Truppenübungsplatz Hartmannsweilerkopf
Wo Väter kämpften, werden Sühn» km Grabenkanchf geschult.
Es war eiy- sinnvoller Gedanke, den durch die weitblickende Initiative deS Befehlshabers im Wehrkreis V und im Elsaß, General der Infanterie Otzwald, geschaffenen Truppenübungsplatz Hartmannsweiler- koPf mit einer dreitägigen Nebung elsässischer Garnisonen einznweihen und so die durch das Sterben Zehntausender Soldaten geweihte Kuppe des heiligen Berges des Wasgen- waldes zu neuem Leben wicderzucrwecken. Die zahlreichen Zuschauer dieser ersten Truppenübung auf dem Hartmannsweilerkopf hatten reichlich Gelegenheit, aus eigenem Augenschein die strategische Bedeutung dieses südöstlichen Eckpfeilers der Weltkricgdstellung auf deutschem Boden und ihren Nutzen für die Ausbildung i k Nahkampf und Stellungskrieg kennenzulernen Hatte man doch eine weite Sicht über die südliche Rheincbene bis zum Schwarzwald, Basel und selbst den Schneeriesen der Schweizer Alpen.
Die Äergkuppe stand'in der zweiten Septemberhalfte im Zeichen äußerst wirklichkeitsnaher Kampfhandlungen: Von Kirchershut bis Anssichtsfelsen und Feste Großherzog, zum Kammweg, Ziegelrückcn- und Schweinsberggrnben dem Wsltkriegskämpfer geläufige Namen von Feliennestern und Stellungsabschnitten — hallte das Gelände von MG- und Gewehrfeuer, den Detonationen der Handgranaten und gestreckten Ladungen, den Einschlägen der schweren Infanteriewaffen Wider, leckten ans pechschwarzen Qualmwolken die feuerlohenden Zungen der Flammenwerfer Grabenwände entlang, stiegen Rauchpilze und Erdfontanen der Granateinschläge hoch und wälzten sich dicke Wände künstlichen Nebels und am Morgen des letzten Uebunastages griffen selbst Kampfflieger im Tiefangriff in die Kampfe von Blau und Rot ein. Aufgewühlten Herzens erlebten die alten Hartmannsweilerkopf-Kämpfer noch einmal ausschnittsweise Verlust und Rückgewinnung der in der Nähe des Hl-b-mkamms gelegenen Eckbastionen und Stellungen
Zu dieser ersten Großübung waren beiderseits zwei verstärkte Bataillone mit Jnfanteriegeschützkompamen und Panzeringerzügen, einer leichten und schweren Artillerieabteilung und einer Pionierkompanie eingesetzt, me ihre Unterkunftsorte am Fuße des Hartmannsweilerkopfes im Fußmarsch erreicht und sich in der Frühe des ersten Gefechtstages in den Stellungen eingerichtet hatten. Die der Truppe gestellte Ausgabe bestand in der Hauptsache in der Ausbildung im Grabenkampf und demgemäß in Stoßtrupp- aufgaben, die in dem unübersichtlichen und infolge Stacheldrahtresten. spanischen Reitern, Gräben, Tunnels und Bunkern gegebenem Gelände ganz besondere Umsicht und Bravour erforderten. Von der klassischen Leere des Gefechtsfeldes, der Ausnutzung des Geländes bis zur Auf- rollnng des Grabensystems im Nahkampf war das Verhal- den der im wesentlichen aus in der Ausbildung stehenden Rekruten bestehenden Truppe über fedes Lob erhaben und die Uebiing in Anlage und Durchführung hervorragend gelungen. Die Leute gaben sich ihrer Aufgabe mit einer Begeisterung und Leidenschaft hin, daß sie sich nicht nur recht widerwillig dem Schiedsrichterspruch, der sie zu Verwundeten oder Gefangenen machte, sondern auch dem Signal „Das
Ganze halt!" das -hi'-"' .' .stsise,
nur bedauernd fügten
Bei der Schlußbesprecy»...., ... o üie obere
