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so eine Sache, die man überhaupt besteuern sollte. (Heiterkeit). Dem Antrag Schlichte stimme er zu. Schrempf (B.K.) bat um möglichste Berücksichti­gung der Interessen des flachen Landes. Nach wetteren Bemerkungen des Abg. Rembold-Aalen wurde der Antrag Schlichte angenommen. Bran»ger(Z.) wünschte eine Befserbezahlung der Postboten dort, wo das Amtsblatt statt bisher 3- mal nun Kmal erscheint. Ministerpräsident v. Weizsäcker lehnte die Erfüllung dieser Forderung ab. Graf- Stuttgart (Z.) kritisierte den ZeitungS- best elldienst, der einer der unrentabelsten Zweige der Postverwaltung lei. Sachverständige hätten diesen Tarif nicht ausgestellt. Wünschenswert sei eine bessere Einhaltung der Bestimmung, wonach die Lieferung nur im Einverständnis mit dem Bezieher erfolgen darf. Der Monatsbezug sollte nur für politische Zeitungen zugelassen, das Bestellgeld voraus be­zahlt und die Beförderung von Zeitungen durch Expreßboteu verboten werden. Körner (B. K,) bezeichnete im Gegensatz zu Graf die Einrichtung der gewonnenen Bezieher als recht gut. Minister­präsident v. Weizsäcker gab zu, daß die ZeitungS- gebühr zu niedrig ist, die Aussichten auf eine Aen- derung hierin seien aber sehr gering. Er bemerkte weiterhin, daß das Postscheckwesen sich sehr günstig entwickele und 54 Beamte erfordere, deren Tätigkeit Anerkennung verdiene. Allerdings steigerten sich die Ausgaben mehr als die Einnahmen. Kübel (D. P) bezeichnete die Gebühr von 7 A für die sogenannten Mehrbuchungen als die Wurzel olles Uebels, das jetzt zu beklagen sei und beseitigt werden müßte, ehe die Postscheckordnung zum Gesetz wird. Finanz­rat Sigel betonte, die Einführung von Schecks mit MitteilungSkoupons werde erwogen. Die Ein­richtung eines Scheckverkehrs mit der Reichsbank sei nicht möglich. Nach weiteren Ausführungen der Abg. Dr. Baur (V.), Graf-Stuttgart (Z) und Baumann (D. P.) wurde die Weiterberatung auf Dienstag nachmittag vertagt.

Stuttgart 8. Mai. Der heutige Haupt­festtag des Jubel-RegimentsKaiser Friedrich" war vom herrlichsten Wetter begünstigt. Der Tag wurde eingeleitet mit dem militärischen Wecken. Der Zug ging wieder vom Hofe der großen Jnfanteriekaserne zur Moltkekaserne und von dort durch die Schwab­und Rotebühlstraße zurück. Die ganze Stadt ist heute farbenprächtig geschmückt. Sämtliche Staatsgebäude haben geflaggt und auch die Straßenbahnwagen sind mit kleinen Fähnchen geschmückt. Seit dem frühen Morgen bringen die Sonderzüge Tausende ehemaliger Regiments­angehörige in die Residenz, in deren Straßen eine ungeheure frohgestimmte Menge auf- und abwogt. Den Rittern des Eisernen Kreuzes begegnet man allgemein achtungsvoll und be­sonderes Interesse erregen eine Anzahl alter Veteranen, die bereits die Achtzig überschritten haben. Die Polizei hatte für den militärischen Festakt umfangreiche Sicherheit- und Absperr­maßregeln getroffen, wobei sie von militärischen Detachements der verschiedensten Waffengattungen unterstützt wurde. Sämtliche den Schloßplatz

begrenzenden Straßenzüge waren für den Ver­kehr gesperrt. Im Schloßhof hatte das Regiment Kaiser Friedrich", die Generalität, das Offizier­korps und die Hofchargen Aufstellung genommen. Vom Königlichen Hof erschienen zunächst die Herzöge Albrecht, Robert und Ulrich zu Pferde und in offenen Wagen die Herzoginnen Philipp und Robert. Die ehemaligen Regimentsan­gehörigen umsäumten den ganzen Schloßplatz und hielten noch die oberen Anlagen vollständig besetzt. Schlag 10 Uhr ritt der König in großer Generalsuniform mit dem Generaladju­tanten Freiherrn v. Bilfinger, sämtlichen Flügel­adjutanten, dem Oberstallmeister Freiherrn Geyer von Schweppenburg und Oberjägermeister Frei Herrn v. Gaisberg langsam vom Wilhelmspalais zum Residenzschloß. Ihm folgte in einem ä. ln. Daumont bespannten Wagen mit Spitzenreitern die Königin mit der Palastdame Gräfin Uxkull, sodann Herzogin Wera mit der Prinzessin Mar von Schaumburg-Lippe. Das Königspaar wurde auf dem Wege zum Schloß mit brausenden Hoch­rufen empfangen. Sofort ritt der König mit einem glänzenden Gefolge die Front der Truppen ab, um sodann in der Mitte des Schloßhofes ! eine Ansprache zu halten, in der er der Kriegs- ! taten des Regiments gedachte, das Regiment zum Jubiläum beglückwünschte und ein dreifaches Hurra auf dasselbe ausbrachte. Nachdem der König die Säkular-Fahnenbänder überreicht und selbst befestigt hatte, dankte der Regimentskom­mandeur Oberst v. Ferling dem König für den Gnadenbeweis, gelobte unerschütterliche Treue und schloß mit einem Hoch auf den König, der verschiedene Auszeichnungen persönlich überreichte. Schließlich erfolgte das Abreiten der ausge­dehnten Front der ehemaligen Regimentsange­hörigen, die fast bis V-1 Uhr währte. Die Königin mit den fürstlichen Damen folgte im Wagen. Als der König in das Wilhelms­palais zurückkehrte, war er wiederum Gegenstand lebhafter Huldigungen seitens der Veteranen und der die Straßen dicht besetzt haltenden Zu­schauermenge.

