966
und Brecheisen bares Geld, Uhren und ein grüner Anzug gestohlen.
Heilbronn 29. Sept. Unter dem Verdacht, am Tode des auf der Herbstfeier ums Leben gekommenen Maurers Koppenhöfer schuld zu sein, wurde der 19jährige Kaufmann Karl Nieser von Schorndorf, seit ca. einem Jahr hier in Stellung, verhaftet. Nieser hatte bei der Herbstfeier einen Revolver getragen, der sich, als er damit manipulierte, entlud. Die Kugel durchschlug seine Hand und man nimmt an, daß sie den Koppenhöfer getötet hat. Ob Nieser auf den Koppenhöfer geschossen hat, mit dem er vorher Streit gehabt haben soll, oder ob der Schuß aus Unvorsichtigkeit losgegangen ist, ist noch nicht festgestellt.
Besigheim 29. Sept. Die sommerlichwarme Witterung in den letzten Wochen hat in unseren Weinbergen wahre Wunder gewirkt: Die Entwicklung der Trauben hat solche Fortschritte gemacht, daß die Frühsorten vielfach schon reif sind, die anderen ihrer baldigen Reife entgegengehen. Dabei gibt es, namentlich in unfern besseren Berglagen recht viele, gesunde Trauben, wobei sich der bei uns vorherrschende Trollinger, der den trefflichen roten Lagerwein liefert, besonders auszeichnet. Im Gegensatz zum Vorjahr sind Heuer die Berglageu bevorzugt, sie geben am meisten Wein was für die Qualität von sehr günstigem Einfluß ist. Noch einige Zeit solch gutes Wetter und wir dürfen einem nach Qualität und Quantität recht guten Weinjahr entgegensehen. Die Weinbaugenossenschaft wird auch Heuer wieder etwas besonderes Feines liefern.
Bad Mergentheim 28. Sept. Das vor 3 Jahren von Grund aus renovierte und neu eingerichtete Kurhaus war bekanntlich während der Dauer des diesjährigen Kaisermanövers vom 12. bis 17. Sept. Hauptquartier des Kaisers, der zu diesem Zweck das ganze Kurhaus gemietet hatte. Wenige bauliche Veränderungen für die zum persönlichen Gebrauch des Kaisers bestimmten Zimmer waren notwendig. Während der Manöverlage bewohnten das Kurhaus außer dem Kaiser noch Erzherzog Franz Ferdinand von Oestreich, Prinz Oskar, Fürst von Fürstenberg, Lord Lonsdale und noch eine Reihe weiterer hoher Manövcrgäste, im ganzen über 100 Personen. Der Kaiser war, wie man hört, mit der Unterbringung außerordentlich zufrieden und hat sich mehrfach in diesem Sinne geäußert. Auch hat er sich zur bleibenden Erinnerung vor seiner Abreise mit Erzherzog Franz Ferdinand und sämtlichen sonstigen im Kurhaus wohnenden Fürstlichkeiten und Manövergästen in das künstlerisch ausgestaltete Fremdenbuch eingetragen.
Neckarsulm 29. Sept. In der Spohn-
schen Spinnerei ist ein großer Teil der Weber in den Ausstand getreten. Als Grundwird die Ablehnung einer Lohnerhöhung und eine geringe Steigerung des Mietzinses in den Arbeiterhäusern der Fabrik angegeben. An dem Streik sind hauptsächlich Polen, Tschechen und Italiener beteiligt. Die Fabrikleitung hat den Streikenden sofort gekündigt.
Gmünd 29. Sept. Die hiesige Ortsverwaltung des deutschen Metallarbeiterverbandes gibt bekannt, daß der zwischen dem deutschen Metallarbeiterverband und dem Arbeitgeberverband der Hanauer Edelmetallindustrie seit Jahren bestehende Arbeitsvertrag am 1. Juli abgelaufen ist. Die seither gepflogenen Verhandlungen hätten zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt, weshalb die Hanauer Arbeiter in den Ausstand treten würden. Die Oltsverwaltung Gmünd fordert die Arbeiter auf, den Zuzug nach Hanau fernzuhalten.
Ulm 27. Sept. Ein Modell des Münsters im Maßstab 1:60 hat in vierjähriger Arbeit der Studierende der Architektur, Moritz Wolf an der Technischen Hochschule in München angefertigt. Das Werk, das nach eigenen am Münster selbst aufgenommenen Werkzeichnungen aus Ahornholz hergestellt ist, veranschaulicht das Münster in seiner Gesamtausdehnung, es ist 3 m hoch und 2V- in lang und gibt alle gotischen Originalmotive des Baues genauestens wieder. Es wird vom 1.—10. Oktober in der Valentinskapelle hier öffentlich ausgestellt werden.
