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hätten zu einer Aenderung de» Verhältnisse« zwischen Kaiser und Balk geführt. Dem deutschen Volke sei e» zum Bewußtsein gekommen, daß e» so wie bisher nicht weitergehen könne. Da« Hlneintragen persönlicher Empfindungen in die Politik hätten un« dem Auslände gegenüber ge­schadet. Wir wollen keinen Tchattenkaiser, aber wünschen konstitutionell regiert zu werden, und verlangen mehr Achtung für die Männer, welche da« Volk versaffune«rechtlich regieren. Die ein- wütige Haltung der Ration in den letzten November- tagen haben ihren Eindruck nicht verfehlt. An dem dem Volke gegebenen Kaiserwort dürfe nicht gerüttelt werden. Bezüglich der Neujahrsansprache de« Kaiser», meinte Redner, sollte man sich'en nervö« zu werden. Es sei auch keine Art, die Ohren zu spitzen, wenn Männer mit einander reden. Im ko stitutionellen Staat sei die Minister- Verantwortlichkeit notwendig. Der Monarch müß'e von einem Manne begleitet sein, der ihm folge wie sein Schatten und die volle Verantwortung trägt. Die Nationallibrralen werden eintreten für ein Gesetz da« die Verantwortlichkeit de« Neichrkanzler« festlegt. Ein richtig ausgestaltete« VerantwortlichkeitSgef'tz werde die beste Waffe gegen unberechtigte Zumutungen und die beste Stütze für den Monarchen sein. Nach Be- sprechung der Frage bezüglich der Revision der Geschäftsordnung für den Reichstag und der er ledigten Aufgaben durch die Blockmehrheit, schloß Redner mit der Versicherung, daß die Partei ihren Idealen treu bleiben werde und ihrem Programm. Bezüglich der Einheit de« Rechts, de« Verkehr» und der Gesinnung würden die Nationalliberalen immer unitarisch denken, sich bei ihrer Arbeit für da« Wohl des Vaterlandes immer leiten lassen von dem Gedanken: das Reich muß un« doch bleiben l (Stürmischer Bei­fall.) Reich», und Landtagrvbg. Prof vr. Hieber sprach überdie politische Lage in Württemberg". Ausgehend von der ver. antwortungrvollen Stellung der deutschen Partei im Landtag, erklärte Redner, baß die Partei e« mit dem alten Schwaben halte «Der tapfre SLwabe forcht sich nicht, geht seines Wege» Schritt für Schritt". J-tzt würden im Halb- mondsaal gegen früher lebhaftere Töne angeschlagen und leidenschaftlichere Accente gingen durch die Verhandlungen. Bemerkenswert sei die einstim­mige Annahme aller großen Vorlagen, de« Etat«, der Theater- und Bah» boft vor läge, sowie de« veawtengesktze», Ergebnisse, über die man sich befriedigt äußern dürfe und dis die Hoffnung auskommen lassen, daß eine gewisse unehrliche Agitation im Lande ihren endgültigen Abschluß gefunden habe. Nach Besprechung de« neuen Etat« der Bauordnung und der Gesetzentwurf« betr. die Errichtung einer Landwirts ch aftt kämm er, behandelte Redner die Volkrschulgesetz- Novelle. Er trat den Angriffen auf die württemb.

