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Herr Oberbaurat v. Leibbrand riet sehr zu de­finitiver Beschlußfassung und Herr Regierungsrat Ritter von Nagold hob die großen wirtschaftlichen Vorteile eines solchen Unternehmens und auch das Bedürfnis hiefür im Schwarzwatd hervor, nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe sondern auch für die bessere Entwicklung der Industrie. Zum Vorsitzenden des Verbandes wurde Stadt­schultheiß Müller in Neubulach gewählt, dem ein engerer Ausschuß bestehend aus den Herren Schultheiß Reifs in Simmozheim, Schultheiß Hartmann in Merklingen, Stadtschultheiß Krauß in Haiterbach und Schultheiß Her­mann in Schömberg beigegeben ist. Möge die nmr in sicherer Aussicht stehende Ausführung des Unternehmens noch manche seither zaudernden Einwohner der beteiligten Gemeinden zur An­meldung veranlassen und hiedurch das gewiß volkswirtschaftliche Unternehmen weiter fördern und ausbauen.

Calw 4. März. Auch an dieser Stelle sei auf die Hauptversammlung des hiesigen Schwarzwald Vereins aufmerksam gemacht. Bei derselben wird Herr Oberförster Harsch von Hirsau einen Vortrag halten, der großes Interesse erregen dürfte. Insofern derselbe nämlich den Boden des Schwarz- walds, dessen Gestaltung durch Natur und Wirtschaft zum Gegenstand hat, bildet er die natürliche Holge und Ergänzung des im Georgenäum jüngst über die Entstehung des Schwarzwalds gehaltenen Vortrags. Wir möchten daher obige Versammlung (Samstag, 6. d. Al., abends 8 Uhr im Waldhorns zu zahlreichem Besuch sehr empfehlen.

Calw. (Konzert Schüller.) Freunde edler Gesangskunst möchten wir aus das nächsten Sonntag nachmittags 4 Uhr imBadischen Hof" stattsindende Konzert des Tenoristen PaulSchölle r aus Stuttgart aufmerksam machen. Herr Schüller ist durch sein Auftreten im letzten Jahr am hiesigen Platze uns allen noch in bester Erinnerung und wird neben 3 lyrischen Liedern unseres ein­heimischen Komponisten Dr. Alfred Schüz den Liedcrzyklus Dichterliebe von Schumann und einige Sachen von Hugo Wolf zum Vortrag bringen. Den Abschluß bilden das Liebeslied aus Walküre und das Preislied aus den Meister­singern von Richard Wagner. Um zugleich aus­wärtigen Gästen einmal Gelegenheit zu geben, ein schönes Konzert zu hören, ist der Beginn desselben aus den 'Nachmittag angesetzt worden. Nach den vorliegenden Rezensionen aus anderen Städten verspricht das Konzert ein sehr genuß­reiches zu werden und ist deshalb jedermann aufs Beste zu empfehlen. Die Begleitung auf dem Klavier liegt in den bewährten Händen des Herrn Musikdirektor Zeller aus Stuttgart.

Stuttgart 4. März. (Strafkammer.) Am 5. Januar war Treibjagd auf der Markung Stammheim. Der Landjäger Klaiber von Kornwestheim durchstreifte am andern Tag die Markung, da erfahrungsgemäß Wilderer nach einer Treibjagd mit Vorliebe das Jagdgebiet nach angeschossenem Wild absuchen. Der Land­jäger sah, hinter einem Baum versteckt, den wegen Jagdvergehens vorbestraften ledigen Taglöhner Friedrich Mögle auf dem Feld herumlaufen. Er stellte Mögle zur Rede und sah, daß dieser ein zerlegbares Gewehr unter seinem Kittel ver­steckt hielt. Der Landjäger kündigte daraufhin dem Mögle die Festnahme an und forderte ihn auf, mit auf das Rathaus nach Stammheim zu gehen. Mögle kam der Aufforderung nicht nach, sondern flüchtete in einen Wald. Dort lehnte er sich an einen Baum und machte Miene, aus den Landjäger loszugehen. Der Landjäger ver­setzte Mögle mit dem aufgepflanzten Seitengewehr mehrere Schläge auf den Arm, worauf Mögle wieder davonsprang. Der Landjäger gab schließlich auf Mögle, nachdem dieser aufseinenAnrufnichtanhielt, einen Schuß ab; Mögle fiel in diesem Augen­blick zu Boden. Der Landjäger war der Mei­nung, Mögle sei getroffen, als er jedoch auf ihn zukam, sah er, daß Mögle eben im Begriff war, das Gewehr zusammenzulegen; eine Patrone lag neben ihm. Durch weitere Schläge mit dem Seitengewehr machte der Landjäger schließlich

Mögle kampfunfähig und entriß ihm den Schaft des Gewehrs; der Schuß hatte ihn nicht getroffen. Auf dem Transport machte Mögle noch einige­mal den Versuch zu entfliehen. Der Widerstand dauerte über eine halbe Stunde. Wegen Jagd­vergehens und Widerstands gegen die Staats­gewalt hatte sich nun Mögle zu verantworten und die Strafkammer verurteilte ihn zu 6 Mon. Gefängnis, abzüglich i Monat Untersuchungshaft.

