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3.50 ^ hat niemand Lust Heu zur Spekulation aufzukaufen. Mit Recht befürchten aber die erfahrenen Landwirte, daß im kommenden Frühjahr Heu rar und teuer sein wird. Die Ernte der Wintergerste hat begonnen und liefert gute Stroherträge. Die Qualität der Körner ist gering und als Handelsware nicht brauchbar; solche Gerste wird am besten als Schweinefutter Verwendung finden.
Biberach 23. Jnli. In der Saulgauer Vorstadt und den anliegenden Einzeln- und Gartenhäusern kommen in der jüngsten Zeit eine Menge Diebstähle vor. Bald werden Geräte vermißt, bald holt ein nächtlicher Besucher Gemüse, Rosen und Blumen aus den Gärten, bald sieht die Hausfrau mit Schrecken den Hühnerstall, den Entenstall, die Hasenkäfige beraubt. Junge Gänse kehren auch nicht mehr in ihr trautes Heim zurück^ In der gestrigen Nacht wurden einem Besitzer auf einmal 44 Stück junge Hühner geraubt. Die Aufregung ist groß über derartiges Raubgesindel. Man hatte seither angenommen, daß Füchse oder Marder das Geflügel abfangen, es sind aber sicherlich nicht viersüßige, sondern zweibeinige Räuber.
Berlin 23. Juni. Aus Bamberg wird gemeldet: Der Sonderschnellzug Nr. 7058 ist heute Nacht bei Vorra mit bedeutender Geschwindigkeit auf einen Güterzug aufgefahren. Der Zug war mit Bayreuther Festspielgästen dicht besetzt. Die Schnellzugslokomotive ist umgefallen und schwer beschädigt, das Personal rettete sich durch Abspringen. Das Gleis nach Nürnberg ist vollständig gesperrt. Von den Reisenden ist wunderbarer Weise keiner schwer verletzt. Die Ursache war falsche Weichenstellung.
Berlin 23. Juli. Die Katastrophe im botanischen Garten zu Berlin am letzten Sonntag hat nunmehr auch finanzielle Folgen nach sich gezogen. Ueber das Vermögen des Direktors der Radrennbahn, Elsner, ist auf Antrag des Architekten der Bahn Konkurs verhängt worden. Hiezu teilt der Direktor mit, er habe gegen diese Verfügung Beschwerde erhoben. Die Entscheidung stehe noch aus. Es habe sich im vorliegenden Falle nicht um eine Schuld, sondern um eine Bürgschaft gehandelt, die von der gegenwärtigen Direktion übernommen wurde. Weder die rechtlichen noch die finanziellen Verhältnisse seien irgendwie kompliziert, da Direktor Elsner für das ganze Unternehmen die Verantwortung übernehme. Ebenso sei es nicht richtig, daß diejenigen, die Schadenersatzansprüche geltend machten, mit leeren Händen ausgehen werden. Das Befinden der bei der Katastrophe schwer verletzten Per
sonen ist andauernd sehr besorgniserregend. Besonders schlimm steht es um den Diener Schmidt, dem das rechte Bein abgenommen werden mußte. Nicht minder bedenklich ist der Zustand des Klempners Nitsch, der eine totale Verbrennung erlitten hat, und des Kaufmanns Martin, an dem eine Schädeloperation vorgenommen werden mußte.
Hamburg 22. Juli. In der heutigen Nacht gegen 2 Uhr schloß das 16. deutsche Bundes schießen nach 17tägigem Betriebe. Trotz des schlechten Wetters betrugen die Einnahmen i Vs Millionen Mark; nach erster oberflächlicher Schätzung dürfte ein Ueberschuß von 450000 Vorhänden sein.
Paris 23. Juli. Das Zuchtpolizeigericht von Bordeaux hat den neuen Erzbischof von Bordeaux, Kardinal Andrieux, wegen seiner Antrittsrede, in der er zum Ungehorsam gegen die Zivilgesetze aufgefordert hatte, zu 600 Frs. Geldstrafe verurteilt.
