Strafkammer fand gestern die Verhandlung gegen die beiden Kaufmannrlehrlinge Peter Germann, 17 Jahre alt, und Karl Sauter, 16 Jahre alt, wegen Wechselfälschung und Betrug statt. Am . Januar ds. Js. erschwindelten sich die Beiden durch einen gefälschten Avisbrief für einen auf den Namen des früheren Lehrprinzipils Germanns, de» Kaufmanns August Lutz, ausgestellten Wechsel ln Höhe von 20000 Vas Akzept der Rhein. Kreditbank. Bei der Diskontierung des Wechsel» erhielten ste, jedoch auf der Dresdner Bank infolge eines Versehens nur 14 862 Damit gingen sie flüchtig, nachdem ste ihren Eltern je 200 ^ gesandt hatten. In Konstanz warfen ste mit Geld förmlich um fich. Für 1500 ^ kauften sie Kleider und Luxurgegenstände. Die Nächte brachten die Früchtchen in übelberüchtigten Häusern bet Ehampagnergelagen zu. Auch unternahmen sie einen kostspieligen Amflug mit Frauenzimmer in die nahe Schweiz Als ste am vierten Tage verhaftet wurden, waren über 4000 ^ von dem Gelds schon vertan. Die Angeklagten erklärten, durch Lesen von Schriften Karl Mayr und Sherlock Holmes zu ihren Streichen gekommen zu sein. Eie wollten nach Afrika, um sich eine Farm zu kaufen. DieHerren" sind schon voriges Jahr einmal mit einer kleineren unterschlagenen Summe auf Reisen gegangen. Auf die Frage des Vor­sitzenden, warum sie gleich einen so hohen Betrag auf den Wechsel gesetzt hätten, erwiderte Germann, ein solcher Betrag sei weniger auffällig als ein kleinerer. Da» Urteil lautete auf je 1 Jahr Gefängnis.

Au» Bayern 6. März. In Jllertiffen sielte sich bei der Musterung ein Rekrut, der 1,07 m groß war und 35 Pfund wog.

München 5. März. Der Wärter Reiter vom Schlacht- und Viehhof stürzte fich heute mittag, wie bereits berichtet, vom Turm der Peterrkirche in der Nähe des Marienplatzes herab. Der Selbstmörder schlug am Kirchendach auf und stürzte von da auf die Straße, wo er tot liegen blieb. Von den Passanten an jener verkehrsreichen Stelle wurde niemand verletzt. Reiter war gestern wegen Sittltchkeitsvsrbrechen« zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Aus Anlaß dieses Vorkommnisse» schreibt man aus München: Das Ereignis, dessen Schau­platz heute die Peterskirche war, erinnert an den Selbstmord des Freifräuleins v. Jckstatt, das sich am 14. Jan. 1785 von dem südlichen Turm der Frauenkirche herabstürzte und dessen Schicksal eine Anzahl literarischer Federn in Bewegung setzte. Maria Franziska v. Jckstatt war die Tochter eines Jngolstädter Universitäts- Professors und hatte fich unter dem Widerspruch ihrer Mutter in den Leutnant des dort garniso- nterenden Regiments Zweibrücken Franz v. Vincenti verliebt. Bei der völligen Mittellosigkeit des Leutnants wollte indes die Mutter in eine Ver­mählung der jungen Leute erst dann einwilligen, wenn der Leutnant ein hinlängliches Auskommen habe, um eine Familie ernähren zu können. Trotz der Bemühungen der Mutter, eine Begegnung zwischen ihrer Tochter und dem Leutnant zu verhindern, trafen sich doch beide alltäglich um 2 Uhr in der Frauenkirche, wenn das Mädchen zu einer Putzmacherin ging, um Handarbeit«, unterricht zu nehmen. Ungeachtet der flehentlichen Bitten der Tochter blieb die Mutter auf ihrer ablehnenden Haltung bestehen und schrieb in diesem Sinn am 13. Januar 1785 an den Leutnant. Am 14. ging die Tochter zur gewohnten Zeit mit ihrer Begleiterin zur Frauenkirche und äußerte, als sie die schwindelnde Höhe beider Türme sah: Sie find aber doch sehr hoch!" Dann stieg sie heiter und lustig mit dem Mesner und ihrer Begleiterin hinauf und benützte einen unbeachteten Augenblick, um durch das Fenster unter der Uhr den Todersprung zu tun. Der Körper schlug zunächst auf das Dach der Kirche auf und wurde von dort in gewaltigem Bogen in den Garten des Benefiziatenhauses geschleudert, wo er mit zerschmetterten Gliedern liegen blieb. Auf dem alten Frauenfriedhof, der die Kirche heute noch umgibt, wurde das Fräulein v. Jckstatt am 17. Januar beiges tzt, nachdem der Bisüof v Freifing ihren Tod für einen unglücklichen Zufall erklärt hatte. Wie schon erwähnt, knüpft sich an den

