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Berlin 27. Aug. Wie verlautet, ist die Schleifenfahrt über Berlin in letzter Stunde abgeändert worden. Graf Zeppelin wird von Bitterfeld aus zunächst über Potsdam fahren und zwar in nordöstlicher Richtung, sodaß er von Potsdam aus zuerst über Großlichterfelde gelangt. Von dort fährt das Luftschiff in derselben Richtung weiter nach dem Tempelhoser Felde. Graf Zeppelin wollte zuerst Charlottenburg überfliegen, doch drückte der Kaiser den Wunsch aus, daß der Graf zuerst nach dem Tempelhofer Felde fährt und dort einige Manöver ausführt.
Berlin 27. Aug. Dem Kaiser, der sich lebhaft über 2 III interessiert, wird fortlaufend Mitteilung über die Reise gemacht. Auch der Magistrat von Potsdam hatte sich an den Grafen Zeppelin mit der Bitte gewandt, die Stadt Potsdam zu überfliegen. Daraufhin erwiderte das Bureau der Zeppelin-Gesellschaft im Aufträge des Grafen, daß bei der Fahrt nach Berlin für die Bestimmung der Fahrtrichtung nur technische Gründe maßgebend seien. Wenn es möglich wäre einen Umweg zu machen, so sei Graf Zeppelin gern bereit, auch der Residenz Potsdam sein Luftschiff im Fluge zu zeigen.
Berlin 27. Aug. Das heutige „Militär- Wochenblatt" widmet im journalistischen Teil dem Grafen Zeppelin einen längeren Huldigungsartikel, der folgendermaßen schließt: „So danken wir dem Grafen Zeppelin, daß Deutschland am Ende des ersten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts im Zeichen der Luftschiffahrt als des neuesten zukunftsreichen Zweiges der Verkehrstechnik steht. Möge uns der ehrwürdige Vorkämpfer noch lange erhalten bleiben. Ein Hurrah dem Grafen Zeppelin!"
Stuttg art 27. Aug. GrafZeppelin kam heute auf der Reise von Friedrichshafen nach Bitterfeld hier durch. Bei Ankunft des Eilzugs, der hier 9.50 Uhr eintrifft, sammelte sich eine große Menschenmenge an, die den Grafen mit brausendem Jubel empfing. Der Graf, in dessen Begleitung Dir. Colsman und Ob.-Jng. Kober reisten, trug einen blauen Reiseanzug und statt der traditionellen weißen Mütze einen schwarzen Filzhut. Da die von der letzten Erkrankung stammende Wunde das Tragen eines Kragens anscheinend nicht gestattete, trug der Gras, der, wie immer, frisch und munter aussah, ein weißseidenes Tuch um den Hals. Die immer mehr anwachsende Menge folgte dem Grafen durch den Wartesaal 2. Klasse über den Mittelgang in das Restaurant, immer wieder in Hochrufe ausbrechend. Die Bahnhofsbeamten mußten mit Energie für Ordnung sorgen, denn im Handumdrehen hatte sich der große Raum bis zum letzten Platz gefüllt. Der Graf nahm an einem Tische Platz und stärkte sich durch eine Suppe, während er mit seinen Begleitern über
die Weiterfahrt beriet. Ueber den bisherigen Verlauf der Fahrt des Ballons orientierte sich der Graf mit sichtlichem Interesse aus dem ihm überreichten Extrablatt des „Schwäb. Merkurs". Um 10.24 Uhr erfolgte die Abfahrt mit dem Berliner Schnellzug über Osterburken, wieder mit brausendem Hurra von der Menge begleitet.
