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Mehrkosten auf 92 Millionen. Der Regierunge­entwurf treffe da« Richtige, man müsse mit der Auflegung neuer Losten vorsichtig fein, zumal die Einkommenssteuer um 12°/, erhöht werden soll. Der Bauernbund trete ein für Sparsamkeit, sei aber kein Feind de« Fortschritt«», sondern sehe ebenfalls auf gesunden Fortschritt, ober nicht nur d, Lu«gaben, sondern auch in Einnahmen. Die ländliche Bevölkerung müsse zusammenstehen, wie es von andern Seiten auch geschehe, sie wolle aber keinen U, stieben säen, die Bürger seien auf einander angewiesen und sollen gemeinsam zu­sammen st, hen für die hohen Güter unsere» Vater­landes. Zum Schluß schlug der Redner eine Resolution zur Schulnovelle vor, die einstimmige Annahme fand. Die Resolution lautet:

Die heute versammelten Wähler des Bezirk« Ealw erklären hiemit ihr Etnverständ- ni« mit der Haltung der Abgeordneten der Bauernbundes gegen die zwangsweise Einführung einer 8. Schuljahr». Sie ersucht auch bei Fest, setzung der Höchstschülerzahl am Vorschlag der Regierung ftstzuhalten und spricht gegenüber dem Abgeordneten de« Bezirk» die Bitte aus, in dieser Frage, angesichts der drohenden Steuer- erhöhung auf die Letstungrsähtgkeit der länd­lichen Gemeinden volle Rücksicht nehmen zu wollen."

Die sehr maßvollen, ruhigen Aurführungen de« Redner« fanden stürmischen Beifall bet der zahlreich besuchten Versammlung.

^ Möttlingen 7 Jan. Nach 1V»jähriger Pause trat der hiesige Totengräber erstmals wieder in Tätigkeit um eir em b'jahrten Manne die letzte Ruhestätte zuzurichten. Ist doch tatsächliL seit August 1907 hier niemand mehr gestorben. Gewiß eine Selter heit und ein sprechender Beweis für die Güte der Luft und die klimatischen Verhält­nisse unserer Gegend.

Stuttgart 9. Jan. In der Zweiten Kammer machte heute Vizepräsident vr. v. Kiene Mitteilung von der Einbringung de» Hauptfinanzetatr, der am Dienstag den Mitgliedern de» Hause» zugehen soll. Die gestern abgebrochene Beratung über Art. 8 der Volkrschulnovelle wurde auch heute noch nicht beendigt, jedoch auf Art. 9 au« gedehnt» demzufolge gemäß dem Antrag der Kommission dann, wenn an der Volk«schule einer Gemeinde zwei Lehrstellen vorhanden find, in allen Fällen die erste und bet mehr al« 130 (Entwurf 150) Schülern auch die zweite Stelle mit einem ständigen Lehrer besetzt werden muß. Bet mehr al« 110 (130) und nicht mehr al, 130 (150) Schüler» soll der zweite Lehrer der Regel nach ein ständiger sein. Die Kommission verlangt ferner in einer Resolution tunlichste Vermehrung der ständigen Süllen in Lehrer­bildungsanstalten, Waise» Häusern und TaubstuM- «enanstalten, ferner weitere Einschränkung der

