528

Enttäuschung, da Graf Zeppelin in rascher Fahrt bereits Eßlingen und Plochingen passiert hatte, um so schnell wie möglich den schützenden Hafen am schwäbischen Meer zu erreichen.

Göppingen 31. Mai. Das Stadtpolizei­amt teilt mit, daß das Zeppelin'sche Luftschiff in unmittelbarer Nähe der Stadt Göppingen um 11 Uhr 20 Min. auf einer Höhe gegen einen Baum fuhr, wodurch dem Luftschiff die Spitze eingedrückt wurde. Diese Havarie nötigte den Grafen zu einer Landung bei Jebenhausen.

Göppingen 31. Mai. Ueber die Ursache des Unfalles des Zeppelin'sche» Luftschiffes wird folgendes bekannt: Die Landung erfolgte nicht etwa aus dem Grunde, weil der Gasverlust zu stark gewesen wäre, sondern weil der Benzinvor­rat vollständig auf die Neige gegangen war. Bei der infolgedessen vorgenommenen Landung wurde der Birnbaum, in dem sich die Spitze des Ballons verfing, von dem Steuermann des sehr niedrig fliegenden Luftschiffes übersehen. Dos Alu­minium des Vorderteils wurde auf etwa 30 Meter völlig zerstört, ebenso das rechte Höhensteuer. Bei den Reparaturarbeiten bemüht man sich, aus dem übriggebliebenen Aluminium unter Verkürzung deS Ballons eine Spitze zu bilden. Graf Zeppelin ist im Automobil nach Friedrichshafen zurückgekehrt. Der Besuch der Reichstagsmitglieder wird wahr­scheinlich verschoben werden müssen.

Göppingen 31. Mai. Das Luftschiff liegt auf einem hügeligen, für eine Landung äußerst ungünstigen Terrain. Während nämlich die zer­trümmerte Spitze des Luftschiffes auf dem Erdboden aufsteht, erhebt sich infolge dieses hügeligen Terrains der Hintere Teil etwa 20 m in die Lust. Die Beschädigung des Luftschiffes ist derart, daß an eine Weiterfahrt für heute Abend oder heute Nacht nicht gedacht werden kann. Meterlange Alumiyium- stangen liegen zertrümmert vor dem Baum, an dem daS Luftschiff anstieb. Die Aeste des Baumes sind vollständig geknickt. Ein Teil des Personals des Grafen, das übrigers vollständig abgespannt und übernächtig ist, beschäftigt sich damit, die Aluminium­trümmer zu entfernen. Der Kommandeur des Pionierbataillons aus Ulm ist mit einer halben Kompagnie zur Hilfeleistung eingetroffen. Als um vier Uhr eine kräftige Brise einsetzte, wurde das Luftschiff, um es vor dem Winde zu schützen, unter allgemeiner Mitwirkung des den Landungsplatz umstehenden Publikums gedreht. Der Verkehr auf der Chaussee nach der Unfallstelle ist geradezu lebensgefährlich.

Friedrichshafen 31. Mai. Die Luftschiff- bau-Zeppclin-Gesellschaft bestätigt, daß das Luft­schiff nahe bei Göppingen gegen einen Baum gestoßen ist. Die Spitze wurde leicht eingedrückt. Schlosser von Friedrichshafen sind zur Reparatur unterwegs. Die Reparatur wird vielleicht bis heute Abend, spätestens in der Nacht beendigt sein.

Stuttgart 31. Mai. Wie dasNeue Tagblatt" meldet, ist in Stuttgart ein Telegramm des Grafen Zeppelin eingetroffev, daß die Re­paratur des Luftschiffes 6 Wochen in Anspruch nehmen werde. Der für nächsten SamStag geplante Besuch der ReichStagSmitglteder findet daher nicht statt.

Berlin 31. Mai. Durch Extrablätter wurde erst, nachdem die Nacht hereingebrochen war, die Wendung deS Grafen Zeppelin bei Bitter­feld und sein Entschluß, nach Friedrichshafen zurückzukehren, bekannt. DiekaiserltcheFamilie hatte stundenlang in dem neben dem Tempelhofer Feld gelegenen Kasino des Kaiserin-Augusta-Regi- mentS des Luftschiffes geharrt und kehrte erst um 10 Uhr in die Stadt zurück.

Frankfurt a. M. 31. Mai. Die Franks. Zeitung meldet aus Geislingen a, St. von 7 Uhr abends: Die aus Leipzig an das Luftschifferbataillon gerichtete Drpesche, die ganz Berlin alarmierte und enttäuschte und Veranlassung gab, daß der Kaiser und die Prinzen stundenlang auf das Luft­schiff warteten, ist nach einer Erklärung des Grafen Zeppelin eine Mystifikation.

Tages«errigkei1e«.

