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Garantie-Fonds hat die Höhe von 000 000 erreicht.
Paris 6. April. Eine Feuersbrunst zerstörte in der vergangenen Nacht ein großes Linoleum-Depot. Der Schaden beläuft sich auf über 200000 Francs. Personen sind nicht zu Schaden gekommen.
Nom 0. April. Kaiser Wilhelm ließ nach einer Meldung des Messaggero dem ehemaligen Präsidenten Roosevelt durch den deutschen Generalkonsul in Neapel ein prachtvolles Blumen-Arrangement überreichen, sowie ein Handschreiben, in dem der Kaiser den Präsidenten in Europa willkommen heißt und seine Freude darüber ausspricht, daß der Präsident einen deutschen Dampfer für seine Reise benutzte und die Hoffnung ihn bald in Berlin zu sehen. Roosevelt antwortete in einem herzlichen Telegramm und versprach sein Kommen im nächsten Jahre.
Wien 6. April. In maßgebenden österreichischen Kreisen wird den Osterausflügen des deutschen Kaisers, des Fürsten Bülow, sowie der Zusammenkunft des Kaisers mildem König Viktor Emanuel in Venedig große Bedeutung beigelegt namentlich mit Rücksicht auf Italiens Stellung in der Balkansrage.
Eettinje 6. April. Ter italienische Gesandte überreichte hier gestern ein Schreiben mit dem Vorschlag, seine Regierung mit der Beilegung der bestehenden Schwierigkeiten zu betrauen. In der Antwortnote erklärte Montenegro, daß Antivari den Charakter eines Handelshafens behalte. Montenegro passe sich den Entscheidungen der Mächte an betreffs des Art 20. Eine Abschrift der Note ist den Signatarmächten überreicht worden. Mit Rücksicht aus die Anpassung an die Wünsche der Mächte glaubt man hier, daß die Angelegenheit beigelegt wird und der Pflege guter freundschaftlicher Beziehungen mit Oesterreich-Ungarn nichts mehr im Wege stehe.
Zeppelin in Mederviehbach.
<Em Z-erienbrief fürs Calwer Wochenblatt.)
Zeppelinzstarren und Zeppelinzixaretten, Zep- pelivchokolode und Zeppelinschnupftabaktücher, geschmückt mit der farbenprächtigen Zeichnung des Luftschiffes waren nebst einer unheimlichen Menge von Zeppelinartikeln in allen deutschen Tagesblättern, die ich gewissenhaft konsumierte und zu verdauen suchte, meine Vorbereitung gewesen für den denkwürdigen 2. April d.J, der mir in Mederviehbach das größte derzeitige Weltwunder vor Augen führen sollte. Vor lauter Zeppelin war ich schon ganz zappelig geworden und es übelkam v ich die wahrlich nicht unbegründete Furcht, wenn das so weiter ginge, würde ich unheilbarem seelischem Siechtum verfallen. Und nun kam er gar selbst, der kühne Reiter aus den Lüften, von willkommenen Gegenwinden nach dem unbekanntesten oller niederbayiischen Dörfer verschlagen! Ich hätte es mir nie träumen lassen, daß er mir nachfahren würde anstatt umgekehrt. Ich habe also unstreitig großes Glück gehabt, jedenfalls viel mehr Glück als die Calwer, wie sie bei der großen Mainzer Fahrt auf den Kirchturm stiegen und die Böller krachen ließen.
Am 1. April abends 6 Uhr habe ich es, dank dem Umstand, daß ich von der nächsten Poststatton eine geschlagene Stunde entfernt wohne, erst erfahren, daß er nach München geflogen sei, aber weiter nichts. Um '/-12 Uhr nachts fuhr ich jäh aus eirem schweren Traume auf vnd ich gewahrte vor meinem Bette meinen Freund Scho schl, der mir zurief: „Der Zeppelin ist in Mederviehbach!" Dies Dorf liegt etwa 30 lcm von meiner Einöde ab. Ich hielt Schorschls Nachricht für einen äußerst übel angebrachten Aprilscherz, war sehr ärgerlich und meinte, das sei kein Spaß mehr, einen um Mitternacht aus dem Schlaf zu brüllen. Aber mein Freunde erklärte er habe die Nachricht aus prima Quelle mit unbedingter Garantie. Sein Gewährsmann habe ihm pesagt, Schorschl könne ihm sechs feste „Watschn" (Ohrfeigen) verabreichen, auf jede Seite dreie. wenn's nicht wahr wäre; er habe den Ballon selbst noch um 9 Uhr abends bei der be- zeichneten Ortschaft gesehen.
