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den Posianstalten im Manövergelände sind allein über 80 Beamte vorgesehen. Für den persönlichen Dienst des Kaisers wird in Mergent­heim eine besondere Postanstalt mit Tag- und Nachtdienst errichtet werden.

Stuttgart 26. Juli. Der Polizeibcricht schreibt: AM Samstag vormittag stürzte ein mit Aushängen eines größeren Firmaschildes an einem Hause der Böblingerstraße beschäftigter 18 Jahre alter Malcrgehilfe von einer Bockleiter 3 Meter hoch ab, brach beide Handgelenke und erlitt eine Gehirnerschütterung. Der Verunglückte wurde ins Marienhospital übergesührt. Am gleichen Tage nachmittags 4'/< Uhr kam ein 24 Jahre alter Fuhrmann während der Fahrt mit seinem Lastwagen in der Königstraße durch Ausrutschen zu Fall, wobei ihm ein Hinterrad des Wagens über die Füße ging. Der Verletzte trug je einen Bruch des Wadenbeines davon und mußte nach Anlegung eines Notverbandcs durch die Beruss- fcuerwache ins Katharinenhospital gebracht werden.

Stuttgart 26. Juli. Den Schluß­bemerkungen des Weinbauinspektors Mähr len zu den Rebstandsberichten der Vertrauens­männer imWeinbau" ist zu entnehmen: War das Bild, das wir noch vor Mitte Juni von dem Stand der Weinberge im ganzen Lande entwerfen konnten, ein überaus befriedigendes, so müssen wir jetzt nach Monatsfrist die Hoffnung auf ein gutes Weinjahr schon ganz wesentlich einschränken. Gerade die Zeit, die in der Ent­wicklung des Rebstocks fast am wichtigsten und für den Herbstausfall ausschlaggebend ist, die Zeit der Rebenblüte, war von den denkbar un­günstigsten Witterungsverhältnissen begleitet. Man sieht den Weinbergen auf den ersten Blick an, daß ihnen die Sonne fehlt und das nasse Wetter wehe tut. Das Wachstum ist schwächer wie sonst um diese Jahreszeit; die Triebgipfel zeigen kaum die auf ein normales Wachstum hindeutenden Krümmungen an ihrer Spitze. Die Bildung der Grünfarbkörner in den Blättern ist infolge des mangelnden Sonnenscheins und der übergroßen Bodennässe behindert, was sich in der allenthalben verbreiteten gelben Farbe der Triebgipsel äußerlich kundgibt. Und endlich die Rebenblüte: wo in bevorzugten Lagen die Reben vor Eintritt der Regenperiode verblüht hatten, da machten sie ganz gute Fortschritte und erhielten ihren vollen Fruchtansatz; was von den Gescheinen aber während der Regenperiode in Blüte kam, unterlag vielfach den bekannten Begleiterscheinungen eines schlechtenBlütenwetter s. Merkwürdig und erfreulich bei aller Ungunst der Verhältnisse ist das lange Verschontbleiben der Reben von der Peronospora. Man könnte sagen, daß die gewaltigen Anstrengungen, die Heuer mit dem Bespritzen der Reben gemacht wurden, hier ihren Erfolg äußern; bis zu einem gewissen Grad mag das zutreffen, aber offenbar

hat der Gang der Witterung hierbei auch mit­gewirkt. Es sei daran erinnert, daß im Jahre 1906 schon in der ersten Juliwoche die Peronospora- Katastrophe hereingebrcchen war. Ansätze der Pilzkrankheiten, sowohl der Peronospora, wie des Odiums, wie des Rotbrenners findet man allenthalben, ein Nachlassen in den Bekämpfungs- Maßregeln körnte daher-immer noch recht ver­hängnisvoll werden. Die Berichte der Vertrauens­männer malen im allgemeinen nicht gerade schwarz, es kommt in ihnen die niemals versiegende Hoffnung und Zuversicht des Winzers, daß es doch noch gut gehen könnte, zum Ausdruck.

