie den Affenbrotbaum und den Leberwurstbaum. Nach einem Hinweis auf die große Ausdehnung, welche die Kultur von Zier- und Nutzbäumen aller Art in Ostafrika genommen hat, erwähnte der Redner einige der köstlichsten Früchte Ostafrikas: die dem Europäer anfangs nach Terpentin schmeckende, aber bald sehr mundende Mangofrucht und die in jeder denkbaren Form verwertete Banane. Er schilderte ferner die Rentabilität der als Erwerbsbaum angepflanzten Kokospalme auch für den kleinen Mann und den Schmuck, den die wildwachsenden Palmenarten der Landschaft verleihen. Von den Nutzpflanzen der Eingeborenen wurden besonders hervorgehoben die Hirse, die für den Neger nicht nur Mehl, sondern auch Malz und Hopfen bedeutet und das Pombebier für die orgiastischen Gelage der Karawanenträger liefert; ferner das Zuckerrohr, von dem auf den Karawanenmärschen „ganze Kilometer" gekaut werden. Lehrreiche Einblicke gab der Vortrag in die Schwierigkeiten der Plantagenwirtschaft, in die Nachteile und Gefahren, die ihr das ungeheure Wachsen des Unkrauts und Schädlinge aller Art, insbesondere Affen, Wildschweine, Negerdiebe bereiten, wobei in erheiternder Weise der nützlichen Polizeidienerrolle des Löwen gedacht wurde. Nicht minder interessant war die Schilderung des verfilzten, undurchdringlichen, nur durch Wegbrennen zu meisternden Buschwalds, der herrlichen Blicke gewährenden Steppe mit ihren Jnselbergen, ihrem Wildreichtum und ihren Charakterbäumen, endlich des Urwalds mit seinem undurchdringlichen Blätterdach, seiner Stickluft, seiner üppigen Vegetation.
Die ebenso belehrenden als kurzweiligen Schilderungen wurden mit lebhaftem Beifall ausgenommen. — Eine Verlosung von Früchte- Tellern beschloß den Abend.
Eßlingen 27. Okt. Der Flugapparat Eipperle wurde gestern abmontiert und es werden erst im Februar neue Versuche angestellt werden. — Anläßlich der Grabungen nach Quellwasser auf dem Gelände der Eßlinger Maschinenfabrik bei Mettingen trat die Wünschelrute mit Erfolg in Tätigkeit. Ein Handwerksmann aus Untertürkheim, der sich der Kunst des Wasserfindens rühmt, machte sich anheischig, Wasser auf dem Gelände zu finden und siehe da, die Wünschelrute zeigte eine Stelle, die Wasser in größerer Menge liefert, wenn auch nicht so viel, daß die Fabrik ihren.ganzen/Be- darf decken kann. Allerdings >^ekgte^ sie eine weitere Stelle nicht an, unter der Hei der Grabung viel Wasser gefunden wurde. Professor Weyrauch an der Technischen Hochschule in Stuttgart erzählte, daß die Versuche, die der tbekrynte H^r»" von Uslar im Versickerungsgebiet der Donau gemacht habe, von ganz überraschendem Erfolge gewesen seien. Q s ,
Ludwigsburg 27. Okt.'-Den mannigfachen Funden aus, römischen/Niederlassungen, die in/ÄAr letzten Jahren in der Gegend gemacht wurden, reiht sichsicht sin neuer an, und zwar auf Markung Heutingsheiry, nahe Monrepos. Dort hatte man schon im Jahre 1906 die Reste einer Badeanlage aufgedeckt. Auf einer nahegelegenen Anhöhe stieß nuy.in letzter Woche 8tucl. Pneet von Heutingsheick bei Nachgrabungen auf das dazu gehörige Wohngebäude von 13,5 Meter Länge und 9 Meter Breite. Die einzelnen Räume sind ziemlich deutlich zu erkennen, trotzdem der Pflug die wenig tief fundierten Mauern im Laufe der Jahrhunderte stark zerstört. Von dem Gehöft führte/vermutlich ein gepflasterter Weg zu dem etwa 50 Meter entfernten Bad hinab. Nach Süden war das Anwesen durch einen Wall mit Pallisaden abgeschlossen. Es handelt sich um eine villg. lusticanu, einen Bauernhof aus dem 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus.
Heilbronn 27. Okt. Ein böser Druckfehler, der aber viel belacht wird, ist einer der hiesigen Zeitungen passiert. In der amtlichen Einladung zu den Weinversteigerungen in Heilbronn, Neckarsulm und Weinsberg läßt sie die „Herren Weintäufer zu zahlreichem Besuch ein- laden". Die Weinhändler, die Hauptabnehmer des Weines auf diesen Versteigerungen, werden nur mit gemischten Gefühlen diese Einladung als an sie gerichtet betrachten.
