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«strebe« und prüfen müssen, ob die vorgeschlageneu neues Einrichtungen und Stellen jetzt schon dringend notwendig seien. Das Zulagenwesev sollte tunlichst beseitigt werden. Den Eigenzen für Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe stimme seine Partei zu. Welche Wirkungen habe die Eisenbahnsparkommisflon gehabt? An dem Rückgang der Eisenbahneivnahmen sei die verkehrte Betriebsreform, die gleiche Aus­stattung der 3. und 4. Klaffe schuld. Zu dem damals gewachten politischen und technischen Fehler komme jetzt auch noch ein finanzieller. Ein erfreulicher Fortschritt sei die Güterwagengemetnschaft. Der Nebenbahnbau dürfe keinen Stillstand erfahren. Sie seien die Zuträger des Verkehrs. Die übliche Rentabilitätsberechnung der Nebenbahnen, die man im Verhältnis zur Gesamtheit betrachten müsse, sei durchaus falsch. Die Unterstützung der Kraftwagen- Verbindungen solle uoch erhöht werden. Der Lösung bedürfe endlich dringend die Frage der Donan- verfickerung bei Tuttlingen. Die BerfickerungSstellen bei Fridingen sollte man verstopfen. Von einer staatlichen oder privaten Monopolifirrung der Waffer- kkäfte des Landes sei Abstand zu nehmen. Der Redner wandte sich dann gegen das Ueberhand- »ehmen der Schmutz- und Schundliteratur, die letzten Endes auch die Wehrkraft des Landes schädige. Erfreulich sei das Verbot der Nacktkultur im Theater. Als der Redner von der Linken mehrmals durch Zurufe unterbrochen wurde, betonte er, daß er diese Unruhe nicht verstehe, denn olle Volksvertreter sollten ei» Interesse daran haben, daß unsere Jugend sittlich und körperlich gesund erhalten werde. Bedenklich und bezeichnend sei die öffentliche Anpreisung von Mitteln für die Beschränkung der Geburten. Die sittlichen Kräfte des Volkes seien die Wurzeln des Wohlergehens für Volk und Staat. Zu bedauern sei die Aufhebung des Verbots des Theaterstücks die ersten Menschen". Möge die Regierung auf diesem Gebiete ein wachsames Auge haben und ihres Amtes walten. Ihre Pflicht sei es, dafür zu sorgen, daß die öffentliche Sitrlichkeit keinen Schaden leide. Lr. Elsas (Vp.) betonte die erfolgreiche Arbeit der reinen Volkskammer, wandte sich gegen die Ges­und ElektrizitätSsteuer und verlangte die Wahrung der konstitionellen Garantteen, namentlich bezüglich deS BundeSratSauSschuffeS für auswärtige Angele­genheiten. Gewisse Ereignisse sollten sich nicht wiederholen können. In seinen Angriffen auf die Freiheit der Literatvr sei der Vorredner weit übers Ziel hinouSgegangen. In manchem müsse man ihm zustiwmen. Man müsse dem Publikum das Urteil selbst überlassen. Bezüglich der Justizreform wünschte der Redner Stärkung des LaienelementS, Erweiterung der Kompetenz der unteren Instanzen, Berufung der Untersuchungsrichter auf längere Zeit und Gerichts­vollzieherschule«. Die württ. Jndrstrie werfe der Regierung vor, daß gegen die Kartellpolitik der schweren Industrie, die am meisten auf unS laste, in keiner Weise irgend etwas geschehen sei. Möge es der Regierung gelingen, die schweren Sorgen, die auf Landwirtschaft und Industrie ruhen, in etwas zu beheben. Vogt (BK) bestritt gegenüber dem Vorredner, daß die Landwirtschaft von unserer Agrarpolitik keinen Nutzen hat und stimmte bezüg­lich der Schundliteratur Dr. v. Kiene zu. Sparen

ließe sich beim Bauen und bei der Ausstattung der Dienstwohnungen, auch beim Bahnhofbau in Stutt­gart, desgleichen im Reich, au der Wehrmacht aller­dings nicht. Um die auswärtige Politik des Reiche« sollte sich unsere Regierung mehr kümmern. Hoffent­lich gelinge es, den Etat ohne Steuererhöhung z« balanzieren. Der Redner empfahl dann noch die Förderung von Landwtrschaft und Handwerk. Mor­gen Weiterberatuug.

Stuttgart 9. Febr. Einem hiesigen Blatte zufolge hat die Revision der Oberamts­sparkasse in Cannstatt ein Manko von 77000 ^ ergeben. Oberamtesparkassier Funk wird am 1. April von seiner Stelle zurücktreten. Die Einleger erleiden keinen Schaden, da ein Freund Fm k« bereit« 27 000 »4t gedeckt hat und 50 000 »4t durch eine Hypothek zu sichern gesucht werden. Funk gibt an, daß ihm da« Geld ge« stöhlen worden sei.

