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In Wilhelmshaven wird die Hohenzollern, die sonst unbeschädigt geblieben ist, ein beschädigtes Beiboot ausbefsern.
Kiel 24. März. Zur Mittelmeerreise des Kaiserpaares wird den Kieler Neuesten Nachrichten von unterrichteter Seite gemeldet, daß die Majestäten ihre Abfahrt um einige Tage verschoben haben. Das Kaiserpaar trifft nach den neuesten Dispositionen in Venedig am 16. April ein und fährt sofort mit der Hohenzollern nach Corfu, wo es bis zum 4. Mai Aufenthalt nehmen wird. Dann wird eine 10- tägige Kreuzfahrt im Mittelmeer unternommen, bei der auch Messina angelaufen wird. Am 16. Mai trifft das Kaiserpaar in Wiesbaden ein.
Paris. Der „Matin" meldet, daß unter den Führern des revolutionären allgemeinen Arbeiterverbandes große Befriedigung über die Ergebnisse des Post beamten st reiks herrsche. Dagegen sei die Geschäftswelt über den Streik sehr erbittert. Ein Mitglied der Pariser Handelskammer erklärte, daß der Ausstand dem französischen Handel sehr geschadet habe, da zahlreiche ausländische Bestellungen, die nicht an ihre französische Adresse kommen konnten, bei ausländischen, namentlich belgischen Firmen gemacht werden mußten. Eine amtliche Note erklärt, daß die strafrechtliche Untersuchung der bei dem Ausstand vorgekommenen Zerstörungen von Apparaten und Telegraphenlinien keineswegs durch die Beendigung des Streiks beendigt sei. Die Ausständigen behaupten, sie ständen einer Sabotage durchaus fern und hätten selbst die Einleitung einer Untersuchung gefordert. Mehrfach wird gemeldet, daß die Postkutscher in den Ausstand treten wollen. Die Regierung würde sie in diesem Falle sofort durch Trainsoldaten ersetzen.
Paris 24. März. Wie der „Matin" aus London meldet, werde ein vermittelnder Wortlaut zwischen demjenigen, den Sir Eduard Grey zur Beilegung des österreichisch-serbischen Konfliktes versaßt hat und demjenigen des österreichischen Gegenvorschlages heute, nachdem die Kabinette von Paris und Petersburg zugestimmt haben, Baron Aehrenthal durch den eng lischen Botschafter in Wien überreicht werden. Der Wortlaut soll ein für Oesterreich annehmbarer sein und man erwartet daher mit Sicherheit die Zustimmung der österreichischen Regierung.
Wien 24. März. Im auswärtigen Amt wurde die Nachricht ausgegeben, daß die Note an Serbien nicht vor Ende der Woche in Belgrad überreicht wird, frühestens Sonnabend vielleicht erst Sonntag.
Wien 24. März. Großen Eindruck haben an den höchsten Stellen in Wien die nachstehenden aus zuverläßlicher Quelle geschöpften Mitteilungen über die bewaffneten Banden in Serbien und Montenegro hervorgerufen. Im ganzen stehen 22 serbische Banden mit 682 Repetier- Gewehren, 710 Bomben und 127 kx Dynamit an der bosnischen Grenze. Hievon sind für den Sandschak bestimmt: 7 Banden mit 317 Gewehren, 270 Bomben und 50 kx Dynamit.
Petersburg 24. März. Die Ueber- schwemmung in Südrußland wächst. Viele Dörfer sind derart von Wasser überflutet, daß nur noch die Rauchfänge der Hütten emporragen. Auf der Oberfläche des Masters schwimmen Balken und ganze Strohdächer mit Menschen und Hausgerät. Alles Vieh ist ertrunken, Futter und Getreidevorräte fortgeschwemmt. Eine Anzahl deutscher Kolonien stehen ebenfalls unter Wasser. Die Zahl der überschwemmten Dörfer und Ansiedlungen im Südwestgebiete beträgt über hundert. Der Schaden wird auf mehrere Millionen Rubel veranschlagt. Für die nächsten Tage werden auch Ueberschwemmungen in Zen- tral-Rußland befürchtet wo unerwartet starkes Tauwetter eingetreten ist.
Vermischtes.
