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erhielten im ganzen Ruhrrevier keine Arbeit mehr. (Lebhafte Pfuirufe.) Wenn die Arbeiter sich über Wetter beschwerten, dann sagen ihnen die Steiger: Ihr habt frische Luft genug. Wir hatten schon einige Tage vor dem Unglück mit Wetter zu kämpfen. Al« wir un« beschwerten, wurde un» nesogt: Ihr wollt bloß ein höhere« Gedinge haben. Nachdem sich da« Unglück ereignet hatte, wäre e« einer großen Anzahl von Bergleuten noch gelungen, sich dmL den Förderkorb zu retten, die Sporlaken waren aber sämtlich zerstört und Ersatz war nicht vorhanden. Infolgedessen mußten Hunderte von Arbeitern ihr Leben einbüßen. Der Bergmann Karl Lenzner wollte Doppelfchicht machen. Er ist deshalb schon mittags eingefahren, da sah er da« Feuer und überzeugte fich, daß da« Unglück unvermeidlich sei. Er fuhr der halb wieder au« und meldete e«. Dieser Mann ist aber heute noch nicht vernommen worden. Man will eben die Sache vertuschen. (Pfuirufs.) Zur nötigen Berieselung ist kein Wasser vorhanden. Die Bergbehörde ist noch heute für Mißstände taub. Wenn die Arbeiter nicht energisch Vorgehen, dann werden fich solche Unglücksfälle von Zeit zu Zeit immer wieder wiederholen. (Lebhafter Beifall.)
Berlin. Major Groß ist gestern nach Friedrichs Hafen abgereist, um den ,2 I" endgültig für die Luftschifferabteilung zu über« nehmen. — Armand Zipfel unternahm gestern nachmittag einen Flugversuch auf dem Tempel- Hofer Felde mit dem verbesserten Motor. Auch dazu hatten fich wett über tausend Zuschauer ein- gefunden. Zipfel durchflog eine Strecke von etwa 1500 Meter Länge, davon etwa 600 in 20—30 Meter Höhe über dem Erdboden.
Pari« 1. Febr. Einem Lastträger namens Zerroc gelang es in Fez, mit offenem Messer sich demSultan MuleyHafid zu nähern, während dieser im Palast mit einem Offizier der franzöfischen Mission sprach. Dem Attentäter, der an gab, daß er es auf den Offizier abgesehen hätte, wurde die Waffe entwunden und seine sofortige Hinrichtung verfügt. Nach einer anderen Meldung erklärte der Lastträger, nur au« religiösen Motiven gehandelt zu haben. Er zürne den Christen, womit er den Offizier meinte. Seine Hinrichtung wurde sofort vollzogen, indem er solange geprügelt wurde, bis ertöt zusawmenbrach.
Rom 1. Febr. In hiesigen diplomatischen Kreisen glaubt man, daß die russische Regie- rung demnächst Vorschläge finanzieller Natur den Mächten unterbreiten werde, um e« der Türkei zu ermöglichen, die bulgarischen Angebote zu acceptisren. Die russische Regierung soll bereit sein, der Türkei gewisse finanzielle Opfer zu bringen.
Prag 1. Febr. Trotz der Absperrung de« Graben« für den gesamten Verkehr ging es auch gestern nicht ehne Bedrohungen und Beschimpfungen
sowie tätliche» Angriffen auf deutsche Stuben- ten ab. Diesmal warm er der Heuwag«platz und die Heinrichrgaffe, wo zahlreiche deutsche Studenten unter den Mißhandlungea der Menge zu leiden hattm. Wiederholt mußte die Polizei zu Fuß und zu Pferde einschreiten, um arg bedroht« Studenten zu schützen. Besonder« aggressiv benahmen fich einige tschechische Frauen, die die Excedenten aufforderten, den verhaßten Studenten doch endlich einmal die Köpfe einzuschlagen, damit e« Ruhe gebe. In der Brandlgaffe wurde ein deutscher Bankbeamter von einer wütenden Menge überfallen. Er erhielt von einem besser gekleideten älteren Mann einen derartigen Stockhieb über den Kopf, daß er zusammenbrach. Auf dem Heuwag» platz, wo tschechische Arbeiter und Studenten die Hintere Front de« deutschen Kasino» besetzt hielten, kam ein Zug Sozialdemokraten, die eben eine Versammlung verlassen hatten, heran. E« kam hierbei zu einem Rencontre zwischen Sozialisten und tschechischen Nationalisten, wobei die Sozialisten die tschechischen Arbeiter aus da« heftigste beschimpften und ihnen die Schuld an den traurigen Verhältnissen in Oesterreich zuschoben. Polizei schritt ein und zerstreute die Ansammlung.