Stuttgart 9. Mai. Die glänzend verlaufene Feier des Jubel-RegimentsKaiser Friedlich" Nr. 125, ist mit dem gestrigen Tage beendigt. Was den verschiedensten Veranstaltungen am meisten zu­gute kam, war das ideale schöne Frühlingswetter mit dem wärmenden Sonnenschein, der der aus­geschmückten Stadt einen besonders festlichen An­strich verlieh. Nach der großen Parade ver­sammelten sich die Tausende ehemaliger Regiments­angehöriger in den verschiedensten Lokalen der Stadt zum Mittagessen. Am meisten Teilnehmer ver­einigte der gewaltige, mit Fahnen und Tannen­grün und Draperien geschmückte Saal der Ge­werbehalle, wo über 3000 Gäste gespeist wurden. Zu diesem Zweck waren auf dem Ge­werbehalleplatz Feldküchen errichtet, in denen es während der Mittagszeit äußerst geschäftig zuging, denn die Speisung einer solch großen Menge ist

entschieden eine große Leistung. Daß aber niemand dabei zv kurz kam, bewies die äußerst animierte Stimmung der allen und jungen Soldaten. Am Nachmittag fand wieder eine Aufführung des Fest­spiels statt. Der mit auswärtigen Gästen über­füllte Saal der Liederhalle sah wohl gestern das dankbarste Publikum in sich versammelt, denn mit solch donnerndem Beifall war bis dahin noch keine Aufführung begleitet. Um 6 Uhr fand das vom Ofsizierkorps des Regiments veranstaltete Festessen im Königsbau statt, zu dem der König mit de« Mitgliedern der kgl. Familie, der preußische Gesandte v. Below, der bayerische Gesandte, zahlreiche Offiziere der Garnison, Feldprobst Prälat v. Blum, Präsident Dr. v. Sandberger, Oberbürgermeister v. Gauß u. a. teilnahmeu. Von den alten Offizieren des Regiments waren erschienen die Generale der Inf. v. Pfaff und v. Etohrer, die Generalleutnants v. Schmitt, Frei­herr Seutter v. Lötzen, Freiherr v. Hügel und v. Scharpff. Der König ergriff zuerst das Wort. Ueberall wo sich Soldaten zusammen­finden, müßten sie des obersten Kriegsherrn, des Förderers und Schirmers des geeinigten deutschen Vaterlandes gedenken, des Sohnes des edlen Dulders auf dem Kaiserthron, Friedrich III, des Chefs des Jubelregiments und dann ertönte wie Sturmes- brausen das Hoch auf den Kaiser durch den wetten Saal. Der Regimentskommandeur Oberst v. Fer- ! ling brachte das Königshoch aus und der alte General der Inf. z. D. v Pfaff ließ das Jubel- regi» ent leben. Der König, der sehr aufgeräumt war und zahlreiche Offiziere ansprach, verließ die Gesellschaft nach fast dreieinhalbstündigem Ver­weilen. In den Kowpagnieräumen fanden abends für die aktiven Soldaten Aufführungen statt. Von vielen Setten waren dem Regiment Geschenke und Glückwünsche zugegangen. Freudig wurde es aber besonders vermerkt, daß dem Regiment mehrere Stiftungen überwiesen wurden. So übergab der Generaladjutant Freiherr v. Bilfinger eine Offiziers- Jubiläums-Stiftung im Namen ehemaliger Offiziere des Regiments. Ein FondsWölckern Jubiläums­stiftung" zur Unterstützung bedürftiger Unter offizierr und Mannschaften wurde im Aufträge ehemaliger aktiver und Reserveoffiziere übergeben, eine wert­volle Stiftung überbrachte auch Oberbürgermeister v. Gauß von der Stadt Stuttgart. Das Grenadier- RegimentKönigin Olga" sowie das Dragoner- RegimentKönig" ließen wertvolle Gemälde über­reichen. Am gestr'gen Abend verließen bereits die meisten Festteilnehmer die gastliche Residenz. Auf dem Bahnhof herrschte den ganzen Abend bis in die Nacht hinein ein außerordentlich starker Ver­kehr, der sich aber dank der umsichtigen Vorkehrungen glatt und ohne Unfall abwickelte. Das Jubiläums­fest ist nun vorüber, aber den Eindruck des er­neuten, tausendfachen Gelöbnisses der Treue zu Kaiser, König und Vaterland wird ein starker und nachhaltiger sein für Alt und Jung.