Führung nicht mit der verdienten Anerkennung, hatte doch die Nebung gezeigt, daß es sich bei dem Hartmannsweilerkopf um einen ganz hervorragend geeigneten Truppenübungsplatz handelt. Darüber hinaus offenbarte sie die große Bedeutung einer engen Verbindung zwischen schweren Waffen und den Führern in vorderster Linie, die Wichtigkeit des Zusammen'vielK zwischen Stäben und Truppe und der Sckmtzwände künstlichen Nebels und nicht zuletzt auch die entscheidende Rolle der Schiedsrichter, deren Eingreifen solchen Nebungen erst den wirklichkeitsnahen Ablauf ernster Kampfhandlungen sichert. Der Befehlshaber nn Wehrkreis V und im Elsaß. General der Infanterie Oß- wald, faßte abschließend seinen Eindruck dahin zusammen, daß diese Nebung der Trnvpe reiche Lehren und Erfahrungen vermittelt habe. Als taktischen Fundamentalsatz stellte er heraus: „Blut sparen! Mit den Waffen und nicht mit den Beinen kämpfen!" und schloß mit der Feststellung: „Es war für mich als alten Soldaten eine außerordentliche Freude, di? Passion der Lente zu sehen. Sie stürmten durch die Drahthindernisse und kämpften in diesem schwierigen Kampfgelände mit von Minute zu Minute sich steigernder Begeisterung. Ich möchte der Truppe ausdrücklich, meine Anerkennung ausfprechen." Oberstleutnant Griesinger, der im Weltkrieg als ältester Regimentskommandeur am Hartmannsweilerkopf gekämpft hatte, legte am Ehrenmal des Weltkriegsfriedhofs von Sennheim, in dem nahezu 4000 deutsche Soldaten gebettet sind, einen Kranz aus Sträuchern und Blumen des Hartmannsweilerkopfes nieder. (r).
Abgeschlagene Entlastungsangriffe
Weiterhin zäher Hiinserkanrpf — Raumgewinn im Ka«kas«»gebiet — Italiener lMnae» Uebersetzversnch a»
vrrs. An« dem Aührerhaupiquattier. 2». »ept. Das Oberkommando.der Wehrmacht gibt bekannt: . ..
,Im Kaukasus-Gebiet gewannen veuycye unv veroan- dete Truppen im Angriff gegen hartnäckig verteidigte SWllungen weiter Raum uni» wiesen mehrere Gegenangriffe ab Sei der Bekämpfung von SMffrZielen vor der kauka- fusküfie wurden zwei Frachtschiffe durch Bombentreffer
Im^slad/gebiel von Stalingrad nahmen die Angriffs- tr«p»«n in zähem Häuserkampf weitere befestigte Stuh- pvnne. Entlastungsangriffe gegen die nördliche Abriegelungsfront wurden in harten Kämpfen abgewehrt und dabei ZS Panzer abgeschossen. Flugplätze östlich von Lenin- arad wurden bei TSa und Nacht bombardiert.
Nächtliche Bombenangriffe setzten abermals velveyal- t« bei Saratow ln Brand. Im Mündungsgebiet der Wolga uM> östlich des Stromes wurden zwei Tanker versenkt, zwei LaMihne beschädigt und ein Mnnitionszug zur Explosion gebracht.
An der Don-Front schlugen llattenische Truppen einen Veberfehversuch der Bolschewisten über den Ilntz ab. Bei Woronefch wiederholte der Feind seine vergeblichen Angriff-.
Im mittleren und nördlichen Frontabschnitt wurden di« eigenen Angriffsunternehmungen fortgesetzt. Feindliche Gegenangriffe und örtliche Angriffe der Sowjets südöstlich des Ilmensees brachen im Abwehrfeuer zusammen.
Im östlichen Miklelmeer versenkte ein deutsches U-Boot einen Transporlsegler.
Britische Bomber führten ln der vergangenen Nacht Störflüge über der Ost- und Nordsee durch. Nachtjäger schosse« «l« Flugzeug. Marineflak und Vorpostenbooke fünf britische Flugzeuge ab.