Der neueste russische Pottzeiskaudal. Zur Verhaftung des früheren Direktors des Polizei- departements Wirklichen Staat«rais Lobuchtn, de« Schwager« des früheren Mintstergehilfen Fürst Urusoff, wird gemeldet: Lobuchin, der s. Z. die rechte Hand Plehwer war, ist er st vor zehn Tagen au« dem Ausland zurüögekehrt. Er wurde fett den Enthüllungen der russischen Presse über den angeblichen Revolutionär Az eff, der gleichzeitig Agent der russischen Staatspolizei war, streng beobachtet. Er wurde festgestellt, daß Lobuchin seinerzeit mit dem Revolutionär Burzew in Petersburg die Zeitung „Dylowo" herausgab, und mit Burzew, der j tzt als Flüchtling im Ausland lebt, dauernde Beziehungen unterhält. Die Verhaftung Lobuchin« wurde frühmorgens vor- genommen, während seine Familie noch schlief. 35 Polizisten umzingelten das Haus. Die Haussuchung leitete der Prokurator des Appell- gerichtrhof« und Untersuchungsrichter für wichtigere Aufträge Saizew mit mehreren Aufstchtsbeamten. Lobuchin trat ihnen halbangekletdet, gefaßt entgegen. Er übergab ihnen einen Brief mit dm Worten: „Meine Herren, das hier ist für Sie von allergrößtem Interesse!" Es war ein Brief Burzew«, der eben au« dem Auslände eingetroffsn war. Er bat, im Protokoll zu bemerken, daß er diesen Brief freiwillig übergeben habe. In den 15 Zimmern der eleganten Wohnung wurde alle« genau untersucht. Nach lOstüvdiger Arbeit wurden 11 verstegelte Pakete mitgenommen. Lobuchin ist im Zellen ge fängni« unter gebracht. Az« ff« Doppelspiel wurde von einem gewissen Bvkai, einem früheren Detektiv in Warschau, der
und kam schließlich mit zwei Stunden Verspätung hier ein. Der erste Zug mußte in Schtltach Stadt au« dem Schnee heraurgeschaufelt werden. Auf dem hiesigen Bahnhof wird seit heute morgm 3 Uhr an dem Beseitigen der Schneemaff-n gsarbeitet.
Frankfurt a.M. 1. Febr. Gestern morgen gegen 8'/, Uhr fand auf den Schießständen de« Infanterie Regiment« Nr. 81 in der Nähe der Gehspitze im Stadtwald ein Pistolenduell zwischen dem Hauptmann und Adjutanten der 42. Jnfanterie-Brigade in Frankfurt, Rudolf v. Oertzen und dem Leutnant der Landwehr 1. Aufgebot« v Stuckrad vom Bezirkrkommando zu Kreuznach statt. Beim ersten Kugelwechsel erhielt v. Stuckrad eine schwere Verletzung im Unterleib und verschied nach wenigen Minuten. Die Leiche kam in« Bockenheimer Garnisonslazareth. Gerichtliche Untersuchung über die Ursache de« Zwei- kämpfe« ist von der 21. Division eingeleitet worden.
Berlin 1. Febr. In verschiedenen größeren preußischen Provinzstädten wurden gestern von de« Sozialdemokraten politische Kundgebungen, speziell Wahlrechts-Demonstrationen veranstaltet, wobei es zwar nirgend« zu größeren Ausschreitungen kam, jedoch zu verschiedenen kleineren Ko, flikten mit der Polizei, die leichtere Verletzun gen un d Verhaftungen ein zelner Demonstranten zur Folge hatten. In Breslou wollten gestern mittag mehrere tausend Sozialdemokraten vor da» Rothau« ziehen» um gegen die Steuer und da« preußische Wahlrecht zu de- »onstrieren. Ein gewaltige« Aufgebot von Schutz leuten hielt alle Zugänge besetzt und drängte die Menge, die mit den Rufen »Rieder mit Bülow", heranzogen, in die Seitenstraßen. Eine Anzahl Verhaftungen wurden vorgenowmen. In Hannover wachte die Polizei beim Einschreiten gegen die Wehlrechts-Demonstranten von der Wcffe Gebrauch, wobei 20 bi« 25 Personen Verletzungen erlitten.
Berlin 1. Febr. Der große Schneefall hat «ine ganze Reihe von Unfällen zur Folge gehabt. 5 Personen erlitten durch Ausgleiten auf den Bürgersteigen schwere Knocherbrüche. Viel größer ober ist die Zahl derjenigen, die durch Fall leichtere Verletzungen erlitten haben.
