Tagesueuigkeiteu.
8.-V. Calw 22. Febr. Die Frühjahrs- Hauptversammlung des Württtem- bergischen Schwarzwaldvereins wurde dieses Jahr statt in einer Schwarzwaldstadt ausnahmsweise in Stuttgart abgehalten. Die Stadtverwaltung stellte den großen Sitzungssaal des Rathauses zur Verfügung und ließ auch die Versammlung im Namen des Oberbürgermeisters durch Gemeinderat Rettich begrüßen. Als einzigen Gegenstand der Tagesordnung handelte es sich um die Feststellung des Programms zur 2 5 jäh r. Jubelfeier des Vereins. Im allgemeinen stimmten die Vertreter der Bezirksvereine den vorbereiteten Vorschlägen des Hauptausschusses zu. Demnach soll das Fest am 19. September in der Liederhalle zu Stuttgart abgehalten werden. An die geschäftlichen Beratungen um 9 Uhr vormittags reiht sich die Besichtigung der Stadt für auswärtige Mitglieder und später das Festessen. Abends ist Bankett und die Aufführung eines vom Vorsitzenden Schulrat Salzmann verfaßten Theaterstückes. Der Begrüßungsabend am Samstag trägt einen humoristischen Charakter, und für Montag ist ein Ausflug mit Extrazug über Calw nach Neuenbürg, der Wiege des Vereins vor 25 Jahren, geplant. Um sämtlichen Mitgliedern eine Erinnerung an die Jubelfeier zu sichern, überreicht der Verein gratis einen 17 —18 Bogen starken, von Wais verfaßten Schwarzwaldführer. Er enthält sieben Spezialkarten und eine Ueber- sichtskarte und ist fein gebunden. Neueintretende in diesem Jahr erhalten den Führer ebenfalls. Beim Essen gedachte der Vorsitzende des hohen Protektors des Vereins Sr. Majestät des Königs, der schon als Kronprinz dem Verein großes Interesse entgegenbrachte.
Tein ach 22. Febr. Der hies. Männer- Ge sangverein feierte gestern Abend im Badhotel sein I V. Stiftungsfest. Die Feier wurde durch eine launige Ansprache des Vorstands eingeleitet, worauf ein reichhaltiges Programm in Männerchören und humoristischen Vorträgen folgte. Hieran reihte sich das Tanzvergnügen, dem Jung und Alt in frohester Laune huldigte und das ein „alter Herr" unseres Vereins durch sein Geschick in der Einschiebung neuer Paare noch besonders humorvoll zu gestalten wußte. Das Ganze bildete eine nette familiäre Feier und dürfte alle Teilnehmer voll befriedigt haben.
Cannstatt 22. Febr. Seit einer Reihe von Jahren stellen sich Ende Februar auf dem Neckar inmitten der Stadt prächtige Silber- möven ein, die alle auf ihrem Wanderzug in die nördliche Heimat hier Halt machen. Da unsere nackten Aecker den seltenen Gästen keine
geeigneten Nistplätze bieten, verschwinden sie rasch wieder.
Untertürkheim 20. Febr. Gräberfund. Ein hiesiger Weingärtner stieß beim Bodengraben in einem Weinberg (Cannstatter Markung) etwa in Metertiefe auf zwei guterhaltene menschliche Skelette. Eine Gerichtskommission nahm den Fundort in Augenschein. Ohne Zweifel aber handelt es sich um eine Begräbnisstätte.
Honau 22. Febr. Bei dem gestrigen Wettlauf des Schwäbischen Schneeschuhbundes auf dem Lichtenstein fuhr einer der Teilnehmer auf einen Felsstein, stürzte und zog sich schwere innere Verletzungen zu. Er wurde abends von seinen Begleitern nach Stuttgart verbracht und ins Katharinenhospital übergeführt.
Vom Lichtenstein 21. Febr. Der Schneeschuhbund der Sektion Schwaben hat den immer noch im Wald und an den Winterhalden liegenden Schnee heute reichlich ausgenützt. Das Preisfahren das die Geschicklichkeit der Läufer im glänzendsten Lichte zeigte, führte zu einer Prämierung der teilweise kostümierten Mitglieder. Die Rodelbahn im Ulrichshau wurde fleißig benützt. Meist wurde auch noch der Rückweg nach Oberhausen mit Schneeschuhen oder Davosern gemacht.
