^ 6. Amts- und Änzeigeblatt für den Oberamtsbe^irk Calw. 84. Jahrgang.
y»1H»>>u>-i,«lag«: vl-at-z, Mttlwoch.
--»uirltag, Kreitay uad «amytay. Ansertioalprei« >v 4s,. vro ^,U« für Stadt s. Blzirktort«; außer Bezirk II Pf,.
Amtliche Bekanntmachungen.
Aufruf.
Eine Katastrophe, wie sie in der G-schichte der Menschh it nur selten z„ verzeichnen ist, hat die Einwohner von Sizilien und Kalabrien betroffen!
Ganze Städte und Dö:fer sind von einem Erdbeben teils zertrümmert, teil« schwer bischädigt worden. Die Zahl der Einwohner, welche ein jäher Tod ereilt, geht j tzt schon in dis Zchntausende. Nicht minder zahlreich werden dis Verstümmelten oder sonst Verletzten sein. Das Elend ist un. beschreiblich, baldige Hilfe geboten.
Wir wenden ms an den vielbewährten Wohl'äitgkeitsfinn unserer Mitglieder in Stadt und Land mit der Bitte um kräftige Beisteuer zur Linderung der Not.
Stuttgart, 30. Dezember 1908.
Jeutrallriluug des Wohltätigkeitsverems:
Getzrsr.
Gaben in Geld nehmen in Empfang:
dar Kafseuaurt der Zentralleituug des Wohltätigkeitsvereins, S'ungart, Furtbachstr. 1611 Hauptsammelstelle, da« Stadtschultheitzenamt i« Calw.
T*seS»e»isketterl.
-r. Ostelsheim 8. Jan. Schon mehrere Jahre ist er her, seitdem auch in unserer Gemeinde die Wasseroersorgunqsfrage auf der Bildfläche erschienen ist. Dieselbe ist dann auch in dieser Zeit in der Bürgerschaft schon oft zum Gegenstand de» lebhaftesten Msinungsaurtauschcs und der eingehendsten Erörterung geworden. Wohl hat hier noch nie ein eigentlicher Wassermangel existiert, aber doch ist für viele hiesige Ortrein- wohner die Beschaffung der nötigen Wasser»,
Samstag, den 9. Januar 1909.
besonder» auch zu Kochzwccksn (hauptsächlich in der kalten Jahreszeit) mit vieler Mühe verknüpft. E» ist deshalb der Wunsch immer lebhafter geäußert worden, vaß diesen Uebslständen gleichwie in anderen Gemeinden unseres Bezirks abgeholfsn werden möchte. Diesen Wünschen glaubten sich die bürgerlichen Kollegien schlikßlich nicht mehr entziehen zu körnen und so wurde dann da« wichtige Werk in Angriff genommen. Nachdem die nötigen Vorarbeiten (Untersuchung drei verschiedener in Betracht kommenden Quellen durch da» K Medizinalkollegium, Anfertigung der Pläne u. s. w.) beendigt waren, fand gestern unter dem Virfitz unsere» verehrten Oberamtsvorstander, Herr Regierungerat Voelter, und im Beisein eines Technikers der K. Bauamt« für dar öffentliche Wassers:rso gungrwesen, Herr Inspektor Franz, eine gemeinschaftliche Sitzung beider Kollegien statt, in welcher die durch den letzteren eingehend erläuterten Pläne endgiltig genehmigt und deren baldigste Ausführung beschlossen wurde, so, daß die Aurschreibung der erforderlichen Arbeite« nun. mehr unverzüglich erfolg'«?§nn. Herr Rezterungs- rat Voelter. dieser unermüdliche Vorkämpfer jeglichen gesunden Fortschritts, verstand iS in vorzüglicher Weise, die dem Werk noch entgegenstehenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen; der Dank und die Anerkennung seitens der hiesigen Gemeinde soll ihm deswegen auch nicht vorenthalten werden, zumal wir auch vorzugsweise seinem energischen Eingreifen die vor drei Jahren erfolgte Errichtung unserer Haltestelle in der Hauptsache zu verdanken haben. Anerkennung verdient auch dar Entgegenkommen derjenigen Güterbefitzer, welche durch den Bau der Wasserleitung in Mit- leidenschaft gezogen werden, sowie de» hiesigen Mühlebesttzers, Herr Karl Krämer. Möge denn das große Werk, da» an die finanzielle Leistungs fähigktit unserer Gemeinde große, säst zu große Anforderungen stellen wird, einem glücklichen Ende entgegengeführt werden.