Stuttgart 8. Mai. Wie derSchwäb. Merkur" aus sicherer Quelle erfährt, hat der verstorbene Ministerpräsident, Frhr. v. Mittnacht, in den letzten Jahren noch hochinteressante politische Rückblicke" verfaßt und dem Cotta'schen Verlag zur Veröffentlichung nach seinem Tode in Ver­wahrung gegeben.

Für jetzt und immerdar!" lautete ihre Antwort. So nahmen sie Ab­schied von ihrer Liebe, aber die Treue blieb.

Sie bemerkten es nicht, daß Wilhelm sie mit erneuter Eifersucht beobachtete, als sie in ihrer stolzen Ehrlichkeit auseinandergingen, aber auch Sibylle verriet die Sprache der Augen viel zu viel. Die Blicke von Mutter und Sohn begegneten sich unwillkürlich, und sie fühlten beide, daß. sie sich in demselben Mißtrauen fanden. So fiel die Begrüßung zwischen Regina und ihrer Schwiegermutter auffallend kühl aus, was die junge Frau auf das tiefste verletzte. Um so inniger war der Glückwunsch des Vaters, an dessen Seite sie niederkniete, um den Kuß von ihm zu empfangen.

Mein geliebtes Kind, mache ihn glücklich. Sei da allezeit sein getreuer Schutzgeist', dann kann ich in Frieden sterben."

Es war, als habe der Kranke seine letzte Energie entfaltet, um sich bis zu diesem Tage aufrecht zu erhalten. Von nun an schwand er zu­sehends dahin. Er verließ sein Bett nicht mehr, und vier Wochen darauf war er nach unendlichen Qualen entschlafen. Sein Ende erschien den Seinigen als eine Erlösung.

War nun bei der Vermählung jeder Prunk, jede Schaustellung vermieden worden, so wurde die Beerdigung mit allem vorgeschriebenen Pomp gefeiert, der einem Majoratsherrn von Groß-Ellern zukam. Mutter und Sohn wetteiferten miteinander im Aufgebot jeder erdenklichen Ehrung des Toten. Die Kapelle war in einen Lorbeerhain verwandelt, der mächtige Eichensarg war erhöht, ihm zur Seite standen die hohen Kandelaber mit den brennenden Kerzen. Von überall her schimmerte dasselbe gelbe Licht zwischen schwarzem Flor und grünen Blättern hervor. Zu Füßen des Katafalks häuften sich die Liebesgaben, und ein jeder, der durch die weit geöffnete Tür hineintrat, legte einen neuen Kranz hinzu, bis es ein Meer von Blumen war.

Von nah und fern kamen sie alle, die den Verstorbenen gekannt und geliebt hatten, da fehlten nur wenige. Sie drückten Sibylle, deren zierliche Gestalt von den Trauergewändern schier erdrückt wurde, mit teilnehmenden Worten dieHand und blicktendann mit heimlicher Bewunderung auf die schöne, stolze Erscheinung Reginas, die den meisten eine Fremde war. Sie stand neben ihrem Gatten als eine ihm Ebenbürtige und als wäre sie nicht durch die Not des Lebens gewandert und in diesem Hause eine Dienende gewesen, in dem sie von heute an herrschen sollte.

Wolf Dieterich sah sie zum ersten Male wieder, und sie schien ihm noch gewachsen in dieser kurzen Zeit. Um den Mund lag ein Zug, der ihm fremd war, er sprach von heimlichem Weh, das keine Träne fand, um sich zu entlasten, aber die Augen blickten kühl und unnahbar, als müßten sie jedem wehren, der in ihnen nach der Seele forschen wollte.

Nun wurde der Mann zur Gruft hinabgelassen, den sie liebgewonnen hatte, als wäre er in Wahrheit ihr Vater gewesen, und mit ihm schied auch alle Wärme und Güte aus diesem Hause. Durch die Kapelle strich ein kalter Lustzug, er kam aus der geöffneten Gruft, und Regina schauerte. Obwohl ihre Auge keine Träne fand, sprach doch so unendliches Leid aus ihrem blassen Gesicht, daß es Wolf Dietrich erbarmte und er nach ihrer Hand griff, die krampfhaft in die schwarzen Kreppschleier faßte, als müßte sie nach einem Halt suchen. So standen sie eine Weile Hand in Hand, und keiner sah es, außer Mutter und Sohn. Wieder flog ein Blick der Erkenntnis zwischen beiden hin und her, dann bot Wilhelm der Mutter den Arm und führte sie in ihre Zimmer, Wolf Dietrich folgte mit Regina.

Stumm schritten sie nebeneinander her, mit einem Händedruck nahmen sie Abschied, doch vermieden sie es, sich dabei in die Augen zu sehen.

Er wird ein gerechter, aber strenger Herr sein!" An dieses Wort des Vaters mußte Regina denken, mehr, als ihr lieb war, Wilhelm