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diesem Gebiet die Ordnung in der Gemeinde hergestellt.
Ellrvangen 24. April. Am 2. und 3. Mai d. I. findet der württ. Fleischertag statt. Die Fleischer-Innung hat sich zum Empfang der werten Gäste gerüstet; aber nicht bloß sie, die ganze Stadt freut sich, die Fleischermeister Württembergs in ihren Mauern begrüßen zu dürfen. Sie werden jedenfalls zahlreich erscheinen, denn außer den Punkten, die die vereinsgeschäftlichen Dinge betreffen, stehen eine Reihe überaus wichtiger Gegenstände aus der Tagesordnung wie z. B. die Frage: Was ist Wurst? Es herrscht über die Zusätze, die bei der Wurstfabrikation Verwendung finden wie auch über das Färben der Wurstwaren bei Behörden und Gerichten noch eine so verschiedenartige Auffassung, daß es sehr wünschenswert ist, wenn in Ellrvangen die Sachverständigen zu dieser Frage Stellung nehmen. Weitere Punkte der Tagesordnung sind, die Aufhebung ^des Z 100 der Gewerbeordnung, das Maß der Därme, die Höhe der Fleischschaugebühren nach der Aufhebung der städtischen Fleischsteuer und 'anderes mehr. Kein Fleischermeister des Landes dem es um die Hebung seine Gewerbes ernstlich zu tun ist, darf es darum versäumen, den Fleischertag-in Ellwangen zu besuchen.
Ulm 22. April. In Hörvelsingen begeht kommenden Sonntag der frühere Postbote Leonhard Löw, und seine Frau, Margareta geb. Uhl das Fest der diamantenen Hochzeit. Vom Jubelpaar, das vom König ein Geschenk von 100 erhielt, zählt der Mann 87, die Frau 82 Jahre.
,1s lm 24. April. Der Verein für den Fremdenverkehr in Ulm veranstaltet für weitere Kreise im Juni d. I. eine Fahrt auf der Donau von Ulm nach Wien. Er will zu diesem Zweck ein sogenauntes Ordinarischiff (Ulmer Schachtel) erbauen und ausrüsten. Die Fahrt soll am Donnerstag den 17. Juni beginnen und 8 Tage dauern. Es soll erreicht werden am 1. Tag Donauwörth, am 2. Tag Ingolstadt, am 3. Tag Regensburg mit Walhalla, dm 4. Tag Deggendorf, am 5. Tag Paffau, am 8,, Tag Linz, am 7. Tag Krems, am 8. Tag Wien. Das Uebernachten findet in den ebengenannten Städten statt. Es wird dafür Sorge getragen werden, daß die Teilnehmer dort billige und gute Unterkunft finden. Die Teilnehmer können ihr Gepäck auf dem Schiff unterbringen. Außer den genannten Plätzen werden nach Möglichkeit noch weitere interessante Orte an der Donau angelaufen. Unter den Teilnehmern werden Personen sein, die in der Lage sind, auf die Sehenswürdigkeiten der angelaufenen Orte aufmerksam zu machen. Mit der Ankunft
in Wien nimmt die Fahrt ihr Ende. Die Teilnehmer der Fahrt bleiben von da an sich selbst überlassen. Der Preis für die Fahrt beträgt für den einzelnen Teilnehmer ca. 40 -V7. In diesen Preis ist nur die Fahrt auf dem Schiffe eingeschlossen. Die Fahrt beginnt in Ulm. Die Zahl der Teilnehmer ist auf 50 beschränkt. Sollten sich bis zum 15. Mai nicht wenigstens 40 Teilnehmer finden so unterbleibt die Fahrt. Jede weitere Auskunft erteilt das Sekretariat des Vereins für den Fremdenverkehr in Ulm.
Karlsruhe 23. April. Große Aufregung herrschte heute mittag in der Zeit von 1—1 '2 Uhr an der Ecke Kriegsstraße und Beiertheimer-Allee. Zwei Töchterschülerinnen im Alter von 14 Jahren gingen um 1 Uhr 30 aus der Schule nach ihren in der Kriegsstraße gelegenen Wohnungen. In dem Augenblick, als die beiden Mädchen sich trennten, kam aus dem Hause der Kriegsstraße 56 ein Mann, der den Beiden aufgelauert zu haben scheint, und verfolgte das eine der beiden Mädchen in den Garten seiner Wohnung, Kriegsstraße 11, wo er das zu Tode erschrockene Mädchen attackierte. Als auf die Hilferufe der Angegriffenen die zwei Diener des Hauses herbeieilten, zog der junge Mensch einen Revolver und schoß den einen der Diener ins Bein. Auch den Vater des angegriffenen Mädchens, der unterdessen gekommen war, bedrohte er mit dem Revolver und flüchtete dann in das Haus, wo er dann von der Polizei festgenommen wurde, die bis jetzt trotz wiederholter Anfragen keine nähere Auskunft über die Person des Verhafteten gegeben hat.
