CKM»
Amtr- und Anzeigedlatt für den Gberamtsbezirk Calw.
.V 243
84. Ichrg«,.
I
UM »Ist
SrschsinunzStage: Montag, Dienstag, Mittwoch, r> 5N»«rttag Freitag und Camstag, Jnsertionspreis >0 Sfg.pro Zeile für Stadt u, »ezirksorte; außer Bezirk rs Pfg.
Montag, den 18. Oktober 1909
BezugSpr.i.d. Gtadt*/ijährl.m.Trägerl.Mk. 1.25. PostbezugSpr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. ^/zjährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.80. Beftellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg'
TsgesNeAtgLritm
— Am 15, Oktober ist von der Evangelischen Oberschulbehö.'de eine Volksschnlstelle in Wildberg dem Schullehrer Schwäble in Weikersheim übertragen worden.
Stammheim. Ein imposanter Leichenzug, wie ihn Stammheim nicht leicht Wiedersehen wird, bewegte sich am Samstag durch unseren Ort. Von nah und fern waren die Bekannten, Freunde und Kollegen des verstorbenen res. Schultheißen Ernst hergekommen, um ihm noch das letzte Geleite zu geben. Am Trauerhaus sang der Liederkranz seinem Ehrenmitglied: „Es ist vollbracht" von Braun, auf dem Kirchhof: „Ruhig ist des Todes Schlummer". Auf die männlichen Angehörigen reihten sich in den Zug ein die Vorgesetzten des Verstorbenen, an deren Spitze Herr Regierungsrat Voelter und Oberamtsrichter Hölder. Sodann fast alle Kollegen des Bezirks und die hiesigen bürgerlichen Kollegien. Der Veteranen- und Militärverein, die Feuerwehr und der Liederkcanz, deren Ehrenmitglied der Verstorbene war, waren je mit umflorter Fahne erschienen. Nach den erhebenden Worten des Ortsgeistlichen legte Hr. Reg.-Rat Voelter unter Anerkennung der großen Verdienste und edlen Eigenschaften des Dahingegangenen einen Lorbeerkranz nieder; ebenso auch Hr. Schultheiß Rauser namens der hiesigen Gemeinde. Beim Weggang vom Kirchhof spielte die Musik einen Trauerchoral. Die so außerordentlich zahlreiche Teilnahme zeugte von der Liebe und Achtung, die sich der Verstorbene während seiner 28jähr. Amtszeit in Gemeinde und Bezirk erworben hat. Ehre seinem Andenken!
Stuttgart 16. Okt. In rascher Fahrt ist Parseval III wieder in die „J l a"
geeilt. Um 8 Uhr 45 Min. ging er auf dem Cannstatter Exerzierplatz in die Höhe, kreiste kurz über den unteren Teil von Stuttgart, flog in Eile bei starkem Westwind über Besigheim, Lauffen und auch Heilbronn, wo man sich seit Tagen auf eine Lanvung vorbereitet hatte, und dann über die Landesgrenze hinüber. Schon kurz nach 1 Uhr landete er in Frankfurt. Er hat also dieselbe Zeit gebraucht wie die V-Züge.
Heilbronn 16. Okt. Das Parseval- Luftschiff kam bald nach 9 Uhr in Sicht und bewegte sich ruhig über das Tal hin. Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge erwartete seine Landung auf den Böckinger Wiesen. Ein starkes Militäraufgebot harrte, die Regimentskapelle spielte, aber — das Luftschiff flog ruhig weiter des Windes halber, und so mußten die Zuschauer enttäuscht abziehen. Die Landung war seitens des hies. Luftschiffervereins und des Automobilklubs eingeleitet worden.
Heilbronn 17. Okt. Der Führer des Parsevalballons, Oberleutnant Stelling, hat sofort nach der Landung des Luftschiffes in Frankfurt folgendes Telegramm an den Stadtvorstand Oberbürgermeister Göbel gerichtet:
„Infolge sehr schwieriger Witterungsverhältnisse, die bereits die Abfahrt von Stuttgart erschwerten, konnte leider eine Landung des Parsevalballons in Heilbronn nicht stattfinden. Zu unserem Bedauern war es nicht möglich, eine entsprechende Absage rechtzeitig zu drahten, und bitten wir dieses gütigst verzeihen zu wollen. Wir sprechen Ihnen und der Stadt Heilbronn für die freundliche Einladung nochmals unseren herzlichen Dank aus. Stelling."
Man hat hier diese Depesche mit sehr gemischten Gefühlen ausgenommen. Bei uns in
Heilbronn hat man gestern vormittag von sehr schwierigen Witterungsverhältnissen nichts wahrgenommen. Wenn das Bißchen Wind an einem herrlichen Herbsttage schon schwierige Witterungsverhältnisse bedeutet, wie mag es den Parsevalluftschiffen erst gehen, wenn sie statt kurzer Etappenfahrten am Hellen Tage eine Sturmfahrt bei Nacht aushalten sollen, wie es die Zeppelinschen Luftschiffe wiederholt getan haben? Uns scheint, daß wir zu Gunsten der Residenz zurückgesetzt wurden. _
München 16. Okt. In den Isar- Elektrizitätswerken am Sendlinger Oberfeld in München brach heute früh ein gewaltiger Brand aus, der die Arbeitssäle im Obergeschoß, das Metall Lager und das Dachgeschoß völlig zerstörte. Der Schaden ist bedeutend, aber durch Versicherung gedeckt. Von den 500 Arbeitern ist ein großer Teil mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Der Betrieb wird jedenfalls aufrecht erhalten werden, da die Betondecken des ersten Stocks die Verbreitung des Feuers nach unten verhinderten.