Das ist nun eine von den Nielerboyern immerhin ziemlich heilig gehaltene Beteuerungsformel und ich begann meine Gedanken auf eine eventuelle Zepprlinexpedition nach Mederviehbach zu konzen
trieren. Allerdings hegte ich noch Mißtrauen. Als aber Schorschl erklärte, er wolle selbst mit, war ich überredet und wir scheuten — von Schlaf war ohnedies keine Rede mehr — das Opfer nicht, um 4 Uhr morgens in die bitterböse, kalte Nacht hinaus zum nächsten Bahnhof zu wandern, um zum Zeppelin zu gelangen. Der Frühzug war außergewöhnlich gut besetzt und wir bemerkten in unserm Wagen eine größere Zahl von Bekannten aus der nachbarlichen Provinzstadt. Es herrschte aber ein gegenseitiges Mißtrauen, eine heimliche Furcht, dem allgemeinen Gelächter anheimzufallen, wenn man vom Zeppelin zu sprechen begänne. Jedes gab als Ziel seiner Reise ein anderes obskures Dorf an, nur nicht Meoerv'ehbach, bis wohin, wie sich hinterher herausstellte, alle Jnsaßen des Wagens, ausgenommen drei alte Straubinger Marktweiberl, ihre F hrkarten gelöst hatten. Es wäre auch die Blamage zu groß gewesen. Der Ballon konnte ja immerhin da gewesen, jedoch auch schon wieder fortgefahren sein. Endlich wurden alle Zweifel gelöst, als auf einer Haltestelle der Herr Expeditor einem neugierigen Frager die laute Mitteilung machte, der Zeppelin sei noch da, er habe eben diesbezügliche telephonische Nachricht erhalten Von der Station Loiching aus, hieß es, könne man ihn schon sehen.
Wir sahen ihn! Den Eindruck, den er auf uns alle machte, sollte ich lieber nicht zu beschreiben wagen. Denn keine Beschreibung vermag die Wirklichkeit zu ersetzen. Man muß das unbedingt selbst erleben: Vor uns breitet sich eine Ebene aus mit bereits grünenden Wiesen. Getreide-und Kleefeldern. Die Aecker find stellenweise von hohen, alten Weiden und Erlenbüschen cingesäumt. Dahinter liegt die Hügelkette der Jsarberge von Tannenwäldern gekrönt. Und da steht 3 lcm vor uns in einem vom Busch halb verdeckten Acker in majestätischer Ruhe ein riesiger, weißgelber Hecht, Zeppelins Fahrzeug Die Augen möchten einem übergehen vor Freude bei diesem Anblick.
