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zogen und auf die Eigentümlichkeiten jeder Sorte aufmerksam gemacht. Eingehende Erklärung fand auch das Sortieren und Verpacken des Obstes. Auf diese beiden Punkte ist beim Versandt von Tafelobst die größte Sorgfalt zu legen, da ein schön und tadellos verpacktes Tafelobst zahlreiche und gut zahlende Abnehmer findet. Im Garten von Stadtschultheiß Müller zeigte Oberamts­baumwart Widmann an praktischen Demonstra­tionen den Schnitt und die Behandlung junger Obstbäume. Es wurde hiebei hervorgehoben, daß Fehler im Schnitt sich nur schwer wieder gut machen lassen und daß es daher für jeden Baumzüchter eine Pflicht sei, junge oder neu gepfropfte Bäume mit größter Sorgfalt sachgemäß zu behandeln. Ein Ausschußmitglied des Vereins hielt sodann einen Vortrag über Spalierbäume an Hauswänden. Der Redner sprach über die Schönheit und den großen Nutzen dieser Wand­spaliere und forderte zu häufiger Anpflanzung derselben auf, Freude und klingende Münze werden die Arbeit und die kleine Mühe und Auslagen in kurzer Zeit belohnen. Der Vor­sitzende der Versammlung, Privatier Schön len in Calw, hob die Bedeutung des Bezirksobst­bauvereins für den Obstbau namentlich auch in Bezug von prima Qualitäten Obstbäume hervor und lud die Anwesenden zum Beitritt in den Verein ein. Stadtschultheiß Müller in Neu­bulach unterstützte mit warmen Worten diese Anregung und gab seiner Freude darüber Aus­druck, daß der Obstbauverein entstanden sei und in so energischer Weise die Förderung des Obst­baus in die Hand genommen habe. Mit ebenso treffenden Worten wies Schultheiß Hanselmann in Liebelsberg auf die wirtschaftliche Bedeutung der Obstzucht hin und gab sodann einige prak­tische Ratschläge über die Pflanzung von Obst­bäumen. Die Versammlung verlief in äußerst anregender Weise und hat dem Obstbau wieder weitere Freunde zugeführt; die Zahl der Mit­glieder ist um 17 gestiegen und beträgt nun annähernd 300. Es ist dies ein erfreulicher Beweis für die Anerkennung findende Tätigkeit des Vereins unter seinem umsichtigen Vorstand.

Herrenberg 5. Okt. Einem Bauers­mann in Hildrizhausen ist, während er auf dem Felde arbeitete und seine Kinder in der Schule waren, der Kasten erbrochen und sind aus einer alten Bibel sechs Hundertmarkscheine gestohlen worden. Ein bei dem Kasten gefundenes Beil ließ auf einen Täter aus dem Ort schließen.

Stuttgart 5. Okt. (Strafkammer.) Der verheiratete 61 Jahre alte Friseur Adolf Engstler von hier lernte vor einigen Jahren in einer hiesigen Wirtschaft ein dort bedienstetes, jetzt 29 Jahre altes Mädchen kennen, dem gegen­

über er sich als Arzt ausgab. Er schwindelte dem Mädchen vor, er sei Arzt in einem Krankenhaus, habe ein Vermögen von 100 000 und werde noch ebensoviel von reichen Verwandten erben. Auch versprach er dem Mädchen es nach dem Tode seiner schwerkranken Frau zu heiraten. Das Mädchen schenkte Engstler um so mehr Glauben, als er auch von dem Wirt und den Gästen alsHerr Doktor" angeredet wurde. Das Mädchen nahm er schließlich aus dem Dienst und brachte es bei einer Tante, der er sich gleich­falls als reicher Arzt vorstellte, unter. Auch bei den Eltern des Mädchens sprach er vor. Bei einem seiner Besuche erfuhr er von der Tante, daß das Mädchen sich 2000 ^ erspart habe. Dies war ihm eine willkommene Mitteilung. Er bestimmte das Mädchen unter dem Vorbringen, er werde das Geld besser anlegen, die 2000-x« ihrer Schwester zu kündigen. Von dem Geld legte er 500 ^ auf der Sparkasse an, die rest­lichen 1500 behielt er in den Händen. Erst auf längeres Drängen des Mädchens legte er weitere 800 ^ an, die übrigen 700 verbrauchte er für sich. Auch zur Herausgabe des Sparkassen­buchs mußte ihn das Mädchen drängen. Engstler wurde wegen Betrugs unter Anklage gestellt und vom Schöffengericht zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen das Urteil legte er Berufung ein, das gleiche tat der Staatsanwalt zu seinen Ungunsten. Beide Berufungen wurden jedoch von der Strafkammer verworfen. Es bleibt somit bei der vom Schöffengericht ausgesprochenen Strafe.