Obertürkheim 26. Juli. Eine schreck­liche Mordtat ist am Sonntag hier passiert: im letzten Haus der Cannstatter Straße hat der 48jährige Heizer G. Schneider seinen 10 Jahre alten Knaben mit dem Beil tot­geschlagen und sich selbst mit dem Rasiermesser- Schnitte in den Hals beigebracht und dann sich ausgehängt. Schneider war als fleißiger Mann bekannt, der nur selten ein Wirtshaus besuchte. Doch gab cs zu Hause oft Auftritte mit seiner Frau. Vor 8 Tagen war wieder ein solcher vorgekommen, worauf die Frau mit ihren drei Töchtern (im Alter von 16, 13 und 7 Jahren) ihren Mann verließ, der die zwei Knaben (im Alter von 10 und 12 Jahren) bei sich behielt. Sonntag früh begab sich Schneider nach Eßlingen in die katholische Kirche und wartete am Schluß des Gottesdienstes auf seine Frau, die samt der ältesten Tochter ihn aber keines Blickes würdigte. Das scheint der äußere Anlaß zu der Tat ge­wesen zu sein. Schneider hat den 10jährigen zuerst betrunken gemacht, dann brachte er ihn um; das Hirn lag vollständig bloß. Von den Hausbewohnern hat niemand die Tat bemerkt; doch soll Schneider wiederholt geäußert haben, daß noch etwas passiere. Den 12jährigen Knaben hatte der Vater zum Seiltänzer geschickt, mit der Weisung nach Schluß der Vorstellung einen Brief an die Mutter nach Eßlingen zu tragen, und gab ihm seine Uhr dazu. Heimgekommen rief der Knabe die Hausbewohner, die dann die beiden Leichen fanden. Bei den Leichen fand sich ein Brief, in welchem um feierliche Beerdigung gebeten wurde.

Tübingen 26. Juli. Am 10. August d. I. soll dem Vernehmen nach die Bahnteilstrecke Herrenberg Pfäffingen, Anfang Oktober die Rcststrecke PfäffingenWestbahnhof Tübingen eröffnet werden. Der Schloßberg­tunnel, der rund 300 Meter lang ist, geht im Laufe des kommenden Monats der Vollendung seiner inneren Auswölbung entgegen.

Eßlingen 26. Juli. Die Heuernte ist nun glücklich beendet. Die Nachfrage nach gut eingebrachtem neuen Heu ist eine sehr rege, was zur Folge hat, daß jetzt schon für den Zentner 4 ^ bezahlt werden. Auch altes Stroh ist

ziemlich begehrt und kostet der Zentner 2.50 Die Reise der Getreidefelder macht rasche Fort­schritte, so daß bis Ausgang dieser Woche schon Roggen geschnitten werden kann. Auch die anderen Getrcidesorten fangen an zu fahlen. Die nicht gefallenen Fruchtfclder versprechen einen guten Ertrag.

Vom Zabergäu 26. Juli. Der Stand der Weinberge ist schön, Trauben gibt es in Mengen, das Laub ist gesund, die früheren Sorten zeigen schon Beeren in Größe von Zuckererbsen. Die Regenzeit während der Blüte hat weniger geschadet, als befürchtet worden ist. In den niederen Lagen mit späten Sorten ist der Beeren­ansatz allerdings ungleich, auch sind manche Trauben marschiert; in den höheren Lagen, den Berg- wingerten, aberherrscht Beerengleichheitundschöner Entwicklungsstand. Der falsche Mehltau, der etwas eingesetzt hatte, ist wieder verschwunden. Die Ernte wird in Roggen und Gerste in den nächsten Tagen beginnen und verspricht gute und reichliche Ware in Korn und Halm.

Dürrenzimmern OA. Brackenheim 26. Juli. Kaum hatte sich die Einwohnerschaft von dem Brandunglück der Samstagnacht erholt, als ein weiterer Schlag über die Einwohnerschaft kommen sollte. Ein schweres Gewitter zog in der Sonntagnacht heran und brachte Schlag­regen mit Hagel. Das Gewand gegen Bracken- hcim wurde schwer heimgesucht. Die Körner wurden ausgeschlagen, die Halme geknickt. Es dürsten immerhin 6070°/o Hagelschaden ge­schätzt werden.

Schwaigern OA. Brackenheim 26. Juli. Im hiesigen Gräflich v. Neipperg'schen Schlöffe wurde in der Nacht vom Sonntag auf Montag eingebrochen. Die Diebe stiegen von der Gartenteraffe aus in die Bibliothek ein und durchwühlten die Kunst- und Schmuckstücke der Frau Gräfin, ließen jedcch wertvolle silberne und goldene Gegenstände liegen, dagegen halten sie es auf antike Schmucksachen und Nippes abge­sehen. Pretiosen und goldene Uehrchen wurden mitgenommen, deren Wert nur Kenner von Antiquitäten wissen. Die Staatsanwaltschaft traf im Laufe des Vormittags ein.

Schwäb. Hall 26. Juli. Gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr entlud sich ein hef- tigesGewittermit wolkenbruchartigem Regen. Der herrschende Wind war so stark, daß er Bäume entwurzelte und an Häusern und Dächern nicht unwesentlichen Schaden anrichtete. Auch die Waren der die heute beginnende Jakobimeffe besuchenden Verkäufer haben teilweise durch den Regen gelitten.

