halben Jahr vermißt. Die Leiche des Mädchens, dar aus Böhmen stammen soll, konnte noch nicht identifiziert werden.
Nürnberg 18. Juli. Der Leiter des im Bpollo-Theater gastierenden Sommer Ense«, blee, Direktor Oskar S chr a m hat gestern durch Gift seinem Leben ein Ende gemacht. Unmittelbare Ursache hierzu waren zwei ver. gebliche Prozesse, welche Schram gegen das Berliner Lortzing. und Zentral-Theater führte und welche für ihn mit einem Verlust von 70000 endeten.
Frankfurt a. M. 17. Juli. Das XI. Deutsche Turnfest beginnt morgen mit dem Eintreffen und Empfang der aus allen Gauen des Vaterlandes und aus dem Ausland eintreffenden deutschen Turner. Vom frühen Morgen an treffen in zahlreichen Sonderzügen die auswärtigen Turner auf dem Hauptbahnhof, in Sachsenhausen und auf dem Ostbahnhof ein. Die Turner werden von den Mitgliedern des Empfangsaurschuffe« begrüßt, mit Musik eine Strecke begleitet und dann durch Turnführer in ihre Quartiere geleitet. 52 Schulen und Turnhallen find zu Massen quartieren eingerichtet, in denen die Festteilnehmer nach Turnkreisen untergebracht werden. Die Stadt hat ein festliches Gewand angelegt. Bis in die entferntesten Stadtteile hinein prangen fämtliche Straßen in herrlichen Flaggenschmück. Die Fronten der Häuser find fast ausnahmslos mit Fahnen und Laubgirlanden und mit turnerischen Emblemen geschmückt. Besonders reichen Schmuck weist die Feststraße vom Hauptbahnhof nach dem Feflplatz in der Hohenzollernstraße auf. Am Eingang zur Feststraße ist ein prächtiger Triumphbogen errichtet, der den Gästen den Turnergruß „Gut Heil" entgegenruft. — Der Empfang der amerikanischen Turner am Hauptbahnhof gestaltete sich zu einer patriotischen Kundgebung. Der Vorsitzende der deutschen Tur- nerschaft, vr. Götz Leipzig, begrüßte mit herzlichen Worten die amerikanischen Turner und gab seiner Freude darüber Ausdruck, die Stammesbrüder auf deutschem Boden zu sehen. Stadtrat Bankier v. Grunelius hieß im Namen des geschäftsführenden Ausschusses die Gäste herzlich willkommen. Nach einem dreifachen Gut Heil! erwiderte der Sprecher der amerikanischen Turner, Eberhard aus Boston (ein geborener Calwer, d. Red.) Er lud die deutschen Turner zum Besuch des nächsten deutschen Turnfestes in Cincinnati ein. Nach einem dreifachen Gut Heil! sprach noch Prof. Bender- Frankfurt a. M. einige Worte der Begrüßung. Vor der Bahnhofshalle empfing eine dichtgedrängte Menge die Amerikaner mit jubelnden Hurrarufen.
Frankfurt a. M. 18. Juli. Das Straßenbild Frankfurts trug heute Vormittag anläßlich de» Turnfestes ein eigenartiges Ge
präge. Ueberall sah man sich von fremden Turnern umgeben. Ein Strom von Turnern ergoß sich namentlich über die herrlich geschmückte Kaiser- straße und die Zetl. Im Ganzen mögen bis mittags bereits 24 000 Turner in Frankfurt ein- getroffen sein. Das offizielle Fest wurde heute mittag eingeleitet durch eine heute mittag in der Paulrkirche stattgefundene Gedächtnisfeier zu Ehren des Gedächtnisses an den Turnvater Jahn. Pfarrer Werner hielt die Gedächtnisrede. Er erinnerte in seiner Ansprache daran, daß es keine würdigere Stätte gebe, als die Paulrkirche, in der im Jahre 1848 Vater Jahn für seine Ideen und die Ein- heit und Freiheit Deutschlands eingetreten sei. Jahn, der Ahnherr der Turner sei vorbildlich für echtes deutsche» Wesen für alle Zeiten. Redner ging dann auf den Werdegang Jahns ein und knüpfte an die Worte an, die Jahn s. Zt. im Parlament sprach: Als Kind habe ich in frommer Ergebenheit für das Vaterland gebetet, als Knabe geglüht, als Jüngling geschwärmt, als Mann geredet, geschrieben, gelitten und gekämpft. Redner schloß mit dem Wunsch, daß der fromme freie Geist von Jahn dieses große Fest beseelen und auf der rechten Höhe erhalten möge.
