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Vereins und seinen Bemühungen namentlich um bessere Zugsverbindung zu verdanken. Anstatt es also zur Auflösung des Vereins kommen zu lassen, sollten in der heutigen Versammlung alle Interessenten zusammenstehen und einen neuen Anlauf zur Belebung der Bestrebungen nehmen, welche im Jahr 1902 von der gesamten Bürgerschaft geradezu als einziges Mittel für die Hebung des Geschäftsverkehrs in der Stadt ausgegeben wurden.
" " Calw. „Die ehemaligen Angehörigen des Jnf.-Regts. Kaiser Friedrich, König von Preußen (7. Württ.) Nr. 12', werden nochmals darauf hingewiesen, daß sie bei der Reise nach Stuttgart am Samstag den 8 Mai d. I. anläßlich des Regimentsjubiläums nur bei Benützung der Sonderzüge auf der Hin- und Rückfahrt und zwar bloß für die eigene Person, nicht etwa auch für in den Sonderzügen Mitreisende Familienangehörige, eine Fahrpreisermäßigung genießen. Bei dem zu erwartenden starken Verkehr an diesem Tag ist es nötig, für die Rückreise rechtzeitig sich auf demjenigen Bahnsteig des Stuttgarter Bahnhofs, der für die betreffenden Sonderzüge vorgesehen ist, einzufinden. An Einhaltung der Ordnung und Ruhe bei der Bahnfahrt und auf den Bahnhöfen braucht bei alten Soldaten wohl nicht weiter erinnert zu werden.
" Calw 4. Mai. Der Bezirksobstbauverein hielt am Sonntag nachmittag im Ochsen in Liebenzell eine Wanderversammlung unter dem Vorsitz seines Vorstandes Privatier Schönten ab. Kaufmann Knecht sprach über das für den Bezirk aufgestellte Normalsortiment von Obst und gab hiebei wertvolle praktische Ratschläge. Oberamtsbaumwart Widmann verbreitete sich über die verschiedenen Arten des Veredelns und den Baumschnitt und teilte aus seiner Praxis interessante Erfahrungen mit. Im Garten von Stadtpfleger Schönten fanden praktische Demonstrationen über den Baumschnitt und die Veredlung statt. An die Vorträge schloß sich eine lebhafte Aussprache an, an der sich verschiedene Herren beteiligten. Der Verein gewann wieder einen Zuwachs von weiteren Mitgliedern. Die Versammlung war leider schwach besucht.
" Calw 5. Mai. Die nun schon 10 Tage dauernde naßkalte Witterung hat bereits Schaden an den Blüten angerichtet. Aprikosen, frühe Pflaumen und Kirschen sind in höheren Lagen erfroren, ebenso sind auch die Johannisbeeren nicht frei von Unfall geblieben. Die Blüten sind „rostig" geworden und fallen in kurzer Zeit ab. Es ist zu befürchten, daß eine Saftstockung eintritt und daß dann auch die später blühenden Obstsorten und Beeren darunter schwer zu leiden haben. Auch für die Bienen ist die gegenwärtige Witterung nicht zuträglich. Ein Umschlag der Witterung wäre für die Landwirtschaft sehr erwünscht.
Enzklösterle b. Wildbad 4. Mai. Hier
wollte der 25 Jahre alte Sattler Albert Stie- ringer eine Taufe anschießen und lieh sich dazu eine alte Pistole. Als der Schuß nicht losging, sah er nach. Dabei entlud sich die Waffe und drang ihm ins Gehirn, so daß er nach einer Stunde starb.
Nagold 4. Mai. Am Sonntag fanden sich hier im Gasthof z. Rößle ca. 100 Lehrer aus allen Gauen Württembergs als Vertreter aller der 29 Kurse zusammen, die zu Füßen des aus dem Amte geschiedenen Seminarprofessors Schwarzmaier hier gesessen sind, um den verdienten Lehrer zu ehren. Die Festrede hielt Lehrer Günther hier, weiter hielten Ansprachen Oberlehrer Aillinger aus Stuttgart und Schullehrer Breitling aus Ebershardt. Schullehrer- Kläger feierte den Jubilar in Gedichtform.
