Henriot ermordet
A«f Geheiß Englands
Regierungschef Laval gab am Mittwoch nachmittag über den Rnndsunk dem französische« Volk bekannt, daß Staatssekretär im JnformationSministerinm, Philippe Henriot. ermordet wnrde. Henriot wnrbe in seinem Pariser Ministerium erschossen.
Henriot ist in den letzten Jahren als furchtloser Kämpfer für die Freiheit Europas hervorgetreten. Seine täglichen Rundfunkreden fanden weithin Anklang. Er war einer der überzeugtesten französischen Redner der Gegenwart und führte eine scharfe Klinge gegen die plutokratisch- üolschewistischen Weltzerstörer. Daß sein Wirken für die - Erhaltung und Freiheit des europäischen Kulturbodens den Drahtziehern in London und Washington äußerst unbequem war, ist verständlich. So ist denn auch der Morö- befehl von dort ansgcgangen und gekaufte und mißleitete Werkzeuge der wahren Feinde Frankreichs haben ihn vollzogen. Henriots Tod kommt auf Las Schulökonto der gleichen feigen Mörder, die bekannt sind als Veranlasser des britischen GeheimtoSes, dem schon so mancher Widersacher Englands zum Opfer gefallen ist.
Staatssekretär Philippe Henriot war am 7, Januar 1889 als Sohn eines Offiziers in Reims geboren.
Harte Kämpfe an der Linnen-Front
Sowjetische Angriffe abgewieseu — Schwere Verluste des Feindes
Der finnische Wehrmachtbericht vom Mittwoch meldet u. a.:
Auf der Karelischen Landenge hielten die harten Kämpfe nördlich von Tali an. Die feindlichen Angriffskräfte erlitten dort schwere Verluste. Nördlich von Heinjoki war der feindliche Druck.weiterhin stark, doch wurden alle Angriffe abgewiesen. Unsere Streitkräfte im Brückenkopf Aeyräpää schlugen drei Angriffe des Feindes zurück. Auf der Aunus-Lanüenge zogen sich unsere Truppen in neue Stellungen zurück. Nurmvila, Latva und Soutjärvi wurden aufgegeben. Auf der Landenge von Maaselkä griff der Feind nach starker Feuervorbereitung in einer Seeenge westlich von Karhumäki an. Der Angriff scheiterte teils an dem Feuer unserer Waffen oder durch Gegenstöße. Der Feind erlitt hier Verluste von mehreren hundert Mann an Gefallenen.
In einem Gefecht zwischen eigenen und feindlichen leichten Seestreitkräften im westliche» Teil des Finnischen Meerbusen wurde ein feindliches Motortorpeöoboot in Brand geschossen und zahlreiche andere wurden beschädigt. Die Wetterlage ermöglichte die Lufttätigkeit nur in Ostkare- lien, wo unsere Luftabwehr insgesamt 18 feindliche Flugzeuge abschotz. Unsere Jäger schossen weiter« drei BeobachtungSVallons ab.
Helsinki znm CommnniqnS über Wafsenhilfe
Bei Bekanntgabe des Communiquss über den finnischen Besuch des Reichsaußenministers von R i b b e n t r o p und über die vereinbarte Waffenhilfe vor den Vertretern der ausländischen Presse in Helsinki am Dienstag abend brachte der Sprecher des finnischen staatlichen Jnformationsamtes zum Ausdruck, daß für Finnland in diesen letzten schweren Tagen nur die Alternative bestanden habe, sich zu ergeben oder seine uralten Rechte weiter zu verteidigen. Die finnische Regierung habe den Entschluß gefaßt, weiter für das finnische Recht zu kämpfen, und deshalb Deutschland um Hilfe gebeten.
Sbergebielsführer John gefallen
Als Vorbild seiner jungen kriegsfreiwilligen Soldaten fiel im Kampfe in der »-Panzer-Division „Hitler-Jugend" Obergevietsfüyrer Heinz-Hugo John als Obersturmführer der Waffen-ü an der Jnvasionsfront.
