werte Kreise wohl mit dem Munde äußerst sozial gesinnt seien, daß es ihnen aber bange wäre, würden die Forderungen, die sie stellen, erfüllt. Wenn man auf dem Standpunkt stehe, als Arbeiter könne man nicht viel genug verlangen, und als Arbeitgeber nicht wenig genug geben, könne nie und nimmer etwas Gutes herauskommen. Tief bedauerlich sei auch das unkollegiale. Verhalten vieler Arbeiter gegenüber politisch und religiös Andersdenkender, das namentlich in den Reibungen zwischen sozialdemokratisch und christlich organisierten Arbeitern immer wieder zu Tage trete. Auch das Verhalten so mancher Arbeitgeber die es nicht verstehen, Menschen zu behandeln, charakterisierte der Referent in richtiger Weise. Die wahre und richtige Quelle sozialer Gesinnung sei die Erkenntnis der ewigen Bestimmung des Menschen und der Wille, auch die äußeren Verhältnisse so zu gestalten, daß der Mensch dieser seiner ewigen Bestimmung entgegenreisen könne, ohne Verlust seiner inneren Werte. Mit einem belebenden Appell an die Versammlung, stets die Pflege sozialer Gesinnung in konsequenter Weise, die keinen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis aufkommen lasse, zu betreiben, schloß der gewandte Redner seine Ausführungen, denen sich eine kurze Diskussion ergänzend anschloß.
Ulm 1. April. Vor einigen Tagen wurde abends ein vor einem Uhrmacherladen angebrachter Aushängekasten mit den darin befindlichen Brillen und Zwickern gestohlen. Der Kasten samt einem Teil des Inhalts wurde am andern Morgen in einer Rische des Münsters aufgesunden. Rach dem Täter wird gefahndet.
Waldsee l. April. Der 21 Jahre alte Schlosser Joseph Kühe von Ulm ließ den Uhrmacher Stärk von einer Ausschußfitzung des Gewerbevereins Herausrufen mit der Vorgabe, er wolle bei ihm eine Uhrkette kaufen. Im Ladenlokal angelangt versetzte er ihm mit einem mittelgroßen Hammer einen Schlag unter die linke Schläfe. Als Stärk um Hilfe rief, entfloh Kühe, wurde aber in einer Sackgasse festgenommen und der Polizei übergeben, die ihm einen geladenen Revolver, den Hammer, sowie Diebeswerkzeug abnahm.
Die Fkmfahrl drs 2 > vach München.
München l. April. Bei aufklärendem Wetter verließ das Luftschifs XI, wie bereits kurz gemeldet, einige Minuten nach 4 Uhr die Ballonhalle in Manzell, passierte bald darauf in östlicher Richtung Friedrichshafen und V-6 Uhr Biberach. Bei Erbach steuerte es über die bayrische Grenze, 5 Minuten vor 6 Uhr flog es in einiger Entfernung von Memmingen bei Kellmünz-Oster- berg über die Iller in der Richtung nach Mindelheim. — Um 8 Uhr 10 Min. war das Luftschiff von
den Münchener Kirchtürmen aus sichtbar. Man sah, wie es in großer Höhe in wunderbarer Fahrt in der Nähe von Augsburg kreuzte. Kurze Zeit darauf schwebte es über dem Ammersee. Um S'/-« Uhr traf das Luftschiff über München ein. Aus der Theresienwiese hatte sich eine ungeheure Menschenmenge eingefunden. Der Prinzregent, sowie fast der gesamte Hof, der Generalstab, die Spitzen der Militär- und Zivilbehörden waren ebenfalls anwesend. 'Nachdem das Luftschiff eine Reihe von Manövern über der Theresienwiese ausgeführt hatte, wandte es sich langsam gegen die Stadt zu, umkreiste in einer Höhe von 150 m die Frauentürme und fuhr dann in langsamer Fahrt über die Residenz weiter, zum Exerzierplatz in Oberwiesenfeld, um dort die Landung zu versuchen. Der Hof init dem Prinzregenten und die gesamte Generalität fuhr zu Wagen dorthin ab, um der Landung beizuwohnen. Der Platz, wo die Landung erfolgen sollte, war von einem großen Militäraufgebot abgesperrt. In der Mitte des Platzes hatte eine Abteilung Pioniere und Lustschiffer Aufstellung genommen. Gegen Vs 10 Uhr wuchs der Wind zu einem Sturm an, sodaß der init der Beobachtung des Militär-Luftschiffes betraute Fesselballon eingezogen werden mußte. Graf Zeppelin bemühte sich nahezu eine Stunde, um auf dem Oberwiesenfeld zu landen, jedoch mußte er den Plan aufgeben und das Luftschiff fuhr nach 'Norden ab. Einen zweiten, jedoch vergeblichen Versuch, zu landen, unternahm das Luftschiff auf der Fröttmaninger Haide. Gegen 11 Uhr erhielten plötzlich die Münchener Luftschiffer und Pioniere den Befehl, sich in einem Exkrazug nach Erding zu begeben. Gegen 12 Uhr hatte das Luftschiff Freising in der Richtung nach Landshut an der Isar passiert.
