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gefunden. Sie betreffe im Dienste Frankreichs stehende Soldaten. Die französischen Behörden würden diese Angelegenheit durchaus in selbst» herrlicher Weise regeln. Jaurö» dagegen schreibt in der Hurnanilö: Die Fremdenlegion wird uns gewiß andauernd Schwierigkeiten bereiten. Die Idee, eine französische Streitkraft au» Fremden, zumeist au» fremden Deserteuren zu bilden, ist jedenfalls seltsam. Die Hauplsache aber ist daß weder auf deutscher noch auf französischer Seite die Zeitungrfehden wieder wachgerufen werden, zu welchen s. Zt. die Angelegenheit von Casablanca Anlaß gegeben hat.

Prag 16. Dez. Die Polizei beschlagnahmte da« Titelbild de«Simplizissimus", da» den deutschen Michel in der Abwehr de« tschechischen Löwen zeigt.

London 17. Dez. DieUnited Pretz" meldet ans Washington: Die hiesige hol­ländische Gesandtschaft erhielt eine Depesche, daß Venezuela wegen der venezolanische« Kriegsschiffe an Holland den Krieg er­klärt habe. Die Londoner holländische Ge­sandtschaft erhielt bisher keineBestätignng dieser Meldung.

Vermischtes.

Im Berliner Verein für Luft­schiffs hrt hielt der diesjährige Preisträger des Gordon Nennet.Rennen« der Lüfte, der Schweizer Generalstabsoberst Schaeck, einen Vortrag über seine Wsitfahrt mit dem BallonHelvetia", die ihn bis nahe an den Polarkreis führte. Nach dem Vortrag zeigte der Schweizer Luftschiffer de Beauclair Lichtbilder seiner neulichen Alpen- Ueberquerung im Ballon. Unter den Zuhörern befanden sich der Generaladjutant de- Kaiser», v Scholl, der Chef des Marinekabinetts, v. Mueller, und Major Parseval.

Milde« Urteil. Ein Schlag mit der vollen Bierflasche auf den Kopf kostet nur 20 selbstredend sofern der Kopf gut ist, andernfalls kann es nicht so billig gestattet werden. Der 29 Jahre alte verheiratete Fabrikarbeiter Christof Hanselmanu von Ohrnberg, hat anläßlich einer Streite» dem Gütei bodenar beiter Helmle mit einer vollen Bierflasche einen Schlag an den Kopf ver­setzt, so daß eine 15 Zentimeter lange Rißwunde entstand und der Verl'tzte 7 Tage lang arbeits­unfähig war. Der Angeklagte wurde wegen einer gefährlichen Körperverlttzung unter Annahme mildernder Umstände zu einer Gefängnisstrafe von 8 Tagen und zu den Kosten verurteilt. Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Berufung ein­gelegt. Die Strafkammer hat da« schössen gericht­liche Urteil abgeändert und den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 20 im Uneinbringlich- keitsfall zu 5 Tagen Gefängnis verurteilt. Die Kosten beider I, stanzen hat der Angeklagte zu tragen.

In Prag verlief der vorgestrige Diens­tag, der erste seit der Aufhebung de» Standrechte«, nicht in voller Ruhe. In der Schwefelgaffe wurde ein Student von einer ihm folgenden tchechtschen Menge verhöhnt und angerewpelt. Auf dem Wenzelsplatze wurden zwei deutsche Studenten vom einem Pöbelhaufen insultiert, ge­schlagen und einem von ihnen die Kappe vom Kopf gerissen.

Ueber die Obstausfuhr aus der Schweiz nach Süddeutschland, die jede« Jahr bedeutend ist, lesen wir in Schweizer Blättern: Ueber Konstarz wurden in letzter Zeit große Mengen Obst nach Deutschland aurgesührt; ein einziger Großhändler ließ mehrere Tage lang 15 Eisenbahnwagen täglich verladen. Am 29. Okt. ging in Konstanz ein Extragüterzug mit 50 Wagen Mostobst ab; am Tage darauf folgte ein zweiter mit 25 Wagen. Auch über Romans­horn und mit Traj kt über den See sind große Mengen Most- und Tafelobst exportiert worden; es wurden in Romanshorn während drei Wochen Tag für Tag 10001200 Ztr. Obst verladen. Auf allen thurgautschen Bahnstationen herrschte den ganzen Oktober hindurch ein starker Obst­verkehr. Das meiste Schweizerobst ist auf den großen Mostobstmarkt auf dem Bahnbof in Stutt­gart gebracht worden, wo die Auffuhren auch gegenwärtig roch trotz der vorgerückten Saison stark sind.

