159.
Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk Calw.
84. Jahrgang.
Erscheinungslage: Montag, Dienstag. Mittwoch. Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnssrtionsprers «0 Bsg.proZeile für Stadt u. Bezirksorte: außer Bezirk 12 Pfg.
Tagesuemgkette».
Gechingen 4. IM. Heute beging der seit 1902 bestehende Milirärverein Gechingen seine Fahnenweihe, verbunden mit dem Bezirkskriegerlag. Der Vormittag war durch den Kirc gang und die geschäftlichen Verhandlungen aM bei welchen Herr Schultheiß Ladner unter verebter- Anerkennung der idealen Bestrebungen des Kriegerbundes den Bezirkskciegertag in Gechingen willkommen hieß. Während der Veteranenverein Gechingen und der festgebende Verein dem Festmahl im „Hirsch" sich widmeten, hielten unter Böllerschüssen und empfangen von schmucken Festreitern in historischen Artillerieuntformen von 1809 und von noch schmuckeren Festjungfrauen die Gäste ihren Einzug. Die Gechinger müssen einen besonders geschickten Wettermacher haben, denn während es am Freitag noch in Strömen regnete und am Montag wieder zweifelhaft Wetter war, leuchtete am Sonntag die herrliche Jnltsonne in ausgesuchter Pracht. So konnten 40 Fahnen ihren Glanz im flimmernden Sonnenlicht vor den alten Kriegern entfalten, die in strammer Haltung unter den Klängen der Gärtringer Musik und der Calwer Stadtkapelle und unter den jubelnden Zurufen von jung und alt, Fremden und Einheimischen durch die in frischem Grün und reichem Blumen- und Fahnenschmuck prangenden Straßen Gechingens zogen. Den 35 militärischeltz-Bereinen aus den Oberamtsbezirken Calw, Böblingen, Herrenberg und Leonberg hatten sich mehrere befreundete Gesangvereine, so die von Deufringen, Aidlingen, der Sängerkreis Schönbuch von Stuttgart und die Feuerwehr von Gechingen zugesellt. Auf dem Fest- plotz begrüßte der Vorstand des Militärvereins Gechingen, Morgenthaltr, die Festgäste, worauf Herr Pfarrer Beitter in nach Form und Inhalt gleich gediegener Festrede die zu religiösem Sinn, Selbstzucht, Ordnung im eigenen Leben, Familie, Gemeinde und Staat, und zu stets bereiter Hingabe fürs Vaterland erziehenden Grundsätze der Kriegervereine beleuchtete und den Verein aufforderte, in diesem Geist seine neue Fahne und den dem Kaiser
ontag, den 12. Auli 1909.
geleisteten Eid stets unbefleckt zu erhalten. Mit einem brausenden Hoch auf den Kaiser bekräftigte die Versammlung ihre Zustimmung zu den ernsten Worten des Geistlichen. Die Uebergabe der Fahne in den Verein begleiteten Fräulein Luise Morgen- thaler und Emilie Gehring mit finnigen und schneidig vorgetragenen Gedichten. Der Gesangverein brachte unter Leitung des Dirigenten das Fahnenlied trefflich zum Vortrag. Der Bezirksobmann, Stadtschultheiß Conz von Calw hob anknüpfend an die erhebenden Eindrücke des Jubiläums des 7. Regiments die Bedeutung solcher Zusammenkünfte der alten Soldaten hervor. Unsere Stärke beruht in unserem kameradschaftlichen Zusammenhalten. Unsere Kameradschaft ist kein leerer Wahn, sondern hilfsbereite Tat. Zum Beweis gab er Zahlen aus dem Geschäftsjahr 1908 des Bezirksvereins Calw und deS württemb. Kriegerbundes, die allgemein interessieren dürften.