Berlin 1. Febr. Auf dem heute hier zusammengetretenen allgemeinen Bergarbeiter- Kongreß berichtete Bergarbeiter Thomas- Hamm, einer der Geretteten bei dem Unglück von Radbod» unter gespannter Aufmerksamkeit der ganzen Versammlung über da« Unglück. Wer das Unglück gesehen, der werde nicht mehr bitten, sondern die Anstlllung von Arbeiter- Kontrolleuren fordern, die Arbeiter haben da« Unglück kommen sehen, aber sie mußten den Mund halten. Wenn die Arbeiter schlagende Wetter meldeten, dann flogen sie hinaus und
daß auch der Unkundigste Zwillingrschwestern in ihnen vermuten mochte, behielten noch immer den Gefichtsausdruck bei, mit dem sie dem Eintritte de« jungen Manne« entgegengeblickt hatten. Ja der Widerschein verdrieß, lichen Groll» war j«tzt auf den vollen und roten Gesichtern der beiden Tanten noch ersichtlicher, weil die Erscheinung der N«ffen bereit» keine Ueberraschung mehr war. Die Frau Kommerzienrat sah ihre Schwester Cordula an und beide fingen dann zu gleicher Zeit, wie mit einer ursprünglich schrillen, jetzt aber von behaglichem Wohlleben gedämpften Stimme an: »Aber Heinrich, wie hast Du un« da« antun können!" — Und plötzlich hielten beide wieder inne.
Der Kommerzienrat hatte über den Zusammenklang der Herzen und Stimmen laut aufgelacht. Die lirks im Sofa sitzende Dame wandte fich nach recht« und sagte resigniert, die Hände faltend: »Sprich Du, Maria! Du bist die Verheiratete — also die ältere von uns Eäw>fiernl"
Der verheirateten Zw'llingrsch wester zuckte e« um die Lippen, al« ob sie Lust hätte, gegen d,e Folgerung, daß sie die ältere sei, Widerspruch zu erheben. Aber da« vergnügte Lachen de« Kommerzienrat« und ein leichte« Lächeln auf dem sonst so errsten Gesicht ihre« jungen Gaste« brachten sie zum Gefühl ihrer rächven Pflicht. Und ind«m sie die großen grauen Augen so fest und so strafend al« möglich auf die beiden Männer heftete, sagte sie etwa« rascher al« vorhin: „Es gibt hier nicht« Lächerliche«, Robert — Heinrich wird r» selbst am besten wissen! Du hast die Familie wahrhaftig nicht verwöhnt, Heinrich, aber soweit, zwei Tage vor dem heiligen Abend zu verreisen, — man weiß richt, warum und wohin — hattest Du e» doch noch nicht getrieben. Ich war am heiligen Abend ernstlich auf Dich löse — und ernstlich um Dich besorgt!" —
„Ich tarke Dir, daß Du beide« nicht mehr bist, Tante Maria!" entgegrete Heinrich, indem er näher trat und beiden Tanten über den Svfattsch hinweg die Hand reichte. „Nimm an, daß ich in unaufschiebaren
Angelegenheiten eine« Freunde« verreisen mußte und über keine andere Zeit verfügte al« über die Loge vor Weihnachten! — Daß es mir herzlich leid war, den heiligen Abend nicht mit Euch zu verleben, und daß ich so früh zurückgekommen bin, al« er nur immer möglich war, da« seht Ihr wohl jetzt."
„Da« freut un» gewiß, aber wir konnten e« nach Deinem Briefe nicht vorausskhen," sagte die Frau Kommerzienrat verdrossen. „Und e« bleibt immer schlimm, daß Du überhaupt Freunde hast, die Dich in solcher Weise beanspruchen, die man gar nicht kennt, und die in unserem Hause nicht eingesührt find. Darf man nicht erfahren, wohin die plötzliche geheimnisvolle Reise gerichtet war?"
„Doch, doch, liebe Tante — ich war in Schlesien!" antwortete der Riffe, und die Frogerin konnte gerade noch sehen, daß fich da« offene Gesicht de« jungen Manne» merklich verdüsterte. Der Onkel Kommerzienrat war ungeduldig auf seinen Platz am Fenster zurückgekehrt und kam Heinrich, der die weiteren Erörterungen über seine Weihrachtsreise offenbar abzu- brechen wünschte, unbewrßt zu Hilfe. »Lege Deinen Hut ab. Junge," rief er plötzlich — »hier aus den Silberschrank und nun steh dort hinunter, wie Du am heiligen Abend und gestern den Feiertag über ersetzt worden bist! C« ist wirklich eine Lust, die beiden da unten zu s.hen. Ich glaube wahrhaftig, Evchen hätte nicht« dawider gehabt, wenn wir ihr zu oll ihren Kleidern, Bändern und Schmucksochen und den neuen Schlittschuhen den Leutnant noch zu Weihnachten beschert hätten!"
Er deutete dobei durch« Fenster nach unten, wo in der Mitte de» beschneiten Parke« mit seinen reifblitzenden Hicken fich ein ziemlich grrßer Teich mit blarkgekthrtem Eisspiegel ousbreitete. Im Hintergrund der Eisbahn, die ein Saum dunklen Nadelholzes abschloß, tummelten fich einige Knaben mit Schlittschuhen und kleinen Schlitten.