Brüssel 23. Juli. Von den am Mittwoch aufgestiegenen 3 0 Ballons sind bis gestern abend 17 glücklich gelandet, davon 4 in Deutschland.
Petersburg 23. Juli. Gestern früh brach in der chemischen Fabrik von Tentelew in der Nähe von Petersburg Großfeuer aus. Das ganze Gebäude wurde vernichtet. Etwa 5000 ks' Benzol explodierten, wodurch sich nach allen Seiten ein Feuerregen ergoß. Ueber 40 Menschen, meist Feuerwehrleute wurden schwer verletzt, einer getötet. An allen Häusern in der Umgebung wurden durch den Luftdruck die Scheiben zertrümmert, viele Menschen leicht verletzt. Der Materialschaden ist bedeutend.
London 23. Juli. In Portsmouth wurden an Bord eines Dreadnought zwei Individuen dabei überrascht, als sie photographische Aufnahmen der Geschütze machten. Sie wurden sofort von einer Abteilung Matrosen an Land gebracht und erst freigelassen, nachdem ihnen die photographischen Platten und Skizzen abgenommen worden waren.
London 23. Juli. Gestern fand in Downing Street die erste Sitzung der anglo- deutschen Freundschafts-Vereinigung der Frauen statt. Lord George erklärte in einer Rede, es sei erforderlich, daß die Bewegung parteilos sei. Alle Differenzen zwischen England und Deutschland seien durch Mißverständnisse veranlaßt. Nach früheren häufigen Konflikten mit Frankreich besiehe jetzt Freundschaft mit diesem Lande. Ebenso gut könne England mit Deutschland Freundschaft halten. Die materiellen
Interessen Englands ständen mit denen Deutschlands nicht in Widerspruch und es sei ganz sicher, daß das deutsche Volk keinen Streit mit England wünsche. Er sei in den letzten Jahren mehrfach in Deutschland gewesen und habe dort stets freundschaftliche Gesinnung für England gefunden. Der deutsche Botschafter Graf Wolff-Metternich hatte der Versammlung nicht beiwohnen können und in einem Schreiben den Bestrebungen der neuen Vereinigung besten Erfolg gewünscht.
Standesamt Calw.
Geborene.
16. IM. Willy Alfons, S. d. Richard Schoch, Wagenwärters.
G estorbene.
18. Juli. Katarine Kugele geb. Keppler, Bauers-
Ehefrau von Rötenbach 42^ Jahre alt.
19. „ Marie Dora Elvira, T. d. Gustav
Widmann, Sattlers und Tapeziers, 3'/« Jahre alt.
22. „ Wilhelmine Friedrike Widmann geb.
Hayd, Zimmermeisters Witwe, 80"/« Jahre alt.
Steklameteil.
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ein Verrat an den Interessen des Reichs gewesen, dessen der König sich nicht schuldig machte. Für dieses sein Recht hat er gekämpft bis zu seinem, jedes menschliche Gefühl erschütternden, tragischen Untergang; wenn er auch, verlassen von den Fürsten, nicht gesiegt hat, so bleibt ihm doch der Ruhm, daß er in einer Frage, die für die Macht des Königtums eine L ebensfrage gewesen ist, das königliche Interesse nicht preisgegeben hat.