Konstanz 24. April. Das hiesige Schwurgericht sprach den Landwirt Eduard Götz von Stockach von der Anklage des Mords an seiner Frau und seinem Vater frei. Die Kosten werden der Staatskasse aufgelegt. Das Urteil wurde mit lautem Bravo ausgenommen.
Paris 24. April. Der frühere Präsident von Venezuela Castro, wird demnächst, wie behauptet wird, in Paris seinen Wohnsitz auf- schlagen. Er gedenkt in St. Alande bei Paris eine Villa zu mieten und dort bessere Zeiten abzuwarten.
Lissabon 24. April. Gestern mittag wurde ein heftiges Erdbeben wahrgenommen. Das Parlament vertagte infolge des starken Erdstoßes seine Sitzung. Viele Häuser wurden leicht beschädigt. Mehrere Gas-Explosionen erfolgten, bei denen eine Anzahl Personen verletzt wurden.
Lissabon 24. April. Durch das Erdbeben sind hier einige Personen verletzt worden. Viele Einwohner haben die Nacht
auf freien Plätzen und in den öffentlichen Gärten zugebracht. Zwischen Santarem und Lissabon ist bedeutender Schaden angerichtet worden. In Benavente, Salvatena und Alberca sind viele Häuser einge st ürzt. Nach Blättermeldungen sind 6 Menschen getötet worden. Der Tajo ist bei Santarem aus den Ufern getreten. Nach Benavente, das besonders schwer betroffen zu sein scheint, sind Hilfsmannschaften abgegangen.
Achilleion 23. April. Das Kaiserpaar machte mit Gefolge heute nachmittag eine Fahrt in Pinassen zur Insel Pontikonisi, der sog. „Toteninsel", wo der Tee eingenommen wurde. Den Rückweg zum Achilleion machten die Majestäten zu Fuß.
Konstantinopel 24. April. Mazedonische Truppen besetzten Pera und Gal ata. In Stambul ist starker Gewehr- und Ges chützkampf im Gange. Es herrscht Panik
Konstantinopel 24. April. Mahmud Schewket Pascha richtete an den deutschen Botsch after Freiherrn v. M ars chall das Ersuchen, das Botschafts-Palais heute Nacht nicht zu verlassen.
Pera 24. April. Die jungtürkische Anmarsch-Armee begann das Bombardement der Taschkischla-Kaserne um M6 Uhr morgens. Die Kaserne hielt sich bis '^10 Uhr vormittags. Ueberall an den Gebäuden sind starke Spuren des Bombardements sichtbar. Gleichzeitig fand die Beschießung der Taxim- Kaserne und des Wachthauses statt. 400 Mann haben sich auf den Friedhof geflüchtet, welcher der deutschen Botschaft gegenüber liegt und begannen sofort, sich dort zu verteidigen, hielten jedoch, da sie führer- und planlos waren, nicht lange stand und gingen zu den Jungtürken über. Viele Waffenlose flüchteten nach Cabatasch. Auch die deutsche Botschaft ist durch die Schüsse beschädigt worden. Die auf den Straßen Herumirrenden werden entwaffnet und die Straßen durch Militär von den Menschenmengen gesäubert. Die Taschkischlakaserne, die sich am tapfersten wehrte, soll voll Toter sein. Der Mldiz ist nicht beschossen worden, und soll sich ohne Gegenwehr ergeben haben.
Konstantinopel24. April. Ein höherer Offizier der Anmarsch-Armee erzählte, daß in der Nacht um Uhr 27 000 Mann von Kiathane aufbrachen. Die Truppen waren in zwei Abteilungen geteilt, von denen die eine Pera besetzte und Wachen ausstellte, um die Sicherheit aufrecht zu erhalten, die andere den Mldiz cernirte. Da die dortigen Truppen sich nicht gutwillig ergaben, so kam es gegen 8 Uhr Morgens in der Nähe von Beschiktasch zu einem
Line küge.