Den Südpol erreicht? DieLondoner „Pall Mall Gazette" will erfahren haben, daß in London eine Meldung eingegangen sei, der- zufolge es der englischen Südpolarexpedition unter Leutnant Shackleton gelungen sei, den Südpol zu erreichen. — Die Londoner „Evening News", die als Abendausgabe der „Daily Mail" erscheint und das alleinige Recht erworben hat, den Bericht des Leutnants Shackleton, des Führers der englischen Südpolexpedition, zu veröffentlichen, meldet aus authentischer Quelle, Leutnant Shackleton habe sich dem Südpol ungefähr auf 100 Meilen genähert. Und „Daily Mail" selbst meldet: Kapitänleutnant Shackleton ist mit seiner Expedition bis auf 11 Meilen an den Südpol herangekommen; er bestimmte den magnetischen Pol auf 72 Grad 25 Min. südlicher Breite und 154 Grad östlicher Länge von Greenwich. Der wichtigste Teil der Expedition begann mit einer Schlittenreise von 126 Tagen, aus der 1780 Meilen zurückgelegt wurden. Bei 88 Grad 23 Min. südlicher Breite und 162 Grad östlicher Länge wurde umgekehrt. Dort erstreckte sich das Land in weiten Schneeflächen in einer Höhe von 9000 Fuß ohne jede Erhebung südwärts. Auch der Bestand von Kohlenlagern wurde festgestellt. Die Teilnehmer sind sämtliche zurückgekehrt.
— Ein Telegramm des Südp olar forsch er s Shackleton an die „Daily Mail" in
London berichtet weiter, daß ein Teil der englischen Südpolarexpedition den 20 000 Fuß hohen antarktischen VulkanErebus bestiegen habe, aus dessen Krater Waster- dämpie und Gase strömten. Die Expeditton verließ Cap Royal am 29. Oktober und rückte 400 Meilen südwärts unter beständiger Todesgefahr, über eine Decke von weichem Schnee, der sich über Abgründe spannte. Auf den letzten drei Graden ihres Vorrückens mußten die Teilnehmer ihre Tagesrationen auf 20 Unzen herabsetzen. Sie hatten mit heftigen Schneestürmen zu kämpfen und die Kälte erreichte 27 Grad Fahrenheit. Am 26. Dezember befand man sich unter 88 Grad 23 Minuten südlicher Breite auf einer Hochebene von 10 000 Fuß über dem Meere. Auf der Rückreise litten die Mitglieder infolge des Genusses von Pferdefleisch an Dysenterie. Am 27. Febr. wurden zwei Teilnehmer im Lager zurückgelassen. Shackleton und sein Begleiter gingen weiter, um den „Nimrod" zu suchen, den man mit Hilfe des Heliographen auch fand. Shackleton glaubt, daß der Südpol auf der 10000 Fuß über dem Meer befindlichen Hochebene liegt. Die Expeditton hat auch eine neue Reihe von Küstenbergen entdeckt, die unter 69 Grad, 48 Min. südlicher Breite und 166 Grad südlicher Länge liegen. Ein anderer Teil der Expedition hat die Küste von der Machadostraße bis zum Drygalskigletscher trigonometrisch festgestellt.
Der Närzwinö.
Hörst du nicht wir der Mnrzwind wellt?
Der jagt den Winter fort , Wie töricht, daß er widersteht!
Lenz wirft ihn über Bord.
Dort oben auf dem hohen Berg Will er sich halten fest:
Doch unser Lenz, der ist kein Zwerg,
Der treibt ihn aus dem Nest.
Drum Winter, schick dich i» dein Los!
Häng deinen Rucksack um!
Zum Nordpol zieh', dort gibts kein Moos, Kein Laub, kein Biengesumm!
Dein Pacht ist aus, der Lenz beginnt.
Die Flora schmückt die Flur,
Und auf dem Berg der Schnee zerrinnt.
Des Winters letzte Spur.
PH. Wagner. Heidelberg.
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„Ach nichts — wie man eben so fragt, nur um etwas zu sagen. — Und es gefällt dir wirklich hier im Hause?"
Sie sah voll zu ihm auf. „Bist du davon noch nicht überzeugt?"
„Doch — natürlich." Er gab sie frei und ging langsam auf und ab. „Auch der alte Herr ist wirklich ganz famos — was? Gefällt mir ausgezeichnet — wirklich, ganz ausgezeichnet!"