Mit Obergebietsführer John hat die alte Garde des Führers einen weiteren Beitrag kämpferischen Blutes für die Freiheit und Größe des Reiches gebracht. In seinem Heimatgau Thüringen war Obergebietsführer John einer der ersten SA-Männer. 1923 trat er als 18jähriger in die NSDAP ein. 1932 zum SA-Sturmbannführer ernannt, berief ihn Reichslettcr von Schirach nach München, wo er in der Reichsleitung der Hitler-Jugend als Abteilungsleiter tätig war. Ncichsjugendsührer Armann übertrug 1910 Sem Obergebietssübrer Heinz ^'nao Job» die Führnn"' des Hauptamtes 1 in der Reichsjngcndsührung. Seit 1932 war Heinz-Hugo John Mitglied des Reichstages. Bei Ausbruch des Krieges trat er in die Reihe der kämpfenden Truppe und wurde im Westfeldzug zum Leutnant befördert.
Als sich zu Beginn des fünften Kriegsjahres die Hit- ler-Jngenö zur Bewegung der jungen Kriegsfreiwilligen proklamierte, reihte sich Obergebietsführer John in die Formationen feiner jungen kriegsfreiwilligen Kameraden rin, mit denen er in der st-Panzer-Diviston „Hitler-Jugend" zum harten Waffengang an der Jnvasionsfront antrat. In ihrer Mitte fiel der mit dem E. K. N und 1 ausgezeichnete st-Obersturmführer Heinz-Hugo John als leuch- die.Kelten überdauerndes Vorbild nuferer Jnqend.
Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht
cknb Aus dem Fuhrerhanptquartier» 28. Juni. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt:
I» der Normandie lag der Schwerpunkt der Kämpfe wieder im Raum südöstlich Lilly. Während des ganzen Tageö griffe« starke feindlich« Infanterie- und Panzerverbände, von schwerster Schisfsartillerie «nterftützt, unsere Front an. Ihr Ansturm brach am zähe» Widerstand unserer tapferen Divisionen zusammen, die dem Feind durch Gegenangriffe an einigen Stellen das am Vortage verloren gegangene Gelände, wieder entrisse«. Rur in einem Abschnitt konnte der Feind «ach hartem, wechselvollem Kamps seine« Einbrnchsraum geringfügig erweitern. Er hatte schwerste blutige Verluste und verlor weit über 8 V Panzer. Oestlich der Ornc wnrde etn feindlicher Stoßtrupp restlos vernichtet.
Im Raum von Cherbourg verteidige« sich immer noch zahlreiche Stützpunkte des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe tapfer «nd ihrer Pslicht getreu. Die Einfahrt in de» Hafen von Cherbourg ist dadurch dem Gegner nach wie vor verwehrt, wen» anch die Trümmer der Stabt im Besitze des Feindes sind. Anch im Nardost- n«d Nordwestteil der Halbinsel Cherbourg halte» sich «och eigene Stütz "unkte in «nerschütterlicher Standhaftigkeit.
In der letzten Nacht griffen schwere Kampfflugzeuge feindliche Schtfssansam ml ringen vor der normannischen Küste an. Ein Spezial-Landungsschiff wurde in Brand geworfen. Cs entstanden Erplosior-.su. Die Marineküsteiibatterie „Noxk" zwang einen feindlrüen Zerstörer und einen Schnellboot-Verband, bis in den H-sen Cherbourg emdringen wollten, znm Abdrehe«.
Bor der niederländische« Küste «nd im Kanal beschädigte« Borpostenboote mehrere britische Schnellboote.
Schweres Fener der,,VI" liegt unaufhörlich ans dem Raum von London.
