1056

soll den Kleinen zu diesem nächtlichen Ausbleiben veranlaßt haben.

Gmünd 21. Okt. Am Dienstag wurde eine junger Bursche aus dem Markt von einem gut gekleideten Manne, welcher sich als Geheim­polizist ausgab, für verhaftet erkärt, es sei ein­gebrochen worden und er sei verdächtig. Der Verhaftete" ging mit und der angebliche Geheimpolizist führte ihn in denWalfisch" 2 Treppen hoch. Dort fragte er, wie dieRems­zeitung" meldet, den jungen Burschen, ob er ein Messer oder einen Revolver bei sich führe. Auch sein Geld solle er hergeben. Da derVerhaftete" nichts von allem besaß, sagte der Schwindler, er könne dann wieder gehen, die Sache verhalte sich anders. Auf dem Markt sagte es der Bursche sofort einem Schutzmann, aber der Vogel hatte sich schon wieder unter die Menge gedrückt.

Ulm 21. Okt. Vor dem Schwurgericht hatte sich gestern der 1843 geborene Amts- und Polizeidiener Joh. G. Wittlinger von Weiden­stetten O.A. Ulm wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verantworten. Er hatte am 20. Juli seine Frau, die dem Trünke ergeben war und wieder betrunken zu ihm aufs Feld kam, aus Zorn darüber, daß sie solche Schande über ihn gebracht, mit der Heugabel so schwer ver­letzt, daß sie an einer Gehirn- und Herzlähmung starb. Trotzdem verneinten die Geschworenen die Schuldfrage und Wittlinger wurde freigesprochen.

Ulm 21. Okt. In der hier abgehaltenen Bezirkskonferenz des Zentralverbandes christlicher Textilarbeiter Deutschlands, Bezirk Württemberg, wurde nach der Besprechung verschiedener Verbands- und Unterstützungsan­gelegenheiten auch das Vorgehen der sozial­demokratischen Gewerkschaften, insbesondere das des sozialdemokratischen Tcxtilarbeiterverbandes gegen den christlichen Textilarbeiterverband be­sprochen und nach einem Referat des Bezirks­leiters Wimmer- Göppingen folgende Resolution einstimmig angenommen:Die Konferenz des Zentralverbandes christlicher Textilarbeiter Deutsch­lands, Bezirk Württemberg, spricht ihre Ent­rüstung über das arbeiterschädigende Treiben des sozialdemokratischen Arbeiterverbandes aus. Besonders verurteilt die Konferenz die Ver- läumdungen, die vom sozialdemokratischen Verband über den christlichen Verband und dessen Vor­sitzenden verbreitet wurden. Die Konferenz er­klärte weiterhin, daß der sozialdemokratische Verband, dessen Gauleiter selbst erklärte, daß weniger um Lohnforderungen durchzudrücken der Streik empfohlen wurde, als um den Klassen­kampf zu entflammen und durch eine Aussperrung die Nichtorganisierten zum Klaffenkampf aufzu­rütteln, nicht als Organisation zur Vertretung der Arbeitintereffen in Betracht komme und fordert die Textilarbeiterschaft auf, geschloffen

dem Zentralverband christlicher Textilarbeiter Deutschlands beizutreten, der zu jeder Zeit be­wiesen hat, daß er ohne politische Zwecke zu verfolgen, die Interessen der Textilarbeiterschaft wahrzunehmen versteht."

Friedrichshafen 21. Okt. Das Luft­schiff 2III das um 1 Uhr 20 Min. zu einer Probefahrt aufgestiegen ist, kehrte um 4 Uhr 15 Min. wieder in seine Halle zurück. Zum erstenmale waren heute alle 3 Motors gleich­zeitig in Betrieb. Wie verlautet ist das Resultat sehr gut.

T Pforzheim 21. Okt. Das Ergebnis der Landtagswahl ist folgendes: Pforzheim, nördl. Stadtteil, Stichwahl zwischen Wittum (nat.), der 1308 Stimmen und Harter (Soz.), der 1818 Stimmen erhielt. Im südl. Stadtteil ist Geck (Soz.) mit 2194 Stimmen gewählt. In Pforzheim Land siegte Stockinger (Soz.) mit über 2000 Stimmen.