I. Der Bezirkskriegerverband Calw zählt in 35 Vereinen 1596 aktive und passive Mitglieder. Von diesen xourden entrichtet:
Jahresbeiträge an den Bund .... 522 ^
„ „ die Vereine .... 263 „
„ „ die Bezirkssterbekasse. 2102 „
2887 ^
Dagegen wurden ausgezahlt:
1. Aus den Ünterstützungskassen des Bundes in 28 Fällen .... 528 ^
2. Aus dem „König-Wilhelm-Trost"
an 11 Bundesmitglieder und 1 Nichtbundesmitglied je 25 . 300 „
3. Aus derKaiser-Wilhelm-Stiftung 90 „
4. Unterstützungen aller Art, Sterbegelder, und Beerdigungskosten,
durch die Vereine .... .3212 „
4130 ^
4130
Somit Mehrempfang der Vereinsmitglieder . 1243 ^
II. Der Württemb. Kriegerbund im Ganzen umfaßte 1908: 1849 Vereine mit 107 569 aktiven Mitgliedern (darunter 14488 Veteranen).
Dezugspr.i.d.Sladti/ijährl.m.Trägerl.Mk. 1.25. Postbezugspr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. r/.jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30Pfg., in Bayern n. Reich 42 Pfg.
1. Der Bund hat geleistet:
g. an Unterstützungen aus allen seinen Kassen und Stiftungen in 2979 Fällen 58 333 ^ b. aus dem König-Wilhelm- Trost: an 1108 Feldzugsteilnehmer (je 25 „//,) . 27 700 „
Die Gesamtleistungen des
Bundes mit. 86033 ^
übersteigen die Jahresbeiträge der Vereine an den Bund mit zusammen . . 37 649 „
um. 48384 ^
2. Neben diesen Unterstützungen aus
Bundesmittcln von. 86033 ^
haben die Bundesvereine an Unterstützungen geleistet. 191873 „
Sodaß die Gesamtleistungen der
Vereine und des Bundes also 1908
eine Höhe von. 277 906 ^
erreichten.
Das sind Leistungen der kameradschaftlichen Nächstenliebe, die keine andere Organisation aufweisen kann. /
Den Dank für alle diese opferwillige Arbeit faßte der Bezirksobmann in einem Hoch auf das Bundespräsidium und den Protektor des Bundes. S. M. den König zusammen. Hierauf feierte Kamerad G. Mack (Veterane) in schwungvollen Worten die Treue des schwäb. Volkes zu seinem Königshaus; Herr Merk vom Artillerteverein Stuttgart und Herr stellv. Bezirksobmann Wagner-Emstmühl spendeten der Gemeinde Gechingen und den Ehren- jungfrauen in humorvollen Worten das wohlverdiente Lob. Bis gegen 7 Uhr spielte sich auf dem von herrlichen Bäumen beschatteten Festplatz daS heiterste Treiben ab, und man sah manch alten Krieger ebenso sieghaft auf dem Tanzplatz auftreten wie einst auf dem Feld der Ehre. Gegen Abend fanden sich Militärverein und Veteraneuverein mit ihren Gästen noch im „Hirsch" zusammen, wo unter ernsten und heiteren Ansprachen, Gesängen und Deklamationen die Zeit nur zu rasch verging. Der Abend gehörte den Festjungfrauen, die nun beim
7 Abt Wilhelm in Hirsau i069— 1091 .
4. Wilhelms Lehrjahre.
(Fortsetzung.)
Bei den Anstrengungen und dem großen Zeitaufwand, den die Arbeit des Unterrichtens kostete, mußte Othloh die Zeit zu schriftstellerischer Tätigkeit mühselig auskaufen. Und doch hat er neben freier Hervorbringung viele Dutzende von Büchern zur Vergrößerung der Bibliotheken abgeschrieben und zahlreiche Klöster, sowie einzelne Personen mit diesen kostbaren Erzeugnissen seines Fleißes beschenkt. Auch Wilhelm finden wir in der Zahl der Beschenkten; Othloh hat ihm nicht weniger als vier von ihm abgeschriebenen Bücher geschenkt, worunter ein sehr kostbares Meßbuch. Er hat ein Verzeichnis dieser Bücher zusammengestellt, um durch sein Beispiel lässige Mönche zu beschämen und zur Nacheiferung anzutreiben. Was Wilhelm diesem Lehrer für seine ganze Lebenszeit zu verdanken hatte, kann nicht hoch genug angeschlagen werden.