Diese Jngeborg Herrnstein ist nicht eigentlich schön, nein gar nicht, aber viel mehr als das, viel mehr wenigstens für mich; sie ist interessant, sie ist anmutig, nicht alltäglich, sie gibt so ein klein wenig zu raten auf, und alles Rätselhafte hat stets einen eigenen Reiz für mich gehabt. Schade, daß meine Zeit mir nicht erlaubt, mich mit dieses Rätsels Lösung zu beschäftigen; vielleicht ist es besser so, vielleicht wäre ich sonst ernüchtert. In einigen Tagen gehe ich wieder auf Reisen. Die Güter, die so lange ohne mich bestanden, werden es auch noch sechs Monate länger, und es ist bester, ja es ist bester."
Das letzte Wort war sehr energisch und mit festen Zügen auf das Papier geworfen. Callein legt ein Löschblatt in das Buch und klappt es zu. Eine Stunde später ist auch das Fenster im Seitenflügel dunkel. —
5.
Es kam nun allmählich alles auf dem Klosterhof wieder in das alte Gleise. — Die Morgenstunden, die Frau v. Ferni in Armands Begleitung auf die verschiedenen Güter führten, die gemeinsame Frühstücksstunde, die Zwischenzeit bis zum Diner, die jeder auf seine Weise ausnützte, und nach dem Diner der Kaffee auf der Terrasse, Spaziergänge, Ausfahrten, Spazierritte.
Callein, der als Gast auf dringendes Bitten noch blieb, nahm natürlich an allem teil. Es ergab sich ja fast von selbst, daß bei allen gemeinsamen Unternehmungen Callein der Begleiter Annas war, da das neue Brautpaar sich nur selten trennte. Eines Tages aber lenkte Callein sein Pferd an Inges Seite, irgend eine Bemerkung über die Gegend machend, und Armand wurde dadurch gezwungen, neben seiner Schwester zu reiten.
„Misten Sie, daß wir uns eigentlich schon lange kennen, gnädigste Cousine?" fragte Callein ziemlich unvermittelt.
„Kennen?" Inge sah ihn voll an, aber vor seinem tiefen, forschenden Blick senkte sie die Wimpern.
„Nun, wenigstens, daß wir uns schon begegnet sind?"
Sie schwieg einen Augenblick.
„Ja," sagte sie dann ruhig.
„Es ist ein eigentümliches Schicksalsspiel, das uns hier wieder zusammenführt."
Sie zuckte leicht die Achseln. „Das Schicksal spielt oft wundersam," sagt sie.
„Sie wissen auch, daß Armand neben mir stand?"
„Armand? Nein?"
Seine weißen Zähne gruben sich sekundenlang fest in die Unterlippe.
„Doch," sagte er dann sehr langsam, „Sie müssen ihn gesehen haben, er stand neben mir."
„Ich erinnere mich dessen nicht," gab sie unbefangen zur Antwort.
Markus Callein griff so fest in die Zügel, daß der Rappe hoch aufstieg.
„Verzeihung," sagte er, ihn zur Ruhe zwingend, „Verzeihung —" Und ohne ein Wort weiter hielt er sein Tier zurück und überließ Armand den Platz neben seiner Braut. —
„Wißt Ihr," sagte Frau v. Ferni eines Nachmittags, als man sich eben in dem schönen gewölbten Speisesaal zu Tisch gesetzt hatte, „wißt Ihr, was ich für heute nachmittag in Vorschlag bringen möchte?"
„Nun?"
„Einen Besuch bei Tante Lie. Wir müssen ihr doch das Brautpaar vorstellen, und Du, Mark, hast ihr auch noch nicht Guten Tag gesagt."
„Ja, ja, fahren wir zu Tante Lie. Ist sie denn schon zu Hause?"
„Natürlich, seit gestern. Sie hat ihre große Sommerreise beendet und schachtelt sich wieder für einige Monate auf Pareiken ein. Inge kennt sie noch gar nicht."
„Noch nicht?" rief Callein. „Und Pareiken auch nicht? O, dann werden Sie sehr überrascht sein und denken, Sie träten in ein Reich längst vergangener Zeiten."
„Tante Lie ist Witwe, Inge", erklärte Anna. „Sie heiratete schon ziemlich spät einen viel jüngeren Mann und begrub ihn nach sechs Jahren.