Bitterfeld 27. Aug. Trotz des andauernden Regens hatte sich vor dem hiesigen Bahnhof eine nach Tausenden zählende Menschenmenge versammelt. Zur Begrüßung auf dem Bahnhof waren u. a. erschienen: Hauptmann v. Kehler, Landrat Frhr. v. Bodenhausen und der Kommandeur des Pionierbattaillons. Um 8.45 Uhr traf Graf Zeppelin unter dem brausenden Jubel der Menge ein. Er wurde begleitet von Direktor Colsmann und Oberingenieur Kober, sowie dem Oberpräsidenten Hegel und dem Regierungspräsidenten v. Borries. Nachdem sich der Graf bei den zum Empfang Herbeigeeilten bedankt hatte, begab er sich zu seinem Hotel, wo er sich sofort in sein Zimmer zurückzog. Die Menge sang: „Deutschland, Deutschland, über alles!"
Bayreuth 28. Aug. Das Luftschiff flog heute früh 7 Uhr 3 Min. über Bayreuth. Oberingenieur Dürr warf folgendes Telegramm an das Südd. Corresp.-Bureau aus der Gondel: „Alles glatt, an Bord alles wohl. Dürr."
Hof 28. Aug. Das Luftschiff passierte um 10 Uhr 30 Minuten die Stadt, um 11 Uhr die bayrisch-sächsische Grenze, um 12 Uhr schwebte es über Plauen im Vogtland.
Vermischtes.
Rom 27. Aug. Zwei leichte Erdstöße sind in der vergangenen Nacht in Siena und an anderen Orten verspürt worden. Dem Secolo zufolge wurde Lorenzo vollständig zerstört, ebenso das Schloß Sarteano. Der Präfekt von Florenz sandte beträchtliche Unterstützungssummen, sowie 300 Zelte nach den vom Erdbeben bedrohten Ortschaften.
Die größte Bewässerungsanlage der Welt. Aus Newyork wird berichtet: Im Tale des Rio-Grande in Neu-Mexiko hat nun das gewaltige Werk begonnen, das bestimmt ist, die größte Bewässerungsanlage der Welt zu werden. Mit einem Kostenaufwand, der auf über 33 Millionen Mark geschätzt wird, errichtet die Bundesregierung quer durch das Wasserbett des Rio Grande einen gewaltigen Damm, der den abfließenden Wassermengen sich entgegenstemmen und binnen kurzem hier einen See erstehen lasten wird, der eine Länge von 45 englischen Meilen bei einer Breite von 5—6 englischen Meilen haben soll. Am Südende wird das riesige Wasserreservoir eine Tiefe von
55—60 Metern zeigen. Nicht weniger als 100000 Millionen Kubikfuß Wasser werden hier aufgestaut, um in Jahren der Trockenheit das umliegende Gebiet zu bewässern. Die Untersuchung der klimatischen Verhältnisse am Rio-Grande hat gezeigt, daß man in regelmäßigen Zwischenräumen mit einer Periode trockener Jahre rechnen muß, in denen bisher der Ackerbau schwer darniederlag. Eine ganze Arbeiterstadt ist an der Dammstelle bereits entstanden, aber dafür fallen andere Städte dem Bau zum Opfer; 5 mexikanische Ansiedelungen werden durch den neuen See verdrängt. Die Länge der ganzen Dammanlage ist auf 1150 Fuß berechnet. Das Stauwerk wird 190 Fuß über dem jetzigen Wasserspiegel emporstreben. Die Fundamente der Rio-Grand-Sperre müssen 65 Fuß tief in das Flußbett eingegraben werden. Diese kolossale Bewässerungsanlage übertrifft an Ausdehnung bei weitem die berühmte Nilsperre von Assuan; sie bildet nur einen Teil eines großartigen Systems von Bewässerungsanlagen, das dereinst bestimmt sein soll, das ganze be- wässerungssähige Gebiet Neu-Mexikos mit Wasser zu versorgen.
Standesamt Calw.
Gestorbene.
23. Aug. Anna Maria, T. d. Michael Rentschler, Fabrikarbeiters, 4 Monate alt.
27. „ Regine Katarine Marchtaler geb. Schurr,
Ratsschreibers Witwe, 78 Jahre 11 Monate alt.
