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cm Epilepsie zu leiden behauptet, hat auf eigene Kosten 3 glaubhafte Zeugen zu stellen oder ein Zeugnis eines beamteten Arztes beizubringen.
7. Die Ortsvorsteher haben sich mit den Stammrollen von 1907. 1908 und 1K09 zu der bezeichnet«» Zeit im MnsternngSlolal zur Musterung einzufinden, bei der Losung dagegen nicht. Die Stammrollen werden bet der Musterung ergänzt; die Losnummern find auf Grund der Losungsscheine, wenn diese vom Oberamt den Ortsvorstehern behufs Ausfolge an die Pflichtigen zugesendet werden, einzutragen.
Die OrtSvorpeher find dafür verantwortlich, daß die Pflichtigen bei der Musterung vollzählig und rechtzeitig sich einfinden. Denselben ist zu bedeuten, daß alles LSrwe« und jede Störung der Verhandlung strenge bestraft «erde« wird. Luch haben die Ortsvorsteher darauf zu sehen, daß die Militärpflichtigen sich in de« Ortschaften rnhtg »nd anständig anfsühre«, und ist gegen jeden Unfug «achdrücklichst eknzufchreiten.
8. An- und Abmeldungen von Pflichtigen sind alsbald dem Oberomt onzuzeigen, bei Anmeldungen unter Anschluß der Losungsscheine.
Calw, 12. Februar 1909.
K. Oberamt.
Voelter.
Anträge auf Zurückstellung oder Befreiung vom Milttäi dienst (RekkamationSgesnche) find spätestens bis 28. Februar ds. IS. einzure chen und wird hiewegen auf die oberomtliche Bekanntmachung vom 15. Januar ds. IS., Wochenbl. Nr. 11, verwiesen. Die Verhandlungen hierüber, sowie über die Klassifikation der Mannschaften der Reserve rc. finden auf dem Rathaus in Cal« am Dienstag, de» 16. März dS. IS., statt.
Calw, 12. Februar 1909.
K. Oberamt.
Voelter.
Dev Lrlsbehörderr
geht heute das Steuerkollegial-Amtsblatt Nro. 3, enthaltend einen Erlaß des K. Steuer kollegiumS für direkte Steuern vom 30. Jan. d. I., detr. die Getühre« der Katastergeometer, zur Kenntnis uud Aufbewahrung im Geometerkasten zu.
Calw, 11. Februar 1909.
K. Oberamt. Voelter.
Tages«e«iglettev.
* Calw II.Febr. DieOrtsvorsteher«- stelle in Stammheim ist zur Bewerbung ausgeschrieben. Die Stelle soll mit einem Fachmann besetzt werden. Der Gehalt beträgt 2736 dazu kommen vom 1. April 1910 an noch für Verrichtungen de» Rechnung««»ständigen 696 *6. Die Vorstellung der Bewerber findet am 24. Februar (MaUhiaifeiertag), die Wohl selbst am 6. März statt.
Nagold 11. Febr. Bei dem Lang
holzverkauf im Stadiwald wurden durchschnittlich 118,4°/» de« Revierpreise« erlöst. — Der ledige Mahlknecht H e n n e von Obertalheim zog sich durch Aufnehmen eine« vollen Mehlsacke« schwere innere Verletzungen zu, denen er erlag.
Stuttgart 11. Febr. Zweite Kammer. In der heute fortgesetzten Generaldebatte zum Etat kam zunächst der Abg. Dr. Lindemann (Soz) zum Wort. Er besprach die bestehende Arbeitslosigkeit, gegen die rechtzeitig Maßnahmen von Staat und Gemeinden hätten ergriffen werden sollen, wünschte Unterstützung der Gewerkschaften und Verlegung des Schwerpunktes der Regierungspolitk auf die Fürsorge für Handel, Gewerbe und Industrie. Dann folgte eine Kritik der Zollpolitik mit ihren für Württemberg besonders schädlichen Begleiterscheinungen, den Syndikatsbildungen, und die Befürchtung, daß die Kanalisierung des Neckars zu spät erfolgen werde. Daß die Regierung die Initiative zu einer allgemeinen Beamtengehaltsausbesserung ergriffen habe, sei überraschend und komisch. Der Etat zeige alles, nur keine Vereinfachung des Verwaltungsapparates. Auch an dem ungünstigen E senkahnetat trage die Zollpolitik die Schuld. Die Sparsamkeit sollte nicht nuten bei den bedürftigen Klassen, sondern oben anfangen. In der Abrüstung liege allein die Rettung unserer kulturellen Entwickelung. Der Redner besprach dann Fragen der Reichspolitik und bemängelte, daß der Minister Präsident bei seinen Erklärungen über die historische Sitzung des Bundes- ratsausschusseS auf des Kaiserinterview gar nicht eingegangen sei. Die Freude über den Bruch des Berliner Vertrags durch Oesterreich-Ungarn dürfte kaum so groß gewesen sein. Eine