Berlin 18. Juli. Der Zustand der Fürsten Eulenburg hat sich infolge der über- standenen Erregung wesentlich verschlechtert. Der Fürst befindet sich zeitweise in ohnmachtsähnlichem Zustande. Es besteht jedoch gegenwärtig keine unmittelbare Lebensgefahr. Fürst Eulenburg wurde heute Vormittag von seiner Gattin und einer Tochter besucht, die beide bis gegen 1 Uhr mittags am Krankenbett im Konferenzsaale der Charite verweilten.
Berlin 18. Juli. In dem Befinden des Fürsten Eulenburg ist eine wesentliche Veränderung gestern nicht eingetreten. Der Kranke liegt noch immer in dem großen Zimmer, in dem gestern verhandelt wurde. Oberarzt vr. Steyerer untersuchte am Abend den Fürsten mehreremal, auch der Sohn der Fürsten und die Tochter weilten gestern längere Zeit am Kranken, lager. Gegen Abend verschlimmerte sich der Zu- stand wieder, so daß die Fürstin bi« 9 V« Uhr am Krankenlager blieb. Der Kranke verweigerte den Tag über jede Aufnahme von Nahrung.
Preßburg18. Juli. Infolge Kurzschluß der elektrischen Beleuchtung ist das prachtvolle Schloß des Grafen Johann Serenyi inVaczduba vollständig niedergebrannt. Der Schaden ist sehr bedeutend.
London 17.Juli. (Olympische Spiele) Beim Amateurtauchen wurden die beiden Vorläufe zur Entscheidung von den Deutschen Behrens und Geidzig gewonnen. Der Endlauf findet morgen statt. Deutschland hat sich damit den
ersten Platz in dieser Konkurrenz gesichert. Bieberstein (Deutschland) gewann den Endlauf über 100 Mir. Rückenschwimmen in 84°/s Sekunden. Im ersten Lauf der 1 Runde des Mehrkampf« (3 Leute) schlug Deutschland Frankreich; im zweiten Gang schlug Deutschland Holland. Im Endlauf jedoch wurde Deutschland von England geschlagen. G. Walz hat einen Vorlauf de» Kunstspringens gewonnen. — Für hervorragende Lei- stungen ist der deutschen Turnerschaft seitens des internationalen olympischen Komitees die Coupe Olympkque zuerkannt worden.
Literarisches.
Neues von Wilhelm Busch. Die zahlreichen Verehrer des im Januar dieses Jahre» verstorbenen Dichters werden sich freuen zu ver- nehmen, daß von ihm noch unveröffentlichte und unbekannte Arbeiten existieren. Al« erste wird, wie uns aus München gemeldet wird, ein dort neu gegründeter Verlag im September d«. I«. ein Buch heraurgeben; es find 95 Blatt zum Teil farbige Zeichnungen, zumeist mit den charakteristischen Versen versehen. Dar Buch führt den bezeichnenden Titel „Hernach". Es ist in den 90er Jahren de» vorigen Jahrhundert« entstanden und von Wilhelm Busch zur Veröffentlichung nach seinem Tode bestimmt worden. Es werden davon zwei Ausgaben erscheinen, eine facstmtlierte Liebhaber- und eine gewöhnliche Ausgabe.
Vermischtes.
Farbige Wursthäute verboten! Durch Beschluß des Bundesrats ist mit Wirkung vom 1. August d. I. an die Verwendung von Farbstoffen jeder Art bei der gewerbsmäßigen Zubereitung mit Ausnahme der Verwendung zur Gelbfärbung der Margarine und der Hüllen derjenigen Wurstarten, bei denen die Gelbfärbung herkömmlich und als künstliche ohne weiteres erkennbar ist, verboten worden. Es ist also von dem genannten Zeitpunkt ab insbesondere das auch in Württemberg vielfach geübte Färben von Brüh- und Räucherwürsten nicht mehr zulässig.
Voraussichtliche Witterung:
Vereinzelte Niederschläge, kühl.
ReNam-tett.
-Krankenkost.
, IsusemNscd bevisdrte tiatu-ulig bei:
SrLcfiäuk-ctifslI,
vigpptiöe.