Karlsruhe 21. Okt. Die heutigen Wahlen zum badischen Landtag hatten folgende Ergebnisse (die gesperrten Parteinamen bedeuten, daß die betreffende Partei bisher das Mandat für den Wahlkreis innehatte):

Bruchsal-Stadt: Hoffmann (Dem.) 918 St., Wiedemann (Ztr.) 1189 St., Willi (Soz.) 276 St. Stichwahl. Rastatt- Stadt: Gräfinger (Ztr.) 428 St., Niederbühl (na tl.) 356 St., Vogel (Dem.) 276 St., Kolb (Soz.) 472 St. Stichwahl. Lörrach- Stadt: Rösch (Soz.) 855 St., Sutter (frs.) 447 St., Klug (natl.) 311 St., Böhler (Ztr.) 309 St., Veit (christl.-soz.) 68 St. Stich­wahl. Lahr-Stadt: Kunzer (natl.) 905 St., Mansch (Soz.) 974 St., Häfner (Ztr.) 198 St.Stichwahl.Offenburg-Stadt: Simmler (Ztr.) 945 St., Muser (Dem.) 772 St., Monsch (Soz.) 682 St. Stichwahl. Sinsheim: Neuwirth (natl.) gewählt. Karlsruhe-Stadt IV: Kolb (Soz.) ge­wählt. Durlach-Stadt: Weber (Soz.) ge­wählt. Freiburg-Stadtl: Fehrenbach (Z t r.) 1484 Stimmen, Winkelmann (natl.) 746 St., Engler (Soz.) 789 St. Stichwahl. Frei­burg-Stadt II: Heitzler (Ztr.) 1634, Hüls­mann (natl.) 862 St., Kräuter (Soz.) 1212 St. Stichwahl. Freiburg-Stadt III: Hauser (Ztr.) 1161 St., Göhring (natl.) 1348 St., Grumbach (Soz.) 482 St Stichwahl. Staufen-Schönau: Kopf (Ztr.) gewählt.

Mannheim 21. Okt. Die Resultate der badischen Landeswahlen sind, soweit bis jetzt bekannt geworden, folgende: Mannheim I: Geiß (Soz.) ist mit 29127 Stimmen gewählt, Anselm (Demokrat) 928, Schenk (Ztr.) 526 Stimmen. In diesem Wahlkreis stimmten 95°/o ab.

Mannheim II: Kramer (Soz.) ist mit 2800 Stimmen gewählt, Danziger (Freis.) 817, Gulden (Ztr.) 428 Stimmen.

Mannheim 111: Vogel (Demokrat) ist mit 1590 Stimmen gewählt, Berber (Soz.) 1018, Müller (Ztr.) 404 Stimmen.

Mannheim IV: König (Nat.-lib.) 2417, Geck (Soz.) 1981, Karl (Ztr.) 581 Stimmen. Nach­wahl zwischen dem nationalliberalen und sozial­demokratischen Kandidaten.

Mannheim V: Süßkind (Soz.) ist mit 3139 Stimmen gewählt, Benziger (Nat.-lib.) 914, Noll (Ztr.) 789 Stimmen.

Nürnberg 21. Okt. Der Streik in der Wolff'schen Zelluloidwarenfabrik, in dessen 3 Monate währendem Verlauf es wiederholt zu Zusammenstößen zwischen Streikenden und Ar­beitswilligen kam, ist gestern nach zweitägigen Verhandlungen beigelegt worden.

München 21. Okt. In der vergangenen Nacht wurde im deutschen Museum in der Zwei­brückerstraße ein Einbruch versucht. Die Diebe wurden aber von dem Wächter überrascht. Bei der Flucht gaben sie mehrere Schüsse ab, ohne jemand zu verletzen. Es gelang ihnen, zu ent­kommen. Um 2 Uhr in der verflossenen Nacht wurde in der Brunnenstraße ein Sprenggeschoß zur Explosion gebracht. Die Detonation war so stark, daß die Fenster in der Nachbarschaft zersprangen. Die Täter sind unbekannt.

München 21. Okt. Gestern Abend fand eine vom sozialdemokratischen Verein einberufene Versammlung über den bayrisch­russischen Auslieferungsvertrag und über die Erschießung Ferrers statt. Es wurde einstimmig eine Resolution angenommen, die die bayrische Regierung auffordert, die Auf­hebung des völkerrechtswidrigen Uebereinkommens herbei zu führen. Ueber das zweite Thema wurde eine Resolution angenommen, daß die Erschießung Ferrers als kulturfeindlich bezeichnet und gleichzeitig ihre Sympathie für die Freiheits­bewegung in Spanien ausdrückt.

Koblenz 21. Okt. Bei einer Feld ja gd in der Nähe von Koblenz spielten Kinder in einer Sandgrube und eilten, als sie einen Schuß hörten, aus dieser heraus, um zu sehen, was der Jäger getroffen habe. Beide Schützen, zwei Herren aus Neuwied, feuerten gleichzeitig ohne die Kinder zu sehen. Alle sechs Kinder wurden von Schrotkörnern getroffen. Drei von den Kindern sind schwer, die andern drei weniger schwer verletzt. Die Jäger soll keine Schuld treffen.