München 16. Okt. Die erste Kundgebung für Ferrer in Bayern veranstaltete heute Nacht der demokratische Verein Nürnberg, der in einer stark besuchten Versammlung einstimmig folgende Resolution faßte: Der demokratische Verein Nürnberg giebt seiner Trauer über den gewaltsamen Tod des spanischen Freidenkers und Schulmannes Ferrer Ausdruck und spricht seine Entrüstung über den schmachvollen Justizmord aus, welchen die spanische Regierung durch die wider alles Recht und Gesetz erfolgte Verurteilung und Hinrichtung Ferrers verübt hat. Die Versammlung bekundet ferner den Trägern des Jesuitensystems
Im Klosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
Als sie sich dem Klosterhof näherten, kamen ihnen Frau v. Ferni und Anna Arm im Arm entgegen; Anna winkte schon in einiger Entfernung mit ihrem Sonnenschirm einen Willkommengruß.
„Ein hübsches Paar," sagte sie zu ihrer Mutter gewandt. Frau v. Ferni nickte still lächelnd.
„Ich wäre es zufrieden; Inge ist ein ernstes, liebes, zuverlässiges Mädchen."
„Das ist sie, aber ich fürchte, unser Armand geht mit geschlossenen Augen neben ihr einher. Nicht alle wissen ein Glück zu erkennen und festzuhalten."
„Du würdest in einer Verbindung Armands mit Inge ein Glück sehen?" rief Marianne Ferne lebhaft.
„Für Armand unbedingt."
„Nun ich dächte, auch Inge könnte zufrieden sein", meinte Frau v. Ferni in leicht empfindlichem Ton. „Armand ist schön, elegant, reich und ein guter Mensch", verteidigte sie ihr Lieblingskind, ohne daß Anna ihn eigentlich angegriffen.
„Ja, Mama, sehr gut, aber auch sehr schwach; eben deshalb wäre es ein Glück für ihn, eine Frau zu bekommen, die ein so fester Charakter ist, wie Inge."
„Charakterlos ist Armand auch nicht, Anna. Du übertreibst!"
Man war sich so nahe gekommen, daß das Gespräch nicht fortgesetzt werden konnte; man begrüßte sich gegenseitig, und die jungen Leute erzählten, wie und wo sie sich getroffen. Gemeinsam kehrten alle zum Klosterhof zurück, wobei Armand es zum erstenmal so einzurichten wußte,
daß er neben Inge ging; schritt sie aber einmal zufällig neben Frau v. Ferni oder Anna, so suchten seine Blicke immer wieder ihre Gestalt.
„Du hast Pastors zu morgen abend eingeladen, Mama?" sagte er im Laufe des Gesprächs.
„Ja, es mußte einmal sein. Dir wird es nicht passen, aber das hilft nichts!"
„Was hat er davon, Mama!" rief Anna und lachte mutwillig zu dem Bruder hinüber. „Ich wette zehn gegen eins, daß er morgen geschäftlich sehr in Anspruch genommen ist, oder schon eine Einladung zu Wredes oder Neumanns angenommen hat."
„Wette lieber nicht. Deine Kombinationsgabe könnte Dich doch einmal im Stich lasten, mein weises Schwesterlein", erwiderte Armand empfindlich.
„Wirklich? Nun, das wollen wir abwarten. Mich würde es nur freuen."
Nach dem Tee wurde, wie häufig an schönen Sommerabenden, beim Schein großer Gartenlampen auf der Terrasse vorgelesen. Inge las, Frau v. Ferni und Anna machten Handarbeit, Armand zog sich gewöhnlich zurück; heute schlenderte er erst in den Park hinab, aber bald war er wieder oben, schob sich einen Windsorchair in den Hintergrund, zündete sich eine Zigarre an und blieb. —
Das Licht fiel voll auf Inges Gesicht, isies feine, etwas herbe Gesichtchen mit dem mattweißen Teint, den schöngeschweiften, tiefroten Lippen und den starken, gutgezeichneten Brauen.
„Wie schön sie ist!" dachte Armand und den ganzen Abend beschäftigten sich seine Gedanken mit ihr, nur mit ihr.
Am nächsten Tage gegen 6 Uhr abends fuhr der Pastorenwagen am Schlöffe vor. Ein altertümlicher, etwas schwerfälliger Halbwagen, von zwei kräftigen, dicken Gäulen gezogen. Der Pastor war ein kleiner, ältlicher Herr mit bartlosem, faltenreichen, gütigen Gesicht, umrahmt von vollem, weißen Haar. Pastor Roebke personifizierte den glaubensfrohen,