Selbstmord des Fräulein v. Jckstatt eine große Anzahl höchst empfindsamer Literaturwerks, die heute freilich längst vergessen sind, und von denen dieLeiden der jungen Fanni, eine Geschichte in Briefen" von F. G. v. Nesselrode damals am gelesensten waren. Vergeblich suchte die Mutter diese literarischen Erzeugnisse zu unterdrücken, die fich zumeist gegen ihre Härte wandten. Noch heute ist das Andenken an das Fräulein v. Jck­statt in München sehr lebendig und der Todes­sprung vom Petersturm hat ihm neue Nahrung gegeben.

Meiningen 5. März. Da« Hoftheater ist vollständig ausgebrannt, nur die Um­fassungsmauern stehen noch. Trotz der fieber­haften Tätigkeit der Feuerwehr, de« Militärs und der Bürgerschaft war es nicht möglich, dem Feuer, das sich mit furchtbarer Gewalt entwickelte, Ein­halt zu tun. Um I V« Uhr war im Theater die Probe beendet; um V-3 Uhr stand bereits der Bau in Hellen Flammen. Wodurch das Feuer entstanden ist, ist bisher noch unbekannt, doch ver- mutet man, daß es im Kellergeschoß, in dem sich die Heizungranlage befindet, ausgekommen ist, weil auch die dort lagernden Kohlen von Beginn des Feuers an brannten. Von den wertvollen Requisiten, der Garderobe und den sonstigen Gegenständen ist ein größerer Teil zwar ge- rettet, doch dürfte olles stark gelitten haben. Ebenso ist von der sehr umfangreichen und wert- vollen Bibliothek der größte Teil ver- brannt. Um 5 Uhr war der Brand noch nicht gelöscht, sondern wütete noch weiter. Von Un- glücksfällen ist bisher nichts bekannt geworden.