gute auswärtige Politik könne nur diejenige Regierung machen, hinter der das Volk geschlossen stehe. Fürst Bülow seiuicht der Ausdruck der Gedanken und Bestrebungen des deutschen Volkes. Die Regierung wöge sich über die despektierliche Behandlung des Reichstaxswahlrechts durch den Fürsten Bülow äußern. Zum Schluß polemisierte der Redner gegen die Auffassung des Abg. Kiene über die Schmutz- und Schundliteratur. Minister v. Ptschek berief sich auf die Zustimmung des Hauses zu der Haltung der Regierung in Fragen der Zollpolitik, wies auf den durch diese Politik hervorgerufenen wirtschaftlichen Aufschwung und auf die auch in dem frei- händleriscken England herrschende Depression hin ohne die Syndikate, deren Mitzstärde er nicht verkenne, wäre die Krisis wohl noch größer geworden. Die bedauernswerte Arbeitslosigkeit habe ihren Höhepunkt erreicht. Behalte man Frieden, wofür die jüngsten Ereignisse einen gewissen Rückhalt gäben, so werde sich die wirtschaftliche Kon- juktur kald wieder heben. Zeichen dieser Morgenröte ließen sich da und dort bemerken. Die Zurückstellung der Wege- und Flußbauordnung erklärte der Redner mit dem ungünstigen Stand der Finanzen und dem Bestreben des Hauses, zu Gunsten der Gemeinden und Amtskörperschaften immer mehr Lasten auf den Staat abzuwälzen. Bezüglich der Neckarkanalisation werden
die Pläne Ende Mai fertig. Vorgesehen seien Schiffe mit 1000—1100 Tonnen, eine Minimaltiefe von 2,2 Mir., Schleppdampfer, die Bergfahrt in 41 Stunden. Die RentabilitätSberechung habe ein günstiges Ergebnis gehabt. Die Regierung betreibe die Angelegenheit mit oller Entschiedenheit, doch sei vor 1917 die Fertigstellung des Kanals kaum kr sichere Aussicht zu nehmen. Die Vollendung der Verwaltungsreform durch eine Kreisordnuug werde die Regierung nach besten Kräften fördern. Zur Donauversickerung erklärte der Minister die Geneigtheit, sich mit Baden auf einen Vergleichsvorschlag einzulassen und zwar dahin, daß man wie bisher das Wasser bei Frievingen versinken lasse, dafür von Baden aber verlange, daß eine annähernd gleich große Wassermenge, wie sie bet Frtedingen versinke, uns von Baden aus bei Tuttlingen durch Umleitung zukomme. Damit wäre Tuttlingen und den Werkbesitzern unterhalb Friedingen geholfen. Sollten diese Ver Handlungen wider Er warten scheitern, so würden sämtliche Versinkungsstellen bombenfest zugemauert werden. Bezüglich der Theaterzensur reservierte der Minister dem Staate und der Polizei das Recht, gegen eine Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit einzuschreiten und Theateraufführungen die die allgemeine Sittlichkeit schädige« oder das Schamgefühl verletzten, zu verbieten. Mit der Aufhebung des Verbots der Aufführung deS Borngräber'schen Stückes, „Die ersten Menschen" erklärte sich der Minister zwar einverstanden, doch übte er an der Wiedergabe einiger Szenen des Stücks, dessen Tendenz er mit dem Nachlaufen des HundeS hinter der Hündin verglich, eine sehr scharfe Kritik. Die gegenwärtige Geschmacksrichtung des Publikums sei kein Segen unserer Zeit. Dagegen würden aber nickt polizeiliche Mittel, sondern nur ein Geschmacksuwschwung beim Publikum helfen. In ganz groben Fällen werde die Polizei von ihrem Rechte Gebrauch machen. Zum Schluß brachte Baumann (D. P) noch einige Beamtenwünsche vor. Morgen Fortsetzung.
Tübingen 9.Fekr. Der gestrige Viehmarkt war ziemlich stark befahren. Bei den Lanblkuten beginnt des Stroh, Heu und Oehmd rar zu werden. Da das Angebot der Nachfrage nicht entsprach, so ging der Handel beim Rindvieh nur flau. Angeführt waren etwa 480 Ochse», 75 Kühe und 250 Kolbinnen und Rmder. Lögest tzt wurden etwa 126 Ochsen da« Tier zu 330 bi« 680 35 Kühe da« Tier zu 200— 400 «6,
Kolbinnen und Rinder kosteten 100—300 — Der Schweinemarkt war besonder« stark befahren. Der Handel ging flott- Er waren etwa 190 Paar Milchschweine und etliche 20 Paar Läufer zugeführt. Da« Paar Milchschweine kostete 35—60 »rtz, da« Paar Läufer 70—135 »6.