Pleidelsheim 3. März. Zwölf Tage vor Vollendung des 100. Lebensjahres starb dieser Tage hier der Bauer Friedrich Groß. Zu der Beerdigung waren, demEnz- und Metterboten" zufolge, 6 Kriegervereine aus den Nachbargemeinden erschienen, die ihm die letzte Ehre erwiesen. Auch eine Abordnung des In­fanterieregiments 124 war eingetroffen, um dem ältesten Regimentskameraden das Geleite zu geben, und namens des Regiments einen Kranz am Grabe niederzulegen.

Trossingen 1. März. Ein schrecklicher Unglückssall, dem der 15 Jahre alte Sohn Karl de^ Chr. Bühler Bauunternehmers hier, zum Opfer siel, hat sich am letzten Samstag nach­mittag im Dampfsägewerk des Chr. Meßner ereignet. Der Junge, der das Zimmerhandwerk erlernen sollte, wurde beauftragt, unter einem stillstehenden Vollgatter das Sägmehl usw. zu entfernen. Während er nun dainit beschäftigt war, ließ der Säger die Säge anlausen. Dabei wurde dem unglücklichen Jungen, der sich nickt mehr entfernen konnte, von dein niedergehenden Gatter der Nnterleib vollständig zusammen - gedrückt. Am Sonntag früh gegen 0 Uhr wurde der Unglückliche von seinem Leiden erlöst.

U l m 4. März. Nack dem amtlichen Leder­ma rktbericht war der Verlauf ein recht be­friedigender. Die Zufuhr war etwas größer als beim Herbstmarkt. Der Umsatz vollzog sich rasch. Die Preise hielten sich bis zum Schluß des Marktes und zeigten eine merkliche Besserung. Verkauft und amtlich vermögen wurden 17 994 Pfd. Wild- und Schmalleder, 3337 Pfd., Lohgerb- und Sohlleder, 6031 Pfd. Zeugleder, 861 Pfd. Kalbleder und 12 Zentner Schafleder. Der Gesamtumsatz bezifferte sich auf 60 000 M.

Friedrichshafen 4. 'März. Die ver­schobenen Aufstiege des Reichsluftschiffes sollen nun, wenn das Wetter besser ist, anfangs nächster Woche stattfinden. Gras Zeppelin, der den Versuchen hier beiwohnen wollte, aber wieder nach Stuttgart abgereist ist, wird am Montag wieder erwartet. Der Brand des Hotels zum Schiff in Langenargen war für die Gäste nicht ohne Gefahr. Das Feuer brach in dem im ersten Stock gelegenen Saal durch einen schadhaften Ofen aus. Als der Portier einen Herrn und eine Dame,, die im dritten Stock wohnten, zum zweitenmal geweckt hatte, schlugen die Flammen bereits durch das Treppen­haus. Die Leute mußten aus einer Leiter, die im letzten Augenblick vom Dache des Neben­gebäudes an das Fenster gelegt worden war, gerettet werden.

Friedrichs Hafen 4. März. Der Hintere Motor des Reichsluftschiffes 2 l ist heute früh beim Ausprobieren in der Reichs­ballonhalle schadhaft geworden. Da die Aufstiege ohnehin schon bis anfangs nächster Woche ver­tagt waren, bleibt Zeit genug zur Reparatur, die durch Monteure der Daimler Werke vor­genommen wird. ^

Berlin 3. Mürz. Der bekannte Fall des Leutnants v. Bismarck vom 3. Garde­feldartillerieregiment, der wegen eines Straßen- übersalles durch den später zu I Vs Jahren Ge­fängnis verurteilten Journalisten Richard Becker im Mai vorigen Jahres auf ehrengerichtlichen Spruch seines Offizierskorps hin mit schlichtem Abschied entlasten war, hat jetzt auf dem Gnaden­wege seine befriedigende Lösung gesunden. Herr v. Bismarck ist durch kaiserliche Kabinettsordre in die Kategorie der verabschiedeten Offiziere versetzt, d. h. militärisch rehabilitiert worden. Zugleich wurde ihm anheimgestellt, in einigen Monaten, zunächst als flieserveossizier unter

gleichzeitiger Kommandierung bei einem Truppen­teil, wieder in die Arinee einzutreten.