Berlin 6. März. (Reichstag.) Die Be­ratung des Etats des Reichsamts des Innern wird fortgesetzt. Bayrischer Staatsrat v. Burkhard: Der Abgeordnete Fuhrmann hat gestern dem bayrischen Herrn Finanzminister Aeußerungen über die Finanzreform in den Mund gelegt, aus denen er den Schluß zog, daß der bayrische Finanzminister Schrittmacher der Sozialdemokraten im Sinne des preußischen Finanzministers sei. Der bayrische Finanzminister hat ausdrücklich erklärt, daß er sich durchaus nicht für die Zukunft binden wolle. Wollen Sie doch den neuen Reichsschatzsekretär erst seine Vorschläge ausarbeiten lassen. Ich hoffe, daß wir dann alle zusammen wirken werden, damit das Reich aus seinen finanziellen Schwierigkeiten herauskommt. Wir alle sind doch überzeugt, daß es so, wie es jetzt ist, nicht weiter gehen kann. Es müssen für das Reich Mittel geschaffen werden, ohne daß den Bundesstaaten die Erfüllung ihrer Auf­gaben unmöglich gemacht wird. Abg. Hoch (Soz) erklärt, was Graf Kanitz über die Kartelle gesagt habe, könnten seine Freunde durchaus unterschreiben, nur über die Ursache sei man verschiedener Meinung. Gegen das Kartellunwesen müsse eingeschrittcn werden. Auch die Arbeiter litten ungemein unter der un­erträglichen Lohnpolitik der Syndikate. Die einzige wahre Sozialpolitik bestehe darin, der Uebermacht des Kapitalismus Grenzen zu ziehen. Dem Staats­sekretär macht Redner weiterhin zum Vorwurf, gleich in seiner ersten Rede im Reichstage bet der ersten Gelegenheit, die fich ihm geboten habe, auf eine Anfrage von anderer Seite geantwortet zu haben: Jawohl, die Krankenversicherung muß geändert weiden, damit die Krankenkassen nicht mehr politisch gemiß- braucht werden. Wo sei ein solcher Mißbrauch? Die Sozialdemokraten täten in den Kassen nur das, was die Regierung selber tue. Sich weiter über die Krankenkassenfrage, über den Konflikt mit den Aerzte-Vereinigungen verbreitend, wirft Redner dem Abgeordneten Mugdan vor, bei einer früheren Aeußerung, daß die Krankenkassen-Vorstände nicht mit den Aerzte-Organisationen verhandeln wollten, gew ußt zu haben, daß dies nicht der Wahrheit ent­spreche. Was den A> beitskammer-Entwurf angehe, so bekunde das Widerstreben des Staatssekretärs, die Arbeiter-Organisationen zum Wohlrechtzuzulassen, ein durch nichts motiviertes Mißtrauen des Staats­sekretärs gegen die Arbeiter-Organisationon. Die ganze Geschichte der Sozialpolitik sei ein lahmes Nach­hinken der Regierung und der bürgerlichen Parteien hinter den Anregungen, welche die sozialdemokratische Partei längst durch ihre Anträge gegeben habe. Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg erwidert, der Vorredner meine, es würden jetzt überaus viele Renten wieder entzogen, ohne daß dazu Grund vor­liege. Das sei nicht der Fall. Es seien allerdings Renten entzogen worden, aber selbst die Aerzte hätten fich überzeugt, daß bisher vielfach Jrrtümer in bezug auf die Voraussetzungen der zu einem Rentenanspruch berechtigenden Erwerbsunfähigkeit obgewaltet hätten. Der Abgeordnete Kämpf habe namentlich auf die