Wir sind da! Der Zug hält; zwanzig Minuten finds hinüber zum Ballon sie weiden durch Laufschritt auf die Hälfte gekürzt Denn der Segler kann ja alle Augenblicke aufsteigen und wir möchten ihn doch genau inspizieren und auch ihm selbst, dem alten herrlichen Mann, dem Grafen, ins wetterfeste Angesicht sehen. Im Näher kommen werden die einzelnen Teile sichtbar. Die Gondeln, der verdeckte Gang zwischen beiden, die Propeller, die Steuer. Trotz seiner riesigen Ausdehnung macht der Ballon keinen plumpen, im Gegenteil einen durchaus beweglichen und selbst eleganten Eindruck. Er ist mit einem schweren Tau an einem in die Erde gegrabenen und mit Mühlsteinen beschwerten Brückenwagen verankert. Wir kommen aus dem Staunen kaum heraus. Ein heftiger Sturmwind saust uns über die Köpfe. Aber der Zeppelin I steht unbeweglich und unbeschädigt m-t seiner Spitze gegen den Wind, das feindliche Element. 300 Infanteristen des Landrhuter 16. Regimems umstehen ihn im Kreise. Die armen Burschen befinden sich seit 17 Stunden am Platze, seit 28 Stunden befinden sie sich in den Kleidern, geschlafen haben sie auch nicht. Vom Exerzierplatz weg sind sie ohne Mäntel und Proviant in einen auf freiem Feld aufgehaltenen Zug geladen und nach Mederviehbach gebracht worden. Um 1 Uhr Nachts bekamen sie Mäntel, Knackwürste und Brot nachgesandt. Eiskalt wars in der Nacht und jetzt begann es auch noch zu schneien. Aber gemurrt haben meine niederbayrtschen Bauernjungen, die da in ihres Königs blauem Rock standen, nicht; eine Freude und Genugtuung war es ihnen, daß gerade sie dem Zeppelin helfen durften. Stolz wie Feldherren standen ihrer zehn in den beiden Gondeln und schauten herab auf die armseligen Kameraden und Civilisten, denen es nicht vergönnt war, ihren Fuß in das Wunderschiff zu setzen.
Das Publikum war dank dem vermeintlichen Aprilscherz wenig zahlreich. Ar ch mit unserem Zug waren nicht viel mehr als 400 Menschen gekommen. Zudem weist d'e eingleisige Bahnlinie Landshut- Plattling, an der Mederviehbach liegt, keinen besonders starken Verkehr auf. So betrug die Zahl der Zuschauer bis gegen 11 Uhr kaum mehr als 2000. Desto eingehender konnten wir unS die Sache besehen; sogar in die Gondeln haben wir htnein- geguckt. Den Soldaten sagten wir, wir wären Reporter: ich von der Calwer Zeitung und Schorschl vom Straubinger Tagblatt. Merkwürdigerweise haben wir aber den Vertreter des letzteren gleich darauf in voller Lebensgröße auf dem Plan gefunden.
Stark vertreten war natürlich die Landbevölkerung der Umgebung. Bei der häuslichen Arbeit waren die'wenigsten zurückgeblieben. 70 bis 80jähr. Männlein und Weiblein kamen herangehumpelr und ols gegen 9 Uhr die Herren Lehrer in den Dörfern ringsum ihre ungeduldigen Buben und Dirndl in den Schulzimmern kaum mehr in Ordnung und Zucht halten konnten, da jagten sie eben die liebe
tolle Jugend hinaus über die Aecker und Wiesen und hinüber zum Zeppelin. Und da gafften die Kleinen und froren drei Stunden lang auf dem Kleefeld. „Do schaug hi! Dös iS er selm, der Zeppelin!" Und sie deuteten mit Fingern aus den Mann mit der weißen Mütze. Denn das begriffen sie auch, daß der ein außergewöhnlicher Mensch sein müsse, der mit einem solchen „Dings da" in der Luft herumfahren könne, wie sie mit ihrem Schubkarren auf des Vaters Misthaufen.
Ja das war wirklich Graf Zeppelin selbst, der neben seinem Schiff hin und herging. Der läßt sich auch nicht, ebensowenig wie sein Werk, würdig beschreiben. Ein herrlicher Mann! Und wie er so liebenswürdig und „gmoa" aussteht! Auf zwei, drei Meter konnte man an ihn herankommen. Alt und Jung war von ihm „weg", das heißt im Bayrischen so viel wie „begeistert". Daß er in der Minute nahezu 30 Mal geknipst wurde, könnte ich mit ruhigem Gewissen beschwören. Ein gemütlicher Kaufmann aus der Gegend meinte: „I ko eahm nöt helfa, iatzt wird er photographiert."
