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Straßburg i. Elf. 25. Aug. Die Apparate der hiesigen Hauptstation für Erdbebenforschung registrierten heute früh 2 Beben in etwa 500—600 km Entfernung. Das erste mittelstarke Beben begann um 1.23 */- Uhr, das zweite schärfere um 1.32 Uhr.
Frankfurt a. M. 25. Aug. Neun sozialdemokratische Versammlungen beschäftigten sich gestern Abend mit den neuen Steuern und der dadurch verursachten Lebensmittelteuerung. In einer Resolution, die allen Versammlungen in gleichem Wortlaute vorlag, wurde u. a. dagegen protestiert, daß die Produzenten und Zwischenhändler versuchen, auf Grund der neuen Steuern Preissteigerungen vorzunehmen, die den Steuerbetrag bedeutend überschritten. Da die Brauereien und Wirte eine solche Preissteigerung beim Bier durchzuführen beabsichtigen, lehnten die Versammelten eine derartige Belastung mit Entschiedenheit ab. Sie verzichten unter allen Umständen auf den Genuß des Bieres, dessen Preis im Ausschank höher ist als 11 ^ für b/i«, I und 13 ^ für V" I-
Bitterfeld 25. Aug. Mit den Vorbereitungen für die Landung des 111" wurde gestern begonnen. Der Platz vor der Ballonhülle der Luftschiffstudiengesellschaft ist für die Landung ausersehen. Graf Zeppelin trifft am Freitag in Bitterfeld ein. Er dürfte höchstwahrscheinlich bei seinen Verwandten in Leipzig absteigen. Die kurze Strecke von Leipzig aus, etwa 35 Kilometer, wird der Graf im Automobil zurücklegen. Es verlautet, daß für die Füllung eine Zeit von 10 Stunden gerechnet werden muß. Bei einer Fahrtgeschwindigkeit von etwa 40 Kilometern muß das Luftschiff, um in Berlin um 5 Uhr einzutreffen, die Weiterreise von Bitterfeld gegen 1 Uhr antreten.
Berlin 25. Aug. Der Kaufmann Rich. Henkel aus Gera, zuletzt in Berlin, der vom hiesigen Schwurgericht wegen des am 8. Dezbr. 1908 begangenen Mordes an dem Juwelier Frankfurter aus Wien zum Tode verurteilt worden war, ist heute früh im Strafgefängnis Plötzensee hingerichtet worden.
Paris 25. Aug. Gestern unternahm Blöriot auf dem Flugfelde von Reims in Gegenwart des Präsidenten Fallieres und einer ungeheuren Menschenmenge einen abermaligen Aufstieg. Er stellte dabei einen Welt-Schnellig- keits-Rekord auf. Er legte 10 km in 8 Min. 4 Sek. zurück. Diese Leistung ist um so höher zu bewerten, als sie bei einer Windgeschwindigkeit von 9—10 Sekundenmetern erzielt wurde.
Paris 25. Aug. „Echo de Paris" meldet aus Rom: Der italienische General st ab beschloß, ebensoviele lenkbare Luftschiffe bauen zu lassen, als die italienische Armee
Divisionen besitzt, d. h. 25. Diese Luftschiffe werden nach dem Modell des bestehenden ital. Militär-Ballons gebaut werden, der sich glänzend bewahrt hat.
Reims 25. Aug. Unter den Zuschauern bei den gestrigen Flügen befand sich auch Major Parseval, der den Flugleistungen die größte Bewunderung zollte.
Stockholm 25. Aug. Sichere Anzeichen eines baldigen Friedensschlusses in dem Riesenarbeiterkampf sind immer noch nicht vorhanden. Während das Stockholmer Dagblad die baldige Beendigung des Streiks wegen Geldmangels bei den Streikenden in Aussicht stellt, fordert die Streikzeitung „Svoret" wieder zum Ausharren im Kampfe auf und spricht sich sehr erbittert über das Telegramm des Ministers des Innern an die Provinzialbehörden aus, die dem norwegischen Sozialdemokraten Cuntervold behördlicherseits das Auftreten als Agitationsredner verboten.
New-Dork 25. Aug. In Monroe im Staate Luisiana spielte sich zwischen einem Neger, der verhaftet werden sollte und einem Polizisten ein regelrechter Straßenkampf ab. Der Neger verbarrikadierte sich in einem Hause, vor dem sich eine tausendköpfige Volksmenge ansammelte. Der Neger erschoß 3 und verwundete 21 Personen. Das Haus wurde nach stundenlanger Belagerung von der Menge in Brand gesteckt, so daß der Neger bei lebendigem Leibe verbrannte.