Biberach II.Febr. Ein Weinhändler hier war gestern damit beschäftigt, ein zirka 500 Liter haltende« Faß an« seinem Lagerkeller in ein Lraniportfaß umzusüllen. Während er mit seinem Knecht im Keller pumpte, fiel der Schlauch
mit einer raschen Werburg von den Gabentischen her plötzlich neben dem seltsamen Poore flard urd mit urverkennborem Spott sagte. „So eifrig, «eine Herrschoften? Fast in Streit, und clstr über unsere arme Tarne, die gorz noch Christines Gtschmrck gewählt, gefüllt und argepntzt wurde?" Herr Vota suchte vergebers rach einem rascher Scherzwort, Fräulein Erika aber artwortete ruhig: ,Herr v. Grvvenreuth und ich sprachen nickt von dem Weihrochtsboume! Ich barke Ihren, tcß Eie mich an weine Pflicht erinnern, ich muß zu Fräulein Christine — gute Rockt, Herr Hoger I"
Sie kehrte zu den jungen Mädchen zurück, klß'e Cva, die sich mit einer Umarmung von ihr verabschieden wollte, auf die Stirn, und war aus dem Gartensoal entschwunden, «ährend sich die beiten jungen Männer noch gegerüber starten. Die Miene de« Offiziere verwandelte sich aus einer verlegenen in eine trotzige, der Geficht«au«druck Franz Hoger« au« einem höhnisch vergnügten in einen zugleich forschenden ur d dr oher den, ehe sie schweigend aueeinander gingen.
Fräulein Erika stieg inzwischen die Treppe zum oberen Geschoß und den Zimmern Christine Hagen« hinauf. Die Erregung der letzten Minuten zitterte so in ihr nech, boß sie ein paarmal inne Hallen mußte, um sich rur einigermcßen zu beruhigen. Klar sok de« ernste Mädchen in dem Gewühl schmerzlicher Enpfirdüngen, sckwerer Beso griff' urd harter Sellstarklagin rur eine«, daß sie hier in einer Loge war, die rtcht ondauern durfte, und die ihrer Nalvr, wie ihrer Eelbstachturg entschieden wtdersprcch
Erika fühlte eire Arwontlung mit einem efferen Bikernini« bei ihrer neuen Herrin eirzutreten — besonn sich indes, tcß e« rückfichlilor gegen die Leidende wäre, sie nach einem Tage, der vielleicht ohnehin zu arstrengerd für sie gewesen sei, mit so unfreundlichen Mitteilungen zu überraschen. Und indem sie sich eingestand, daß die Offerbarung der Wahrheit vorauistchtlich ihre» Bruder« und ihren eigenen Abschied aus dem Hageuschen Hause zur Folge haben mußte, schien e« ihr besser und schick- ltcher, den Morgen abzuwarten. Sie empfand kein schwäckliche» Mitleid «U sich selbst — und in diesen schmerzlichen Minuten auch keine« mit dem
Bruder, dessen Lcichlfinn sie beide in eins so unwürdige und unmögliche Situation verstrickt hatte. Ihr wäre e« lieber gewesen, keine Nacht mehr unter dem Namen ihrer Mutier, den sie mit der reinsten Absicht und au« einer Rücksicht auf die Vorurteile ihrer Familie, die sie nun für durch««« falsch Hallen mußie, in dem fremden Hause zuzubringen. Ja, e« war ihr, ol« würde e« ihr körperlich wohler tun, sich den kalten Nachtwind um da« Haupt wehen zu lassen und einsam durch die Schneelandschaft zu fahren, um irgend einen Nacktzug zu erreichen, al« hier in der warmen weichen Lust der von unten b!« zum Dach behaglich durchwärmten Villa zu bleiben und in dem schönen Z'wmer, da« man ihr angewiesen hatte, eine schlaflose Nacht, voll trauriger Erinnerungen und bitterer Kümmernisse, zu verbringen. Doch nachdem sie unmittelbar vor Christine« Tür ein letzte« Mal überlegt, kam sie zu keinem anderen Schluß, al« daß sie da« Unvermeidliche auf sich nehmen und heute abend noch schweigen müsse. Erika trat, nicht beruhigt, ober doch minder heftig erregt und mit leidlich erhelltem Gesicht bei Christine Haxen ein. Die Gelähmte hatte sich auf ihre Chaiselongue auepestreckt urd der Tisch mit der schönen empor- und niederzuschraubenden Lampe, die Vetter Heinrich eigers für sie hotte Herstellen lassen, war ihr zu Häupten gerückt. Unter der Lampe lag ein Buch, sie hatte lesen wollen, schien aber nur geruht und geträumt zu haben. Jetzt hielt sie ihre großen Augen voll ouf die Eintreterde gerichtet und die bleichen Lippen de« leidenden Gesicht« lächelten der neuen Gefährtin ein so freundliche« Willkommen entgegen, daß Erika in Erinnerung an olle» eben Erlebte ihren Herzschlag stocken fühlte. Denn ihr klarer »lick ermaß die Fülle de« Vertrauen« und rührender Neigung, mit der CH'istine Hagen ihr entgegen kom und sie sagte sich, daß ihr Geständnir Vertrauen und Neigung schwer erschüttern und wahrscheinlich zerstören würde. Trotzdem vermochte sie er nicht über sich, jitzt zur stillen »berdstunde, auf die sich Christine so ersichtlich gefreut hatte, sich kttter und rückholtender zu zeigen ol« zuvor. Sie ging willig auf da« Gespräch über dis Gewohnheiten, die stillen Genüsse der Leidenden ein.
(Fortsetzung folgt.)
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