An der italienischen Front wnrde anch gestern wieder im Abschnitt zwischen der Küste und dem Trafirn onische« See erbittert gekämpft. Der Feind versuchte erneut, mit starke» Infanterie» »nd Panzerverbände« unsere Front z« durchbreche«. Es kam zu schwere«, wechsel- volle» Kämpfen, in denen der Gegner iedoch »nr ans dem
äußerste« Westslngel Boden gewinne« konnte. I« alle« übrige» Abschnitten wnrde er unter hohe» blntkge» Ver, lüsten abgewiesen.
I« Sen schweren Abwehrkämpfe« westlich des Trasi. monrsche» Sees haben die 29. Panzergrenadier-Division unter Füürnna von Generalleutnant Fries, die 1. Fall, lchirmiäger-Divisio« unter Führung von Oberst Trett» «er und die 388. Infanterie-Division unter Führung von Generallentnant Faulenbach, hervorragend durch Ar» tillerie und Flakartillerie unterstützt, alle mit überlegene» Kräfte« geführte« Drirchbrnchsversncke des Feindes nnter besonders hohen Verlusten für de» Gegner znm Teil im Nabkimvf immer wieder abgewehrt.
Im Mittelabschuitt der Ostfront dauern die erbitterten Kämpfe im Raum Bobruisk and Mogilew an. Nach RäumKg der Städte Orscha und Witebsk hat sich die schwere Abwehrschlacht in de« Ranm östlich der mittleren nnd obere« Beresina verlagert. Südöstlich Volozk scheiterten wiederholte DnrchVrnchsvcrsnche der Bolschewisten. Südöstlich Pleska« brachen örtliche Angriffe des Feindes zusammen.
SchlachtfliegervcrbLnde unterstützte« die Abwehrkämpf« des Heeres nnd vernichteten zahlreiche feindliche Panzer, über <09 Kraftfahrzeuge nnd eine große Zahl Geschütze.
Schwere Kampfslngzeuge führten am Tage eine« Angriff gegen de» Bahnhof Kalinkowitfchi. Anch in der Nacht wurde der sswfetifche Nachschnbverkehr erfolgreich bekämpft. Besonöcrs in den Babnhofsanlage« von Smolensk entstanden Brände «nd Explosionen.
Bei mehreren feindlichen Angriffe« auf Stadt nnd Hafen Kirkenes brachten Jäger nnd Flakartillerie i« den gestrigen Abendstunden und im Verlauf der Nacht 7 7 sowjetische Flugzeuge zum Absturz. I« heftige« Lnftkümpfen errangen Oberleutnant Dorr «nd Leutnant Norz allein je 12 Lnftstege.
Ein starker «ordamertkanischer Bomberverband führt« gestern Vormittag eine« Angriff gegen das Stadtgebiet von Budapest. Deutsche und nngarische Luftverteidignngs- kräfte vernichtete« 24 feindliche Flugzeuge.
Deutsche Kampfslngzeuge griffen in der letzte« Nacht Einzet-'-'e !-- Sn dosten gl and an.
Auseinandersetzung Mre..V. I"
Singeftandwisse «nd Warnungen der englischen Press«
Nach der Morrison-Erklärung im Unterhaus über sie deutsche Vergeltungswaffe „V 1" ist die Londoner Presse gegenüber den Vortagen wesentlich zurückhaltender geworden. Sie schwelgt nicht mehr, wie zunächst, in hohen Tönen. Stattdessen zeigt sie eine bezeichnende Einsicht, die hin und wieder durch Eingcstnädnisse und Warnungen unterstrichen wird.
Die recht vagen Schadensberichte sprechen von zerstörten Gebäuden und erstmals — wie im „Daily Herald" von übermüdeten Räumung strupps. Ohne zuv Ruhe gekommen zu sein, heißt es, hätten diese Männer über eine Woche lang gearbeitet. Ein Ende ihrer Dienst- stunden habe es für sie ibs jetzt nicht gegeben. Die meisten von ihnen antworteten auf die Frage, wie sie sich aufrecht hielten: „Was hat es schon für einen Sinn, nach Hanse zu gehen, wenn jede Sekunde wieder ein solches Sprengstttck auf uns herunterfallen kann?"
