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Beim Etat des Staatsanzeigers wurden die Einnahmen um 10 000 ^ erhöht. Die Erhebung der Angestellten des Staatsanzeigers zu Beamten fand keinen Widerspruch. Von einer Seite wurde die Beseitigung der für den Staatsanzeiger be­stehenden postalischen Vergünstigungen angeregt. Morgen Fortsetzung des Kultetats.

Cannstatt 24. Mai. Gestern früh fand in den Cannstatter Kuranlagen die feierliche Enthüllung eines Denkmals statt, das dem schwäbischen Dichter, dem Verherrliche des Schwarzwaldes, Berthold Auerbach, gewidmet ist. Gegenüber der bekannten Auerbach-Linde steht auf einem Sockel von Schwarzwaldgranit die aus Bronce gegossene Statue des Dichters ein wohlgelungenes Werk des Bildhauers Prof. Hermann V o l z - Karlsruhe. Zu dem Festakte waren eine größere Anzahl von Verwandten des Dichters und viele andere geladene Gäste und Verehrer desselben erschienen. Die Festrede hatte der bekannte Auerbach-Bio­graph Prof. Bettelheim-Wien übernommen, der in längerer gewandter Rede Auerbach als Dichter und Mensch feierte. Nach der Uebergabe des Denkmals an den Brunnenverein-Cannstatt durch den Vorsitzenden des Auerbach-Komitees wurden noch Kränze an dem Denkmal nieder­gelegt vom Schwäbischen Schillerverein-Stuttgart, dem Literarischen Klub-Stuttgart, dem Cottaschen Verlag, der Burschenschaft Germania Tübingen, der Heimatgemeinde des Dichters Nordstetten, von den Verehrern des Dichters in Wien, der Freimaurerloge Frankfurt, dem Berthold Auer- bachverein-Stuttgart und von den Anverwandten des Dichters. Umrahmt wurde die Feier von Liedervorträgen der Concordia-Cannstatt und Musikvorträgen des städtischen Kurorchesters.

Heilbronn 24. Mai. Wegen Erkrankung an Pocken ist, lt. Neckarztg. eine hiesige Frau, sowie unter dem Verdacht der Pockenerkrankung deren Tochter in das städtische Krankenhaus ein- geliesert worden. Die Frau ist Lumpensortiererin und -scheint sich die Krankheit bei der Bearbei­tung von aus Rußland eingesührten Lumpen zugezogen zu haben. Natürlick sind im Krankenhaus die peinlichsten und umfassendsten Vorkehrungen getroffen worden, um der Weiterverbreitung dieser ansteckenden Krankheit vorzubeugen.

Kirchheim u. T. 24. Mai. Am Sams­tag nacht gegen 10 Uhr fuhr der Bote Schmid von Donnstetten mit zwei leeren Wagen die Randecker Steige entlang. Er kam von der Straße ab und geriet in einen Waldweg. An einer schmalen Stelle stürzten die Pferde eine steile Böschung hinab, die nachfolgenden Wagen blieben in den Waldbäumen hängen. Bis der

Fuhrmann vom nahegelegenen Hepsisau Hilfe herbeiholte, waren beide Tiere im Wert von 1200 ^ verendet.

F ri ed rich s hasen 24. Mai. Die Füllung des Zeppelin II mit Wasser­stoffgas wird Mittwoch oder Donners­tag erfolgen. Dann wird die Probefahrt mit 2. II beginnen. Am 10. Juni treffen hier die Kommissare des Reichsamtes, des Reichs­marineamtes und des preußischen Kriegsministe- riums zusammen um über die Abnahme des 2. II zu beschließen.

Köln. Der Mannergesangverein, der Sieger im Kaiserpreiswettsingen, wurde gestern abend bei seiner Rückkehr am Bahn­hof von Vertretern der Behörden, Offizieren, Vereinsdeputationen u. s. w. empfangen und in herrschaftlichen Equipagen durch die Altstadt zum Gürzenich geleitet, wo die feierliche Begrüßung des Vereins in Wort und Lied erfolgte. Die Stadt trug reichen Flaggenschmuck.

Paris 24. Mai. In Toulon sind Ver­suche mit einem neuen Geschoß angestellt worden, das vorläufig mit dem Namen Leuchtgranate bezeichnet wird. Die Granate scheint nach der Beschreibung Aehnlichkeit mit den bekannten Leuchtkugeln des Feuerwerks zu haben. Nur ist angeblich die Dauer und Intensität der Beleuch­tung so groß, daß ein Schiff noch in einem Um­kreise von 1618 Seemeilen klar erkannt wer­den kann.