Gmünd 26. Juli. Ein seltsames Naturschauspiel war gestern abend ^9 Uhr zu bemerken. Ein sternschnuppenartiges weißes Gebilde am nächtlichen Himmel wurde von einem

gleichbedeutend mit dem Satze: Man muß dem Papst mehr gehorchen als dem Kaiser oder König. Allein die aus diesem obersten Grundsatz sich ergebenden Folgerungen für die rechtliche Stellung des Papstes wurden nicht ohne Widerspruch angenommen. Vor allem wehrten sich die Bischöfe gegen Anwendungen des Systems, durch die ihre eigene Stellung eine höchst prekäre zu werden drohte. Bezeichnend ist eine Aeußerung, die Erzbischof Liemar von Bremen in einem Schreiben an Bischof Hezilo in Hildesheim tat:Der gefährliche Mensch gedenkt den Bischöfen wie seinen Taglöhnern zu befehlen, und wenn sie nicht alles getan haben, werden sie nach Rom vorgeladen oder ohne gerichtliches Urteil abgesetzt." Ganz besonders aber wehrten sie sich gegen die von Gregor VII angewandte Methode, auf Anklagen Untergebener hin gerichtliche Untersuchung gegen den Bischof anzuordnen. So wurde Erzbischof Udo von Trier beauftragt, den Streit eines Geistlichen von Toul gegen seinen Bischof Pibo zu unter­suchen. Udo tat es zwar, um nicht ungehorsam zu erscheinen, die Verhandlung führte aber zu gänzlicher Entlastung des ungerecht beschuldigten Bischofs, worauf sich der Erzbischof erlaubte, dem Papst zu erklären, daß es unstatthaft sei, die Söhne gegen ihre geistlichen Väter zu bewaffnen, und daß, selbst wenn der Bischof schuldig wäre, durch die öffentliche Ehrbarkeit, geschweige denn durch die in der Kirche waltende Liebe ein solches Verfahren für verkehrt zu erachten sei. Diese Erklärung gab er im Namen von 20 Bischöfen.

Noch entschiedeneren Widerspruch riefen Gregors VII Eingriffe in das politische Gebiet hervor. Gegen ein Recht des Papstes, den König in den Bann zu tun und der Regierung zu entsetzen, sträubte sich das Pflichtgefühl, dessen Grundlage das Bibelwort bildet:Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Obrigkeit ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott geordnet." Röm. 13,1. Vollends gegen die aus der päpstlichen Machtvollkommenheit abgeleitete Befugnis, die Untertanen von dem Eid der Treue zu ent­

binden, den sie ihrem rechtmäßigen König geschworen hatten, mußte das sittliche und rechtliche Bewußtsein des durch keine Theorien verblendeten Menschen allenthalben sich empören. War auch niemand da, der mit klarer Einsicht die Grundlage in Frage zu stellen vermochte, auf der die päpstliche Beweisführung sich erhob, so mußten doch sehr viele redliche Gemüter schwer beunruhigt werden durch die aufsteigenden Zweifel, ob der Papst nicht zu weit gegangen sei. Auch ein so treu ergebener An­hänger wie Bischof Hermann von Metz konnte nicht umhin, starke Bedenken über die weitgehende Ausdehnung der päpstlichen Machtvollkommenheit dem Papst selber gegenüber brieflich darzulegen, insbesondere nach Grunde zu fragen, auf dem das päpstliche Recht, den König zu bannen, ruhe. Da konnte Gregor VII keine andere Antwort geben als zu erklären, es sei Wahnsinn, dem Papste sein unumschränktes Recht zu bestreiten, und sich dafür aus die stets benützte Stelle zu berufen, nach der der Papst der Fels sein soll, auf den Christus seine Gemeinde gegründet hat und ihm die Schlüffe! des Himmelreichs übergeben sind. Gerade diese Bibelstelle aber, deren Sinn in jener Zeit niemand untersuchte, mit der Gregor VII jeden Wider­spruch niederschlug und jeden eigenen Anspruch belegte, ist die Achilles- serse des Systems, das die päpstliche Allgewalt an die Spitze stellt. Daß die biblische Begründung nicht in ihrer Haltlosigkeit erkannt, sondern unbesehen und ungeprüft von jedermann gläubig angenommen wurde, war der Grund, warum die Gegner Gregors trotz vielem Treffenden, das sie beizubringen wußten, doch im Nachteil waren. Den Hauptsatz gaben sie zu; gegen die aus demselben gezogenen Schlüffe wehrten sie sich; aber sie waren unfähig, das folgerichtige, in seiner Schroffheit imponierende System mit den Waffen evangelischer Erkenntnis zu überwinden und für immer zu stürzen.

Schon der Grundsatz:Mein Reich ist nicht von dieser Welt" steht in diametralem Widerspruch zu den Machtansprüchen Gregors,