Volksschule, die alt rückständig geschildert werde, entschieden entgegen. Der Entwurf sei in seinen einzelnen Teilen auf jeweil« wechselnde Mehrheiten zugkschnitten und die scharfen Töre, welche Zen­trum und Konservative j Ht gegenüber anderen Parteien laut werden lassen, würden sich bei der Frage der Neuorganisation der Volksschule wieder­holen, aber dann würden Zentrum und Konser­vative sich gegenseitig bekämpfen. Bei der Stellung­nahme, die die Partei zu den bisher behandelten Artikeln eingenommen habe, wisse sie ihre Wähler hinter sich. Die deutsche Partei halte fest an der konfessionellen Schule. Wo unter besonderen Umständen eine gemischte Schule zulässig erscheint, da werde die Partei ihre Zusttmwug zur Errichtung derartiger Schulen nicht verweigern, an« Gründen der Gewissensfreiheit und der Toleranz. Die Einführung der sachlichen Bezirkeschulaufstcht bilde den wichtigsten Teil der Novelle. Die Partei Hobe sich redlich bemüht, etwa« Positive« und Fortschrittliche« zu schossen. Bei dem Volksschul- gesetz werde e« sich um einen Kompromiß zwischen den veischiedensten Interessen handeln. WoS au« den Verhandlungen hervurkommt, wird ein Kom­promiß sein. Er wünsch,?, daß dar neue Gesetz ein friedliches Zusammer wirken ermöglichen und zum Heil der Familie und der Kinder führen werde. Im übrigen stehe die Partei in allen Haupt- fragen einheitlich und geschloffen da. (Stürmischer Beifall.) -

Stuttgart, 11. Jan. Aus dem Vortrag des Finanzministers über den Etatsentwurs für 1909 und 1910 ist weiter zu erwähnen, daß die Einnahmen aus Forsten für die beiden Jahre um 81425 »4L bezw. 77 575 höher angenommen werden, wobei die Nutzung auf je 1080000 »4L zum Durchschnittspreis von 16,25 »4L für 1 Fest- weter Derbholz in Aussicht genommen ist. Für 1908 ist zwecks Ausnutzung des günstigen Preis­standes eine außerordentliche Nutzung von 75 000 Festmetern vollzogen worden. Die Ablieferung bei den Berg- und Hüttenwerken wird für beide Jahre um je 53220 »4L höher angenommen, die aus den Salinen um 26470 »4L Der Reiner­trag der Eisenbahnen ist veranschlagt für 1909 zn 17902100 »4L ( 713600 »4L), für 1910 zu 18678 600 »4L (ft- 62900 » 4 L). Dabei sind die Roheinnahmen zugrunde gelegt für 1909 mit 78195000 ^L für 1910 mit 80757000 »«, was eine Erhöhung um 2 465 000»4L bezw. 5 007000»4L bedeutet. Die Ausgaben beziffern sich auf 60 292 900 »4L bezw. 62078400 »4L, wa? einen Mehraufwand von3178600 Mark bezw. 4964100 »4L darstellt Der weitaus größere Teil davon ertsällt auf die persönlichen Ausgaben der Betriebsverwaltung, da allein die Gehälter für 1909 565700 «4L, für 1910 8^5300 Mark mehr beanspruchen. Die anderen persönlichen Ausgaben machen ein Mehr von 1855 700 »4L bezw. 2144600 »4L aus, letztere betreffen vor ollem eine Erhöhung der Tagegelder, des ohne Anstellung ver­wendeten Pe sonals, eine Vermehrung deS bau­technischen Hilfspersonals für den Neuboudienst, sowie eine Erhöhung der Tag- und Akkordlöhne,

die Vermehrung der Zahl der HilfSunterbeamtea und Arbeiter. Der Mehrbedarf an sachlichen Aus­gaben beträgt 754 000 »4L bezw. 1922000 »4L I« Etat der Post- und Telegraphenverwaltung ist der Reinertrag für 1909 auf 8 758 500 »4L (4-1134557 Mark) und für 1910, auf 9 945 500 »4L (ft- 2 32155V Mark) berechnet. Kümmerlich wie immer bleibt der Reinertrag der Bodenseedampfschiffahrt und zwar für 1909 mit 2696 » 4 L für 1910 mit 3266 »M Bei der Münze ist für beide Jahre ein Mehranfall von je 10210 »4L in Aussicht genommen. Der Staatsanzeiger soll jährlich 10000 »4L abwerfeu; außerdem ist beantragt, seinen Angestellten die Eigenschaft von Staatsbeamten im Sinne des Art.