Noch ein weiterer Punkt war von großer Bedeutung in dem entbrannten Kulturkämpfe, und dieser Punkt lag Abt Wilhelm vermöge der mönchisch-asketischen Richtung seiner Frömmigkeit weit mehr am Herzen als alle in das Gebiet der Staatshoheit eingreifenden Angelegenheiten. ES war die Ehelosigkeit der Priester oder der Zölibat. Indem Gregor VII auf jeder seiner alljährlichen Synoden diese Forderung neu einschärfte und zu den bedenklichsten Maßregeln schritt, um sie praktisch durchzusetzen, hat er kein neues Recht eingeführt. Nicht erst seine unmittelbaren Vorgänger auf dem päpstlichen Stuhl, die übrigens keineswegs, wie man schon gemeint hat, unselbständige Drahtpuppen in der Hand ihres energischen Ratgebers waren, haben diese Ordnung festgesetzt, sie galt schon in der alten Kirche und reicht zurück bis zu der allgemeinen Kirchenversammlung, die im Jahr 325 in Nikäa gehalten wurde. Allerdings hat es auch in der Kirche zu keiner Zeit an stillem oder lautem ernsthaften Widerstand gegen eine mit Zwang verknüpfte Forderung gefehlt, die der schwachen Menschennatur das Unmögliche aufzuerlegen chien. Der ehrwürdige Bischof Paphnutius, der selber ehelos lebte, brachte chon in Nikäa Bedenken wegen der schlimmen Folgen, die dieser Zwang nach sich ziehen müsse, zur Sprache, Bedenken, die man nie ganz zum Verstummen wird bringen können. Im Laufe der Jahrhunderte war das kirchliche Zölibatsgesetz in Vergessenheit geraten, jedenfalls wurde, es tatsächlich wenig beobachtet. In allen Ländern der Christenheit lebten zu Abt Wilhelms Zeiten die meisten Geistlichen mit Frauen zusammen, entweder in geordneter Ehe oder auch, was nicht selten war, in unrechtmäßigen Beziehungen. Zwischen diesen beiderlei Verhältnissen machte
aber Gregor VII gleich seinen Vorgängern Leo IX und Nikolaus II keinen Unterschied; nicht allein die unerlaubten Verbindungen sondern auch die förmliche Ehe wurde unter den Begriff der nikolaitischen Ketzerei gebracht, nach Off. 2. 6, wo vor den Werken der Nikolaiten als vor Werken der Unzucht gewarnt wird. Nach Gregors VI I rigoristischer Auffassung ist der verehelichte Priester seines Amts ebenso unwürdig wie der Hurer und Ehebrecher. Es war aber keine leichte Arbeit, eine tief eingewurzelte Gewohnheit auszurotten; trotz allen Synodalbeschlüssen wollte es nicht gelingen. Denn auf diesem Gebiete versagte auch das dem Priester im übrigen durch die Disziplin der Kirche eingepflanzte Pflichtgefühl der Unterordnung unter das Ansehen des Bischofs. Die bischöfliche Macht leistete keine Gewähr des Erfolgs gegenüber dem gewaltigen Protest, den der Trieb der Natur der strengen Forderung entgegenstellte. Dazu kam, daß in diesen Verhältnissen auch eine Erwerbsquelle für den Bischof lag; denn die beweibten Priester zahlten demselben jährlich eine Bußsumme für sein stillschweigendes Uebersehen, so daß sogar eine römische Synode nötig fand, diesen Erwerb den Bischöfen zu verbieten. Zudem konnten und wollten die Bischöfe nicht einschreiten, teils weil manche derselben in diesem Punkte auch kein reines Gewissen hatten, teils weil sie die Undurchführbarkeit einsahen. Die meisten schwiegen. Bischof Otto von Konstanz, der sich weigerte, seinen Priestern den Zölibat zu befehlen, wurde abgesetzt und in den Bann getan. Der eifrigste Diener des Papstes war Bischof Altmann von Passau, den Gregor VII zu seinem ständigen Legaten in Deutschland ernannte. Er war der erste unter den Bischöfen, der es wagte, Ernst mit dem päpstlichen Zölibatgebot zu machen. Als er aber am Stefanustage 1075 auf einer Provinzialsynode seinen Priestern das Ansinnen stellte, bis zu einem bestimmten Termin sich von ihren Weibern zu trennen, stürmten die Priester mit solcher Entrüstung auf ihren Bischof ein, daß es um ihn geschehen gewesen wäre, wenn ihn nicht die anwesenden Ritter gegen die Wütenden geschützt hätten. (Fortsetzung folgt.)