Roman von Ludwig Rohmann.
(Fortsetzung.)
Da ein Transport der Leiche untunlich war, so wurde Berg auf dem kleinen Friedhof von Jurantzon bestattet. Aber vorher schon hatte Marie das kleine Haus verlassen. Hinko und Inge duldeten nicht, daß sie darinnen blieb; sie mußte mit ihnen nach Pau ins Hotel kommen und mit Inge ein Zimmer teilen. Inge fürchtete allen Ernstes, daß Marie sich ein Leid antun könne; sie kannte zwar nicht den letzten Grund ihrer stillen Verzweiflung, aber so viel war ihr doch klar, daß nicht der Tod des Vaters allein ihr seelisches Gleichgewicht so gewaltsam erschüttert haben könne, und sie kannte Marie genug, um sie einer raschen Tat fähig zu halten.
Es war vier Tage nach der Beerdigung. Die Drei hatten das Grab besucht und stiegen langsam im Glanz der Abendsonne nach Pau hinunter — Marie schweigend und in sich versunken, Hinko und Inge trotz aller Trauer in Schauen und Genießen vertieft. Diese paradiesische Welt nahm aller Trauer den Stachel, sie erhob die Herzen und predigte Hoffnung und Lebensfreude mit flammenden Zungen. Und all diese Schönheit wurde nun im Scheiden genossen. Die Rückreise nach Deutschland sollte in den nächsteil Tagen angetreten werden, da Marie eine Ortsveränderung nottat.
Da fragte Marie plötzlich^ ob Hinko und Inge ihren Vater wirklich lieb gehabt hätten. Sie begriffen die Frage nicht, aber sie bejahten schnell und gleichzeitig. „Ich meine, so lieb, daß ihr ihm ein schweres Unrecht verzeihen könntet? Er hat auf diese Verzeihung gehofft, so lange er mit klaren Sinnen hoffen konnte, und er hat für sein Unrecht eine schwerere Buße erduldet, als irgend ein Mensch sie ihm hätte auferlegen können. Freilich seid ihr es nicht allein, deren Verzeihung ihm in die Ewigkeit
Nachfolgen soll. Horst und Paul — und Horst vor allem müßten die Kraft zur Versöhnung haben."
„An Horst darfst du nicht zweifeln," antwortete Inge eifrig, „und Paul ist deinem Vater zu großem Dank verpflichtet."
Marie blieb stehen, und nun trat wieder der harte Zug in das schöne Gesicht. „Das ist nicht wahr!" Es klang fast wie ein Aufschrei. „Keiner ist dem Toten zu Dank verpflichtet — ihr alle nicht, die ihr ihm verzeihen sollt."
Nun blieb auch Inge stehen. „Aber er hat doch —." „Du wirst alles begreifen, wenn du weißt, was mein Vater euch getan hat."
Nun fiel es Inge wieder ein, mit welchen Mutmaßungen die Beileidskundgebung Bergs von Manders und den Brüdern ausgenommen worden war. Sollten sie damals das Rechte getroffen, sollte Berg wirklich den Tod ihres armen Vaters verschuldet haben? Sie sah Marie angstvoll an, und Marie verstand die stumme Frage. „Ich sehe, du verstehst mich," sagte sie leise. „Aber laßt uns gehen, vielleicht kannst du begreifen, was dir jetzt unfaßbar ist, wenn du erst alles weißt."
Nun saßen sie im Hotelzimmer beisammen. Inge hatte das Bekenntnis Bergs gelesen, sie ließ den Kopf auf die engbeschriebenen Blätter sinken und weinte herzzerbrechend. Wie unendlich viel Unheil war doch aus dieser Lüge über sie alle gekommen, und wie furchtbar hatte sie in ihren Folgen sich an dem einen selbst gerächt, der sich ihrer zu seinem Vorteil bedient hatte.
Marie saß still abseits auf einem Stuhl. Sie tat nichts, Inge zu beruhigen ; sie hatte fast die Empfindung, daß sie an ihres Vaters Stelle gerichtet werde, und sie wollte nichts tun, den Spruch zu beeinflussen. Als Inge sich endlich so weit gefaßt hatte, daß sie zu sprechen vermochte, stand sie auf und sah mit tiefem Mitleid aus Marie. „Du Aermste," sagte sie leise, „was mußt du gelitten haben, seit du das wußtest!"
(Schluß folgt.)