Nach wirksamen Tiefangriffen leichter deutscher Kampflugzeuge bei Lage gegen militärische Ziele an der engli- Südküste wurde in der vergangenen Nacht ein Ver-
tVWMi orenWnn rm »aswesten oer llnfei mit Bomben ve-
Boi der erfolgreichen Abwehr starker feindlicher Sntla Wm«antzriffe lm Räum von skalingrad zelchneke sich di, »rmwenb«rÄsche 76. Infanteriedivision besonders ans/
Bomben auf Gibraltar
Der italienische WehrmachtsLericht.
DNB. N o m, 28. Seht. Das Hauptquartier der italienischen Wehrmacht gibt bekannt:
,„Fn Äeghpten Artilleriefeuer und Aufklärungstiitig- keit der Luftwaffe.
In der vergangenen Nacht griffen unsere Fernkampfflugzeuge Gibraltar an. In dem Zielgebiet entstanden Brände. Alle Flugzeuge sind an ihren Stützpunkt zurückgekehrt."
Hervorragender Jagdflieger.
DNB. Berlin, 25. Sept. Der Führer verlieh das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes an Oberleutnant Tonne, Staffelkapitän in einem Jagdgeschwader. Oberleutnant Wolfgang Tonne, am 28. Februar 1918 zu Moßbach, Kreis Schleiz. geboren, ist ein hervorragender Jagdflieger, der an der Ostfront 54 Luftsiege errang. Hohes fliegerisches Können und vorbildliche Einsatzbereitschaft bewies er auch in vielen scbneidioen und erfolgreichen Tiefangriffen.
Gedenkfeiern für die spanischen Märtyrer.
Das Fest der Schutzheiligen der spanischen Märtyrer und Gefangenen, das in ganz Spanien begangen wurde, stand im Zeichen des antikommunistischen Willens des spanijchen Volkes. In den Gefängnissen und Klöstern, wo Spanier während des Bürgerkrieges wegen ihrer nationalen Gesinnung von den kommunistischen Horden gepeinigt und ermordet wur- den, fanden Gedenkfeiern in Anwesenheit hoher Vertreter der zivilen und militärischen Behörden statt. In dem berüchtig. ten Gefängnis, das während der roten Herrschaft in dem Augustinerkloster in Barcelona eingerichtet war, wurde der Grundstein zu einem Denkmal für die tausend Patrioten gelegt, die unter furchtbaren Peinigungen dort den Tod fanden.
Der..FlalcheuhalS" wird immek enger
Sorgenvolle Betrachtungen der Feindvrekke
DNB. Wieder hat eine Sondermeldung Kunde davon gegeben, daß der unseren Feinden zur Verfügung stehende Schiffsraum abermals um 125 OVO BRT geringer geworden ist. Immer prekärer wird dadurch die Lage Englands und der USA. In die Versorgung der Industrie und der Bevölkerung werden mächtige Lücken gerissen, die Arbeiter sehen das Werk ihrer Hände nutzlos in den Wogen der Ozeane versinken, die Sowjets — auf die Hilfe über See dringend angewiesen — werden immer ungeduldiger, und das Phantom einer „Zweiten Front" rückt weiter in die Ferne. In offiziellen Verlautbarungen versucht man die letzten schweren Geleitzugverlnste durch die Behauptung zu verschleiern der größte Teil der Schisse sei am „Bestimmungsort" angekommen; als wäre der Meeresgrund Bestimmungsort der Rooseveltschen Sendungen! Oder man tröstet die Bevölkerung mit dem Hinweis, Schisse, die ankämen, seien wichtiger als die versenkten. Ein echt britischer Zynismus spricht aus solchen schnoddrigen Bemerkungen. Denn auf die Dauer wird es auch die Rohstofflage der USA nicht zulassen, daß zum Beispiel zehn Panzer gebaut werden muffen, wenn nur.einer znm Einsatz kommen soll. Die in letzter Zeit, man möchte sagen von Tag zu Tag sorgenvoller werdenden Betrachtungen der englischen und Amerikanischen Presse zur Schiffahrtsiage zeigen, daß sich die Masse des Volkes über den Ernst der Situation nicht hinwegtäuschen läßt. Churchill selbst mußte ja in einer Botschaft an die Schiffsbauer zugeben, daß England „ohne Schiffe nicht leben und nicht siegen kann". Und der „Daily Telegraph" gestand, die Engländer und Nordamerikaner seien „einfach nicht mehr in der Lage, bei ihrem Mangel an Transportmitteln die an sie gerichteten Bitten, vor allem der Bolschewisten ru erfüllen."