Erding (Bayern) 1, April. X I versuchte vergebens nach Umkreisung des Erdinger Mooses eine Landung auszuführen, die er in einer ausgeworfenen Depesche angekündigt hatte. Um 1'/« Uhr befand sich der Ballon bei Kronwinkel in der Nähe von Landshut (etwa 75 km nordwestlich von München). Von Landshut ist Militär abgegangen, da, wie es heißt, dort eine Landung versucht werden soll. Die Motore sind bisher intakt geblieben.
München 1. April. Gegen 3 Uhr nachmittags wurde einem hiesigen Blatte aus Landshut telegraphiert: Zeppelin > befindet sich in der Nähe von Lands Hut. Er sendet ein Funkentelegramm an die Luftschifferabteilung, daß er die Hoffnung habe, in 2—3 Stunden wieder in München zu sein. Er leide an Benzinmangel. An das Regiment in Landshut schickte er eine Postkarte, in welcher er die Soldaten ersuchte, in der Nähe zu bleiben bis der Wind nachgelassen hat.
Nach mancherlei Versuchen zu landen, gelang es dem Luftschiff endlich um 3 /, Uhr bei Loiching in der Nähe von Dingolfing in Niederbayern glücklich zu landen. Es besteht die Absicht, das Abflauen des Windes abzuwarten und dann nach München zurückzukehren, um dort zu übernachten, da vom Bodensee heftige Stürme gemeldet werden.
Dingolfing 1. April. Aus München und Landshut ist an der Landungsstelle des Zeppelin 1 Militär eingetroffen. Ueber 100 Automobile, die an der Verfolgung teilgenommen hatten, find andauernd auf dem Platz, auch Prinz Alfons ist an Ort und Stelle. Es heißt Graf Zeppelin werde die heutige Nacht auf dem Landungsplätze im Automobil zubringen. Ein Motoren-Defekt ist nicht zu verzeichnen. — Bis zum späten Abend dauerte die stürmische Witterung unvermindert fort. Die Windstärke hat nur wenig nachgelassen.
München 1. April. Wie den „Münch. Neuesten Nachr." abends mitgeteilt wird, erfolgte die Landung des „X. 1." bei Loiching sehr glatt. Die Landung war verursacht infolge des starken böigen Windes. Ein Motordefekt ist nicht zu konstatieren. Wahrscheinlich wird das Luftschiff, wenn der Wind nachlüßt, morgen früh um 5 Uhr die Rückfahrt nach München antreten. Graf Zeppelin übernachtet an der Landungsstelle.
(Bis heute 'Mittag 1 Uhr war noch keine 'Nachricht über die Weiterfahrt des Luftschiffes eingetroffen. Es ist daher anzunehmen, daß es die Landungsstelle bei Dingolfing noch nicht verlassen hat. D. N.)
Pforzheim 1. April. Ueber die Steuer- hinterziehungsasfaire meldet die Bad. Presse weiter: Nach Angaben der Fahndungspolizei handelt cs sich um Karl Mondon, Bijouterie-und Kettensabrikant, früher Stadlratund Verwaltungs- rat der Gewerbcbank. Wie es heißt, soll von einem Vermögen von mehreren Millionen nur etwa ein Drittel versteuert worden sein. Da von Gesetzeswegen die Steuer nur für die letzten fünf Jahre nacherhoben werden kann, so wird, die zehnfache Steuerstrafe etwa eine halbe Million betragen. Die voraussichtliche Steuernachzahlung soll sich auf ca. 50 000 -M belaufen.
Aus Baden 1. April. Prinz Ludwig von Bayern stattet in Vertretung seines Vaters, des Prinzregenten, im Laufe dieses Monats dem Karlsruher Hofe einen offiziellen Besuch ab. Tie Ankunft wird am 20. April erwartet. Es ist militärischer Empfang vorgesehen. Die Rückreise erfolgt voraussichtlich am 21. April.