Manchfache Anregung und Förderung bot das Leben in dem angesehenen Kloster einer so wichtigen Stadt wie Regensburg, die Bischofsitz und Hauptstadt des Herzogtums Bayerns war, für einen strebsamen Mann von ungewöhnlicher Begabung, der zu einer bedeutenden Wirksamkeit in der Kirche berufen war. Hier mußte Wilhelm in nahe Berührungen mit den leitenden Kreisen in Kirche und Staat kommen und hinsichtlich der großen Fragen der Zeit mit in das Interesse gezogen werden. Bei dem unsteten Wanderleben, das die deutschen Kaiser zu führen hatten, die nirgends eine feste Residenz besaßen, kam der Hof häufig nach Regensdurg, wo nicht selten auch Reichstage gehalten wurden. Keine andere Tagung aber dürfte derjenigen an Wichtigkeit für Wilhelm gleichgekommen sein, die in der Weihnachtszeit 1056 stattfand. Am 5. Oktober dieses Jahres war der tatkräftige Kaiser Heinrich III vom Tode dahingerafft worden mit Hinterlassung
eines sechsjährigen Knaben. Jetzt hatte die Stunde geschlagen, von der an das durch den verstorbenen Kaiser aus dem Sumpfe der tiefsten Erniedrigung und Schmach erhobene und neu gestärkte Papsttum unter kluger Benützung der deutschen Wirren in unerhörtem Siegesläufe auf den höchsten Gipfel seiner Ansprüche und seiner Macht emporstieg und die völlige Unabhängigkeit von jeder weltlichen Gewalt anstrebte. Der beim Tode Heinrichs II! gerade anwesende Papst Viktor II wirkte nach Kräften für die Ordnung der deutschen Angelegenheiten, und in seiner Gegenwart wurde jener Reichstag in Regensburg gehalten. In des Papstes Gefolge befand sich damals der aus Lothringen gebürtige Kardinal Humbert, der zwei Jahre später drei Bücher „gegen die Simonisten" veröffentlichte, eine Abhandlung, welcher eine viel größere Bedeutung beizumeffen ist, als der Titel anzeigt, nach dem es scheinen könnte, als wende sich der Verfasser bloß gegen die Käuflichkeit der Kirchenämter, während er bereits mit voller Entschiedenheit die ungeheuerlichen kirchlichen Ansprüche vertritt, die später den entsetzlichen 50jährigen Kampf hervorriefen. Jede Einmischung der Fürsten in den Bereich der geistlichen Aemter wird von Humbert zurückgewiesen. Wie die Seele vorwiegt und dem Körper gebietet, so geht die priesterliche Würde als die himmlische der königlichen voran als der irdischen und niedrigen. Als vom geistlichen Amte unabtrennbar betrachtet Humbert aber auch die mit den Bistümern und Abteien verbundenen Güter, die großen Reichslehen, die nach seiner Theorie dem Einfluß des Königs völlig zu entziehen wären. Mächtige Fürsten sollten demnach die Bischöfe und großen Aebte sein, aber in ihrer Wahl und Amtsführung ganz unabhängig von Kaiser und Reich. Hier haben wir bereits das Programm, in dessen rücksichtsloser Durchführung der damalige päpstliche Ratgeber Hildebrand, der nachherige Papst Gregor VII, seine Lebensaufgabe erblickte. Humbert, der geistige Urheber dieses Programms, fand aber mit seinen kirchlichen Forderungen in Wilhelm einen gelehrigen Schüler. Ganz von diesen Gedanken der schroffsten Kirchenpartei durchdrungen, war Wilhelm, wie wir