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46.

Amts- und Anzeigeblatt für de» Gbrramttbeziik Lalw.

84. Jahrgang.

Donnerstag, Ir^citag und Samstag. Jnsertronspre'.s Pjg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorle; aus;er Bezirk t 2 Pfg.

drrnaerstag, den 25 Kebruar 1909

Brzugs^r.i.d.Stadt' Zäyrl.ul.Träger!.Mi. l.. Posrüezugspe. f. d. Örts- u. NachbarortSverk. l Zähr!. Mk. 1.20. im Fernverkehr Mt. l.:w. Bestellg. in Wnrtt. W Pfg., in Bayern u. Reich 12 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung,

»eireffend die Verwendung von Stacheldrahl bei der Einfriedigung von Grundstücken.

Auf Grund des 8 366 Z 10 des RetchS- strafzesetzbuchS und d:S Art 32 Zff. 5 und Art. 51 des LandespolizeistrafZesktzes hat das Oseramt mit Zustimmung deS Beztiksrats von 25. v. Mts. folgende von der K Regierung des Schwarzwrld- kreises am 3 ds. M s, Nc. 1010, für vollziehbar erklärte bezirkspoiize tiche Vorschriften getroffen:

Zur Einfriedigung von Grundstücken an öffentliche» Wege« und Plätzen darf Stächeldcaht nur verwendet werden, wenn er entweder

1. in einer Höhe von mehr als 2 m oder

2. in einer Entfernung von mindestens 1 m vom Rand des für den Fuß- und Fährverkehr be­stimmten Teils des öffentlichen Wegs oder Platzes oder

3. über aus anderem Material hergestellten Zäunen von mindestens 1,15 m Höhe auf der dem öffentlichen Weq oder Platz abgekehrten Zaunsei!: in einem horizontalen Abstand von mindestens 15 cm von dem Zaun

angebracht wird.

Die Höhe der Einfriedigung (oben Ziffer 1 und 3) ist vom öffentlichen Weg oder Platz aus zn messen.

Wird bei Einfriedigungen gegenüber von Privatgruudstückeu Stacheldraht verwendet, so ist er auf Verlangen des Nachbars um mindestens 15 cm von der Etgentumszrenze abzurückeu.

Bestehende Stacheldrahtemfriedigungen, bei denen die vorstehenden Bestimmungen nicht etage­halten stad, find vor Ablauf von 3 Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung mit dieser in Ueber- einsttmmung zu bringen oder zu beseitigen.

Zuwiderhandlungen werden nach ß 366 Ziff. 10 d«S Strafgesetzbuches und Art. 32 Ziffer 5 deS Landespoltzetstrafgesetzes bestraft."

Diese Vorschriften treten mit ihrer öffentlichen Verkündigung in Kraft.

Die Ortsxolizeibehörden werden veranlaßt, die vorstehenden Vorschriften in den Gemeindebeziiken in ortsüblicher Weise bekannt zn machen.

Calw, 24. Februar 1909.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Bekanntmachung.

Die Rechnung der Beztrkskrankenpflegeverstche- rung Calw für das Kalenderjahr 1907 ist vom 25. ds. MtS. ab zwei Woche« lang in der Ober- amtSkanzlei zur allgemeinen E nsicht aufgelegt. Calw, 24. Februar 1909.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Dum GeburLsfest des Königs

schreibt derStaatsanzeiger":

Zum allerhöchsten Geburtsfest bringt das württembergische Volk Seiner Majestät dem König in Ehrfurcht und Treue die innigsten Glückwünsche dar. ^

Es ist von Dank erfüllt, daß das ver­gangene Lebensjahr für den König ein gutes ge­wesen ist. Seine Majestät und seine hohe Ge­mahlin durften sich ungetrübten Wohlbefindens erfreuen. Gerade vor Jahresfrist hatte Seine Majestät die Freude, einen Prinzen des K. Hauses an die Spitze der württembergischen Truppen stellen zu können, die nun Heuer vor dem obersten Kriegsherrn des deutschen Gesamt­heeres eine Probe ihrer Ausbildung und Leistungs­fähigkeit ablegen dürfen.

Geliebt und verehrt steht Seine Majestät inmitten seines Volkes. Veranlassungen mannig­facher Art führen ihn persönlich mit allen Ständen zusammen oder bringen wenigstens einen König­

lichen Gruß und Glückwunsch oft selbst in die einfachste Häuslichkeit. Diesen Zeichen der Leut­seligkeit unddes Wohlwollens gegen Hoch und Nieder im Volke tritt zur Seite die helfende und fördernde Teilnahme Seiner Majestät an den Werken der Nächstenliebe und der Wohltätigkeit, an den Be­strebungen zur Pflege von Bildung und Ge­sittung, an den Veranstaltungen, die der Blüte von Landwirtschaft, Gewerbe und Kunst ge­widmet sind. Große, nur in längeren Zeit­räumen iviederkehrende Unternehmungen dieser Art haben sich im letzten Jahre des huldvollen Schutzes und des persönlichen Interesses Seiner- Majestät zu erfreuen gehabt, und was insbesondere die Kunst betrifft, so haben sich dank der be­sonderen Fürsorge des Königs die Grundlagen ihres Gedeihens in der schwäbischen Hauptstadt im Laufe der Jahre verbreitert und verstärkt. Künstler von namhaften Ruf sind herbeigezogen worden, die heimischen Kunstbildungsanstalten wer­den reichlicher von Schülern besucht, große Pläne zur Schaffung neuer, besserer Räume sowohl für die Kunstbildungszwecke als für das Ausstellungs- wesen sind im Fluß und werden in naher oder in fernerer Zeit zur Vollendung gedeihen. Nach sorgfältigstem Ueberiegen und Wählen ist die Entscheidung getroffen über die Erstellung einer dauernden, großen und prächtigen Pflegestätte der darstellenden Kunst, und es ist zu hoffen, daß in ivenigen Jahren der vollendete Bau auch diejenigen befriedigen wird, die in der viel um­strittenen Frage eine andere Lösung gewünscht haben.