Die kalte, zum Te l in der Gondel verbrachte Nacht merkte man dem Grafen durchaus nicht an. Es sah sehr frisch und munter aus. In den Morgenstunden hatte er sich nach der 4 Minuten vom Ankerplatz gelegenen Wastlmühle begeben, wo er auf einem Strohsack in der Bauernstube ausruhte, ein alter Reitersmann von echtem Schrot und Korn.
Nie, seit die Wastlmühle steht, hat sie in ihren Mauern ein solche Menschenmasse gesehen wie heute und gestern. Infanteristen, Bauern, Stadtleut', Luftschiffer, junge Dämchen, alte Wetber drängten sich in Sluve und Küche am warmen Ofen zusammen, um die erstarrten Glieder zu wäimen. Außer der Kälte gab's dann noch einen Feind, den Hunger. Wir hatten erwartet, daß ein pfiffiger Ntederviehbacher eine Verkaufsbude mit Brot, Wurst, Eiern, Schnaps und Bier bereithalte. Aber da war rein nichts, nicht einmal eine Ansichtskartenverkaufs- stelle Der Niederbayer ist eben kein Profitschinder. In der Stube des Wastlmüllers atzen sie heißes Bauernbrot direkt aus dem Backofen, heiße Kartoffeln direkt aus der Pfanne und tranken dazu Bier in Maßkrügen, narürlich auch direkt vom Faß. Der Liter kostete 20 Pfennig. Ich ärgerte mich, daß der Maun es nicht verstand, sich ein wenig Profit zu machen. Aber schließlich hatte der Müller doch Recht. Er hätte sich sein ganzes Leben schämen müssen, wenn er 30 oder 40 Pfennig gefordert hätte, abgesehen von der Verachtung seiner Dorfgenoffen, die ihn in diesem Falle getroffen hätte.
Ich hatte mich zu Hause vorsorglich mit einem Schinkenbrot versehen; das sollte heute mein Mittagsmahl werden. Aber mein Schorschl, der nichts eingesteckt hatte, verlangte kategorisch die Hälfte. Er habe wohlbegründete Ansprüche auf meine Dankbarkeit. Eine Maß Bier und eine Zigarre vervollständigten an diesem herrlichen Tage unser« Mittagstisch.
Mittlerweile war die Füllung des Boltons aus ca. 200 Gasflaschen beendet und Graf Zeppelin trat mit seinen Begleitern zu einer Beratung zusammen. Sie lugten nach dem Wetter aus. Schwere Wolkenhaufen ballten sich noch immer zusammen und der Nordwest hatte wenig nachgelassen. Aber da entstand plötzlich eine blaue Lücke am Himmel und für eine Minute lachte der Helle Sonnenschein in das Gelände. Ein Freudenschrei aus tausend Kehlen begrüßte ihn. Eine Viertelstunde später ward der Anker gelichtet, d. h. der Brückenwagen ausgegraben und das Tan gelöst.-
Nach 11 Uhr begannen die Motore zu arbeiten. Zeppelin und seine Begleiter hatten die LandShuter Sechzehner bereits von ihrem Feldherrnstandort verdrängt und die Generalstabskarten hervorgezogen. Da, kurz nach einander 2 Klingelzeichen, die Taue fliegen in die Gondeln und wie ein riefiger elektrischer Aufzug hebt sich der Ballon etwa 300 m hoch kerzengerade in die Luft, ein Anblick, von dem jeder überwältigt werden muß. Hurrah! und Hoch! braust es ihm nach, ein letztes Mal grüßen die Insassen von oben, eine letzte brausende Antwort von unten und stolz und leicht schwebt der Aar von dannen das Isartal hinauf, woher er gekommen.-
Uns arme am Staube klebende Menschenkinder ließ er zurück, uns, die wir nicht wußten, sollten wir traurig sein, daß wir nicht auch so leichten Flügels enteilen konnten, oder fröhlich, daß unserm deutschen Vaterlande e'n solcher Mann erstanden war. — Aber wir wollen doch recht fröhlich darob sein! — vr. b.
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Vetüsuungsstlikung.