ständigen Amtsvrrwesereien und Gewährung ent­sprechender Staatibeiträge Die Debatte wurde auch heute wieder von den beiden Berichterstattern ein geleitet. LSchn er (V.) wandte fich gegen die gestrig«» Ausführungen de« Ministers, bezeich- nete die Berechnungen der Regierung al» viel zu schematisch und summarisch und betonte, die Volks­bildung sei so wichtig, daß sie auch Geld kosten dürfe. Was bezüglich der Schülerzahl einer Klasse für dis höhere Schule recht sei, müsse für die Volksschule billig sein. Der von ihm in der Kommission gestellte Antrag würde nicht so viel erfordern, al« ein Kriegsschiff koste, käme aber 182000 Schülern zugute. Schrempf (B K.) trat auch bezüglich de» Art. 9 für den Regierung«. entwurf ein. Man düife die Rücksicht auf die firanziillen Verhältnissen der Gemeirden nicht außer Acht lassen. Trete hierin später eine Btfferung ein, so könne dos Gesetz geändert werden Mt der Uebernahme der persönlichen Schullasten auf den Staat lasse fich zur Zeit noch nicht rechnen. VSzep'ästdent Kraut (BK,) hob gleichfalls hervor, daß der Abgeordnete fich nicht allein von pädagogischen Rücksichten leiten lassen dürfe, sondern auch auf die finanziellen Schwierig, keilen achten müsse. Die Annahme des sozialdem. Antrags hätte eine finanzielle Deroute in vielen Gemeirden zur Folge. In den Kreisen der Volkrpartei müsse das Interesse für die Volktschule nicht so groß sein, wenigsten« besage ein Bericht über die DreikönigSparade, daß der Gaal bei der Rede Mayers über diese Frage sich immer mehr geleert habe. Es sei immer bedenklich, Über die Forderungen der Regierung hinauszugehen, die doch über die Leistungsfähigkeit de» Staates am besten or ientiert sei. Speth - Wan gen (Ztr.) trat für den Regierungsentwurf ein ur-d erwähnte ein Beispiel, wonach infolge des sozialdemokratischen Antrag« die Schullasten einer Gemeinde mindesten» verdoppelt würden. Kübel (D. P.) war der Ansicht, daß die Popularitätthascherei bet denen, die die Laschen zuhalten, größer fei al« bet denen, die mehr bewilligen wollen. Er sprach sich gegen einen Antrag Schick aus, demzufolge die Mehr­kosten, die den Gemeinden au« der Herabsetzung der Schülerzahl erwachsen, bei bedürftigen Ge­meinden von der Staat« kaffe getragen werden sollen. Weber (Ztr.) nannte die gestrigen Aur­führungen Hkymann« über da» württembergtsche Volkrschulwesen Uebertreibungen. Hildenbrand (Soz.) warf den Parteien der Rechten Bildung«- feindlichkeit vor. Die Zahlen der Regierung seien irreführend und täuschend. An der gegen­wärtigen Ftnanzmisere sei doch nicht die Volks­schule und vor allem auch nicht die Sozialdemokeatie schuld. Sobald die Gemeinden nicht mehr ge­zwungen würden konfessionell getrennte Volke- schulen zu unterhalten, falle da« Schreckgespenst mit den durch den soz. Antrag notwendig werdenden Ausgabkn in nicht« zusammen. Kein Geld sei

besser angelegt al« das für die Volkischule aus. gegebene. Ltesching <Vp.) beantragte einen Zusatz zu dem Antrag Schick. Darnach sollen al« bedürftig diejenigen Gemeinden angesehen werden, bei denen die Gemeindeumlage mehr al« 10'/» des Grund-, Gebäude- und Gewerbekataster« be- trägt. Im übrigen wies Liesching einige Angriffe auf ihn und seine Partei zurück. Am Dienstag nachmittag wird dis Beratung fortgesetzt werden.

Stuttgart 9. Jan. (Steuerer­höhung in Württemberg.) Der neue Etat für die Jahre 1909 und 1910 ist nunmehr den Ständen übergeben worden. Es geschah die« im Laufe der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer. Der Entwurf wurde vom Präsidium sofort zum Druck gegeben; der Ein­lauf dcs Etats wurde in der heutigen Sitzung bekannt gegeben. Gleichzeitig mit dem Etatrent- wurf hat die Regierung den Ständen Steuer­gesetze übergeben. Wie man aus Abgeordneten» kreisen hört, bringen diese eine nicht uner­hebliche Steuererhöhung. DerGefttzes- entwurf über eine Erhöhung der Ein­kommensteuer sieht sine Erhöhung der Steuersätze um 12 Prozent vor. Gleichzeitig soll die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer, deren Gültigkeit bi« zum Jahr 1910 ging, bi« 1913 verlängert werden.

Stuttgart 9. Jan. Der gestern hier beim Herabsprtngen von der Straßenbahn ver­unglückte Direktor Ulrich von der Württ Metall­warenfabrik in Geirltngcn ist heute mittag seines schweren Verletzungen im Katharinenhospital erlegen.

Stuttgart 9. Jan. Zu den heurigen Kaisermanövern erfährt derSchwäbische Merkur", daß beabsichtigt sei, einige lenkbare Luftschiffe daran tetlnehmen zu lassen. Eine Entscheidung über das Gelände auf dem da« Manöver stattfiidet, wird erst der anfangs April an den Kaiser gehende Vorschlag de« Chefs de« Generalstabs der Armee bringen.

Biber ach 10. Jan. Al« der Mörder der Theresia Ludwig, Hofmeister, im Bei­sein der Gerichtskommisfion seinem Opfer gegen­über gestellt wurde, brach er in ein krampfhafte« Schluchzen aus und war völlig gebrochen. Auf dem Traniport konnte er nur durch ein größere« Aufgebot von Landjägern vor der erbitterten Be­völkerung g« schützt werden. Als er am Hause seiner Mutter vm über geführt wurde, ertönten daraus die Verzweiflungsrufe der alten Frau: Mörder k Mörder l" Vorerst b> findet fich Hof­meister noch im Gewah'sam der Amtsgericht« Waldsee, er wird aber demnächst nach Ravens­burg eingelüfert werden.

