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Wahl der Schulgemeindevertreter. Wählbar find auf 3 Jahre mit Ausnahme der Geistlichen und Lehrer alle Männer, die die gemeindebürgerlichen Wählbarkeit«echte besitzen, de»gleichen auch Frauen. Rach einem Antrag der Zentrum« sollen die Vertreter der Schulgemeinde durch die Väter und Vormünder der die Schule besuchenden Kinder unter Berücksichtigung de» Bekenntnisse« der Mehr- heit gewählt werden. Die Beratung dieser Artikel «mde mit einander verbünd: n. Der Berichterstatter Dr. Hieb er (DP.) trat für die Korn- »isfionrantrLge ein. Der Miiberichterstat!« Dr. Späth (Zenrr.) befürwortete die Anträge seiner Partei. Der Kommisfiovsbeschluß zeige die Tendenz der Radikalen, den kirchlichen Eirflvß zu beseitigen und sei ein Ausnahmegesetz, da« gerade Pädagogen von Beruf, wie den Geistlichen, vom Ortsschulrat au«schließe. Wahlflreitigkeiten sollte man in den Lehrerstand nicht hineintragen. Der Abg. Rembold.Gmünd (Ztr.) betonte die Notwendigkeit eine« vermehrten Schutze« der Elternrechte. namentlich inBezug auf dae Konfesfionalttätü- prinzip und empfahl die Anträge seiner Partei Liesching (Vp.) sprach sich gegen diese Anträge au« mit Aurnahme de« ersten. E« sei überflüssig, daß der Ortrvorsteher und der Schulreftrent dem Orteschulrat «Mehöre. Die Wahl der Vertreter der Schulgemeinde würde bester, wie bisher, durch den Gemeinderot erfolgen. Vizepräsident Kraut (v. K ) sah in der Stellung de« Geistlichen hinter dem Orte Vorsteher eine bedauerliche, sachlich nicht begründete Degradierung de« elfteren in mindesten« 80*/» oller Gemeinden,beantragte Wiederherstellung der Regierungsvorlage, die den Geistlichen an erster Stelle nennt und trat im übrigen für die Kowmisstonianträge ein. Heywann (Soz.) beantragte Streichung der Mitgliedschaft de« Geist, lichen im Ortsschulrat und Wahl der Vertreter der Schulgemeinde durch alle Gemeindeeinwohner, nicht bloß derjenigen, deren Kinder die Schule besuchen und zwar unter Anwendung de» Proporze«. Eine der Lehrerinnen müßte auch Mitglied de« Ortrschulrate» sein. Weber (Ztr.) »erlangte bezüglich der Geistliche» die Beibehaltung der jetzigen Zustande». Ein Geistlicher im Stuttgarter Ortsschulrat würde doch zu wenig sein. Minister v. Fleischhauer führte au«, er habe eine Beanstandung der Stellung de« Geistlichen im Ortrschulrat nicht wehr erwartet und bedaure die Stellung de« Geistlichen hinter diejenige de« Orttvorsteherr. In ländlichen Gemeinden sei für die Leitung der Geschäfte de« Ortrschulrat» niemand so geeignet, wie der Geistliche, in dessen Vorzugsstellung kein Widerspruch mit dem Prinzip der Staattschule läge. Da« von den Lehrern gewünschte Wahlrecht sei keine Gewähr dafür, daß der tüchtigste au« der Wahl hervorgehe. Der Gewählte würde sich auch nicht so sehr als Vertreter der Schule wie al« Vertreter de»
hervor, daß e« in vielen Fällen gerade der Geist« liche sei, der die Gemeinde an ihre Pflichten gegen- über der Schule erinnere. Rembol d - Gmünd (Z.) erwiderte auf verschiedene Autführungen der Vorredner. Durch die wesentlich veränderten Zustände sei da« Wahlrecht der Eltern dringend notwendig. Die Sozialdemokratie meine zwar, wir wollten mit diesem Speck nur Mäuse fangen, habe aber selbst angebissen. Ihrem Antrag stimme seine Partei im Prinzip zu, erforderlich sei nun aber die Zurückweisung der Anträge an die Kommission. Dr. Hieb er (D. P) stellte ein Bedürfni« für direkte Wahlen in Abrede und beantragte auch ein Wahlrecht der Lehrerinnen zur Wahl der Vertreter der Lehrerschaft. Liesching (Vp.) erklärte sich gegen da» Konfefftonalttät«. prinzip undgegen nochmalige Komwisstonrberatung. Weber (Z.) stellt den Antrag, daß die Bestiw- mung über die Zahl der Lehrer und Lehrerinnen im Ortsschulrat der Genehmigung de« Oberschul- rat« bedarf. Nach weiteren Autführungen der Abg. Heymann (Soz) und Rewbold-Aalen (Z.) wurde der Antrag Heymann auf Beseitigung de« Geistlichen au« dem Ortrschulrat mit 65 gegen 14 obgelehnt und der Komrnisfionsantrag betr die Stellung de« Oltsgeistlichen im Ort«- schulrat mit 42 gegen 37 Stimmen angenommen. Der Antrag Kraut wurde abgelehnt und dem ersten Antrag de« Zentrum« zugestimmt, dergleichen dem ArtragHieber und dem Antrag der Volktpartei (Schularzt). Mit den entsprechenden Aenderungen wurde daun der Kommisstonsantrag zu Art. 74 genehmigt. Der Kommission« an trag zu Art. 75 wurde mit 54 gegen 24 Stimmen angenommen. Unter Ablehnung der Anträge der Sozialdemokratie und de« Zentrum« dktr. die Wahlart der Gemeindeschulvsrtreter gelangte schließlich auch noch der Komwisfionrantrag zu Art. 76 zur Annahme. Die Abstimmung nahm Dreiviertelstunden in Anspruch. Morgen Fort, setzung.