Reutlingen 5. Okt. Der Polizei­diener in Gönningen wurde nachts auf dem Heimweg durch einen Steinwurf zu Boden ge­streckt und während er ohnmächtig dalag, seiner Uhr und einiger hundert Mark eingezogener Krankengelder beraubt. Nach dem Täter wird eifrig gefahndet.

Spaichingen 5. Okt. Bewußtlos auf­gesunden wurde lautHeuberger Bote" gestern nachmittag auf der Straße nach Aldingen bei Kassiers Mühle ein etwa 20jähriges Mädchen. Man brachte die Bewußtlose zunächst in die Mühle und benachrichtigte Dr. Eytel von hier, der auch bald eintraf und die sofortige Ueber- führung der Kranken nach dem hiesigen Bezirks­krankenhaus veranlaßte. Allem Anschein nach hat sich das Mädchen von seinem Heimatsort Dietingen in einem Zustand von Gemütskrankheit fortbegeben und erlitt dann auf der Straße einen epileptischen Anfall. Die Eltern des Mädchens sind von dem Vorfall benachrichtigt worden und werden ihre Tochter von hier wieder abholen.

Aalen 5. Okt. Der Sohn des früheren Landtagsabgeordneten und bekannten Pfarrers

Blumhard in Bad Voll, der als Knapp­schaftsassistenzarzt im Kgl. Hüttenwerk in Wasseral­fingen tätige Doktor Blumhard, ist in ver­gangener Nacht dadurch ums Leben gekom­men, daß seine Petroleumlampe beim Auslöschen explodierte und daß das brennende Oel sich über ihn ergoß und ihn samt dem Bett in Brand setzte. Das Unglück ereignete sich etwa um 2 Uhr nachts, um 6 Uhr vormittags ist Doktor Blumhard den fürchterlichen Brandwunden, die er erlitten hat, erlegen, nachdem er, trotz der unsäglichen Schmerzen, die er zu erdulden hatte, bei vollem Bewußtsein noch seine letzten Ver­fügungen getroffen hat.

Biberach 5. Okt- Auf dem hiesigen Rathaus will die Ruhe nicht einkehren. Kaum ist eine Streitfrage zwischen Gemeinderat und Stadtvorstand zu Gunsten des ersteren vom Ober­amt nach 9jährigcr Dauer entschieden, so sind es schon wieder divergierende Anschauungen in Baufragen, die neuen Zündstoff bieten. Dazu kommt eine Verfügung des Stadtschultheißenamts an die hiesigen Gerbereien, in der ihnen auf­erlegt wird, die seit Jahrhunderten geübte Schwemme der Häute in öffentlichen Gewässern künftig zu unterlassen. Die. betroffenen Gewerbetreibenden behaupten, daß damit der Ruin ihres ohnedies bedrückten Ge­werbes besiegelt sei, während das Stadtschult­heißenamt sich auf den Standpunkt der Sanitäts­behörde stellt und die Betriebe auf maschinelle Einrichtungen, wie sie anderwärts bestehen, ver­weist. Es wird wohl keinem Zweifel unterliegen, daß das Stadlschultheißenamt mit seinem Vor­gehen das Beste für die Stadtgemeinde zu tun glaubt, die Bürgerschaft ist aber in ihrer über­wiegenden Zahl der Meinung, daß für unsere kleinstädtischen Verhältnisse ein rücksichtsvolleres Vorgehen am Platze wäre, und so steht unser Stadtvorstand ziemlich allein. In den Sitzungen des Gemeinderats geht es bei dieser Sachlage fortgesetzt recht lebhaft zu. Auch Einsendungen in die Lokalpresse zeigen die gereizte Stimmung.

Friedrichshafen 5. Okt. Der Groß­herzog und die GroßHerzogin von Hessen, sowie deren Schwester, Prinzessin von Solms, desgleichen Prinz Heinrich von Preußen werden heute nacht hier erwartet und es heißt, daß der Großherzog einen Ausstieg mit 2111 unternehmen wolle. Das belgische Genie- komitee hat von allen Lenkballonsystemen in seiner Entscheidung dem Zeppelin'schen den Vorzug gegeben.

Friedrichshafen 5. Okt. Prinz und Prinzessin Heinrich von Preußen sind gestern abend hier eingetroffen und haben im königlichen Schloß als Gäste des Königs

ist alles erledigt, das Wetter herrlich, was gibts da im Augenblick Hübscheres, als eine Spazierfahrt!" lachte die Eintretende.