Die bekannte Londoner Wirlichaflszeitichrist „Econonnst" rollte bereits am 12. September in einem „Flaschenhälse" überschriebenen Artikel in sensationeller Weise mit ernüchternder Klarheit die enormen Schwierigkeiten der Tonnage- lage unserer Feinde auf. „Welche Pläne auch die Alliierten für die Entfaltung ihrer Kraft für die nächsten kritischen Feldzüge gemacht haben mögen." schrieb die Zeitung wörtlich, „so ist der T r a n s p o r t immer noch das Hindernis für eine großzügige Planung. Die alles andere überschattende Tatsache besteht darin, daß die verfügbare Tonnage nicht genügt, um die volle Kraft der Alliierten an die Fronten zu brinqen. Mister Churchills Erklärung, daß die Monate
Iun uno August gegenuver den voryergeyenven Monaren eine entscheidende Verbesserung in den alliierten Handelstonnageverlusten aufwiesen. Paßt nicht ganz mit den Berichten aus Amerika zusammen, wonach der Juli der bisher schlimm st e Monat gewesen ist." „Economist" gibt weiter zu, daß eine andauernde Vergrößerung der deutschen U-Boot-Flotte nicht habe verhindert werden können. Dies bedeute, daß die Gefahren für die Alliierten zur See noch auf lange Sicht hinaus auf einem Höhepunkt blieben. Trotz der immer größer werdenden Produktion der alli. ierten Schiffswerften würden die Tonnage-Flaschenhälse bestehen bleiben. Produktion und Strategie der Alliierten seien dadurch eingeengt. Die Rohstoffnot, die durch den Verlust der Gebiete in Ostasien, durch den steigenden Bedarf der Kriegs- Industrien durch die relative Unerfahrenheit der alliierten Techniker auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Verbesserungen des Materials und der Entwicklung von Ersatzstoffen verschärft worden sei, werde weiterhin eine hindernde Belastung darstellen. Auch in einer kritischen Untersuchung des Standes der NSA-Rüstungsproduktion steht sich „Economist" zu der Feststellung gezwungen: „Die Schiffsbauzahlen werden in einer Art und Weise präsentiert. Sie einett Vergleich mit dem gesteckten Ziel erschweren soll. Aber feit einigen Monaten wird schon berichtet, daß das Gesamtbild der Scksifssbaulaae unbefriedigend ist."
Angeführt sei dann noch ein Artikel von „News Chro- nicle", in dem es heißt: „Wir erzeugen jetzt zwei Drittel unserer eigenen Nahrung. Wir müssen aber mehr leisten, wenn wir die beinahe unerträgliche Belastung unserer Schisfahrt erleichtern wollen." Zur Verschiffung des ständig wachsenden Nüstungsikiaterials müsse ein immer größerer Schiffsraum verfügbar werden. Die erfolgreiche Eröffnung einer zweiten Front immer noch eine Frage der Tonnage.
In Anbetracht dieser Lage nimmt es nicht wunder, wenn Reuters diplomatischer Mitarbeiter feststellt, in politischen Kreisen Londons sei man vorsichtig mit Kommentaren zu den I amerikanischen Meldungen, daß die Sowjets mit ihrem West- f lichen Verbündeten inbezug auf die Möglichkeiten zur Eröfs- > nung einer zweiten Front jn Europa übereinstimmten..