Laupheim 10. Jan. In Dorndorf ist der Lehre,Pensionär Melchior Leimgrubex

Welche von beiden?

Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.

Im Saale trat allmählich nächtige Stille ein über dem unteren Ende der grrß n Tafel, die inzwischen abgeräumt worden war, schimmerte nur noch eüre einzige Lampe und warf ihren Lichtschein auf die beiden zueinander geneigten Häupter, auf die beiden Gesichter, deren Ausdruck so leicht al» ein gemeinsamer erschienen wäre und doch so verschiedenen Seelen entstammte. Eine der dienenden Schwestern war ein paar Mal fast unhörbar durch den großen Raum gegangen, um zu sehen, ob die Dame und der neue Ankömmling ihr wichtiges Gespräch nicht endlich unterbrächen. Eben wollte sie sich still wieder hinwegbegeben, al« von arßen her die Tür fast ungestüm geöffnet, ward, so daß die schweigsame Schwester mit einem lauten Ausruf einen Schritt zurücktrat und die beiden am Tisch Sitzenden aus ihrer Verein­zelung aufgeschreckt wurden. Beider Augen zugleich nahmen die junge Tischgenoffin wahr, die fich in Hast und mit sichtlicher Befangenheit näherte und von der Tür au« rief: .Ich bitte sehr um Verzeihung, wenn ich störe. Aber ich habe eine Bitte an Eie, Fäulein AdderhovenI Tante will durchaus nicht länger warten als ob wir nicht zeitig genug in die langweilige Gesellschaft kämen, in der sie in ollen Sprachen vnstnn redei l Drüben ist nämlich wollen Sie nicht einmal mit wir hinüberkomwen, liebes Fräulein? E« handelt fich um ein Paar arme hilft bedü-ftige Menschen einer ist ein Landsmann und wenn ich nickt hi, zugekommen wäre, hätten sie ihm hier in dem frommen Hause einen B ffen Essen verweigert. Ich bat so lange, bi« sie rockgoben und nun bliebe ich io gern und darf nicht bleiben und möchte doch erfahren wo« au« den Leuten wird. Ein deutscher Maler, sagte er und Tante Hedwig hat mich schon au».

gelacht, daß ich so etwa« glaube. Aber er steht wirklich wie ein Künstler au«, nur verwildert und verarmt. Und vollend« sie dar reine Elend und doch so hübsch I Bitte, Fräulein Adderhoven, nehmen Sie fich der armen Lute ein wenig an; niemand wird'« tun, wenn nicht Sie! Ich muß gleich wieder hinauf ich will Sie nur führen denn die Tante hat schon nach dem Wagen geschickt und wird schelten, wenn ich sie warten lasse. N'cht wahr, Sie kommen und helfen mir, liebe« Fräulein?"

Fräulein E.ikav. Herbert stand jetzt neben dem Tische, von dem fich Klara Addenhoven und Friedrich Gelland erhoben hatten. Sie war im weißen Gesellschaftskleids, trug die gleichen roten Blüten vor der Brust und im blonden Haar, der Gegensatz ihrer Toilette und ihres weltvergessenen E fers erschien überaus anmutig. Obsckon Fräulein Addenhoven noch kein Wort entgegnet hatte, la« da» jüngere Mädchen die Hrlfsbereitwilligktit in den Zügen de« älteren und streckte die Hand nach ihr hin, um sie mit sich fortzuziehen. Sie hatte Doktor Gerlar d bi« fttzt weder Blick noch Wort gegönnt, al« sie ihn aber Miene machen sah, zmückzubleiben, wandte sie fich hastig zu ihm:Kommen Sie doch mit ms, Herr Doktor, Sie können vielleicht auch helfen und uns oder Fräulein Addenhoven sagen, was es mit dem armen fi-berkranken Künstler und seiner blaffen Frau, die eine Römerin ist. auf fich hat. Die frommen Schwestern tun so wunderliche Fragen und die Frau Oberin hat den Trauschein verlangt, «he fich die arme hungernde Frau mit zu der Suppe sitzen durste, die man dem Pilger aufgetischt hat, der freilich nicht wie ein Pilger ausfieht. Aber losch rasch, oder meine Tante läßt mich mit Spießen und Stangm in den Wagen holen."

Die blauen Augen forderten so energisch Gehorsam, al« die« sieb­zehnjährige Augen nur immer vermögen. Doktor Gerland folgte den Domen auf dem Fuße und durcheilte hinter ihnen einige Gänge und halb- bedeckte Höfe des Hauser, bis Fräulein Addenhoven und er wieder unter