Göppingen 22. Febr. Hier sind in letzter Zeit wiederholt falsche Halb Markstücke verausgabt worden, die anscheinend hier angefertigt, jedenfalls aber von hier aus verbreitet werden. Die Mehrzahl der falschen Stücke ist in Wirtschaften angehalten worden; sie tragen die Jahreszahlen 1905 und 1906 und das Münzzeichen 1> Sie sind im allgemeinen gut aus- gesührt, doch kann man die Falsifikate leicht an ihrem blechernem Klang und an dem rötlichen Ton der Prägung erkennen, der besonders an den Stücken mit der Jahreszahl 1905 auffällt.
Ulm 22. Febr. Ein von einer Fastnachtsunterhaltung gestern früh Heimkehrender maskierter Mann wußte nichts besseres zu tun, als einen Milchwagen umzuwerfen, sodaß 100 Liter Milch auf die Straße flössen und die Kunden vergeblich auf Milch warten mußten. Die Polizei nahm den Täter, der hoffentlich die verdiente Strafe findet, vorerst in Gewahrsam.
Ravensburg 22. Febr. Am Freitag vormitteg ist der erst seit einem Jahr verheiratete Stationsarbeiter Volt er auf dem hiesigen Bahnhof beim Rangieren vor der Lokomotive zu Fall gekommen. Er hatte zwar noch so viel Geistesgegenwart, sich zwischen dem Gleis platt auf den Boden zu legen, trotzdem wurden ihm aber
beide Oberschenkel ab- und eine Rippe eingedrückt, so daß er, aus seiner üblen Lage befreit, bewußtlos vom Platze getragen werden mußte. Sein Zustand ist bedenklich, aber nicht hoffnungslos.
Welzheim 22. Febr. Ein aufregender Vorfall ereignete sich kürzlich im hies. Oberamtsgefängnis. Zwei Bettler hatten eine Haftstrafe von einigen Tagen zu verbüßen; sie waren zu diesem Zweck gemeinsam in einer Zelle untergebracht. Einem davon scheint es gelungen zu sein, trotz vorheriger Untersuchung ein Messer in feiner Kleidung verborgen zu halten. Dieser wurde in der Nacht plötzlich irrsinnig. Er machte sich an seinen schlafenden Zellengenossen heran und brachte ihm nicht unbedeutende Schnittwunden am Halse bei, offenbar in der Absicht ihn umzubringen. Nur mit Aufbietung aller Kräfte vermochte sich der Angegriffene zu wehren. Seine wiederholten Hilferufe wurden nicht gehört. Am andern Morgen mußte der Verletzte ins Bezirkskrankenhaus übergeführt werden, während der Täter ins Amtsgerichtsgefängnis abgeliefert wurde. Auch dort raste und tobte er und zertrümmerte die Gegenstände seines Gelasses. Die ärztliche Untersuchung ergab, daß man es mit einem Geisteskranken zu tun hat. Seine Ueberführung in eine Anstalt wird angeordnet werden.
Aalen 20. Febr. Auf Ersuchen der Abteilung Aalen des Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien hielt Oberamtsarzt Mutschler hier gestern abend im Vereinshaus vor einer aus die Frauenwelt beschränkten zahlreichen Zuhörerschaft einen Vortrag über „Kinderernährung". Der Redner besprach besonders die Ursache der im Bezirk Aalen das Landesmittel überschreitenden Kindersterblichkeit. Er wies aus Erhebungen, die er anläßlich der öffentlichen Impfung gemacht hatte, nach, daß im Bezirk Aalen die größere Hälfte der Mütter ihre Kinder überhaupt nicht, viele nur ungenügend lang stillen. Er besprach dann die Vorteile des Sillens für Mutter und Kind und hob nachdrücklich hervor, daß es Pflicht für jede Mutter sei, ihr Kind selbst zu nähren. Wenn sie das aus nichtigen Gründen nicht tue, so versündige sie sich an ihrem Kind, an ihrer Familie und an der Gesellschaft. Darauf ging Redner auf die Ernährung durch Ammenmilch über, besprach dann die künstlichen Ernährungsarten der Kinder und welche Anforderungen an eine gute Säuglingsmilch gestellt werden, welche Behandlung die Kuhmilch und die Gefäße, in die die Milch komme, erfahren müsse. Hierauf ging er auf die Ernährung durch Kindermehle über, deren Entbehrlichkeit in den meisten Fällen betonend. Nachdem er sich noch über die Unsitte, bei Säuglingen alle Erkrankungen dem Zahnen zuzu-
Sie mich mein Glück allein versuchen. Ich kann so gut eine Geliebte haben wie Sie und sie besser halten als Sie. — Ihr Herren glaubt, alles Schöne und Gefällige sei für Euch allein auf der Welt. Aber das ist ein Irrtum. Wir können auch unseren Anteil davon haben.