Rom 24. Mai. In dem kalabrischen Städtchen Bi aneo und dessen Umgebung wurde in der vorletzten Nacht ein heftiges wellen­förmiges Erdbeben wahrgenommen, das mehrere Sekunden anhielt und die Bevölkerung in Panik versetzte. Die Leute flohen auf die Straße und verbrachten die Nacht im Freien. Personen sind nicht zu Schaden gekommen.

London 24. Mai. Aus eine Anfrage im Unterhaus bezüglich der Stappellegung von 8 Schlachtschiffen ersten Ranges im laufenden Finanzjahr erwiderte Premierminister Asquith, er habe den früheren Erklärungen nichts hinzuzufügen. Der Liberale Sir John Barlow wiederholte eine ' bereits vor einigen Tagen an den Kriegsminister gestellte Frage über die von Provinzblättern gebrachte Nachricht, daß sich 66 000 deutsche Soldaten in England befänden und in einem Keller beim Charing Croß-Bahnhof Mausergewehre und 7'/- Mill. Patronen lagerten. Kriegsminister Haldane erwiderte, jeder, der nur eine blaffe Ahnung von den Erfordernissen einer Mobilmachung habe, erkenne diese Unterstellung als lächerlich. Derartige Nachrichten müßten den Ruf unseres gesun­

den Menschenverstandes im Auslande schädigen. Der Interpellant habe sich ein Verdienst erworben, daß er diese Unterstellung der gebührenden Lächerlichkeit preisgab.

Vermischtes.

Ein Unfall des kaiserlichen Autos wird aus Frankfurt gemeldet: Dem kaiserlichen Auto passierte auf der Fahrt von Wiesbaden nach Frankfurt in der Mainzer Landstraße, Ecke Hellerhofstraße, in der Nähe der Peter'schen Gummiwarenfabrik, ein kleiner Unfall. Ein leichter Knall ertönte. Der Chauffeur des ersten Autos, in dem das Kaiser paar, Prinz Oskar und Prinzessin Viktoria Luise saßen, hielt sofort an. Cs ergab sick, daß der linke Hinterreif geplatzt war. Der Kaiser stieg sofort aus und half den Damen beim Aussteigen; er nahm seine Garderobestücke und begab sich zum nächsten da­hinterfahrenden Auto. Dieses wurde von der kaiserlichen Familie bestiegen und dann, nach einem Aufenthalt von etwa 2 Minuten, die Fahrt nach der Festhalle fortgesetzt. Natürlich bildete sich, als das Auto hielt, eine große Menschenansammlung. Die Schutzmannschaft zu Fuß und zu Pferd eilte aus der Nähe und Ferne herbei, um die Leute abzuwehren. Der Kaiser winkte den Schutzleuten ab und ging durch die Massen, die ihn im übrigen nicht weiter behinderten, zum zweiten Auto. Als sich dieses in Bewegung setzte, setzte ein kräftiges Hurra ein, das der Kaiser, den der Vorfall anscheinend nicht ihm geringsten irritiert hatte, mit danken­dem Gruß erwiderte. Das lädierte Auto wurde in die Petersche Fabrik gebracht; nach einer Stunde war cs betriebsfertig auf dem Festplatz. Es wurde vom Kaiser auf der Fahrt zum Palais des Prinzen Friedrich Karl benutzt. Der Kaiser hat angeordnet, daß ihm die beschädigten Teile des Autos vorgelegt werden.

Mißglückter Stapellau s eines französischen Kriegsschiffs. In B rest sollte das PanzerschiffDanton" vom Stapel gehen. Eine große Menschenmenge war ange­sammelt, um dem Stapellaus des 145 Mtr. langen Schiffes beizuwohnen; aber das Panzer­schiff glitt nur 44 Mtr. abwärts und blieb dann stehen, da die Neigung zu gering war. Neue Versuche, das Schiff vom Stapel zu lassen, wer­den erst in einigen Tagen unternommen werden. Dieser Mißerfolg des Stapellaufes des Panzer­schiffesDanton" soll einem böswilligen Anschlag zuzuschreiben sein; es heißt, im Stapel sei ein großer Querbalken gesunden worden. Das PariserJournal des Debats" berichtet, das sozialistische Blatt Egalitaire habe vorher schon

Resultat gezeitigt, als daß die Wilderer dem Revier jetzt fern blieben und damit auch der mutmaßliche Mörder.