Bitterfeld 21. Okt. Gestern wurde Parseval 5 vollendet. In den nächsten Tagen finden Probeflüge statt.

Paris. DemPetit Parisien" geht über Cerbere folgendes Telegramm aus Barzelona

Nein, nein, das will ich nicht."

Einen raschen Entschluß zu fassen und die Entscheidung selbst herbei- zusühren, dazu fehlten ihm selbst jetzt wieder der Mut und die Willenskraft.

Anna wandte sich schweigend, eine leise Verstimmung niederkämpfend, ab; der Charakter ihres Bruders hatte ihr etwas Fremdes durch seine allzu große Weichheit und Unentschlossenheit.

Die Zimmer der jungen Mädchen lagen nebeneinander; als Anna das ihre betrat, hörte sie Inge nebenan hin und hergehen. Nachdem die Kammerjungfer ihr Haar für die Nacht geordnet, und sie ihre prächtige Toilette gegen ein reizendes Deshabille von lichtblauer Seide vertauscht, klopfte sie leise an die Verbindungstür und trat auf Inges Ruf ein.

Inge stand mitten in dem kleinen eleganten Raum. Das durch große mattrosa Glaskelche gedämpfte elektrische Licht umschmeichelte die jugendliche, vornehme, halbentkleidete Gestalt, die Schultern und Arme, das weiche, dunkle, lockige Haar. Inges sonst bleiches Gesicht war fieberhaft gerötet, ihre Augen glänzten vor Erregung. Die Nachtluft trug frischen Hauch herein, der sich mit dem süßen Duft von Rosen mischte, die in einer großen Majolikaschale auf einem niedrigen Tischchen neben einer mit weißem Angorafell bedeckten Chaiselongue standen. Die ganze Umgebung und das schöne Geschöpf, das die leuchtenden Augen der Eintretenden mit beinahe angstvoll erregtem Blick zuwandte, wirkten auf Anna Fernis lebhaftes Empfinden. Sie begriff, daß ihr Bruder dies Mädchen leidenschaftlich liebte, aber sie begriff nicht, daß er so lange gezögert hätte, sich ihren Besitz zu sichern.

Liebste Inge, ich störe? Verzeihen Sie!"

Sie kam nicht weiter; Inge umfaßte sie mit beiden Armen, lehnte ihr Haupt auf ihre Schulter und brach in Tränen aus.

Ja, um Gottes willen, Inge, was ist Ihnen denn geschehen?" forschte Anna erschrocken.Hat der Rittmeister Ihnen etwas gesagt, was Sie so erregt?"

Inge nickte nur mit dem Kopfe, ohne ihn von Annas Schulter zu erheben.Er hat mir gesagt, daß er mich liebt, und daß er sich in einiger Zeit die Entscheidung von mir holen will."

Anna Ferni erschrak. Also doch! Inge schluchzte an ihrem Halse weiter.

Und wird es Ihnen so schwer, diese Entscheidung zu treffen?" fragte Anna endlich gespannt. -Inge nickte.

Warum denn, Kind?"

Weil ich durch diese Entscheidung einem Mann weh tun muß, der mir das beste geboten, was ein Mann zu bieten hat: Seine Liebe und seinen Namen."

So wollen Sie seinen Antrag ablehnen?"

Ja."

Anna atmete erleichtert auf.

Inge", sagte sie ganz leise, mit ihren schmalen, krankhaft zarten Fingern über Arme und Schultern des jungen Mädchens streifend. Inge, wissen Sie, daß Neumann sehr, sehr reich ist?"

Ich weiß es, aber äußere Verhältnisse werden für mich in solchem Falle nie bestimmend sein."

Wissen Sie auch, daß außer Neumann Sie noch jemand liebt, Inge? Jemand, der es Jhnesi zwar noch nie gesagt und trotzdem . . . Sie müssen es gefühlt haben, Inge, Liebste-"

Anna Ferni hob sanft das Haupt der Freundin von ihrer Schulter und sah ihr in die Augen. Nur sekundenlang ertrug Inge diesen Blick, dann senkte sie die dunklen Wimpern und versuchte, sich den sanft um­schlingenden Armen zu entwinden.

Inge, Sie zürnen mir wegen meiner Worte, aber sie waren ja nicht böse gemeint, Inge, ich bitte Sie", und Anna Ferni zog das junge Mädchen aufs neue an sich.

(Fortsetzung folgt.)

5