Stuttgart 25. Jan. In der Nacht zum 20. Januar wurde in einem hiesigen Warenhaus ein gebrochen. Es wurden 29 Herren, uhren, 34 Damenuhren, 50 Ringe und eine größere Anzahl Kettenarmbänder und Ur ketten gestohlen.
Heilbronn a. N. 25. Jan. Der Neckar, der gestern schon Treibeis führte, ist infolge der zunehmenden Kälte, über Nacht vollständig zu- gefroren. E» ist die« zum drittenmale in diesem Winter.
Lauffen a. N. 25. Jar. Ueber eine von Bönnigheim gemeldete Wildereraffäre geht uns folgender Bericht zu: Der Jagdaufseher der hiesigen Jagdgesellschaft, Wörner; traf am letzten Samstag abend gegen */»6 Uhr tm hiesigen Kai- wald den 19jährigen Maier, Knecht de« Bauern Klöpser in Hohenstein beim Wildern. M. ent>
sprang au« dem Walde und wurde von W. verfolgt, wo er auf dem Felde Bönnigheim zu, ein- geholt wurde. M. wtdersctzte sich der Festnahme und schoß auf den Jagdaufseher eine Ladung Rehposten au« nächster Nähe ab, worauf er flüchtete. W. der in die Oberschenkel getroffen wurde, brach zusammen und schleppte sich unter unsäglicher Mühe durch Kriechen auf den Ellenbogen an die MeimrheimerKirchheimer-Landstraße wo er nicht mehr weiter konnte, da er halb verblutet war. Er feuerte hier Schuß auf Schuß aus seiner Jagdflinte ab und rief dazwischen, um Hilfe herbeizuschaffen. Endlich nach 2 ^-ständigem Liegen gegen acht Uhr wurde er von einem Schäfer, der aufmerksam wurde, entdeckt und der Jagdpächter Fabrikant Amann in Bönnigheim von dem Unglück verständigt. Er holte ihn sofort in seinem Automobil ob und verbrachte ihn in dar Hospital Bönnigheim. Gleichzeitig wurde die Landjägermannschaft alarmiert, die sofort da« Hau« des obigen Klöpfer« umstellte, wo dieser gerade mit seinem Knecht, dem M. zu Tische saß. Letzterer wurde sofort verhaftet und mit dem Schwerverletzten konfrontiert, worauf ihm dieser mit den Worten: ,Ja der ist'«, der Lump hat mich geschaffen" als Täter bezeichnet«, worauf M. in« Gefängnis abgesührt wurde. W. wurde noch Nacht« das Bein amputiert, was bei volle« Bewußtsein geschehen mußte, da der Verwundete infolge de« großen Blutverluste« zur Narkose zu schwach war. Leider war die Amputation erfolglos da W. seinen schweren Verletzungen erlegen ist.
Berlin 25. Jan. Auf Wunsch de« Kaiser« sollen beim Einzug des englischen Köntgspaare« alle Veteranen-, Krieger- und Regiments-Vereine Spalier bilden, unter ihnen namentlich der Verein ehemaliger 1. Garde- Dragoner und des Husarenregimenl« Fürst Blücher von Wahlstatt Nr. 5., deren Chef König Eduard ist. Eine größere Abordnung de« 6. Husarenregiment« in Stolp in Pommern trifft zum Besuch de« englischen König« paare« in Berlin ein.
Berlin 25. Jan. Zu dem gestrigen Sonntag hatte die sozialdemokratische Parteileitung eins Anzahl Versammlungen einberufen mit der gemeinsamen Tagesordnung „Freies Wahlrecht oder MandatsKassterung und Ausnahmegesetze". Die Versammlungen waren wohl gut besucht aber durchau» nicht überfüllt. Die Redner nahmen zu dem Versuch, die sozialdemokratischen Abgeordneten au« dem preußischen Landtage durch Einlegung von Wohlprotesten zu entfernen» Stellung und geiselten diese« Verfahren in scharfen Worten. Rach Schluß der Versammlung in der Schloßbrauerei Schöneberg formierte sich au« etwa 1000 Personen ein Zug, der von der Brauerei die Hauptstraße hinabzog. Kurz vor dem Rathaus war zahlreiche Polizei
«lle diese verständigen Betrachtungen ging ein unbewußter heimlicher Glück«schauer, daß e« solche Anmut, so süße« warme« Leben gebe und ein wunderliche« Gefühl, daß er noch jahrelang, wenn er der Lieblichen längst Lebewohl gesagt habe, an sie denken müssen werde.