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Minuten dauerte, bis ich es wagen durfte, meine Augen wieder aufzuschlagen; ich fürchtete, ihr Ausdruck könnte mich verraten. Was er inzwischen gesprochen haben mochte, davon hatte ich keine Ahnung; ich hörte nur seinen Schlußsatz:
„Sie wird kommen — gewiß wird sie kommen! Aber Sie müssen zu ihr sagen: „Ach, Unsinn, das ist nichts! Und dann wird sie wieder gehen."
„Nun, meinetwegen", sagte ich, um den unheimlichen Menschen so schnell wie möglich loszuwerden, „ich verstehe vollkommen."
Mit diesen Worten stand ich auf und deutete ihm durch ein Kopfnicken an, daß er gehen könne.
Mein Wartezimmer war voll von Patienten, und es kostete mich eine ungeheure Selbstüberwindung, sie alle, einen nach dem anderen, abzufertigen. Endlich war aber auch dieses überstanden, und ich konnte mich auf den Weg machen, um den Detektive aufzusuchen. Es kostete mich viele Mühe, auch nur zu erfahren, wo er „vielleicht" sein könnte. Ich telephonierte an alle möglichen Stellen und begegnete ihm schließlich ganz zufällig auf der Straße in der Nähe des Rosemere-Hotels. Ich war so aufgeregt, daß ich schon aus der Ferne ihn anrief, indem ich zugleich bedeutungsvoll wiederholt an meinen Hut tippte. Niemals hätte ich gedacht, daß Merritts kurze Beine einer solchen Schnelligkeit fähig wären! Wir begegneten uns unmittelbar vor meiner Haustür.
„Was ist los?" rief der kleine Beamte keuchend.
Ohne ihm zu antworten, nahm ich seinen Arm und führte ihn in mein Studierzimmer. Er sank erschöpft in einen Sessel und wiederholte:
„Was ist los?"
„Hm!" begann ich langsam — denn ich wollte meinen kleinen Triumph so recht auskosten — „Hm! Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie vielleicht den vermißten Hut gefunden haben."
„Nein! Haben Sie ihn vielleicht?"
„Nein. Das kann ich nicht behaupten."
Merritt machte ein langes Gesicht.
„Aber," fuhr ich fort, „aber ich weiß, wo ein Hut, der bei Halstead in Chicago gekauft worden ist und auf dem Futter die Anfangsbuchstaben 6. trägt, zu finden ist."
„Ah! Wo denn?"
Merritt sprach in ruhigem Ton, aber ich bemerkte, daß seine Augen funkelten.
„Wo der Hut im Augenblick ist, weiß ich nicht ganz genau; aber als ich ihn das letztemal sah, lag er hier auf dem Schreibtisch."
„Hier auf dem Schreibtisch? Und da ließen Sie ihn" . . .
Der kleine Mann schien so ärgerlich zu sein, daß er nicht mehr weiter sprechen konnte.
„Jawohl, ich ließ ihn wieder mit fortnehmen, wenn Sie das vielleicht sagen wollen. Sie können ihn aber leicht wieder bekommen. Er ist ganz in der Nähe. Aber ich muß Ihnen erklären, daß ich nicht die geringste Lust habe, in dieser Tragödie die Rolle eines zweiten Leichnams zu spielen."
„Wer brachte den Hut in Ihre Wohnung?" fragte der Detektive.
„Was meinen Sie wohl — trauen Sie's dem Monsieur Argot zu, daß er den Hut hätte?"
„Dem Argot?"
Merritt war sichtlich überrascht.
„Jawohl, dem Argot!"
Nun erzählte ich ihm alles, was ich in den letzten vierundzwanzig Stunden in bezug auf das Ehepaar in Erfahrung gebracht hatte. Auch die seltsame Erscheinung der vorigen Nacht, die mir so viel Unbehagen verursacht hatte, ließ ich nicht unerwähnt. Meine Mitteilungen schienen großen Eindruck auf ihn zu machen, uud er blickte mit ernstem Besicht mehrere Minuten lang vor sich hin. (Forts, folgt.)