1 Abs. 1 des Beamtengesetzes zu verleihen. Unter den Deckungsmitteln ist die Einkommensteuer, die beantragte Erhöhung um 12°/° vorausgesetzt, mit einem Mehrerlrag von 2 208000 »4L im ersten und von 2244 000 »4L im zweiten Jahre veranlagt. Die Grundsteuer wird sich um je 184000 »4L, die Gebäudestemr um 264000 »4L bezw. 268000 »4L und die Gewerbesteuer um je 258000 »4L erhöhen. Bet der Kopitalsteuer macht die Erhöhung de« Steuersatzes im ersten Jahre 414000 »4L im zweite« 432000 »4L aus.

Stuttgart 11.Jan. (Strafkammer.) Einen halsbrecherischen Diebstahl führte der 20 Jahre alte Linierer Albert Riegert au«. Er stieg von seiner elterlichen Wohnung über die Dächer zweier benachbarten Häuser in ein Kleidermogozin ein und entwendete daraus 8 Anzüge. Auf dem gleichen Wege kehrte er wieder in die elterliche Wohnung zurück. Sein 19 Jahre alter Bruder Eugen Riegert und der 16jährige Ausläufer Wilhelm Schell versetzten die Anzüge. Alber 1 Riege; t i rhtelt wegen schweren Diebstahls 10 Monate Gefängrir. Eugen Riegert und Schell wurden wegen Hehlerei mit 4 bezw.

2 Monaten Gefängnis bestraft. Sämtliche drei Angeklagte find vorbestraft.

Feuerbach 8. Jan. Dem Platzmeister Glaser, der ein großer Schwein geschlachtet hatte, ist nach!« die ganze Metzelsuppe ge­stohlen ww den. Die Täter, ein in Zuff-nhausen wohnendlS Bruderpaar, die Taglöhner Ernst und Karl Rau, konnten jedoch ermittelt und ihnen noch über 100 Würste wieder abgenommen werden.

Plattenhardt OA. Stuttgart 11. Jan. Seit einiger Zeit treibt eine Anzahl Wilderer ihr Unwesen. Nachdem von den Forfibeamten 8 Gewehre beschlagnahmt und im Rathaus ein- geliefert waren, wurde in der Nacht zum Sonntag, wie dasStuttg. Neue Tapbl." meldet, ein Ein­bruch versucht, der die Diebe aber nicht in den Besitz der Gewehre brachte. Bet einer kürzlich im Siaatswold Dettenhausen abgehaltenen Treib­jagd, an der 70 Jäger und 40 Treider teilr ahmen, wurde nicht ein einzige« Stück Wild erlegt, weil in der Nacht vorher die Wilderer den ganzen Distrikt mit Hunden abgehetzt hatten- Auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 100 Mark aurgesetzt.

ergangen und die Vigne, auf der nur wenig scklecktrr Wein nückst, samt der verräucherten Hütte, die C cca von ihrem Großvater, Signor Onosrio, geerbt hat, find nicht gesünder geworden. Ich habe seit vorigem Sommer das Fieber m d konnte es auch iw Winter nicht abschüiteln und Fror cee ca wird'« über kurz oder lang auch haben und hält dabet sechs Fasttage in der Woche. Die guten Brüder in Abboia belle tra Fontane wähnten, wir könnten hier vielleicht für ein paar Wochen gesunde Wohnung und billige Unterkunft finden; dazu aber mr ß man, wie ich höre, nicht bloß ein Deutscher sein, sondern auch au« Deutschland kommen. Run, da es denn nichts ist. kriechen wir wieder in unseren Winkel und «arten ab, wo« Gott und dem Fieber gefällt."