vorjährige vom Reichstage angenommene Resolution Ablaß betr. Wahlrechts- und Armenunterstützung hingewiesen. Er für seine Person glaube, daß in eine Revision der bezüglichen Gesetzgebung eingetreten werden müsse. Es sei aber nicht sicher, ob die in dieser Resolution enthaltene Detail-Benennung der Armenunterstützung zu dem gewünschten Ziele führe. Redner verbreitet sich dann über die einschlägigen Bestimmungen in anderen Ländern. Man habe sich ferner über die preußische Legitimations-Ver­ordnung für ausländische Arbeiter beschwert «nd gesagt, daß dies den Handelsverträgen und dem Retchsgesetze widerspreche, aber diese Angelegenheit falle in das Gebiet der fremdenpolizetlichen Ab­ordnungen und hierin seien die Einzelstaaten nicht be­schränkt, wie dies in verschiedenen Handelsverträgen, z. B. mit Rußland, ausdrücklich ausgesprochen sei. Der Staatssekretär macht dann noch praktische Ge­sichtspunkte für die Verordnung geltend. Er betont namentlich, daß die ausländischen Arbeiter auch insofern den nötigen Schutz genössen, als sie sich im Falle schlechter Behandlung an den Landrat als entscheidende Instanz wenden könnten. In der Praxis erhoffe er jedenfalls von der Verordnung das beste. Was die Ueberfülle von stattstischen Arbeiten anlange, so verweise er nur auf die vor­liegenden Resolutionen, in denen wieder so und so viele Neuerhebnngen gefordert würden. Man habe das Ergebnis der Kartell-Enquete ein negatives genannt, aber jedenfalls sei die Enquete un­parteiisch geführt worden. Weiter führt der Staats, sekretär aus, es müsse gründlich überlegt wer-den, ob man zu solchen Einwirkungen schreiten dürfe, wie sie in der Resolution Spahn detailliert verlangt würden. Man werde prüfen müssen, ob die ange­ratenen gesetzlichen Vorschläge auch die Sicherheit bieten, daß wir damit zu besseren Verhältnissen ge­langen. Wollte man das Kartellwesen einseitig regeln, so wäre das ein aussichtsloses Beginnen. Nehme aber, wie wahrscheinlich, das Haus die Re­solution an, so würden die verbündeten Regierungen der Sache ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Abg. Mugdan (frs. Vp.) kündigt eingehende Ausfüh­rungen über die Frage der Arbeiterverficherung für das Kapitel Reichsverficherungsamt an. Einstweilen nur dies: Von denpaar Pfennigen" spricht Herr Hoch! Welcher Staat in der Welt hat denn über­haupt Arbeiter Versicherung wie wir? (Sehr wahr!) Die Sozialdemokraten redeten den Arbeitern vor, daß sie eS seien, die die Sozialpolitik machten, ob­gleich sie noch niemals in der Lage gewesen seien, solche Sozialpolitik zu machen, wie die bürgerlichen Parteien. (Sehr wahr.) Auf die Wählerkreise mache dies aber gar keinen Eindruck mehr. Dr. Mugdan geht dann auf Hochs Bemerkungen über die freie Äerztewahl ein. Die offiziellen sozialdemokratischen Blätter, der Vorwärts u. s. w. bekämpften seit Jahren die freie Äerztewahl auf das entschiedenste. Die Herren, die hier große Reden über Streikbrecher hiel­ten, züchteten ärztliche Streikbrecher-Organisationen, gelbe Gewerkschaften. Redner polemisiert dann noch in längeren Ausführungen gegen die Haltung der Sozialdemokraten gegenüber der freien Äerztewahl, um alsdann an die Regierung die Frage zu richten, wie es mit der Verficherungsreform stehe. Vor 2 Jah­ren habe Graf Posadowsky erklärt, die Sache sei fix und fertig, im vorigen Jahr habe er diese Zusage zu­rückgenommen und seitdem höre man gar nichts mehr. Abg. S ch ack (w. Vg.) begrüßtdie beiden Resolutionen Bassermann (Regelung der Arbeitszeit und Sonn­tagsruhe in Kontoren und sonstigen kaufmännischen Betrieben ohne Laden sowie betr. Arbeitszeit, Sonn­tagsruhe, Kündigungsfrist, berufliche Aus- und Fortbildung für Gehilfen von Rechtsanwälten rc.). Bei den kaufmännischen u. Gewerbegerichten empfehle sich die Einführung der Proportionalwahl, ebenso bei den Krankenkassen. Der konservativen Resolution gegen das Schmiergelder-Unwesen könne er nicht beitreten. Abg. Neuner (natl.) tritt für seine Resolution auf Unfall-Fürsorge bei freiwilligen Ar­beiten zur Rettung von Personen und Bergung von Gegenständen unter besonderer Berücksichtigung von Feuers-, Wassers- und anderen Gefahren ein. Nach persönlichen Bemerkungen vertagt sich dann das HauS auf Dienstag 1 Uhr.

Berlin 6. März. Direktor Bahn, der Buchhalter Friedberg», der fich nun selbst gestellt hat, beabsichtigte, fich als Kellner auf einem Schiff nach Südamerika anwerben zu lassen. Nachdem ihm aber die Barmittel au», gegangen waren» zog er e« doch vor, nach Deutsch­land zurückzukehren. Er «behauptet, in Berlin unter dem Drucke Friedberg« gestanden zu haben und seine Verfehlungen seim nur auf die An­regungen Friedberg« erfolgt. In London habe er Friedberg nicht gesehen.

Berlin 6. März. Durch die Selbststellung Bohn« wird das Verfahren in der Friedberg.