Stuttgarts Mai. Der württembergische Ausschuß für die Schaffung von Lustschiffhallen hielt gestern hier eine Sitzung ab, der auch ein Vertreter des württembergischen Kriegsministeriums beiwohnte. Zunächst soll ein engerer Arbeitsausschuß gewählt werden, der den Plan zur Halle und die Finanzierung im Einzelnen ausarbeiten soll. Den Ausführungen des Ingenieurs Kober- Friedrichshafen und des Grafen Zeppelin jr. war zu entnehmen, daß eine Betriebsgesellschaft, der auch die „Gesellschaft Luftschiffbau Zeppelin" nahe stehe, die Einrichtung eines fahrplanmäßigen Luftschiffverkehrs von Luzern oder Friedrichshafen über Frankfurt a. Nt. nach dem Norden in die Hand genommen habe und daß es von den Bewerbungen der Städte durch Angebot von Landungsplätzen abhängt, welche Linien im Einzelnen gewählt werden. Der Luftschiffverkehr soll bereits im nächsten Jahr eröffnet werden.
Zuffenhausen 4. Mai. Am Samstag abend leisteten sich in einer hiesigen Wirtschaft einige Gäste die das Telephon benützt hatten, das „Vergnügen" die Leitungsdrähte zu durch schneiden. Die Täter sind ermittelt. Der Spaß dürfte teuer werden.
Göppingen 3. Mai. In Gruibingen st arb in der letzten Nacht ohne vorausgegangenes Krankenlager und ohne Todeskampf der 100 Jahre und 2'/- Monate alte Privatier Thomas Schall, der älteste Einwohner des Bezirks. Am 12. Februar d. I. war es ihm noch vergönnt, in verhältnismäßig guter Rüstigkeit und Gesundheit seinen 100. Geburtstag zu begehen. Ein leichtes Unwohlsein veranlaßte ihn, gestern das Bett aufzusuchen; schon in der darauffolgenden Nacht trat der Tod ein. Thomas Schall betrieb früher die Schäferei und lebte seit einigen Jahrzehnten als Privatmann bei seinen Kindern. Er war ein aufrechter, gerader Charakter und allezeit ein ehrlicher und treuer Anhänger der nationalen Sache. Die Deutsche Partei des Bezirks hat gelegentlich des 100. Geburtstags Schalls diesem ihre Glückwünsche in einem Schreiben ausgesprochen.
Kirchheim u. T. 4. Mai. Dieser Tage wurde hier durch Polizeiwachtmeister Junginger der seit Dezember vorigen Jahres fahnenflüchtige Hans Vetterle von Ulm hier verhaftet. Es werden ihin einige Diebstähle zur Last gelegt, die er seit seiner Entfernung von seinem Truppenteil ausgeführt hat. Vetterle trieb sich bisher unter falschem Namen umher. Hier hat er sich unter dem Namen Julius Baumeister von Unterurbach aufgehalten und einen auf diesen Namen lautenden Militärpaß vorgewiesen. Bei seiner Festnahme fanden sich bei ihm mehrere Brechwerkzeuge vor.
Welzheim 4. Mai. Der in dem Steinbruch beim Taubenhof beschäftigte Arbeiter Kunzi von Steinenberg Oberamt Schorndorf wurde am Samstag abend von einer überhängenden Erd- schichte, die plötzlich einrutschte, verschüttet. Bis zu 2 Meter tief lag die Masse auf ihm. Er mußte mit großer Anstrengung herausgeschaufelt werden. Der Bedauernswerte erlitt schwere Verletzungen im Gesicht und an den Armen, sowie verschiedene Rippenbrüche. Er mußte ins hiesige Bezirkskrankenhaus übergeführt werden.
Heidenheim 4. Mai. In der Nacht auf den 1. Mai ist aus Mutwillen am Feuermelder in der oberen Vorstadt Feuergemeldet worden und nur durch besondere Umstände ist eine unnötige Alarmierung der Weckerlinie verhütet worden. Der Täter ist in der Person eines 20jähr. Kaufmanns ermittelt worden, der nun seiner Bestrafung entgegensieht.
Leipzig 4. Mai. In Leipzig-Lindenau fand gestern abend eine Explosion anscheinend von Benzin-Ersatz in der Maler-Werkstatt der Brückner L Schänitz statt. Beide Inhaber wurden tot aufgefunden. Die Leichname waren verbrannt und bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Da die Firma sich in Zahlungsschwierigkeiten befand, liegt die Vermutung nahe, daß die Inhaber Brandstiftung beabsichtigt haben und dabei von der Explosion überrascht wurden.