Hoben Sie sich nicht an den deutschen Künstle;verein hier gewendet?" fragte Friedrich Gerlavd etwa« zögernd, da er die Antwort ungefähr vorher- sah. Frank Holler« hatte eben wieder da« Glas erhoben, er setzte e» augenblicklich ab, sein Gesicht färbte sich beinahe so dunkelrot wie der Wein und mit zorr heiserer Stimme sagte er:

Wollen Euer Hoäwrhigkkoren nicht die Herren Landsleute urd teueren Kollegen selbst nach Frank Holter» besragen? Sie können da ki pp und klar und zur Not Ichwarz aus weiß erfahren, daß der Holters ein unverbesserlicher Strolch und Galgenstrick ist. Ich Hobe seit vielen Jahren mit den Tröpfen, die sich Atelier» Hollen und die Kovalieri spielen, nicht« zu schaffen, Herr Doktor, wünsche Ihnen ober Glück zu den verehrlichen Bekanntschaften. Sie werden die Augen aufreißen. wenn Sie hören, dcß ich noch lebe grüßen Sie sie schön von wir und sagen Sie ihnen, ich würde mir die Freiheit nicht lange mehr nehmen."

Der Ton des gereizten Manne» war immer rauher urd gröber geworden, die junge Frau, obschon sie seine Worte nicht verstand, erriet ganz gut, wc« vorging md fcltele ergeben und mit einem traurig müdin Ausdruck ihre Hände, nachdem sie dieselben bittend gegen den Mann er­

hoben hatte. Es hätte dieser Gebärde und der leisen Worte nicht bedurft, die Klara Aldeuhoven ihrem Jvgerdbekaunten zuflüsterie, um Tokior Gerlond« Entschluß zu reifen. Er kämpfte sein innens Widerstreben rasch nieder und sagte, indem er dem armen Poare näher trat:

»Ereifern Sie fich nickt, Herr Holler«. Ich möchte, gleichviel wa« unsere Landsleute metuen, Ihnen meine Hilfe anbieten. Ich bin kein reicher Mann, aber mir Ihrer Erlaubnis rmll ich gern für ein paar Monate ein bescheidene« Quartier hier in der Nähe für Sie zahlen, Ihnen auch ärztliche Hilfe verschaffen vielleicht kann ich auch ein paar Käufer für einige Ihrer Aq arelle finden. Fräulein Addenhoven, eine Land«- wänuin, sagt mir soeben, daß in einem der kleinen Häuser hier gegenüber ein Zimmer und eine Kammer zu hoben find. Entschließen Sie fich dazu und gestalten Sie wir, Ihren einen Vorschuß zu wachen, den wir künftig schon ourgleiLen wollen. Wenn sie hier in der Nähe bleiben, können wir leichter noch Ihnen sehen und vielleicht die Schwestern hier noch bestimmen, daß dieselben etwa» für Sie und Ihre Frau tun."

Frank Holters bl'Ste mit ungeheucheltem Erstaunen auf den hilfreichen Londkwonn, der die Börse heivorgehvlt hatte und ihm zwei Zwanziglire- stücke dar bot. Ter nsiche harte Zug um den Mm d des Malers wich einem Ausdruck von Verlegenheit, er zögerte eine Minute, da» Geld zu nehmen. Friedrich Gerlond erleichterte ihm den Entschluß, indem er die Goldstücke in die Hand der Frau legte und ihr in italienischer Sprache wiederholte, wcs er ihrem Mann vorgefchlagen Hobe. Die großen dunklen Augen Franc rca« leuchteten auf sie stammelte ihren Donk einmal um da« andere rnd beugte fich daun plötzlich nieder, und küßte den Saum von Klara Addenhoven« dur kl'M Kleide. Sie hielt die schlanke Dame, dis »eben dem blondbärtigen Deutschen stcknd, cfferbar für dessen F au und ein onwulige» Erröten Fräulein Klara» bezeugte, daß diese den Gedanken der Römerin erraten hatte. (Forts, folgt.)