Stuttgart. Mai. Bei der heute nachmittag auf der Stadtdirektion vorgenommenen Ziehung der Geldlotterie zu Gunsten des Wöchnerinnenheims fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 20000 --7 auf Nr. 959, 6000 -,// auf Nr. 2819, 2000 auf Nr. 68027, je 1000 auf 48102, 28517, je 500 ^ auf Nr. 58007, 118007, 21635, 21648.

Stuttgart 29. Mai. Aus Breslau wird demBerliner Börseu-Kurier" folgender amüsanter Vorfall berichtet, der sich dort am Dienstag nachmittag abspielte: Der König von Württemberg sollte von Ober­schlesien kommend, in der schlesischen Hauptstadt eintreffen. Der Bahnhofsvorstand hatte auf dem Hauptbahnhof im Fürstensaal einen würdigen Empfang vorbereitet. Doch der König spielte ihm einen Streich. Nach seiner Ankunft entstieg er gemächlich feinem Salonwagen, schritt uner­kannt durch das Menschengewühl hindurch nach dem Droschkenhalteplatz, setzte sich dort in eine Droschke zweiter Güte und unternahm eine Spazierfahrt durch die Stadt, während inzwischen der Bahnhofsvorstand sehnlichst auf den König wartete. Als dieser nach einer reichlichen halben Stunde zurückkehrte, zog er es vor, sich auf die Veranda in der Verkehrshalle zu setzen und dort einen Schoppen Bier zu trinken zum Er­staunen der Norddeutschen, die so etwas noch nie gesehen hatten. Dann reiste der König weiter.

Stuttgart 29. Mai. Dem heutigen Wochenmarkt waren etwa 25 Körbe Früh- kirschen aus Hessigheim zugeführt. Preis im Großen 2530 Z per Pfund. Auf dem Klein­markt wurden für das Pfund 3040 ch gefordert.

Welzheim 29. Mai. Beim Plapphof in der Nähe von Fornsbach, ereignete sich gestern abend 6 Uhr ein bedauerlicher Unglücks­fall. Auf der durch Plapphof führenden Straße machten sich 2 Kinder zu schaffen, als in scharfer Fahrt ein Automobil, anscheinend von Gaildorf

kommend, den Weiler durchfuhr. Konnte nun der Wagenlenker nicht mehr anhalten oder sah er die Kinder nicht: die beiden Kleinen kamen unter die Räder des Automobils und mußten schwer verletzt vom Platze getragen werden. Trotz wiederholter Zurufe hielt das Automobil nicht an, sondern fuhr in rasendem Tempo weiter. Die erregten Einwohner telephonierten sofort auf die nächsten Stationen, die in der Fahrtrichtung lagen. In Murrhardt gelang es, den Wagen anzuhalten u. die Namen der Insassen festzustellen.

Eningen u. A. 29. Mai. Bei einem hiesigen Briesmarkenhändler wurde durch den Stationskommandanten Haussuchung gehalten und gefälschte württembergische Jubilüums- dienstmarken beschlagnahmt; auch soll ein Clichk zur Herstellung der Fälschung ge­funden worden sein.

Pforzheim 29. Mai. In der letzten Nacht wurden hier in dem Modewarengeschäft von Hugo Landauer 2 große Schaufenster­scheiben von je 6 giu von unbekannten Tatern eingeschlagen. Der Schaden beträgt 500 ^

Madrid 29. Mai. Zahlreiche Ortschaften Andalusiens sind durch Heuschreckenschwärme schwer heimgesucht worden. Die Ernte ist strich­weise vollständig vernichtet.

Ko nst anti no p el 29. Mai. Die Durch­suchung der Archive und Registraturen Abdul Hamids hat die sensationellsten Ergeb­nisse gehabt. Abdul Hamid hat jeden Bericht, jeden Zettel, jede Quittung registriert, wodurch die Feststellung ermöglicht ist, daß durch Vermitt­lung Pangiri Beis, dem dritten Direktor der Ottoman-Bank, der jüngst flüchtete, der fran­zösische Botschafter Constans vom Sultan eine monatliche Zulage von 2000, der russische Botschafter Sinowjew eine solche von 1000 Pfund erhielt. Die französische und russische Regierung wurden hiervon verständigt, worauf die Botschafter abberufen wurden. Es wurde außerdem interessantes Material gegen Ferid Pascha zu Tage gefördert, noch aus den Zeiten, als er Staatsrat war. Infolge dieser Ent­deckung setzte bereits eine neue heftige Agitation gegen den Minister des Innern ein. Als Tat­sache ist anerkannt, daß kein einziges, Deutsch­land oder einzelne auch unbeamtete Deutsche irgendwie blosstellendes Aktenstück sich in der Mdiz-Registratur befand.

Letzte Nachrichten.