Gottesdienste.

4. Advent, 20. Dez. Vom Turm - 95. Predigtlied - 91. 9'/- Uhr: Vormitt.-Predigt, Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr: Christenlehre für die Söhne im Vereins­hau S. '/-6 Uhr: Weihnachtsfeier der Sonntags­schule in der Kirche.

H-vm-s-Aeiertag. 21. Dez. 9-/- Uhr- Missionspredigt im Vereinshaus, Missionar Schürle.

Flllldmrtschastlichtt Kejirksverem Calw.

In der am 30. November ds. Js. in Calw stattgehabten Generalversammlung wurde beschlossen, einen BeziriSobstbauverein zu gründen, welcher sich ganz besonders der Förderung und Pflege des Obstbaus widmen soll. Diesem Verein sind sofort 60 Mitglieder beigetreten und wird am ThomaS- feiertag, de» 21. Dezember ds. I«., nachmittags 2 Uhr, in der Bierbrauerei Dreiß in Ealw eine Versammlung stattfinden, in welcher die Satzungen beraten und die definitive Wahl deS Vorstandes und des Ausschusses vorgenommen werden soll; zugleich wird Herr Oberamtsbaumwart Haller von Balingen einen Vortrag über Obstbau halten.

Die Herren Ortsvorsteher werden ersucht, dies in ihren Gemeinden bekannt zu machen, zum Beitritt zu diesem Verein einzuladen, die eingehenden Anmeldungen entgegenzunehmen und dem Unter­zeichneten zuzusenden.

Der jährliche Beitrag beträgt 1 Mark.

Calw, den 9. Dezember 1908.

Der Vereinsvorstand.

Reg.-Rat Voelter.

zu versetzen, di« au» dem Geschäft de» ermordeten und beraubten Wiener Juwelier« Frankfurter herrühren. Henkel behauptete zunächst, daß er die Mnge in einem Eisenbahnwagen gefunden habe. Unter dem Druck de« Belastungsmaterial« und dem scharfen Kreuzverhör legte er heute ein Geständnis ab, den Juwelier Frankfurter in Wien erschossen zu haben. Da« Motiv der Tat wäre gewesen, daß er sich Geld ver­schaffen wollte, um mit seiner Braut, einer hiesigen Gastwirtstochter, die Ehe einzugehen.

Paris. In der Steinheil-Affaire hat der Untersuchungsrichter Andrs den Kammer­diener Couillard zum erstenmal als Zeugen verhört. Die Aussagen Couillard« waren sehr belastend für Frau Steinheil und sollen neue Beweise dafür bilden, daß sie da« Verbrechen wohl vorbereitet hatte und daß ihre Knebelung eine Komödie war.

Pari« 17. Dez. Au» Oran wird gemel­det, daß der Anführer der desertierten Fremden­legionäre, der sich Dienstag abend freiwillig der Gendarmerie von Saida gestellt hat, ein früherer deutscher Artillerieoffizier sein soll, der sich vor ungefähr 3 Monaten anwerben ließ, und angeblich Graf v. Rhode heißen soll. Einem Berichterstatter zufolge verlautet nun, daß der angebliche Graf v. Rhode bereits früher in der Fremdenlegion gedient habe und sich eigens wieder habe anwerben lassen, um die Meuterei ins Werk zu setzen. Der Befehlshaber der Division Oran, General Liautey, ist, wie bereit« gemeldet, nach Saida abgeretst, wo er die Untersuchung persönlich leiten will; denn er legt Wert darauf, au« den Aussagen der Deserteure möglichst bald festzustellen, welche Pläne sie mir ihrem Streich verfolgten. Eine weitere Depesche meldet, der angebliche Graf v. Rhode habe sich zunächst zu einem Gutsbesitzer namens Rappart in Saida geflüchtet, der ein gebürtiger deutscher Schweizer sei. Man behauptet, Rappart sei ein evangelischer Pastor. Ec baute vor kurzem in der Nähe seines Besitztum» eine Kapelle, die häufig von den Legionären besucht wird. Auf dem Gute Rapparts find übrigens zahlreiche ausgediente Legionäre beschäftigt. Auch die noch in Dienst stehenden Legionäre deutscher Abkunft finden bei ihm stet« eine gastliche Aufnahme. Sein Hau« bildet eine Art Kasino für die Legionärs, die dort ihre Briefe zu schreiben pflegen. Die von den Blättern ver­öffentlichte Behauptung, daß die Meuterei auf die Treibereien einer Art Deserteur-Agentur zurückzuführen sei, scheint auf Rappart abzuzielsn. Der Matin meldet übrigen«, daß Rappart infolg: der über ihn verbreiten Gerüchte schon wiederholt Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen sei.Petite R«publique" schreibt unter Hinweis auf die Ausführungen eine« deutschen Blatter, die Meuterei habe auf französischem Gebiet statt-