Längst hatte der zugleich träumerische und eilfertige Wanderer die Mauern und Kuppeln der Abtei mit ihren Kirchen und weißen Höftn vor Augen md ging unter den fast schattenlosen mittelgrünen Eucalypturbäumen hin, die ring« um Tro Fontane angepflanzt find. Hätte er schärfer auf die Dinge außer sich geachtet, so würde ihm nicht entgangen sein, daß am Torbogen der die Kirche umschließenden Mauer derselbe bäuerliche Bursche erwartend stand, der vor wenig mehr als zwei Stunden ihm so unerwartet den Brief von Frank Holter« überreicht hatte. Der Eampagnole streckte freilich nur einmal seinen schwarzhaarigen Kopf hinter der vergrauten Torsäule hervor, die ihn barg, zog ihn. sowie er mit funkelnden Augen den Heranschreitenden erschaut hatte, blitzschmll zurück und war altbald nach link» hinter der alten Kirche San Vicenza verschwunden. Friedrich Gerland nahm, al» er sich endlich seinen wogenden Gedanken zu entreißen versuchte und aufmerksamer um sich blickte, nur den altertümlichen Torbogen ohne den Späher wahr und trat in den weiten einsamen Hof der tm Lichte der NaLmitlagssonne in taufend Farben schimmerte. Er sühlte sich, minder vom Weg al» von den Erlebnissen und wechselnden Stimmungen de« vormittag«, erschöpft, er sah sich läng« der Gartenanlagen de» Kloster«, läng» der Kirchenmauern nach einem schattigen Ruhesitz um, ohne einen solchen sogleich entdecken zu können. Erst al« er den Mittelgang zwischen den Kirchen beinahe hinauf war, zeigte sich bei der Pforte des Hinteren Bauer» der Kirche und den drei Quellen, eine steinerne Bark, auf die er sich alsbald nirderließ. Tin sechr- oder siebenjährige« Mädchen mit einem Kristallgla« in der Hand bot dem Fremden Wasser au« den geweihten Quellen an, über denen die Kirche gewölbt ist. Doktor Gerland nickte ihr
freundlich zu, sagte aber, daß er für jetzt nicht in die Kirche sintrete« wolle und bat sie, ihm einen frischen Trunk nach seinem Sitz zu bringe», wenn da« erlaubt sei. Da« Kind huschte alsbald hinweg und kehrte mit einem gefüllten Glase zurück, der Durstige trank und reichte dem Mädchen ein paar Kupferstücke, die die Kleine begierig ergriff und dann zärtlich z» streicheln begann. Der Becher Wasser und der teilnehmende Blick auf da« erwerblustige Kind erfrischten Gerland und nachdem er noch einige Minuten gerastet hatte, zog er den vorhin eingesteckten Brief des Malers noch einmal hervor, um die Beschreibung de» alten Savelliturme» zu lesen, der recht« hinüber, nahe dem Tiber liegen sollte. Er empfand, daß er sich alsbald entscheiden müsse. Wenn er freilich nicht mehr bei sich und seiner Aufgabe sei, al« auf dem Wege von San Paolo bi« hierher, so war e« unnütz, den heißen und ein wenig mühseligen Pfad, den ihm Frank Holter« beschrieb, erst einzuschlagen. Er mußte an Kaiser Heinrich dem Luxemburger denken, so schwer e« ihm fiel, oder die merkwürdige Entdeckmg, die der abenteuerliche Maler gemacht, ein andere« Mal prüfen. Er überlief mit den Augen nochmal« die Zeilen der Briefes Md die Abbildung de« Wappen«. Von einem längeren Aufenthalt de« phantastischen Kaiser« in der südlichen Campagna wußte keine Urkunde, keine historische Ueber- lieferung etwa«, da« Vorhandensein de» Wappen« im Reste einer mittelalterlichen Burg mußte einen anderen Zusammenhang haben. E« fiel Gerland auch auf, daß Frank Holter« so ganz ohne Vorbehalt diese Meldung gemacht habe, während e« ihm ein leichte« gewesen wäre, dem Gelehrte« seinen Fund wichtig zu machen und sich einen Gewinn dafür zu bedingen. Doch sagte er sich, daß er den unsteten Maler vielleicht am bezeichnet«« Platze treffen, oder auch, daß Frank Holter« über kurz oder lang seine« Lohn einfordern werde.
(Fortsetzung folgt.)