Montevideo 25. Aug. Von den Passagieren des gesunkenen Dampfers „Columbia" ist eine Anzahl gerettet worden, die sich in die Masten flüchten konnten. Auch fast die gesamte Besatzung ist gerettet. Dagegen sind fast alle Frauen und Kinder ertrunken. Die Schlesien, die leicht beschädigt wurde, wird von den Behörden festgehalten.
Montevideo 25. Aug. Der Dampfer „Columbia" hatte 102 Passagiere und 48 Mann Besatzung. Der Zusammenstoß erfolgte gegen sechs Uhr früh während eines wolkenbruchartigen Regens im Außenhafen. Die Columbia fuhr in den Hafen hinein, die „Schlesien" verließ ihn. Die Columbia wurde in zwei Teile geschnitten. Der Vorderteil sank sofort. Die Mehrzahl der Passagiere wurde von der Katastrophe im Schlafe überrascht. Es entstand eine furchtbare Verwirrung. Die stürmische See erschwerte die Rettungsarbeiten ungemein. Die Zahl der Geretteten soll 70 betragen.
Vermischtes.
Der Besitz eines eigenen Hauses mit Garten ist der sehnlichste Wunsch vieler Stadtbewohner; leider findet er nur selten Erfüllung, da die Kosten zu hoch sind. An einigen
Orten haben Baugenossenschaften Erfreuliches geleistet, doch ist der Erfolg von einem Wohn- ideal noch sehr entfernt, da sie sich ja meistens auf Anlage geschlossener Straßen und auf Mietskasernenbau beschränken mußten. In England ist man in den sogenannten Gartenstädten einen Schritt weiter gegangen. Es herrscht dort das Einzelhaus, das meist in Hausgruppen von 3—8 gebaut wird. Die Gartenstädte bebauen nur ein Drittel des ganzen Geländes, der Rest bleibt für Landbau, Spiel- und Erholungsplätze frei. Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau in Frankfurt a. Oder berichtet in seiner neuesten Nummer über diese Gartenstädte Englands auf Grund einer Reise, die von der Deutschen Gartenstadtgesellschaft im Juli nach England unternommen wurde. Diejenigen unserer Leser, die sich für diese eigenartige Bewegung inte- resssieren, erhalten auf Wunsch die betreffende Nummer kostenlos vom Geschäftsamt des praktischen Ratgebers in Frankfurt a. Oder zugesandt.
Der amtliche Druckfehler. Man schreibt der „Post" aus Rom: „Ein recht verhängnisvoller Druckfehler hat die italienische Regierung in eine sehr große Verlegenheit gesetzt : in dem neuen Gesetz betreffend die Reichskultur in Norditalien war für gewisse Ueber- tretungen eine Geldstrafe auf 50 Frank festgesetzt worden. Im amtlichen Regierungsblatt (und in der Staatsgesetzsammlung, die in der gleichen Druckerei hergestellt und mit denselben Lettern gesetzt worden war), laß man (anstatt 50) 500 Frank. Der erste, der nach diesem neuen Gesetz verurteilt wurde, war ein Reisfeldbesitzer in Novarra. Er wurde also nach dem vorliegenden Text des Art. 37 des neuen Gesetzes zu einer Geldstrafe von 500 Frank verurteilt, trotzdem das Gericht und alle Beteiligten wußten, daß es sich nur um einen Druckfehler handelte. Nach dem italienischen Recht gibt es nun vor der Hand kein Mittel, diesen Druckfehler zu korrigieren; was einmal in der Gesetzsammlung mit der Unterschrift des Königs veröffentlicht worden ist und das vom Justizminister aufgedruckte große Staatssiegel trägt, hat volle Gesetzeskraft, und es ist ein neues Gesetz erforderlich, um hier eine Aenderung vorzunehmen. Das Parlament aber befindet sich in den Ferien, und so muß bis zum November gewartet werden, um diesen Druckfehler zu verbessern. Bis dahin aber müssen alle Kontraventionen, die unter die Bestimmungen dieses Artik^s 37 fallen, mit 500 Frank Geldstrafe belegt werden, und der Regierung oder den betreffenden Gerichten wird nichts anderes übrig bleiben, als von Amts wegen in jedem einzelnen Fall die Gnade des Königs anzurusen, der dann jedesmal die 500 in 50 Frank umwandeln muß; nur auf solche Weise kann den Gesetzen Genüge geleistet werden.