Sämtliche Zeitungen bringen dann eine wcewung, oav Sir Robert Hill, der Oberkommandierende für oie Landesverteidigung, in einer Spitfire über der Südküste Englands patouillierte, um sich ein Bild von Sem '
Dinge zu machen. Darüber, welche Eindrücke er hmre, sei nichts bekannt geworden, doch, so schreibt der Luftfahrt- korrespondent der „Daily Mail", spielten sich zur Zeit interessante Dinge tn der Vorbereitung von Gegenmaßnahmen ab. Dabet stelle man die Möglichkeit in Rechnung, daß die Deutschen bald ihrer Vergeltungswaffe Nummer 1 die „V 2" hinzufügen. Oesfentlich diskutieren dürfe man die Gegenmaßnahmen nicht.
Englisch-amerikanische Bomber, die zum Angriff gegen die vermeintlichen Abschuß stellen ausstiegen, nmteu sie nicht ausmachen können. Nur mit Hilfe der Zielgeräte seien von ihnen die Bomben abgeworfen worden. so daß es schwierig sei zu sagen, „ob man alles getroffen habe oder nicht". Der Korrespondent Bednall tröstet sich schließlich mit der geringen Hoffnung, die Deutschen hätten alsbald ihre Vorräte an fliegenden Bomben in Nardkrankreick aukaebraucht.
In einem Versuch, die wiederholten anglo-amerikant- schen Bombenangriffe auf die deutschen Abschußvorrichtungen zu rechtfertigen, die den fortdauernden Beschuß Süd- englanös nicht aufhtelten, meint der Luftfahrtkorresponöew des „Daily Expreß", die Deutschen hätten inzwischen einer neuen Rina von Abschußbasen angelegt. Sie seier
ungewöhnlich schwer zu finden oder gar zu zerstören. Nie-! manö sei so närrisch, so heißt es in „Daily Sketch", die erste deutsche Vergeltungswaffe als völlig belanglos und ungefährlich abzutun. Die Schäden, die sie anrichte, dürften nicht auf die leichte Schulter genommen werden und zwar besonders nicht, seitdem Innenminister Morrison die englische Oeffentlichkeit davor warnte und sagte, die Deutschen hielten für die Engländer noch andere Ueberraschungen auf Lager. Der Einzelne müsse jede nur erdenkbare Vorsichtsmaßnahme ergreifen und im übrigen abwarten, bis eS gelinge, ein Gegenmittel zu entwickeln.
Der Londoner Berichterstatter der schwedischen Zeitung ..Astonblaöet" hat während der letzten Tage sübrnglische Städte und Dörfer besucht, um die Wirkung der deutschen Vergeltungswaffe aus die Bevölkerung zu studieren. Der Korrespondent stellt fest, daß ein Unbehagen bei der Bevölkerung nicht zu leugnen sei, besonders wenn die pklotcnfreien Bomber durch die Luft auf einen zusauscn md mit einer gewaltigen Detonation plötzlich zu Bode« "en.
Ein hochstehender Engländer habe dem Korrespondenten erklärt, daß es nicht Sie englische Absicht sei, die Bedeutung der neuen deutschen Waffe zu verringern oder gar "twa zu behaupten, daß die Engländer es schon gelernt hät- " ?n, sie zu meistern.,
Bolschewismus wäre Ungarns Autergang
Bet Uebernahme seines Mandats erklärte der ehemalig» Ministerpräsident von Bardossy, heute geht es tatsächliche am unser Dasein, und zwar nicht allein um unser staatliches Leben, sondern um unseren Fortbestand als Bolk. Die Lebensform, die Moskau uns hier aufzwingen würde, wäre für das Ungarntum nichts anderes als Tod und schmachvoller Untergang.