An amtlicher Stelle in London habe man zu diesen „Ge»! schichten" nichts geäußert. Womit man, nach den letzten Be» richten aus Moskau über „englandfeindliche Gefühle" wegen des Ausbleibens einer zweiten Front auch das Klügste getan
NWMles Mm is WM
Roman von Hugo M. Kritz
Drrlag Knorr L Hrrih. Kommanditgesellschaft, München 1941
29. Fortsetzung
Bartosch konnte ja kaum daran interessiert sein, wegen einer Lappalie, wie Martinas Falschmeldung, in einem amtlichen Polizeivrotokoll etwa ihre Schilderung der Vorgänge zu finden, deren Zeugin sie in der vergangenen Nacht geworden. Nein, es konnte nicht in seiner Absicht liegen, derartige Dinge publik werden zu lassen. Worte des Erzherzogs fielen ihr ein: Bei uns muß die Sünde einen leisen, leisen Schritt haben. Wir sind nur groß im Vertuschen...
Nun, von ihr aus — sie begann zu pfeifen. Die gute Laune nahm überhand. Niemand würde ihr etwas zuleide tun. Sie trug ein k. und k. Geheimnis in ihrer Brust. Ihr Schweigen war der hohe Preis für das billige Vergehen, sich eine Gräfin Dorival genannt zu haben. Den Handel ließ sie gelten ...
Auf oem Tisch lag ein Brief. Martina nahm ihn in die Hand, er trug ein geprägtes Wappen und war von Taut' Eugänie, der Fürstin Coronani-Saaan. „Liebe Antschi", schrieb die Fürstin, „ich freue mich sehr, daß Du in Wien bist und erwarte Dich beute nachmittag um fünf. Du wirst em paar nette Leute kennenlernen. Es grüßt Dich Deine Tante Eugönie." Martina seufzte, drehte die Augen zur Decke empor und legte den Brief wieder auf den Tisch.
Dann ließ sie das dünne Gewand an ihrem Körper herabfallen und trat vor den Waschtisch.
Als sie, Gesicht und Ohren voller Seife, sich über die Waschschüssel beugte, hörte sie plötzlich eine eintönige, blecherne Stimme hinter sich: „Küß die Hand. Frau Baronin."
Martina, zutiefst erschrocken, fuhr herum, öffnete blinzelnd die Augen — wahrhaftig, da stand ein Mann in ihrem Zimmer, ein kleiner Mann allerdings, ein Männlein, hielt artig einen runden steifen Hut gegen den Bauch gedrückt und verbeugte sich tief. Er hatte einen langen, eckigen Schädel, einer Zuckerschachtel nicht unähnlich, unmäßig groß im Verhältnis zu den Propottionen des Körpers, oberhalb spärlich mit kurzem, struppigem, grauem Haar bewachsen. Das viereckige, flache Gesicht war von vielen Füllen durchfurcht, und von den beiden kleinen, knöpft-n ?->'!> recht listigen Augen schien das eine
unbeweglich, denn es war immer in dieselbe Ecke gerichtet, als wäre es außer Dienst gesetzt und käme nun nicht mehr in Frage. Dieser Mensch, in einem hochgeschlossenen Gewand aus glänzendem schwarzem Stoff und mit silbernen Knöpfen untadelig sauber, mit blankgeputzten Schuhen und wohlrasiertem, leicht violett gepudertem Kinn, blickte Martina mit dem einen, intakten Auge freundlich und abwartend an.
Martina, unfähig, sich das Erscheinen dieses sonderlichen Wesens in ihrem Zimmer zu erklären, zudem so wie sie dastand, lediglich mit dem Seifenschaum an Gesicht und Händen bedeckt, fühlte eine finstere Wut in sich auf- steigen, stampfte mit dem Fuße und schrie: „Hinaus! Hinaus! Was fällt Ihnen — können Sie nicht anklopfen, zum Donner — hinaus!"
Der kleine Mann verbeugte sich: „Wie Frau Baronin befehlen! Haben Frau Baronin 'leicht das Klopfen überhort?"
„Ich hin keine Baronin", schrie Martina, „marsch — hinaus!"
„Bin schon Heraußen, gnädigste Baronin", sagte das Männlein, indem es die Tür öffnete, „belieben Frau Baromn alsdann zu rufen?" Damit, und mit einem ge- falugen Gekicher zog es sich zurück, das Männlein.
Martina spülte die Seife vom Gesicht, trocknete sich ab und warf einen Schlafrock um die Achseln. Was war das für eine skurrille Erscheinung, dieser Gnom, und was wollte man schon wieder von ihr? Wiederum fühlte sie die ungewisse Furcht, denn seit ihrer Ankunft in Wien hatte sie das Furchten gelernt.