München 29. Sept. In Fürth (Niederbariern) stürzte eine bei einer Rauferei zusehende Hochzeitsgesellschaft infolge Geländerbruches von der Veranda in den Hofraum. 14 Gäste wurden leicht, vier tödlich verletzt.
Frankfurt a. M. 29. Sept. Der Parseval-Ballon ist heute Mittag zu einer kurzen Fahrt ausgestiegen, an der mehrere Petersburger Universitäts-Professoren teilnahmen, die im Austrage der russischen Regierung zum Studium der Ausstellung hier weilen. An der Petersburger Universität soll nämlich ein Lehrstuhl für Aeronautik errichtet werden. — Aug. Euler hat heute früh wieder zwei Flüge absolviert. Der eine dauerte 4 Min. 36 Sek., der andere 3 Minuten. — Für die von der Jla arrangierte Flieger-Woche vom 3. bis 10. Oktober ist die Teilnahme Lathams an den Flügen gesichert. — Das Luftschiff-Panorama auf der Jla ist in Konkurs geraten. Die Forderungen der Jla sollen gedeckt sein.
Köln 29. Sept. Bei einem 5jährigen Knaben aus Reudelsterz, der wegen einer Tollwutepidemie, die in der Rheinprovinz
geherrscht hatte, geimpft worden war, ist die Tollwut nun zum Ausbruch gekommen. Das Kind verfiel in Tobsucht, wobei ihm der Schaum vor dem Munde stand. Es wurde ins Krankenhaus verbracht, wo es seinem Ende entgegengeht.
Düsseldorfs. Sept. (Die Tragödie der Enterbten.) In viertägiger Verhandlung hatte sich der 28jährige Fuhrunternehmer Heinrich Ratte aus Düsseldorf-Eller wegen Mordes vor dem Schwurgericht zu verantworten; er sollte in der Nacht vom 18. April seine Stiefmutter, die Witwe des verstorbenen Rentners Franz Ratte vorsätzlich und mit Ueberlegung getötet haben. Da Ratte die Tat auf das Entschiedenste bestritt, baute sich die Anklage auf einem Indizienbeweis auf, der interessante psychologische Momente zutage förderte. Der verstorbene 60jährige Franz Ratte nahm im Jahre 1907 die 39jährige Witwe Emma Grünberg, eine üppige Erscheinung von zweifelhafter Vergangenheit, als Haushälterin zu sich. Das Bestreben der Witwe lief von vornherein darauf hinaus, sich dem alten Manne unentbehrlich zu machen und die vorhandenen sechs Kinder um ihr Erbe zu bringen, das recht bedeutend war. Durch den Wertzuwachs, an der Peripherie der Stadt waren dem Ratte gehörige Grundstücke schließlich auf einen Wert von 300000 bis 400000 angewachsen. Im Jahre 1908 erkrankte der alte Mann; die Haushälterin brachte ihn ins Joseph- Krankenhaus und schloß ihn von aller Welt ab. Sie bewog ihn, während der Krankheit nicht nur, ein bereits zugunsten der Kinder verfaßtes Testament umzustoßen und sie selbst zur Haupterbin zu bestellen, sondern auch auf dem Sterbebette die Hand zum Ehebunde zu reichen. Am 26. Februar 1909 starb Franz Ratte, und nun begann für die Witwe und vormalige Haushälterin ! auf dem Besitztum des Verstorbenen ein Leben voller Herrlichkeit. Die Kinder des Verstorbenen mußten sehen, wie sich die doppelte Witwe sofort einen neuen Bräutigam anschaffte, mit diesem weite Vergnügungsreisen unternahm und das Geld mit vollen Händen fortwarf. Sie äußerte u. a.: „Die Kinder mögen Steine klopfen gehen, von dem Gelds amüsiere ich mich!" Die Erbitterung der enterbten Kinder war durch diese Vorkommnisse auf das höchste gestiegen. Als die Witwe am Spätabend des 18. April mit ihrem Bräutigam von einer Reise nach Krefeld zurückkehrte und im Begriff war, ihr Haus zu betreten, wurden aus nächster Nähe zwei Gewehrschüsse auf sie abgegeben, von denen einer sie in die Magengegend traf und noch in der gleichen Nacht den Tod der Verletzten zur Folge hatte. Heinrich Ratte wurde alsbald verhaftet; er vermochte sein Alibi für den Abend nicht nachzuweisen und hatte sich schon vorher durch
„Reden Sie keinen Unsinn!" sagte ich — denn sein ironisches Geschwätz machte mich ganz verrückt. — „Was wollen Sie denn? Sagen Sie's frei heraus!"