Zuffenhausen 9. Febr. Dis Leder­fabrik Zuffenhausen, Sieker u. Co., teilt mit, daß ein Teil ihres Personal« wegen Lohndiffsrenzen den Arbeitrvertrag ge kündigt hat. Von 137 Leuten hoben 78 gekündigt und 59 eine Kündigung ab­gelehnt.

Brackenheim 9. Febr. Einen eigen­tümlichen Unfall hat ein Mädchen hier erlitten. Die ledige Wilhelmine Röck wollte in ihrer Strohmiets Stroh holen, als sie mit der Hand in eine Marderfalle geriet und erst mit Hilfe dritter Personen darau« befreit werden konnte. Sie mußle ärztliche Hilfe in Anspruch nehme».

Heilbronn 9. Febr. Einem hiesigen Kaufmann wurde am Sonntag obend von einer Dirne, die sich in seiner Begleitung befand, da« Portemonnaie mit 193 »4t entwendet. Die Täterin, die kurz nachher von der Polizei aufgegriffen wurde, leugnete die Tat. Bei ihrer körperlichen Visitation wurde aber der ge­stohlene Geldbetrag bei ihr gefunden. Sie wurde vorläufig fkstgenommen und da Fluchtverdacht vor­lag, dem Amtsgericht übergeben.

Mergelstetten 9. Febr. Sine« aner- kenner-werten Entgegenkommen« der Firma Gebr. Zöppritz erfreut sich die hiesige Gemeinde. Auf Grund eine» Vertrage« versorgt die Firma die Gemeinde mit Wasser auf 20 Jahre und liefert elektrische« Licht undelektr.Kraft, beide» zu günstigen Bedingungen.

Reutlingen 9. Febr. Mit dem Bau einer katholischen Kirche soll schon im April diese« Jahre« bex onnen werden. Die Kirche, die bekanntlich an die untere Kaiserstraße zu flehen kommt, wird au« Backsteinen erstellt werden. An Baukosten find, exclusive der Bauplv-kosten, ins­gesamt 200000 »4t vorgesehen.

Laupheim 9 Febr. In Dorndorf ist der Senior der württembergischen Lehrerschaft,

der pensionierte Ahrer Letmg r u b er, im Mer von 99 Jahren 8 Monaten gestorben.

Sern»bach 8.Fsbr. Da« Ende der letzten Woche brachte dem Bahnbau mehrere schwere Unfälle. Am Donnerstag wurde ei« Arbeiter oberhalb Weiffenbach durch ein falschen Spreng- schuß im Gesicht und am Körper schwer ver­letzt. Am Freitag mittag, in der Zeit zwischen 3 und 4 Uhr, wurden am Bahnhofneubau in Forbach 2 Arbeiter durch herabfallende Gesteine verschüttet. Schwer verletzt und bewußtlo» mußte der eine, Josef Roth au« Gausbach, in da» Krankenhaus Forbach verbracht werden. Dev schrecklichste Unfall trug sich am Samttag mittag 11 Uhr beim Füllentunnel zu. In der Meinung, daß olle Sprengschüffe losgegangen seien, näherten sich dis Leute der Sprengstelle, um weiter zu arbeiten, al« unverhofft noch einige Schüsse ex­plodierten und 5 Mann übel zugericktet wurden. Blutüberströmt brachte man sie nach Forbach und nach Gernsbach in tie Krankenhäuser. Da die Verletzungen z. T. sehr schwer find, ist er fraglich, ob die bedauernswerten Leuts ur verkrüppelt mid dem Leben davonkommen werden.

Ofsenburg 8. Febr. Der Raubmörder Filipsohn nahm die Mitteilung von seiner Begnadigung mit großer Freude auf. Er legte nochmal» ein umfassende« Geständnis ab dahin­gehend, daß er beim Zusammentreffen mit dm beiden Kurgästen sofort den Entschluß gefaßt habe, diese zu töten und zu berauben, um dann flott leben zu können. Der Möider selbst hegte nur geringe Hoffnung auf Begradigung; er war von dem Gedanken erfüllt, daß er die Todesstrafe wohl verdient habe.

Görlitz 9. Febr. Vom Hochwasser ist Wasser durch die Bruchlöcher in den Schacht de« Braunkohlenbergwerk«Josef Hermann-Grube" in Troitschentorf gedrungen und hat diese voll­ständig gefüllt. Der Betrieb ist eingestellt. Alle Arbeiter mußten entlassen werden.

Berlin 9. Febr. Der Einzug des eng­lischen Königrpaore« erfolgte bei schönstem Winterwetter. Auf dem Lehrter Bahnhofe, wo die Ankunft erfolgte, fand sine herzliche Begrüßung zwischen den beiden Monarchen und ihren Gemahlinnen statt. Der König trug die Uniform der 1. Gardedragoner, während der Kaiser eng­lische Admkal-.llniform angelegt hatte. Rach Abschreiten der Fiont der Ehren-Kompagnie und dem Parademarsch derselben erfolgte der Einzug in die Stadt. Auf dem einzig geschmückten Pariser Platz hinter dem Brandenburger Tor erfolgte die Begrüßung durch die städtischen Behörden. Ober­bürgermeister Kirschner hielt eine Begrüßungs­ansprache. in welcher er der Beziehungen der beiden Völker auf geistigem und wirtschaftlichem

Wetter Keiurich.