Bezu,1pi. t. d. Btaüt -/^Lyrl. m. Lr2,er1. Mk. 1.A>. Postbrzuztp». s. d.Ort»- u. Nachbaiorttverk. '/«ghrl. Mk. 1.20. tm »ernverkehi MI. 1.80. Bestell,, in Sürtt. Sv Pf,., in Bayern u. «eich IS Pf,
Stuttgart 8. Jan. Die zweite Kammer ist heute nachmittag nach zweiwöchiger Weihnachtspause wieder zusammen getreten und hat dieEinzslberatung derVolksschulnovelle bei Art. 8, der Bestimmungen über die Zahl der Schüler trifft, fortgesetzt. Nach dem Antrag der Kommission müssen bet mehr als 60 Schülern (Regierungssntwurf 70) einer Volksschule zwei, bei mehr als 140 (160) Schülern drei Lehrsttllen errichtet werden; bet jeder weiteren Steigerung der Schülerzahl um 70 (80) ist die Zahl der Lehrer um einen zu vermehren. Wenn der Un- terricht teilweise oder ganz in getrennten Abteilungen sowie in mehr als 30 Wochenstunden für die Klaffe (Sbteilungrunterrtchr) gegeben wird, kann mit Genehmigung des Obsrschulrat« die Höchstschülerzahl einer Klaffe, wo nur eine Lehrstelle ist, aus 70 (80). wo zwei und mehr Lehrstellen find, auf 80 (90) steigen. Voraussetzung für eine Vermehrung der Lehrstellen ist, daß die Erhöhung der Schülerzahl als dauernd anzusehen ist. Abtsilungrunterricht muß eingeführt werden bet einklasstgen Volksschulen, wenn die Gesamt« schülerzahl über 40, bet mehrklasfigen Volksschulen, wenn die Schülerzahl einer Klaffe über 60 steigt, ferner, rvmn sich dar Schulzimmer für den gleichzeitigen U terricht sämtlicher einer Schulklasse zugetetlten Kinder nach den bestehenden Vorschriften als unzureichend erweist. Die Gesamtzahl der Wochenstunden im Fall der Einführung von Ab- tetlungrunterricht darf in der Regel nicht weniger als 34 betragen. Der Berichterstatter Löchner (Bp) empfahl die Annahme der Kommission«- antrag», während der Mrtberichterstatter Schrempf (BK ) erklärte, über die Vorschläge de« Entwurfs aus finanziellen Gründen nicht hlnauSgehsn zu können. Man müsse froh sein, wenn in abseh« barer Zeit da« erreicht werde, was dis Regierung vorschlage. Dr. Hieber (DP) betonte, daß, je kleiner die Schülerzahl sei, desto mehr der Lehrer feine Aufmerksamkeit dem einzelnen Schüler schen-
Welche von beide»?
Novelle von Adolf Stern.
(Fortsetzung.
Die junge Nichte und Fräulein Adderhoven waren über dis wunder, lichm Töne, in denen das Gespräch erklang, sichtlich betroffen. Friedrich Gerland allein schien nicht« besondere« empfunden zu haben und hatte sich inzwischen mit einigen Fragen über Hausordnung und persönliche Angelegenheiten an die anwesende Schwester vom Kreuz gewendet, die ihm freundlich, aber in kurzen Worten Auskunft erteilte, sodaß bald genug zum zweiten Mals allgemeines Schweigen am untern Tafelende herrschte. So ward es eine willkommene Unterbrechung als etwa eine Viertelstunde später Frau v Herbert mit einigem Geräusch aufstand und ihre Nichte erinnerte, daß sie beide sich noch zu einer Abendgesellschaft anzukleiden hätten. Fräulein Erika erhob sich halb erschrocken von ihrem Stuhl, sie behielt die große Orange in der Hand, mit der sie soeben gespielt hatte und grüßte im Weggehen mit einer Verlegenheit, die ihrem schönen Gesicht einen anmutig kindlichen Ausdruck gab. Unwillkürlich folgten ihr dis Augen aller an der Tafel Sitzenden — auch Friedrich Gerland sandte ihr einen Blick nach und sagte dann zu Fräulein Addenhoven:
„Schade um dar liebenswürdige Kind! Sie werden nicht verstanden haben, war hier vorging. Ich mußte mich selbst erst besinnen, um da« Benehmen und dm Ton der Frau v. Herbert zu begreifen, bi« ich mich glücklicherweise erinnerte, daß es sich um Dinge handelt, die vor meiner Geburt liegen. Hr. v. Herbert, der Lrndrat, der Gemahl der gestrengen
Dame, hat vor manchem Jahrzehnt sehr eifrig um meine Mutter geworben und dadurch seiner späteren Frau, die, wie e« scheint, schon damals auf ihn rechnete und hoffte, viel bittere« Leid bereitet. Wenn sie damals meine Mutter gehaßt hat, so ist da« verständlich und verzeihlich. Aber daß jetzt, nach bald vierzig Jahren, die alternde Frau gegen meine Eltern feindselig gestimmt ist und die« dem Sohne bet einer zufälligen Begegnung in der F emde sofort zeigt, erweckt kein günstige» Vorurteil für sie! Hörten Sie wohl, wie begierig sts nach dem Trost forschte, daß meine Familie im Herrbkommen sei? Man erschrickt doch jedermal, wo man so armseliger Gebäjsigksit bei Mer schen begegnet, die auf Auszeichnung und Bildung Anspruch erheben. Schlimm für da« junge Mädchen, da» sie da bei sich hat und natürlich auf ihre Weise bemuttert!'
Fräulein Addenhoven hatte aufmerksam zugehüct und entgegnete nach einigem Besinnen: „Mir geht es wie gewiss-n Pflmzen, die au« allem Nahrung saugen, war in ihr Bereich kommt. Der Eindruck, der Sie mit Recht verstimmt und bekümmert, ist mir nur ein Beweis mehr, daß in unserem ganzen Leben die schlimmen Antriebe und bösen Gewöhnungen schlechter Weltlichkeit vorherrschen. Ueberall führt man die heilige Kirche im Munde und kümmert sich nicht um ihre Lchren, überall fehlt Demut, Nächstenliebe, Einsicht in da« eigene Wesen. Mir flößt da« alle« immer tiefere Abneigung ein, so fortzuleben, wie seither und au« Familienrück- stchten und kleinlichen Bedenken niemals zu dem Leben zu kommen, nach welchem mein Gefühl verlangt!*
Fräulein Addenhoven hielt tnne, denn die Tafel war zu Ende, die meisten Ttschgenoffen erhoben sich ringsum von ihren P.ätzen. Sie erwiderte die Zurufe und Grüße, die ihr galten, mit dankendem Aufblick und kurzen