„Wahrhaftig, mein liebes Kind — da du es so dringend wünschest, so will ich ganz offen gegen dich sein: was ich wünsche, das weiß ich selber nicht! Unser Zusammentreffen macht mir außerordentlich viel Spaß, und ich bin der Meinung, daß eine neue Zusammenkunft mir ebensoviel Vergnügen bereiten dürfte."
„Sie Teufel!"
„Du hast meine Vorzüge niemals zu schätzen gewußt. Willst du mir also freiwillig sagen, wie du jetzt heißest, oder sollen wir den ganzen Tag miteinander herumspazieren!"
„Mein Mann heißt Henry Smith!" sagte ich endlich, da ich durchaus keinen Ausweg sah.
„Hm — Smith! Kein besonders ungewöhnlicher Name, was? Und eigentlich keine sonderliche Verbesserung gegen Brown. Heh? Und wo wohnst du?"
„Im Waldorf-Hotel", antwortete ich, da'dieser Name mir gerade einfiel.
„Wie gut sich das trifft! Da wohne ich ja auch. Da wollen wir über unsere Angelegenheiten doch nicht länger auf offener Straße debattieren, sondern lieber gleich ins Hotel fahren." Und ehe ich mich dessen versah, hatte er eine Droschke angerufen. Ich prallte zurück.
„Mach' keine Szene hier vor allen Leuten", sagte er gebieterisch, und dabei nahm sein Gesicht plötzlich einen so grimmigen Ausdruck an, daß ich Angst bekam und ihm mechanisch gehorchte. Einen Augenblick später fuhr der Wagen schnell mit uns davon.
„Ich wohne nicht im Waldorf-Hotel", gestand ich endlich ein, als wir in die Nähe der Dreiunddreißigsten Straße kamen.
„Natürlich nicht, und du heißest auch nicht Smith, das wußte ich längst. Aber wohin soll ich den Kutscher fahren lassen?"
Es war nichts zu machen. Ich mußte ihm meine richtige Adresse angeben.
„Und nun wollen wir doch festsetzen, wann ich dich besuchen soll. Es soll mir recht sein, wenn eine Stunde bestimmt wird, wo mein Nebenbuhler nicht zu Hause ist. Ich bin, wie du siehst, sehr entgegenkommend — wenigstens vorläufig!" setzte er mit einem bezeichnenden Lachen hinzu.
„Was sollte ich tun? Ihn zurückzuweisen wagte ich nicht. Ich wußte, daß du am darauffolgenden Abend verreist sein würdest, und erklärte mich also bereit, ihn dann zu empfangen. Er begleitete mich nicht ins Rosemere-Hotel, wie ich befürchtet hatte, sondern fuhr schnell davon.
Ich schrieb und telegraphierte sofort an meinen Papa, er möchte sich überzeugen, daß meine Ehe in aller Form geschieden sei. Ich hoffte, noch vor der Zusammenkunft mit Brown eine beruhigende Antwort empfangen zu können; in diesem Fall würde ich mich einfach geweigert haben, ihn zu empfangen, und würde dir sofort nach deiner Heimkehr meine frühere Ehe gebeichtet haben. Dann hätte ich ja von Brown nichts mehr zu befürchten gehabt.
Aber es verging der Tag und auch der nächste — von meinem Vater keine Zeile! Sein Stillschweigen war mir unbegreiflich. Es bestärkte mich in meinen schlimmsten Befürchtungen.
Ich sagte meinen beiden Mädchen, sie könnten ausgehen, denn ich wünschte nicht, daß sie etwas von meinem erwarteten Besucher sähen; hinterher tat es mir leid, ganz schutzlos allein geblieben zu sein. Ich suchte daher meinen Revolver hervor und lud ihn sorgfältig. Ich schieße ziemlich sicher, und ich wußte, daß Allan dies bekannt war. Nachher fühlte ich mich ruhiger.
Brown ließ so lange auf sich warten, daß ich schon zu hoffen begann, er werde überhaupt nicht kommen. Da klingelte es plötzlich. Ich ließ ihn ein und sah, daß er getrunken hatte. Merkwürdigerweise beruhigte mich dies einigermaßen; ich fühlte, daß ich und mein Revolver ihm gewachsen sein würden. Diesmal hielt er sich nicht mit sarkastischen Bemerkungen auf, sondern verlangte einfach Geld.
(Fortsetzung folgt.)