In einem Runöfunkvortrag über die Juöenfrag« und deren wesentliche Entwicklung in Ungarn, betont« Staatssekretär End re, daß Ungarn 1919 die jüdische Weltgefahr bereits erkannt habe. Die Juden leben in einer ganz anderen Gedankenwelt als wir und zwischen den beiden Gedankenwelten kann kein Ausgleich heibeigesührt werben.
Der Wassermangel im Gebiet von Groß-Londo« werde von Tag zu Tag akuter, heißt es tn einer Meldung des .Observer".
Das Mdchen Inder Volke
von sink, sieitler
Verleg l)r. llrtur vom Dorp, lst»itsl/§,c1u«,
21. Fortsetzung.
Achim sah still vor sich hin auf den kiesbestreuten Weg. ^Mutter ist in Amerika. Sie besucht dort ihre verheiratete Dchwester. Als ich eben vom Bahnhof zurückkam, traf ich Onkel Harry, der mich für den Sommer einlud. Und Vater s- Vater kann keine Besuche mehr machen. Aber wir können lein Grab besuchen, wenn Sie wollen. Ich habe ja weine» Wagen hier."
Sabine blieb stehen. Hinter ihren Augen -choß schwelende Hitze aus, und gegen ihre Kehle drängte sich jäh eine würgende Hand.
„Wann?" fragte sie gepreßt.
.Am Herbst vor drei Jahren — ganz plötzlich."
..Im Juni war er noch bei m schluchzte sie ans. „Es war mein Geburtstag, und gera.als ich am traurlgsten .darüber war, nicht nach Hause zu dürfen, stand er vor mir."
..Nicht weinen!" mahnte Achim leise. „Vater will es nickt!"
Sabine verbarg ihr Gesicht tn den Händen.
Sie standen fetzt unter den alten Weiden am Teich, auf Hessen glitzernder Oberfläche Dutzende von Seerosen blühten. Achim seufzte leise, nnd als Sabine ihn ansah, wußte Pr, daß er gleich ihr an jene Nacht vor elf Jahren dachte.
Woher kam es. daß sie das wußte und daß es darin «einen Irrtum geben konnte?
i „Sie haben sein Gesicht — und feine Augen, um derent- Willen ich ihn so sehr geliebt habe", sagte sie plötzlich in das «tld des lonnenüberstrahlien Teiches hinein.
> Es blieb lange Zeit still zwischen ihnen, dann hörte sie Mchims Stimme, tief und sonderbar weich: „Ich bin nicht «rur gekommen, meine Ferien hier zu verbringen. Sabine', f- Als ich Ihren Vater am Bahnhof traf, war mir das tausendmal mehr als eine Begegnung. - Ich bestellte meine Zimmer in Westerland ab und kam, um zu sehen, was für ein Mensch ans dem kleinen Mädchen geworden sei. -aS
hier, an dreier Lreue — —-
Keiner von ihnen sprach mehr ein Wort. Aber als sie langsam ins Haus zurückkehrten, lag Sabines schmale Hand noch immer leicht in der seinen, die mitte» in jenem abgebrochenen Scch jäh danach gegriffen hatte.
An diesem Abend, der der Apollonia zum zweitenmal nach Sabines Rückkehr das Glück schenkte, die wiedererstan- öene Baronin in ihr zu fehSrr, geschah etwas Seltsames.
Sie war, während das junge Mädchen sich zum Tisch umkleidete, ans Fenster getreten, denn es gab etwas zu bekennen, dessen sich ihre einfältige Seele ein wenig schämte. In ihrer Hand drehte sie einen vergilbten Brief, der schon fett Stunden in ihrer Schürzentasche gelegen hatte und nun mit rasch zurückfliehenden Fingern gleich einer zu heißen Kasserolle auf die Glasplatte des Toilettentisches befördert wurde.