Berlin 4. Mai. Zu dem Hingang Mittnachts schreibt die „Nordd. Mg. Ztg.": Ein vaterländisch gesinnter Mann von mehr als fünfzigjährigem aufopfernden Wirken für die Größe Deutschlands und die Wohlfahrt des Heimatlandes ist mit ihm dahingegangen. Verletzte der Staatsmänner, die in ernster Zeit an Verträgen zur Gründung des Reiches mitgeschaffen hatten, ist Frhr. v. Mittnacht stets mit dem verdienten Erfolg bestrebt gewesen, die Interessen Württembergs und die des Reiches in guten Einklang zu bringen. Als er, schon betagt, vor mehr denn 8 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand trat, nachdem er noch den großen gemeinsamen Gesetzgebungswerken unter persönlicher Anteilnahme daheim zur Einführung »erhoffen hatte, sprach ihm nicht nur der Landesherr durch Handschreiben die warme Anerkennung seiner hervorragenden Dienste aus, sondern auch
zu eigen ist. Ich habe nie größere Gegensätze gesehen als ihr beiden Frauen, darum eben ergänzt ihr euch. Ihr seid Vertreterinnen zweier Typen, die nebeneinander bestehen können, ohne daß eine die andere überstrahlt, ein Vergleich ist unmöglich", erklärte der alte Baron galant. „Doch wie ist es, wollt ihr nicht eure Promenade machen, Kinder? Mama und ich werden derweil ein wenig arbeiten."
Wilhelm ergriff freudig die Gelegenheit, endlich einmal Regina für sich zu haben, während sie ihm mit einem heimlichen Seufzer folgte. Es war doch schwerer, als sie es sich gedacht hatte, die Rolle zu spielen, die von ihr verlangt wurde. Soeben noch hatte Wilhelm sie in Wolf Dietrichs Person tödlich gekränkt, es wurde ihr darum doppelt schwer, auf sein verliebtes Scherzen einzugehen. Ja, als er sie im Schutz einer dichten Taxushecke in seine Arme zog und sie küßte, spürte er einen solchen Widerstand, daß er verletzt fragte: „Ist dir ein Kuß denn schon zu viel, Regina, es ist der erste heute. Ist es Stolz oder Prüderie oder beides? Gegen Vater bist du entgegenkommend, liebevoll, und mir verweigerst du die kleinste Gabe. Weißt du, daß du mich noch nie aus freien Stücken geküßt hast?"
„Habe Geduld mit mir, Wilhelm," bat sie, „ich will mich bessern."
„So gib mir einen Kuß."
„Nicht so, flehte das erschreckte Mädchen, als er sie an sich preßte und ihr mit auflodernder Leidenschaft ins Auge sah; ihr Widerstand reizte ihn.
„So willfahre meiner Bitte."
Sie schloß die Augen und berührte wie im Fluge seine Lippen, dann machte sie sich tief ausatmend frei.
„Nun glaubt sie, eine Heldentat vollsührt zu haben", spottete Wilhelm. „Kind, was machst du dir die Sache schwer, aber du wirst es schon noch lernen, du müßtest kein Weib sein. Und ich werde dir ein guter Lehrmeister sein, nur habe ich wenig Geduld, und das Warten habe ich nie verstanden. Morgen fahre ich auf drei Tage zu Bartensteins, ich weiß dort ein passendes Pferd für dich. Du bist ja als Kind viel geritten, wie du erzähltest, das wirst du nicht verlernt haben."
„Wie gut von dir daran zu denken. Ich freue mich darauf, mit dir in die weitere Umgebung reiten zu dürfen, ich kenne sie noch so wenig."
„Aber du hast kein Kleid, da werden wir leider noch eine Weile warten müssen. Doch halt, die Gräfin hat ungefähr deine Figur, sie reitet schon lange nicht mehr, der Arzt hat es ihr untersagt, die wird dir mir zuliebe gern aushelfen, bis dein Schneider die Bestellung ausgeführt hat."
„Das versteht meine kleine Schneiderin nicht, Wilhelm, ein Schneider hat noch nie für mich gearbeitet."
„Ja dann muß Mama raten. Warum soll überhaupt mit der Bestellung deiner persönlichen Ausstattung noch gewartet werden, ich wünsche, daß du schon jetzt den späteren Verhältnissen entsprechend gekleidet gehst. Nein, nein, nicht wieder die gewohnte Bescheidenheit, zu einer solchen Gestalt gehört auch der dazu passende Rahmen. Man muß an ihre berühmte Madame Gerard schreiben, daß sie sich persönlich herbemüht, und zwar sofort. Vater kann ihr den Brief selbst überbringen das wird sie gefügig machen. Aber bei der Auswahl der Toiletten habe ich ein Wort mitzusprechen. Ich weiß, was zu dem Trousseau einer eleganten Dame gehört."
„Das ist mein eigenstes Ressort, Wilhelm, und da lasse ich dich nicht Hineinreden."