„Ja," sagte sie fest. Dann kam ihr ein erschreckender Gedanke und sie eilte Paul nach. „Paul — du bist doch nicht etwa darum hier? Damals, du weißt doch, habt ihr allerlei von einem Freunde unseres armen Vaters gesprochen — du bist doch nicht etwa gekommen, um Herrn Berg direkt darüber zu befragen?"
Paul lachte ein wenig gezwungen auf. „Na, aber du — was dir nicht einfällt! So'n famoser Herr! Und du weißt doch, daß er dem Vater zurückgegeben hat, was er ihm schuldig war — sonst wärst du doch nicht hier!"
„Ja — aber ich weiß doch, daß euch bei der Sache manches doch merkwürdig vorkam. Horst —"
Er unterbrach sie kurz. „Ach was! Horst, der ist ein unzufriedener Grübler, der überall Gespenster sieht. Na, und überhaupt! Ich bin gar nicht davon überzeugt, daß irgend ein Mensch Papa betrogen hat — trotz des Brieffragments. Du lieber (flott, so im ersten Schrecken sucht man für das Ungeheuerliche natürlich auch nach besonderen Gründen, weil man gerade an das Natürliche nicht glauben will. Aber hat man dann Zeit, in die Dinge hinein zu sehen und sich selbst ein Urteil zu bilden, dann sieht man eben manches doch anders an als im Anfang."
Marie trat wieder ein. „Da bin ich wieder," sagte sie fröhlich. „Nun sollen Sie auch gleich etwas Eßbares haben. Bitte!" Sie rückte ihm einen der hohen Lederstühle zurecht. „Und du, Inge —daher, bitte. Ich setze mich dem Ehrengast gegenüber." Sie lachte Paul an. „Sie sind nämlich nicht der einzige, den der Hunger plagt."
Das Frühstück wurde aufgetragen und Paul ließ sich nicht nötigen.
Er griff herzhaft zu und Marie hatte ihre Helle Freude daran, zu sehen, wie es ihm schmeckte. Sie selbst aß wenig, obgleich sie vorher von ihrem Appetit gesprochen hatte.
„Wie geht's Ihrem Bruder?"
Paul ließ Messer und Gabel ruhen und sah Marie an. „Horst? Offen gestanden — ich weiß nicht! Aber ich denke, es geht ihm gut — wenigstens den Umständen nach." Nun war auch Inge erstaunt. Aber du bist doch über Gießen gefahren — hast du ihn denn nicht ausgesucht?"
„Was du denkst, Kind — dazu fehlte mir denn doch die Zeit —"
„Aber hast du ihn nicht wenigstens auf den Bahnhof bestellt?"
„Nein, auch nicht. Alan ist schon mitunter so. Wie ich in Gießen war und den kurzen Aufenthalt hatte, dachte ich erst daran, daß ich ihm hätte telegraphieren können. Aber da war natürlich nichts mehr zu machen."
Inge schwieg, und Marie beschäftigte sich damit, ein Stückchen Brotrinde zu winzigen Würfeln zu zerschneiden. Dabei gestand sie sich, daß Pauls Art ihr gar nicht gefalle. Wenn zwei Brüder so kurze Zeit nach einem Unglück nicht einmal das Bedürfnis empfanden, sich einander anzulehnen, denn mußte das entweder besondere Ursachen haben, oder aber es lag eine Oberflächlichkeit auf der einen oder anderen Seite vor, die für ihr Empfinden abstoßend wirkte. Ob hier besondere Umstände gegeben waren, das wußte sie natürlich nicht; aber das glaubte sie doch zu wissen, daß Horst nicht oberflächlich genug war, um unter einem solchen Mißverhältnis nicht zu leiden. Also mußte wohl Paul sich durch besondere Lieblosigkeitaus zeichnen. Dann kam ihr zum erstenmal der Gedanke, weshalb Paul wohl so unvermutet nach Frankfurt gekommen sein möge. Aber den wehrte sie doch energisch ab, er war einmal da, er war Gast ihres Vaters, und vor allem — er war Inges Bruder und das war schließlich alles, ivas sie zu wissen brauchte. Nach dem Frühstück schickte sie Paul und Inge in den Garten hinaus, während sie selbst sich mit Hausfrauenpflichten entschuldigte. Mochten die Geschwister sich ruhig aussprechen!
(Fortsetzung folgt.)