Sie öffnete die Tür, und da stand er, der Gnom, höflich abwartend. „Kommen Sie herein", sagte sie und ließ, für alle Falle, einen geringschätzigen Blick an der kurzen Gestalt ihres Besuchers herabfallen.
Der kleine Mann indes erklärte, indem er sich abermals verbeugte: „Ich bin der Kammerdiener von Herrn War- duhne, m wichtiger Mission hierhergesandt, um gnädigster Frau Baromn beifolgenden Brief einzuyändigen." Bei diesen Worten zog er ein großes, dickes, blaues Kuvert aus feiner Brusttasche hervor.
, "Sosagte Martina, „Sie sind der Kammerdiener des Herrn Warduhne. Und Sie treten hier einfach herein, ohne anzuklopfen, Sie. obwohl ich's Ihnen verboten habe, nennen mich schon wieder ,Frau Baronin', das sind eigenarkige Manieren, die Sie haben. He^: Kammerdiener. Es erinnert mich lebhaft an den Spruch: Mie der Herr so 's Gescherr."
»Zu freundlich, gnädige Frau Baronin", erwiderte er, offenbar höchst geschmeichelt, mit seinem Herrn in einen Topf geworfen zu werden.
Martina jedoch, ervojt uver jorner Aunanigren, te mit dem Fuße auf. „Zum Kuckucks rie^ sie, „haben
Sie Ihre dummen Ohren verstopft?
Se sage ich
Ihnen, Sie sollen mich nicht,Frau Baronin' nennen, und im nächsten Augenblick —"
„O ich weiß", sagte der kleine Mann, indem er das eme, bewegliche Auge zusammenkniff, „Frau Baronin nennen sich gegenwärtig Gräfin Dorival. Jedoch —"
„Jedoch?"
„— jedoch wir Eingeweihten, Frau Baronin, dürfen sans osromoine mitnander Umgang pflegen."
„Da schau Herl" Martina war verblüfft, „wir Em» geweihten?"
„Mein Herr und ich, gnädige Frau Ba —"
„Ich warne Sie!" sagte Martina drohend. „Und überhaupt melden Sie Ihrem Herrn, daß ich durchaus nicht darauf versessen bin, irgendeinen wie immer gearteten Umgang mit ihm und seinem vorlauten Diener zu pflegen, weder mit, noch ohne osrsmoine. Haben Sie verstanden?
„Zu Befehl, verstanden schon. Jedoch —"
„Sagen Sie nicht immer pedoch'. Uno schauen Sie auf mich, wenn Sie mit mir reden, und nicht immer auf den Kachelofen. Dort ist nichts für Sie zu sehen."
„Das, bitte schön, tut das Glasaug', was schaut, wohin es will."
„No", entgegnete Martina, „das tut mir leid, daß Sw ein Glasaug' haben. Aber auch das gibt Ihnen kein Recht, frech zu sein. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich auf seinen Brief nicht neugierig bin, und er mag sich ihn, wenn er will, auch hinter den Hut stecken. Das sagen Sie ihm. Und haben jetzt die Güte, sich zu trollen. Die Unterredung ist beendet."
, „Vielleicht raten Frau Baronin einmal, was in diesem Brief herinnen ist. Wetten, daß Frau Baronin es nicht erraten?
„Ich sage Ihnen doch, ich bin nicht neugierig. Sie sollen gehen, sage ich. Ich habe keine Lust, mich Ihretwegen in Rätselraten zu vertiefen."
„Es sind aber hunderttausend Gulden herinnen, Frau Baronin. In bar. Frau Baronin wissen ja — für diesen Kopfputz oder was es ist, den Frau Baronin Seiner Kaiserlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzog Johann Sylvester gestohlen haben."
Martina stand starr vor Erstaunen. Endlich, mehr amüsiert als erzürnt, rief sie: „Mir bleibt der Verstand stehen! Wie reden Sie mit mir? Sind Sie verrückt geworden?"
(Fortsetzung folgt)