In diesem Zusammenhang muß man auch nochmals jener merkwürdigen und erhebenden Vorgänge des letzten Sommers und Herbstes gedenken, die erst jüngst durch einen huldvollen Akt Seiner Majestät gegen den Grafen Zeppelin

Mjier Kerurich.

ü.'cvcll« von C- Ratdniann (Fortsetzung.)

Christine, fasse Dich, und sieh die Dinge wie sie sind", sagte Heinrich.Ich zürne der armen jungen Dame vielleicht zu sehr, weil sie mir ein Heiligenbild meines Herzens zerstörte. Aber nach allem, was sich hier begeben hat, was ich aus Deinen Briefen herauslas und gestern und heute von Franz vernahm - "

Ich weiß nicht, was Du vernahmst, ich weiß nur, daß jedes Wort, das Franz spricht, Lüge oder Verleumdung ist," siel ihm Christine mit einer bei ihr nie erhörter Schärfe ins Wort und ihre Züge wurden jetzt von einem Ausdruck des Widerwillens und des Schmerzes zugleich beherrscht, der von ihm auf sie übergegangen schien.Du hättest nach allem, was ich Dir gestern abend geschrieben hatte, niemand hier im Hause hören dürfen, als mich allein. Und jetzt sollst und mußt Du mich hören ohne Einrede laß mich Dir alles sagen, was ich weiß sicher weiß und darnach sprich und tue, was Dir gefällt!"

Sie veranlaßte ihn mit einer bittenden Gebärde, ihren Kranken­stuhl an den Tisch bei der Tannengruppe zurückzuziehen und sich neben sie zu setzen. Mit ihrer klaren, eindringlichen Stimme Hub sie an, ihm die Ereignisse der letzten beiden Tage im Hause Hagen und ihren Zusammenhang mit dem Vorleben Erikas v. Gravenreuth zu erzählen. Die Dinge waren so einfach überzeugend, daß er mit lautloser Spannung in seinen Zügen und mit immer sichtlicher werdender Erschütterung dem Berichte seiner Base lauschte. Zuletzt und wie er sein ganzes Unrecht übersah, rief er aufspringend und stöhnend:So bin ich denn wahnsinnig und der Schänder meines eigenen Tempels gewesen. Aber alles, alles kann gut werden, ich weiß jetzt, wer sie ist und wollte ihrer Spur um

die Welt folgen, wenn es sein müßte. Nun rate und hilf, Du immer Hilfreiche, sage mir nichts mehr, als was ich zunächst tun muß."

Ich verlasse mich aus nichts als auf Erikas Wort," entgegnete Christine und ihre Augen suchten den Boden und füllten sich mit Tränen. Auf ihr Abschiedswort: Heut oder morgen bin ich wieder bei Dir, Christine!"

Während Heinrich Hagen aus Mienen und Blicken seiner Base Christine verstehen lernte, wie schwer in ihren Augen sein Verhalten von vorhin wog und wie sie jetzt von Hoffnung und zagendem Zweifel zugleich beunruhigt ward, während ihm der Gedanke, einen ganzen Tag oder länger warten zu müssen, bevor er nur den ersten Schritt zur Sühne seines Unrechts, seiner haltlosen Bestürzung versuchen dürfe, mit jeder Minute unerträglicher wurde, fuhr Erika v. Gravenreuth durch die hügliche Winterlandschaft und den großen Forst, der die Papierfabriken von Herbistal von dem Flecken Wolfeck trennte, dahin. Sie war in schlaf­loser Nacht und noch am Morgen dieses Tages, als es galt, Christine das am Abend zuvor Geschehene mitzuteilen und ihr zu sagen, daß sie wenigstens für den Augenblick die Villa Hagen verlassen müsse, trotz ihres Kummers leidlich gefaßt geblieben, ja sie war fähig gewesen, die Tränen der kranken Freundin, die zum Abschied und zMMZeichen ihres rückhaltlosen Vertrauens das Du mit ihr getauscht siegreich zn

besprechen und glückliche Zukunftsbilder mit ihr zu entw^M. An einen Waffengang zwischen ihren Brüdern hatten, in richtiger Schätzung des Herrn Franz Hagen, weder Erika noch Christine geglaubt und so schien es nicht unwahrscheinlich, daß den Besuchen des Fräulein v. Gravenreuth von Wolfeck aus nichts im Wege stehen würde. Erika hatte sich ohne nllzutiefe Erschütterung von der neuen Schwester getrennt, aber die völlig unerwartete Begegnung und Wiedererkennung beim Verlassen des Hauses, die Mißachtung, ja der erschrockene Abscheu, den ein Mann gegen sie gezeigt, den sie seit dem einen Reisetage mit ihm nicht zu vergessen ver­mocht, halten ihre Fassung und ihr klares Denken überwältigt.