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Oberndorf 18. Mai. Nor dem Schöffengericht wurde gestern nachmittag, wie der „Schw. Bote" berichtet, die Privatbeleidigungsklage Paul Landenberge r sen. und jun. in Schramberg gegen den früheren Stadtschultheißen Harrer verhandelt. Zu Anfang des Jahres 1906 erzählte Harrer in einer Wirtschaft in Schramberg im Beisein mehrerer Herren, Kommerzienrat Erhard Junghans habe sich während einer Automobilfahrt von Dunningen nach Schramberg über die beiden Landenberger abfällig geäußert. Diese Aeußerung Harrers wurde von Dr. med. Härle zuerst vertraulich weitererzählt, später aber gab Härle seine (Genehmigung zur entsprechenden Verwertung gegen Harrer. In der Verhandlung, zu der die Parteien vom persönlichen Erscheinen entbunden waren, bestritt Kommerzienrat Erhard Junghans entschieden, eine derartige Aeußerung gegenüber Harrer getan zu haben. Dr. med. Härle bestätigte als Zeuge die Aeußerung Harrers, ebenso im großen und ganzen die übrigen Zeugen. Das Gericht erkannte gegen Harrer auf eine Geldstrafe von 20 - // nebst Tragung der Kosten. Strafmildernd kamen die zerfahrenen und zerwühlten Verhältnisse Schrambergs in Betracht. Harrer war von Rechtsanwalt Konrad Haußmann. die beiden Landenberger durch Rechtsanwalt Liescking vertreten.
Ulm 18. Mai. Oiestern wurden hier 3500 Großviehhäute und 5700 Kalbfelle versteigert. Es kosteten von den Häuten per Pfund: Kuhhäute 53 7-—62 7- Kalbelhäute 62—63 .^, Rindshäute 55—617- Ochsenhäute 53-—58 F, Stierhäute 437-—54' - Farren- häute 43 7-—54 /- Kalbfelle kosteten unter 12 Pfund 108—117 <>, über 12 Pfund 100 bis 102
Ravensburg 18. Mai. Der „Oberschw. Anzeiger" berichtet unter dem 17. Mai: Eine echt schwäbische Eisenbahnfahrt wurde den Passagieren des gestern abend fahrplanmäßig um 11 Uhr 16 eintreffenden Lokalzuges zu teil. In Meckenbeuren fuhr der Zug pünktlich ab, ohne die Ankunft der letzten Tettnanger Elektrischen abzuwarten. Verblüfft schauen die Reisenden den entschwindenden Lichtern des Zuges nach, der sie nach Hause bringen sollte. Doch der Stationsvorstand wußte Rat. Telephonisch rief er den Zug von der Station Oberzell zurück. Zu nicht geringem Erstaunen der im Zug befindlichen Personen kam wieder Meckenbeuren in Sicht. 3lach schleuniger Aufnahme der Verlassenen gings mit Volldampf der Heimat zu. Es lebe die schwäbische Gemütlichkeit.
Friedrichshafen 18. Mai. Die ersten Fahrten des Zeppelin II (Ersatz Echterdingen) werden schon in der nächsten Woche, also noch
vor dem Pfingstfest beginnen, da die Reichstagsmitglieder, die der Einladung des Grasen folgen, eine Fahrt mit dem Luftschiff erst unternehmen werden, nachdem es bereits erprobt ist. Die Unterbringung der Reichstagsmitglieder, die jedenfalls in ziemlich großer Zahl erscheinen werden, dürfte mit Schwierigkeiten verknüpft sein, da Friedrichshafen die Gäste nicht beherbergen kann. Es ist deshalb geplant, einen großen Teil der Abgeordneten in Konstanz unterzubringen, wohin sie mittels Ertradampfers gebracht werden sollen.
Berlin 18. Alm. Einen seltsamen Anlaß nahmen heute Vormittag in derBrüder- straße Arbeitslose zu lärmenden Demonstrationen gegen den Chef einer Konfektionsfirma. Dieser hatte eine Abteilung von 15 Feuerwehrleuten damit beauftragt, den Umzug seines Geschäftes auszuführen. Hiergegen protestierten mehrere Arbeitslose unter lautem Schimpfen. Es entstand ein großer Menschenauflauf, der sich um die Mittagsstunde durch Zulauf von Janhagel vergrößerte. Erst einem unter Führung eines Leutnants erschienenen Schutzmnnnsaufgebot gelang es, die Ruhestörer zu vertreiben.
Aus dem Landtage.