Der Verkehr zwischen den beiden Frauen war friedlich, man sah sie selten, zwar sehr förmlich miteinander, bewahrte aber nach außen hin den Anschein guten Einvernehmens. Nachdem Krausneck vergeblich versucht hatte, die früheren herzlicheren Beziehungen wiederherzustellen, fand er sich als echter Lebenskünstler in die veränderte Situation und verteilte seine Zeit gewissenhaft zwischen die beiden Frauen, denen er gleich zugetan war, verehrte er doch in Sibylle die Mutter des Mannes, der ihm so groß­mütig ein Obdach in Groß-Ellern gegeben hatte.

Auch Vetter Bernhard war oft anwesend. Er wußte sein Gut bei seinem Sohn in den besten Händen und stellte seine Zeit und seine Arbeitskraft ganz in den Dienst der verlassenen Herrschaft. Zwischen dem gütigen alten Herrn und Regina entstand mit der Zeit ein ähnliches Ver­hältnis wie das, was sie mit ihrem verstorbenen Schwiegervater verbunden hatte. Sie wurden ganz vertraut miteinander, aber nie rührten sie an die Geschehnisse in der Mordnacht, keine Frage quälte die junge Frau, mit keinem Wort wurde der Verdächtigung ihrer Schwiegermutter gedacht. Und kein Vater hätte zarter sein können in der Fürsorge für Regina und in der Art, wie er sie zu lehren versuchte, ergeben und geduldig dem Kommenden entgegenzusehen. Er suchte sie jetzt schon mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß ihr eine Tochter geschenkt werden könnte, und tröstend verwies er sie auf die Familienstatuten, die ihr wohl die Herr­schaft nehmen konnten, aber sie in nichts ihrer Existenz bedrohten. Gleich Sibylle würde sie Unterhalt und Wohnung im Schloß finden, wo sie mit ihrem Kinde ohne Sorgen leben konnte, es sei denn, daß sie wieder heirate.

Regina hörte mit wunderlichen Gefühlen diesen Erklärungen zu. Was konnten sie ihr bedeuten. Sie quälte sich nicht mit solchen Gedanken und Befürchtungen. Ihr Inneres war seltsam zerrissen. Ueber allem anderen hob sich ins Riesenhafte die Schuld. Die erdrückte alles in ihr, was heimlich emporsprießen wollte an süßem Hoffen und wilder Sehnsucht

nach dem Manne, den sie liebte leidenschaftlicher denn je. Sie wußte sich in ihrer Schuld mit ihm verbunden.

Um deinetwillen!" Das Wort hielt sie aufrecht, wenn ihr Stolz unter der Wucht der Erkenntnis ihres Meineids zusammenbrechen wollte. Sie vermied es, bestimmte Spalten der Zeitungen zu lesen, denn sie traf zu oft auf eine Gerichtsverhandlung, die den Meineid als fluchwürdiges Verbrechen strafte. Mit Zuchthaus! Es faßte sie ein Grausen, wenn sie das las, und sie mußte daran denken, daß diese Strafe auch über ihrem Haupte hing gleich einem Schwert.

Um deinetwillen!" Sie hatte es getan, um Wolf Dietrich vorder schimpflichen Anklage zu schützen, nicht um ihrer Ehre willen. Die kam erst in zweiter Reihe. Der Mörder war nicht gefunden. Fraglos hätte eine Untersuchung gegen den Geliebten stattgefunden, vielleicht wäre er wegen mangelnder Beweise freigesprochen worden, ein Entehrter in den Augen der Welt und in den seinigen. Und wenn sie so weit in ihrem Grübeln gekommen war, so stellte sie sich die Frage:Würdest du es wieder tun?" Und ihre Antwort war stets dieselbe:Ja und tausendmal ja!"

Noch eine andere Frage quälte sie, die viel schwerer zu lösen war: Was würde stärker in ihr sein: die Geliebte oder die Mutter?

Sie schien ihr jetzt so leicht zu lösen, jubelnd antwortete sie sich: Die Geliebte. Den Himmel flehte sie an, ihr ein Mädchen zu schenken, und alsdann wollte sie aus Wolf Dietrichs Händen alles zurückempfangen, dem sie hatte entsagen müssen: Liebe, irdischen Besitz und ihr früheres Glück. Er war es ihr schuldig für das, was sie für ihn getan hatte und was er doch nie erfahren durste.

Niemals!" schrie es in ihr auf, denn eine Meineidige dürfte er nicht wissentlich an seine Seite setzen. Der furchtbare Schatten schwerer Schuld sollte nicht auch seine sonnige 'Natur bedrücken, wie er ihren Stolz in einsamen Stunden bis in den Staub demütigte.

(Fortsetzung folgt.)