Göppingen 1. Juni, 1 Uhr mittags. Das Luftschiff soll heute Abend 5 Uhr soweit fertig gestellt sein, um die Heimfahrt an;u- treten. Heute Mittag 2 Uhr wird der König hier eintreffen.

Leuchtkäfer. Der See gehörte zum Gebiet von Klein-Ellern und war Reginas eigenster Besitz. Hier hatte Wolf Dietrich als Knabe seine schönsten Stunden verlebt, und darum erkor ihn die junge Frau zu ihrem Lieblings­aufenthalt. In schwülen Sommerabenden badete sie ihre schönen Glieder in seiner klaren Flut, und es verging kaum ein Tag, an dem sie nicht dort weilte. Wenn eine dringende Botschaft sie suchte, so sandte man zu­erst einen Boten nach dem Klostersee, der nur eine kurze Wegstrecke von dem Gutshause entfernt lag. Auf dem See lag ein schmales Kielboot, das zur Not zwei Menschen faßte, auf ihm befuhr Regina das tiefe Wasser und trug oft zappelnde Beute nach Hause.

Jetzt waren die heißen Sommertage vorüber und köstlich frische Winde strichen durch das Wiesental. Schon manches fallende Blatt wirbelte durch die klare Luft; aber noch zeigte der waldbedeckte Höhenzug sein dunkles Grün, und ein Himmel stand darüber in dem leuchtenden Blau, das den kommenden Herbst kündete. Die Tagesarbeit war getan, klein Irmgard spielte wohlbehütet zu Füßen von Fräulein Haller, deren treue Dienste sich die Mutter noch für eine Weile gesichert hatte, auf einem sonnenbeschienenen Plätzchen. Kraußneck war noch mit der Büchse hinaus­gewandert, er war einem starken Rehbock auf der Spur. Da lockte es Regina auch noch hinaus, sie wollte die Sonne über dem Ktostersee ver­sinken sehen.

Im weißen, schlichten Kleide, den Kopf mit der dunklen Flechten­krone bedeckt, schritt sie rasch dahin, Wodan ihr zur Seite. Durch den Obstgarten hindurch, wo die frühen Sorten der pflückenden Hand schon warteten, ging der Weg. Dann an frisch gepflügtem Acker und Brach­land vorbei, zwischen dichten Hecken hindurch, wo allerlei Beeren reiften, um sich zuletzt in einem kleinen Gehölz in der Tiefe zu verlieren.

Regina war frohen Herzens, denn heute nachmittag hatte Onkel Bernhard sie aufgesucht, um ihr einen ausführlichen Brief von Wolf Dietrich vorzulesen, der ungebührlich lange unterwegs gewesen war. Vor

dem Winter würden sie heimkehren. Vor dem Winter! Sie zählte die Wochen, und die Zeit dünkte ihr lo lang und war doch so kurz. Hatte sie denn nicht schon viele Monde seiner gewartet, bis sich das Jahr längst gerundet hatte?

Komm, Wodan, oder die Sonne geht ohne uns unter!"

Voller Uebermut flog sie den abschüssigen Pfad hinunter bis zum Klostersee. Dort stand sie wie gebannt. Goldrot leuchtete es aus dem Wasser empor, und die grünen Hügel flössen darein wie dunkle Schatten, die das Glänzende wirksam durchbrachen. Noch streifte den Horizont der Saum des purpurnen Königsmantels des sinkenden Gestirns, und lichte Wölkchen tauchten hinein, sie malten ihr unschuldiges Weiß in die Farbe der Liebe. Eilends segelten sie davon, damit ihnen niemand den kostbaren Schmuck raube, und doch lag die Nacht schon auf der Lauer und schielte nach der schimmernden Pracht, um sie mit ihren dunklen Schleiern zu ersticken und auszulöschen, als sei sie niemals gewesen.

Regina stand und sah in die Gluten, es war ihr, als sähe sie den Himmel offen. Trotzdem es kühl vom Wasser wehte, schien es ihr, als hüllten warme Strahlen sie ein. Plötzlich lachte sie vor sich hin, wie über ein süßes Geheimnis, das nur sie kannte. Es war ja die Liebe, die heute abend mit ihr gewandert war, die Liebe, die sie nicht wieder losließ, seitdem sie wußte, in wenig Wochen kehrte er ihr zurück, Wolf Dietrich, ihr Trautgesell.

Wird das ein wunderbares Wandern werden durch das lange Leben, das noch vor ihr liegt! Regina breitete die Arme dem leuchtenden Wasser entgegen und atmete tief und schwer. Er wußte, daß ste hier lebte, in seiner Heimat, in dem Hause, wo seine Wiege stand, an all den Plätzen, die seine Freuden gesehen hatten. Zuerst die des Kindes, des Knaben dann und des Jünglings. Und als er Mann geworden war, da kamen auch die Schmerzen!

(Fortsetzung folgt.)