bekam einen solchen Schreck, daß ich einen Schritt zurücktrat, und bevor ich noch wieder völlig zu mir gekommen war, war die Erscheinung schon verschwunden. Ich lief hinaus, öffnete die Haustür, so schnell ich nur konnte, und stürzte auf die Straße. Keine Meeschenseele war zu erblicken! Die kleine Zögerung hatte es dem Burschen möglich gemacht, mir zu entwischen. Wer mochte es nur gewesen sein? Ein Verbrecher, den mein offenes Fenster in Versuchung geführt hatte? Oder vielleicht Argot? Diese letztere Vermutung war noch viel beunruhigender als die andere. Hatte er etwa seine Frau aus meinem Haufe herauskommen sehen? Ich dachte an den Ermordeten, und ein Schauder rann mir durch den Leib. Trotz der Hitze schloß und verriegelte ich das Fenster und, um keine Vorsichtsmaßregel zu versäumen, auch noch die Tür, die von dem Vorderzimmer zu meinem Studierzimmer und zum Schlafzimmer führte. Ich hatte durchaus keine Lust, das nächste Opfer eines wahnsinnigen Eifersüchtigen zu sein! Die ganze Nacht hindurch verfolgte mich das weiße Gesicht. Immer ähnlicher schien es mir dem Gesicht des Monsieur Argot zu werden; zuletzt beschloß ich endlich, Herrn Merritt aufzusuchen, und ihn zu fragen, ob wir nicht genügende Handhaben hätten, den Franzosen verhaften zu lassen.
Aber als der Morgen kam, sahen die Dinge sich ganz anders an! Freds zweiter Brief — den ich schon mitgeteilt habe — traf bei mir ein, und der Gedanke an Map Derwents Krankheit nahm meinen Geist völlig in Anspruch. Ich will cs offen gestehen, ich hatte mich auf den ersten Blick in sie verliebt, und von dem Tage an, da ich sie im Rosemere-Hotel zum erstenmal sah, war es der sehnlichste Wunsch meines Herzens gewesen, sie dereinst mein Weib nennen zu dürfen. Und nun war sie krank, und ein anderer Mann — ein Mann, der sie ebenfalls liebte — war von ihr an ihre Seite gerufen worden und nahm den von mir so heiß begehrten Platz ein! Und ich war hier — an meinen Beruf gefesselt, und gezwungen, einem anderen ohne den geringsten Widerstand das Feld zu räumen. Denn es wäre nicht viel besser als Mord gewesen, hätte ich
meine Patienten bei dieser Hitze im Stich gelassen, zumal, da fast alle meine ärztlichen Kollegen verreist waren. Aber wenn ich nicht selber zu der Geliebten gehen konnte, so sollte sie doch zum mindestens etwas von mir erhalten, was ihr Gesellschaft leisten konnte. Ich eilte zum nächsten Blumenhändler und kaufte ihm seinen halben Vorrat - ab. Natürlich mußte ich mein Geschenk senden, ohne meinen Namen zu nennen; aber trotz alledem empfand ich es als einen Trost, denken zu dürfen, daß sie vielleicht meinen Rosen erlauben würde, ihr Krankenzimmer zu schmücken. Auf alle Fälle mußten diese sie daran erinnern, daß außer dem Bevorzugten, der in diesem Augenblick an ihrer Seite weilte, noch andere Männer auf der Welt waren, die sie liebten!
Die Nachmittagsausgabe der „New-Dorker Trompete" enthielt die Nachricht, daß Frau Grepwood eingetroffen sei, aber mit aller Entschiedenheit in Abrede gestellt habe, daß der im Rosemere-Hotel ermordet aufgefundene Mann ihr Sohn sei. Sie glaube, dieser mache eine Segelpartie auf der See; dadurch wäre natürlich völlig aufgeklärt, warum er nichts von sich habe hören lassen. Die Annahme, daß Fräulein Derwent auch nur mittelbar etwas mit dem Morde zu tun haben könnte, erwies sich also endgültig als haltlos. Ich war jedoch von Anfang an völlig sicher gewesen, daß bei diesen Nachforschungen nichts anderes herauskommen könnte, und fühlte mich daher durch Frau Greywoods Aussage eigentlich nicht wesentlich erleichtert. Natürlich war ich sehr froh, daß jetzt kein Detektive mehr einen Vorwand haben konnte, sich in meiner Geliebten Angelegenheiten einzudrängen. Sonst war mir ihr Verdacht völlig gleichgültig gewesen.
Aber diese verschiedenen Neuigkeiten trugen dazu bei, die Erlebnisse der vorhergehenden Nacht in meiner Erinnerung abzuschwächen, und da ich jetzt auch keine Zeit hatte, mich auf die Suche nach dem Detektive zu machen, so beschloß ich, an mein sonderbares Abenteuer gar nicht mehr zu denken.
(Fortsetzung folgt.)