In der 177. Sitzung des Landtags nahm Landtagsabgeordneter Staudenmeyer bei Kapitel 42 „Flußbau" das Wort. An Hand des gedruckten Verhandlungsberichts geben wir dessen Ausführungen hier wörtlich wieder:
Meine Herrn, nach Art. 40 Abs. 2 Ziff. 3 des württembergischen Wasserrechtsgesetzes sind die Wassernntzungsberechtigten verpflichtet, die Stauanlagen der Flüsse in einem solchen Zustande zu erhalten, daß jede für Dritte nachteilige Vergeudung oder Aufstauung des Wassers, sowie jede unnötige Störung der Gleichmäßigkeit des Wasserablaufes vermieden wird, und der Z 104 der Vollzugsverfügung zu diesem Gesetz faßt diese allgemeine Vorschrift noch näher dahin zusammen, daß ein Absenken des OberwasserspiegelS an einer Stauanlage durch einen die während bestimmter Zeit zuflit ßende Wasser menge übersteigenden Wasserverbrauch in Verbindung mit einem demnächstigen Aufstauen des Wassers zu vermeiden sei. Es sei vielmehr darauf Bedacht zu nehmen, daß das Oberwasser während des Betriebs möglichst gleichmäßig auf der genehmigten Stauhöhe gehalten werde und daß das Wasser gleichmäßig ablaufe, insbesondere daß bei Triebwerken mit Stauanlagen beim Schließen der Arbeitsfalle die Leerschußfalle entsprechend geöffnet werde. Zu Art. 51 des genannten Gesetzes ist sodann weiter vorgeschrieben, daß die einer Wasserbenützungsanlage rechtlich zustehende Stauhöhe willkürlich nicht überstaut werden dürfe.
Meine Herrn, gegen diese Vorschriften wird von verschiedenen Seiten landauf landab schwer gesündigt (Sehr richtig! links), insbesondere aber erheben die Werkbesitzer an der Nagold lebhafte Klagen über Schäden, die ihnen, oder doch wenigstens dem größten Teil von ihnen, durch die Nichteinhaltung dieser Vorschriften entstehen.
Abgesehen von dem ohnehin seit Jahren meist sehr niederen Wasserstande unserer Flüsse wird die Veränderlichkeit des Wasserzulaufs derselben noch künstlich durch verschiedene Unregelmäßigkeiten hervorgerufen und erhöht, so daß dadurch der Wert mancher Werke, die auf Wasserkraft aufgebaut sind, fast in Frage gestellt ist.
Zunächst ist es einmal die Flößerei, die, wie ich schon bei Kap. 40 Tit. 7 s am letzten Samstag ausführte, die sämtlichen Werkbesttzer an der Nagold schwer schädigt und ihnen einen Schaden zufügt, der nur mit der vollständigen Aufhebung ler Flößerei beseitigt werden kann.
Sodann find es die Gepflogenheiten von Fischereiberechtigten, die zu erheblichen Störungen in der Gleichmäßigkeit des Wasserzulaufs führen. In einer Zeit, wo man mit Recht zur Errichtung von Talsperren übergeht, und wo auch von unserer Regierung in dem uns vorliegenden Etat 10000 ^ zu Vorarbeiten für diesen Zweck eingestellt sind, werden die vielen Stauwehre in der Nagold, die wie kleine Stauweiher wirken sollten, oftmals gerade in entgegengesetzter Weise ausgenützt. An der oberen Nagold insbesondere hat sich bei den Fischereiberechtigten die Gewohnheit eingebürgert, und sie wird leider auch von solchen, die selbst Werkbesitzer find, ausgeübt, zum Zwecke des Fischfangs sogenannte „Stellen" zu machen, das heißt durch vorübergehende Einbringung von Abschlägen im Flußbett, oder durch Benützung bereits vorhandener Wehre, das Wasser zu stauen und das unterhalb solcher Stauanlagen liegende Flußbett durch Oeffnen der nächsten Wasserfälle ganz oder doch annähernd ganz trocken zu legen, um auf diese Weise den Fischfang ausgiebiger betreiben zu können. Ist dann eine derartige, oft kilometerweit t ocken- gelegte Stelle ausgesucht, dann wird die gleiche Manipulation weiter flußabwärts von Stauanlage zu Stauanlage wiederholt. Abgesehen davon, daß diese Art des Fischfangs nicht rationell und deshalb zu verwerfen i!t, weil dabei naturgemäß auch die Fischbrut und eine Menge kleinerer Fische zu Grunde gehen und daß sie, wenn öfters wiederholt, direkt zur Raubfifcherei wird, so stören diese Manipulationen namentlich den regelmäßigen Wasserzulauf ganz bedeutend und fügen den Werkbefitzei-n ganz erheblichen Schaden zu.