Paris 1. April. „Petit Journal" berichtet aus St. Die über einen Grenz - Zwischenfall.
in das Bild ein: Die schlanke Figur im schwarzen Kleide, mit dem feinen Köpfchen und den kleinen, weißen Händen wuchs ihm mit dem düsteren Hintergründe zusammen, und nun plötzlich war das Lebendige da, das er vorher entbehrt hatte, nun war die Stimmung nicht mehr bedrückt — nun wurde die Studie auch ihm zum Bilde.
„Wollen Sie mir helfen, daß aus dem Dinge da wirklich ein Bild werden kann?" fragte er mit unvermittelter Lebhaftigkeit. Sie wurde verlegen. „Ich — Aber wie könnte ich —?"
„Sie können. Stellen Sie sich einmal dort in die Allee hinein — so, als kämen Sie eben in Gedanken daher geschritten."
Sie sah ihn noch immer ungewiß an. „Ja, aber —" „Aber, so gehen Sie doch, bitte!" rief er ungeduldig. „Der Himmel sieht doch nicht danach aus, als wolle er uns viel Zeit zur Arbeit lassen, und dann krieg' ich die Stimmung im Leben nicht wieder so, wie ich sie brauche." Nun ging sie und versuchte seine Weisung auszuführen. „So?" fragte sie verschüchtert. „Ein klein wenig tiefer hinein in die Allee — nicht zu
tief, die Figur hat sonst zu wenig Licht-so, danke." Er prüfte
den Eindruck. „Nein," sagte er dann, „so fehlt die Bewegung. Aber warten Sie 'mal —". Er überlegte. „'Nun haben wir's!" ries er lebhaft. „Können Sie einen der Zweige über sich bequem erfassen?"
Sie griff ohne Anstrengung in das schwarze Gezweig der Kastanien. „So — halten Sie den Zweig fest und besehen Sie ihn genau: und dann denken Sie daran, daß die schwarzen Knospen einen neuen Frühling in sich tragen — — ganz famos!" Er nahm hastig wieder auf dem Feldstuhl Platz. „Bleiben Sie so stehen, aber ganz ungezwungen, bitte. Ja nicht d'ran denken, daß da nun einer sitzt, der Sie abkonterfeien möchte! — Und plaudern dürfen Sie auch, so viel Sie wollen."
Inge fand sich nickt sofort in die überraschende Situation, aber sie harrte doch in der einmal angenommenen Stellung aus. „Aber wollen
Sie mich denn wirklich —?" fragte sie befangen unter einem scheuen Seitenblick. „Natürlich will ich. Und dieser Herbsttag soll mir dreimal gesegnet sein. Ich Hab' so 'ne Ahnung, wissen Sie, daß das eins meiner besten Bilder sein wird. Wenn's was wird,- heißt das. Und dann soll's „Hoffnung" heißen. Hoffnung in all dem Jammer der Vernichtung hier — das ist zum mindesten nicht alltäglich."
Sie stand und sann. Wo er die Gedanken hernahm, wie seine Phantasie wirkliches Leben erstehen ließ, und wie solch ein Schöpfungswunder möglich sei. Und dann griff sie die Vorstellung auf, die er mit dem Worte Hoffnung geweckt hatte. Hoffnung! Du lieber Gott — was sollte sie wohl erhoffen! Aber während sie das dachte, war es ihr, als glühte wirklich ein geheimnisvolles Glühen und Leuchten tief in der Seele auf, und sie schloß unwillkürlich die Augen, um in sehnsüchtiger Verinnerlichung in sich selbst hinein zu schauen. Dabei stand sie unbeweglich und hielt den Zweig mit den feinen Fingern fest: Die jugendfrische Gestalt im Grau des Nebeltages selbst eine Verkörperung froher Hoffnung-
So schwiegen sie beide — er eifervoll in seiner Arbeit vertieft, sie in Sinnen und Träumen verloren. Und unterdes wuchs die Gestalt im Bilde, flüchtig und doch in voller Klarheit erkennbar. Dann ließ er plötzlich die Palette sinken und sah sie an — sie allein, losgelöst von dem Ganzen, das ihn bis dahin gefesselt hatte. „Sie haben einen Biadonnenkopf, der mir gefährlich werden kann —" sagte er unvermittelt. Sie schrack empor und ließ den Zweig fahren. „Herr Hinko —!" Sie stand in tödlicher Verlegenheit vor ihm, und der Zauber der Stunde war gebrochen. 'Nun stand er gleichfalls aus und sah sie bewundernd an — bewundernd, ungeniert, wie nur ein Maler sehen kann. „Wir haben das Komvlimentemachen verschworen," sagte er langsam; „aber daraus folgt doch nur, daß wir einander nun'immer die Wahrheit sagen müssen."
(Fortsetzung folgt.)