Also mache Dick fertig. Was führt Dich denn zu mir, Liebste? Umsonst kommst Du doch nicht in dies stille, der Arbeit geweihte Gemach," scherzte Marianne.

Diesmal wirklich nur der Zug des Herzens und der Wunsch, Dich einmal dem Schreibtisch und der Arbeit zu entführen", erwiderte Mathilde Berner, Frau v. Fernis Cousine.

Gut, kleine Base", sagte diese, ihr zärtlich über die Wange streichend.

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Eine Viertelstunde später rollte der kleine, mit zwei eleganten Juckern bespannte offene Wagen durch das hohe schmiedeiserne Tor auf die Chaussee hinaus und von der Landstraße abbiegend einen Landweg hin­unter, der zu einem der Fernischen Güter führte.

Ferm! Wie kam der fremdklingende Name in die alte deutsche Familievon Krusemark"? Ja, wie kam das? Durch die Liebe, den kleinen Gott Amor, der schon mehr als hundertmal die stolzesten Tradi­tionen über den Haufen geworfen und die härtesten Vätergemüter weich und nachgibig gemacht hat. Der Herr Christian v. Krusemark, so ein echter, rechter Edelmann von altem Schrot und Korn, hatte seine abgöttisch geliebte Frau frühzeitig verloren. Sie hinterließ ihm außer dem nie ganz vernarbenden Schmerz über ihren Tod ein einziges Kind, Marianne, und auf dieses Kind übertrug er all die Liebe, all die Sorge und Zärtlichkeit, die er sonst gewissenhaft zwischen beiden geteilt. Mit dem Kinde und dem Kinde zuliebe wurde er wieder jung, und das Kind wuchs unmerklich frühzeitig in die Interessen des Vaters hinein. Sie war jede Stunde mit ihm zusammen, die ihr der sehr ernsthaft genommene Unterricht frei­ließ, und begleitete ihn, anfangs zu Wagen, dann auf ihrem kleinen Shetland-Pony, zuletzt auf einer prächtigen kleinen Vollbluts ute auf den Ritten in seinen ausgedehnten Gutsbesitz. Unter seiner Anleitung eignete sie sich nach und nach eine sachgemäße und scharfe Beurteilung aller wirt­

schaftlichen Verhältnisse und Forderungen an und ganz mit Recht nannte der alte Herr sie oft seinenStaatsminister."

Sie war ein frisches, kerngesundes Geschöpf, kerngesund an Leib und Seele, mit großen strahlenden schönen Augen, einen roten Mund mit stolz geschwungenen Lippen, einer klaren Stirn, einer jugendschönen, schlanken Gestalt und einem warmen, gütigen Herzen. Dazu besaß sie eine ausgedehnte Herrschaft und ein reiches Allodvermögen. Konnte es da wunder nehmen, wenn sich Zivil und Militär, und nicht zum wenigsten die erbangesessenen Junker, um sie bewarben und einer dem andern den Rang streitig zu machen suchte? Nein, das war kein Wunder, aber daß das schöne, warmherzige Mädchen unter allen Bewerbern nicht einen fand, der ihr gefiel und dem sie ihr Herz hätte schenken mögen, das war ein Wunder, denn es waren unter ihren Bewerbern Männer, die bei keinem anderen Mädchen vergebens angeklopft hätten.

Herr v. Krusemark schüttelte den Kopf und runzelte die buschigen Brauen bei jedem Antrag, der kam, und bei jedem Korb, den er auf Wunsch des jungen Fräuleins dem sehnsüchtig harrenden Freier austeilen mußte. An der Tatsache aber konnte er trotz Stirnrunzeln und Kopf­schütteln nichts ändern.

Ich heirate nur aus Liebe", erklärte Marianne. Dagegen ließ sich nichts einwenden, aber der Vater sorgte sich im stillen, wem es einmal gelingen würde, des geliebten Kindes Neigung zu gewinnen, und seine Sorge war nicht umsonst. Bei einem Aufenthalt in Nizza lernte Mari­anne einen jungen, eleganten bildschönen Mann kennen, dessen Vater Italiener, dessen Mutter Schweizerin war. Armand di Ferm, Ingenieur seines Zeichens, besaß ein kleines Vermögen und weilte nach einer schweren Lungenentzündung zur Herstellung seiner Gesundheit den Winter über in Nizza. Dieser junge Fremde verstand es, sich die Liebe des schönen, klugen deutschen Mädchens zu erwerben, er verliebte sich selbst leidenschaftlich in sie, und Marianne erklärte ihrem Vater, sie heirate Ferni oder bleibe ledig.

(Fortsetzung folgt.)