Fenster noch erleuchtet und wagte er, läuten zu lassen, obgleich es schon so 'pät ist.
Ihre Stimme klang angenehm und tief, ihre Aussprache war rein; es war eine Französin, eine Dame aus den gebildeten Ständen. Soviel konnten wir sofort aus den paar Worten entnehmen, die sie gesprochen hatte; auch lag eine undefinierbare, aber nicht zu verkennende Eleganz in ihren Bewegungen und ihrer gesamten Haltung. Ob aber die Fremde alt oder jung sei, war schwer zu sagen; denn während sie in ihren langen Mantel gehüllt blieb, bemerkten wir nun auch, daß sie tief verschleiert war.
Das Schloß knackte, aber ich hielt Sterlings Hand fest. Obgleich ich mit einiger Befriedigung bemerkte, daß der Kutscher sich entfernt hatte und nun vor dem Kopf seines Pferdes stand, hielt ich immer noch den Riegel fest, damit er nicht zurückgeschoben werden könne.
Zu wem wünschen Sie. Madame? fragte ich.
Zu Sir Richard Sterling. Die« ist doch seine Wohnung, nicht wahr? Die Frage klang etwas ängstlich.
Ja. Sie find zu dem richtigen Hause gekommen. Aber kann Ihre Angelegenheit nicht bis morgen warten? Oder wollen Sie uns jetzt Mitteilen, war Sie wünschen?
Ich kann Ihnen unmöglich hier auf der Straße mein Anliegen auseinandersetzen, erwiderte sie, ihre zierlichen, mit weißen Handschuhen be- kleideten Hände in beredtem Protest ausstreckend. Und ich muß, ich muß noch heut abend eine Unterredung mit Sir Richard Sterling haben; ich bitte Eie sehr darum.
Ihre Stimme hatte einen flehenden Klang angenommen, und ich fühlte, wie sich Sterlings Finger auf die meinen legten, die noch immer die Klinke festhielten. Aber ich war noch nicht befriedigt.
Sind Eie allein? fragte ich.
O gewiß, ich bin allein.
Und find sie allein, ohne Begleitung so spät in der Nacht hierher gefahren?
Sie schwieg einen Augenblick, und ich glaube sogar, sie zitterte unter ihrem Mantel.
Es ist ungewöhnlich, es ist seltsam, ich weiß es, erwiderte sie; aber ich habe keine Wahl. Ich muß Sir Richard Sterling sprechen.
Und der Kutscher?
Er wird warten. Kutscher, rief sie, sich an den Mann wendend, der noch bei seinem Pferde stand, warten Sie eine Stunde hier, bis ich zurückkomme.
Eine Stunde — gerechter Gott! murmelte ich vor mich hiy. Sterling« Hand griff nach der Klinke, und ich ließ es nun zu, daß mein Freund die Gartenpforte öffnete.
Bitte, hier, Madame, hörte ich ihn sagen, während er mit einer höflichen Armbewegung auf den Weg deutete, der zum Hause führte. Ich selbst sah nach dem Riegel, und nachdem ich ihn in die Krampe hatte zurückschnoppen lassen, rüttelte ich an dem Gitter, um mich zu versichern, daß aller sicher verwahrt sei. Als ich mich umwandte, um meinem Freunde und seinem geheimnisvollen Besuch zu folgen, zündete sich der Kutscher eine Zigarette an, und da« Ausflammen des Streichholzes beleuchtete einen Augenblick da» Innere de» Wagen«. Es war leer. So war die Dame doch allein gekommen, wie sie versichert hatte. Ich fühlte mich erleichtert, daß sie sich in dieser Beziehung keine Täuschung hatte zu schulden kommen lassen. Ich blieb ein paar Schritte hinter den beiden anderen zurück und als ich das Hau« betrat, fand ich die Dame allein in dem Halbdunkeln Hausflur stehen. Ich konnte Sterling in der Tür de« anstoßenden Zimmer« sehen; er suchte mit der Hand augenscheinlich nach den elektrischen Knipsern, denn einen Augenblick später flammte da« Licht auf.
Darf ich Ihnen beim Ablegen ihres Mantels behilflich sein? fragte er, indem er zu seinem Besuche zurückkehrte.
Nein, ich danke Ihnen, erwiderte die Dame, höflich, aber bestimmt sein Anerbieten ablehnend. Dann trat sie auf eine einladende Bewegung Sterling» hin in da« Zimmer.
(Fortsetzung folgt.)