Bodo v. Gravenreuth schlug jetzt wild auf den Tisch, daß sein Glas herabsplitterte und die Bowle klirrte, war mit einem Satze neben dem zurücktretenden Franz Hagen und rüttelte ihn an beiden Schultern: „Wissen Sie, daß Sie von meiner Schwester, von Fräulein Erika von Gravenreuth sprechen, Herr, oder wissen Sie es nicht? Ich werde Sie zwingen, Ihr auf den Knien Abbitte zu leisten!"
Er schien im Begriff, den Sohn des Hauses, der nicht mehr lachte, zu erwürgen, das Blut brauste ihm so vor Ohren und Augen, daß er von der Erwiderung des Erbleichten nichts hörte und auch nicht sah, daß die Tür vom Gartensaal nach dem Gemach sich öffnete. Eine hohe Mädchengestalt trat über die Schwelle, ihr totblasses Gesicht war schmerzlich zürnend nach dem Erbitterten hingekehrt. Sie blieb stehen, von ihrem Arm glitten Stoffe und Tücher, die sie im Saale zusammengelegt hatte, lautlos auf den Teppich des Zimmerbodens.
„Entehre Dich und mich nicht, Bodo!" sagte sie mit einer Stimme, deren Ruhe Herrn Franz Hagen peinlich durchschauerte. Auf der Stelle ließ der junge Offizier von seinem Gegner Franz Hagen ab, der seinerseits die Tür nach einem Seitenzimmer rechts aufriß, hinter sich zuschlug und nachdem er drübend irgend etwas herabgerissen hatte, mit dröhnenden Schritten den Vorflur erreichte.
Bis draußen Franzens Schritte verklangen, standen sich die Geschwister schweigend gegenüber, der junge Offizier mit gesenktem Haupte. Erst als Erika fragte: „Du weißt doch, was Du jetzt zu tun hast, Bodo?" — hob er das Gesicht zu ihr auf: „Gewiß, ohne Zögern dies Haus zu verlassen — mit Dir natürlich," fügte er hinzu. „Ich schaffe irgendwie einen Schlitten, wir fahren zum Oberforstmeister auf Wolfeck!"
„Ich habe Verpflichtungen gegen Fräulein Christine Hagen", fiel Erika ihm ins Wort. „Auch Du darfst nicht heute abend den alten
Herrn erschrecken! Uebernachte in irgend einem Dorfwirtshaus in der Nähe. — Melde Dich dann morgen in aller Frühe bei Herrn Lestwitz an und folge nach einer Stunde Deinem Briefe. Ich bleibe heute nacht noch hier, komme aber morgen im Laufe des Vormittags nach Wolfeck. Mit dem alten Freunde unseres Vaters wollen wir beraten, was weiter geschehen soll!"
Sie sah ihn bei dieser verzweiflungsvollen Erklärung ohne anderen Vorwurf, als den an, der in ihren bleichen, blutlosen Lippen lag, dann bückte sie sich und hob sorgfältig die Weihnachtsgeschenke Christines auf, die sie vornhin hatte fallen lassen.
Bodo war noch so betäubt von dem Vorfall, daß er nicht daran dachte, ihr zu Helsen. Zweifelnd, fast schüchtern, fragte er: „Du willst die Nacht unter diesem Dach bleiben? — Jetzt bleiben, wo er" — Bodo zeigte nach der Türe — „Lärm schlagen wird — wo es dazu gekommen ist, daß ich sagen mußte, wer Du bist."
„Fräulein Christine weiß schon, wer ich bin!" antwortete Erika mit einer Ruhe, die ihn zwang, aufs neue die Augen vor ihr niederzuschlagen.
Was sie dabei nicht aussprach, sagte er sich selbst. Und so Hub er nach einer Minute Ueberlegung wieder an: „Ich habe das Recht verloren, Dir zu raten, und Du wirst nur tun, was für Dich und uns das Rechte ist, Erika. Ich darf jetzt keine Zeit verlieren. Ich nehme nichts mit mir, als meinen Degen und ein Täschchen, das ich selbst tragen kann. Du kümmerst Dich morgen früh nicht um meine Sachen — ich werde Lestwitz um einen Bedienten bitten, den ich herüberschicken und der meine Sachen zusammenpacken kann."
Erika gab durch eine schweigende Gebärde ihre Zustimmung zu erkennen. — Die Geschwister traten aus den Gang hinaus, auf dem ihnen niemand begegnete. In der Tür des Zimmers, das er in diesem Hause bewohnt hatte, reichte der Leutnant seiner Schwester die Hand — sie sagte leise: „Ich zähle darauf, daß Du Dich jetzt selbst wiedergefunden hast. Auf Wiedersehen morgen früh!"
(Fortsetzung folgt.)