Novelle von C. Rathman«.

(Fortsetzung.)

Fräulein Sva, deren Gesicht fick beim Eintritt de» Leutnant erhellt und die ihn mit stummem, aber sichtlich'», Triuvphe ihren Freundinnen, den beiden Töchtern von der benockbarten Slot, mir Epiegelfabr'k, vorgestellt hatte, nahm scharsfichtig oltbald wahr, daß Bodo v. Sravenrruth nickt blo« an ihren Augen hing» sondern von Zeit zu Zeit nack der Tür blickte und auch durch den Eintritt und die vep'üßung ihrer Eltern und der Tante «ortula, die die seidene Robe de« Tage« mit einem Schlippkleide von dunklem Sammet vertauscht hatte, rech nicht beruhigt wurde. Sie benutzte den ersten Augenblick, in welchem Blor ca und Melita Oberdö ffer, zwei junge Domen, von denen die erste sckworze«, die ordere rotblonde» Haar hatte und die es al« tos Unglück ihre, L.ber« ansohen, ihre Namen nicht vertauschen zu können, sie neben ihrem Bewunderer allein ließen, um mit ur verhohlener Ungeduld zu sogen:Sie sind seit heute mittog nicht wie sonst, Herr v. Grovenreuth. Sie lachen nicht mehr und denken an Gott weiß «a»! Hoben Sie vielleicht auch sckon da» neue Fräulein meiner Schwester Christine gesehen oder sich erzöhlen lassen, daß sie eine Sck ö heit sei?"

Lar jugendliche Fräulein er»Stele iw Augerbl ck, «o sie ih em eifer­süchtigen Verdacht Werte lieh, ober sie hatte dem rasch entschlossenen jungen Offizier damit die Möglichkeit gegeben, einen kühneren Angriff zu wagen. . .

Für wich ist neben Ihnen niemand schön. Fräulein Sva. Und wie dürfen Sie sich wundern, wenn mir nicht lustig und munter zu Sinne ist? Wie warchen Tag bin ich schon hier und toffe auf dar kleirste Zeichen, daß ick Ihnen nickt gleichgiltig sei, Hesse r rnlorst auf ein Pfand der Glücke«."

Wohl machte Eva eins erschrockene Miene und faltete sogar bittend

ihre Hände, um die Worte de« Leutnant« zu hemmen. Herr Bodo aber wollte die günstigen Augenblicke nicht verlieren und folgte dem junge» Mädchen, al« sie einige Schritte vor ihm gegen ihre Freundinnen zurückwich. Wa« er ihr r och zr flüsterte, verstand Eva jedoch nur halb und ihm selbst wurde plötzlich da« Wort abgeschnitten, al« alle im Salon Versammelten ihre »licke der Tür zuwandten, deren beide Flügel geöffnet wurden. Christine in ihrem Fahrstuhl, den Marlin über die Schwelle schob und an ihrer Seite eine schlanke Mädchengestalt, deren Hand die Gelähmte in der ihren hielt, wurde sichtbar.

Alle Anwesenden waren doppelt überrascht, denn nur äußerst selten pflegte sich die kranke ältere Tochter de« Hause« in diesen Räumen zu zeigen, und wenn e« heute abend geschah, so galt e« ihrer Begleiterin, deien RomeFräulein Erika Münter" ron Lippe zu Lippe ging, ehe ihn Fräulein Christine ausgesprochen hatte.

Die neue Gesellschafterin trat mit einfacher Sicherhett in die fremde GesellsSvft, schien gar nicht« an den reichen Aeußerlichketten ihrer Umgebung zu beachten und war durchaus nur um Christine bemüht, die in froher Erregung sich an dem Eindruck weidete, den die anmutige Haltung «ad die Schönheit Erika» auf alle hervorbrachte.

So peinlich e» Bodo v. Gravenreuth war, seine Schwester unter solchen Umständen zu erblicken so konnte er sich doch auch einer Ar Wandlung geheimen Stolze« nicht erwehren, al« er sah. daß Erika auch ohne ihren alten Namen und in der Rolle eine« GeseÜschafl«fräulein« durch ihre blaße Erscheinung oller Augen auf sich zog.

Tante Cordula lächelte allerdings ihrer Sckwester Maria gering- schötzig zu md musterte höhnisch da« einfache weißwollene Kleid, in de« Fräulein Münter ersckien, aber sie blieb für dieiwal mit ihrem Hohn und Hcchmut allein. Selbst die Frau Kommerzienrat, welcher der Lu« druck von Glück urd Befriedigung in den Zügen ihrer kraute» Tochter nicht entging, trat der neuen Hau«ge«osfin verbindlich entgegen und sagte: »Nh