„Das kam Weihnachten vor sechs Jahren", sagte sie mühsam. „Und ich hab's dir damals nicht geben mögen, Kind. — Aber jetzt bist du erwachsen. Bis dahin habe ich es aufgehoben."
,Ast es der Brief, den Mama an mich schrieb, kurz nachdem sie Hohenbühl verlassen hatte?" fragte Sabines Stimme leise.
Die Apollonia wandte sich erschreckt um. „Wie kannst du das wissen, Kind?"
Sabine stand dicht hinter ihr und sah ihr mit ruhig leuchtendem Bli<L in die weitaufgerissenen Augen.
„Die Mama war bei mir, im ersten und auch im zweiten Jahr, als ich, zu den Ferien nicht nach Haufe kommen durfte", erklärte sie lächelnd. „Mich hat sie nicht verlassen, Apollonia! Wenn du das anch geglaubt hast."
„Jesus, mein Heiland!" stöhnte die alte Frau zerknirscht. .,^>a hat's ja am Ende gar keinen Zweck, daß ich -ie Sünde auf mich geladen hab'I"
„Nichts ist Sünde, was man guten Willens tut", sagte Sabine, sie fest in ihre Arme schließend. „Laß nur, Apollonia — ich versteh' dich schon."
Der Apollonia ward ein wenig schwindlig, deshalb lag sie »qnz still an der jungen Brust, darin deutlich hörbar
ein starkes Herz schlug.
Sie sprach ja ganz ketzerische Dinge, ans, die Sabine! Und wie reif sie auf einmal war! Gestern noch ein Kind —- aber heute? Wie konnte sie nur so rasch eine andere, ganz Erwachsene werden? —
VH
Der Baron von Meister hatte schlecht geschlafen. Es zog ihn mit unwiderstehlicher Gewalt an den Spieltisch, und der stille Kampf zwischen dieser Sucht und den dnnkel- lenchtenöen Augen der Mutter, die ihm aus Sabines jungem Gesicht täglich entgegenblickten, begann sich allmählich so znznspitzen, daß er beschloß, seit langem einmal wieder früh auszustehen, um mit dem Inspektor hinaus auf die Felder zu reiten. Er wollte sich mehr um die Wirtschaft kümmern, arbeiten und feine Unrast auf diese Weise -n bannen versuchen. Ach, er wurde innerlich ganz warm durch diesen Entschluß, der ihn hastig aus dem Bett springen ließ, und als er zwanzig Minuten später, mit der Reitpeitsche an seine hohen Stiefel klopfend, aus dem Haus trat, gab es wohl kaum etwas Gutes, Nützliches, das er nicht wollte.
Es war eben sieben Uhr. Im Park sangen die Vögesi Vom Wirtschaftshof herüber drang Peitschenknall und das metallische Rasseln der Räder ausfahrenöer Arbeitswagen.
Der Varon schritt froh durch bas Tor, blieb jedoch im selben Augenblick wie angenagelt zwischen dessen Pfeilern stehen, als er auf jenem rechts vom Pserdestall angelegte* Reitplatz seine Tochter erblickte.
Sabine, im dunkelblauen Trainingsanzug, Las Haar von einem dichten schwarzen Schleier umwunden, saß auf Sen, Rücken Anakreous. des besten Pferdes, das im Stall ihres Vaters zu finden war. Sekundenlang ärgerte ihn das etn wenig, zumal seinem scharfen Blick nicht verborgen bleiben konnte, daß auch sein leichtester englischer Sattel ihr oder Anton, der, in Ser Mitte des Platzes stehend, kurze, scharf« Kommandos ertönen lieh, nicht heilig gewesen war. Dann aber, als der qolöschimmernöe Leib des vorbildlich gebau- len Fuchses, bis in.den kleinsten Muskel hinein versammelt und seiner Reiterin untertan, dreimal in schulmäßig verkürztem Galopp di" Runde aemackt batte, begann die Sache
tbn zu fesseln.
(Fortsetzung fotzt.)