Nun anerkenne ich gerne, daß die beteiligten Oberämter gegen diesen Unfug neuerdings energischer als früher eingeschritten sind, und die Werkbesitzer an der unteren Nagold haben insbesondere das Vorgehen des Oberamts Nagold in dieser Sache mit Freuden und Dankbarkeit begrüßt. Aber trotzdem will diese Unsitte nicht aussterben, sie wird vielmehr noch im Geheimen weiter betrieben und eS ist bezeichnend, daß sogar der Fischereiverein Nagold beim Landesfischereiverein nach dessen Jahresbericht
„Wo waren Sie, als der Mord geschah?"
»Zu Hause bei meinem erkrankten Schwiegersohn."
Der Richter suchte in der Liste und fuhr dann fort: „Das ist Förster Willert."
»Ja."
„Er wohnt bei Ihnen?"
„Er hat den königlichen Dienst quittiert, da er nach der Bestimmung des alten verstorbenen Barons im Frühjahr mein Nachfolger werden sollte."
„Ist er hier?"
„Nein, er ist schwer krank. Der Arzt befürchtet beiderseitige Lungenentzündung."
„Seit wann?"
„Seit gestern. Schon des Morgens war ihm nicht gut. Meine Tochter ist vorgestern unerwartet früh in Wochen gekommen, die Geburt war schwer, das mag er sich zu Herzen genommen haben. Er war noch gestern abend im Revier — die Wilddiebe treiben es jetzt arg, wo das Wild durch das lange Schneewetter von Kräften ist. Willert nimmt mir viel ab, weil er meint, ich könnte es nicht mehr allein schaffen."
„Willert stand also noch nicht im Dienst Ihres Herrn?"
„Nein, es ging alles durch mich, er hatte noch nichts mit dem Herrn Baron zu tun."
„Wann kam Willert heim?"
„Es war schon spät, er war draußen im Bruch, von da ist es weit.
Es wird gegen neun gewesen sein, er brachte das Fieber wohl mit, denn
als wir ihn zu Bett brachten, phantasierte er schon."
»Ist Ihr erschossener Herr vielleicht vor kurzem mit einem Wilderer
zusammengestoßen?"
Mir ist nichts bekannt."
„Glauben Sie, daß ihm jemand hier Rache trägt und darum zu diesem Meuchelmord griff?"
„Mir ist es unerklärlich, Herr. Ein Wilderer muß es gewesen
sein, die Kerle schießen wie die Teufel, besonders der eine, dem wir schon so lange nachstellen. Willert hatte es sich geschworen, daß er ihn abfassen würde. Darum war er ja stets auf den Beinen. Im Bruch hat der Kerl seinen Wechsel. Hat der Fischmeister nichts davon gesagt?"
„Er sagte dasselbe wie Sie. Es ist gut, Eckardt, Sie können gehen."
Nun blieben noch die drei Zeugen: Kraußneck, Sibylle und Regina, letztere als die Hauptzeugin.
Kraußneck wußte nichts Neues auszusagen; nach seiner Meinung sollte der Mörder ein Strolch gewesen sein, der vielleicht von dem Heimkehrenden beim Diebstahl abgefaßt wurde. Es folgte Sibylle, die der alte Herr selbst ins Zimmer geleitete, um sich alsdann zur Tochter zu begeben, die ihrerseits des Rufes wartete, der sie zum Verhör befahl.
„Ich bedaure, Sie bemühen zu müssen, Frau Baronin. Aber ich muß Ihnen auch dieselben Fragen vorlegen, die ich an die anderen Zeugen gerichtet habe. Haben Sie in der vergangenen Nacht oder vorher einen Fremden bemerkt, der sich in der Nähe des Schlosses zeigte?"
„Ich glaube ja", antwortete Sibylle mit fester Stimme, aber ihre Hände stützten sich bei dieser überraschenden Antwort fest aus die Lehnen des Sessels, der neben ihr stand.
Amtsrichter Below richtete sich überrascht empor. Endlich etwas Neues, vielleicht ein Faden, an dem man sich halten konnte.
„Bitte, erzählen sie alles genau. Doch vorher mache ich darauf aufmerksam, daß Sie Ihre Aussagen nötigenfalls vor Gericht beschwören müssen."
„Das ist mir bekannt, Herr Amtsrichter. Ich spreche nur einen Verdacht aus, hätte ich Gewißheit, so würde ich eine Anklage erheben", erwiderte die alte Dame und hob den Kopf stolz empor, in ihrer ganzen Haltung und in dem Gesicht prägte sich in diesem Augenblick unbeugsamer Wille und schonungslose Härte aus.
(Fortsetzung folgt.)