Berlin 4. März. DerLokalanzeiger" meldet aus Belgrad: Serbien setzt seine Rüstungen unterbrochen fort. Auf dem Belgrader Bahnhof wurden gestern während des ganzeil Tags Munition und Vorräte nach dem Innern verladen. Außerhalb des Bahnhofs standen oft gleichzeitig 200 der mit Ochsen be­spannten Planwagen, aus denen die Kisten auf die Güterwagen wanderten. Auf einem Seiten sträng stehen seit 2 Tagen mit einer stets geheizten Lokomotive 2 Salonwagen, die den König nach fllisch bringen sollen. Andererseits äußerte M ilo- wano witsch, Serbien habe seinen nationalen Kummer solange mit Geduld getragen, daß es schließlich gegenwärtig aus die Erfüllung seiner Wünsche verzichten und noch einige Zeit warten könne. Es soll nämlich kaum einen Serben geben, ob er ein hohes Amt bekleidet oder Privatmann ist, der nicht behauptet, der Zar habe dem Kronp rinzen bei seinem Besuch in Petersburg gesagt, augenblicklich könne Rußland für Serbien nichts tun, aber nach Jahresfrist sei es vielleicht möglich. Also wenn Serbien auf eine Gebietsabtretung jetzt verzichtet, so gebe es eben die Hoffnung auf eine Unterstützung durch Rußland immer noch nicht auf.

Paris 4. März. Tie Ankunft König Eduards erfolgt heute Nachmittag 5 Uhr. Der König wird am Bahnhofe vom englischen Botschafter und den Mitgliedern der eng­lischen Botschaft empfangen werden. Er wird im Hotel Bristol absteigcn. Für den Abend ist der Besuch eines Theaters vorgesehen. Morgen findet ein Frühstück beim Präsidenten Fallieres statt, zu welchem auch Cl-menceau und Pichon Einladungen erhalten haben. Abends ist Diner in der englischen Botschaft. Am Sonnabend reist der König nach Biarritz weiter. Vorher wird er noch eine politische Besprechnng mit Pichon über die Orientfrage und den Zolltarif haben. Während seiner Anwesenheit in Biarritz wird der König wahrscheinlich einem Flugversuch der Gebrüder Wright in Pciu beiwohnen. Wahr­scheinlich findet auch eine Begegnung zwischen König Eduard und König Alfons von Spanien statt.

L issabo n 4. März. In ganz Portugal herrscht Schneegestöber. Mit Ausnahme der Hauptstadt und ihrer Hingebung liegt der Schnee mehrere Zentimeter hoch.

Petersburg 4. 'Mürz. Im auswärtigen Amt versichert man, daß die Antwort Serbiens aus die russische Note günstig lauten wird. Die Gefahr besteht darin, daß Rußland dem Verlangen Oesterreichs, niit Serbien direkt zu verhandeln, widerspricht. In politischen Kreisen herrscht große Nervosität.

Petersburgs März. Wie diePeterSb. Telegraphenagentur" aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat die serbische Regierung nach Beratung des russischen Vorschlags die Antwort erteilt, Serbien habe weder die Absicht, Anlaß zu einem Krieg mit Oester­reich-Ungarn zu geben, noch seine freund - nachbarlichen Beziehungen zu diesem Staate zu ändern. Ebensowenig verlange Serbien im Zusammenhang mit der bosnisch­herz egowinischen Frage von Oesterreich-Ungarn territoriale, politische oder wirtschaft­liche Entschädigungen, sondern es ver­lasse sich, indem es sich jeglicher Einmischung in die Frage, welche der Entscheidung der Sig­natarmächte unterliege, enthalte, vollständig auf deren Weisheit und großes Gerechtig­keitsgefühl. Die serbische Regierung be­absichtige nunmehr, an die Großmächte eine Zi rkularnote im erwähnten Sinne zu richten.

In Belgrad ist die Aufregung groß; es zirkulieren verschiedene Gerüchte, die sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreiten, daß der König Belgrad baldigst verläßt und sich nach Kragujewac begibt; der Hofzug stehe schon in der Belgrader Station unter Dampf. Von anderer Seite wird diese Nachricht in Abrede gestellt und dabei bemerkt, daß der König dem Belgrader Stadtprafekten erklärt habe.