Lurmeisters Drachen.

Eine heitere Weihnachtsgeschichte von Alwin Römer.

(Fortsrtzung.

»Da« weißt Du doch selbst noch gar nicht, Hedwig!" spottete der

So, Du Kluger?" wandte sie sich spitzbübisch lächelnd an ihn.Was denkst Du denn eigentlich, weshalb ich mitten im Dezember auf der Eisen­bahn sitze und in die Welt hineinfahrs, he?"

Das ist mir vorläufig noch ein Rätsel. Aber ich hoffe, Du wirst mir die Lösung schon verraten!"

Wert bist Du'- kaum! Trotzdem will ich Dich nicht länger zappeln lassen."

»Ich zapple gar nicht, Cousinchen."

Aber sie fuhr fort, ohne den Ein wmf zu beachten:Erfahre also, daß ich auf dem Wege nach Meiningen bin, wo meine künftigen Schwieger­eltern wohnen. Ueberm argen feiern sie silberne Hochzeit» und am selben Abend roch wird unsere Verlobung öffentlich bekannt gegeben!"

Da gratuliere ich von H-rzen I" sagte Aspasta und drückte der jungen Braut die Hand. Burmeister aber fragte mit der bei Brüdern und Cousins so oft zu beobachtenden Offenheit:

Urd wer ist der Unglücksmensch, der da« mit Dir riskieren will?"

Gott behüte Dich vor solchen Cousin«, liebe Aspasta!" rief Hedwig in drolliger Empörung und zeigte dem Doktor lustig drohend die Faust. Mein Bräutigam heißt Eduard Weidenau und ist ein zehnmal besserer Mensch, >ls Du!"

Dann trifft ihn dar um so unvcrdienter I" lachte er.

O, Du boshafter Giftpilz!" sagte sie.Der Himmel schütze jede« arme Ding vor solch einem Ehemanns! Gott sei Donk, daß Deine Liebste vier Räder hat und als Herz einen Motor, und statt Blut Benzin. Oder hast Du Dein Auto nicht mehr?"

Gewiß, habe ich er noch, zum Entsetzen aller Philister! Aber ganz so intim ist das Verhältnis zwischen uns denn doch nicht, wie Du es schilderst."

Er macht Dir wohl manchmal Verdruß? O, das gönn' ich Dir von Herzen!"

Da irrst Du Dich sehr. E« wird mir mit jedem Tage lieber."

Und wieviel Patienten hast Du Dir damit schon zugerichtet?" forschte sie neckend.Aber natürlich, das wirst Du mir gerade verraten. Da werde ich einmal anderswo Nachfragen. Wieviel Opfer hat er mit seinem Auto schon auf dem Gewissen, Aspasta?"

Fräulein von Lodeneck war sehr verlegen bet dieser Frage.

Ich kann darüber, Gott sei Dank, keine Auskunft geben!" sagte sie endlich.

Na, dar läßt tief blicken!" meinte Hedwig spottend, während der Schaffner zum Einsteipen mahnte.Ich komme auf der Rückreise noch darauf zu sprechen. Bis dahin halte doL bitte einmal Umfrage. Adieu. Aspasta! Vielen Dank dafür, daß Du gekommen bist. Lebe wohl, Heinz! Gute Besserung! Und fröhliche Weihnachten Euch beiden!"

Damit schüttelte sie jedem die Hand und schwang sich dann elastisch zu ihrem Kupee hinauf. Der Schoss,er schloß die Türe. Die Lokowo'ive tat einen kurzen Pfiff und einen langen Seufzer, und mit behaglichem Tempo fuhr der Zug au« der Bahnhofshalle hinaus in den flimmernden Flockentanz hinein.

(Fortsetzung folgt.)