Ausruf Br. Lehs
Zur WHW-Samnrlung am Sonntag
Berlin, 12. Oktober.
Neichsorganisationsleiter Dr. Leb hat anläßlich der Sammlung für das WLW am kammenden Sonntag noch folgenden Aufrus erlaffen:
„Das Winterhilfswerk ist der Ausdruck der nationalen Solidarität aller Deutschen. Während sich die internationale Solidarität, die dem Arbeiter jahrzehntelang als die allein se- ligmachenöe Lehre gepredigt wurde, als Phantom erwiesen hat und vor den hartes Tatsachen der Wirklichkeit wie Dunst und Nebel verwehte, hat sich die nationalsozialistische Solidarität des nationalsozialistischen Deutschlands in den vergangenen sechs Jahren als höchste Wirklichkeit bewahrheitet. Die kühnsten Hoffnungen sind durch die Tat und Opferbereitschaft unseres Volkes weit über- troffen worden.
In den vergangenen Wintern ist die Deutsche Arbeitsfront mit ihren Ergebnissen der Stratzensammlungen Werlaus an der Spitze marschiert. Ich erwarte, daß auch in diesem Winter alle schaffenden Menschen, die sich zur größten Selbsthilfeorganisation aller Zeiten und aller Völker bekennen, beweisen werden, daß sie den Sinn des Nationalsozialismus erfaßt haben und ihren Eifer in der Verwirklichung -er nationalsozialistischen Solidarität gegenüber den vergangenen Jahren noch verdoppeln werden.
Heil Hitler! Dr. Robert Ley.
Goebbels bei den Arbeitern
Appell in einem Musterbetrieb
Berlin. 12. Oktober.
Gauleiter Reichsminister Dr. Goebbels stat- jxte am Dienstagnachmittag einem national- , sozialistischen Musterbetrieb in Berlin-Ma- tienfelde einen Besuch ab. um auf einem großen Betriebsappell zu den Arbeitern der Stirn und der Must zu sprechen. Nach seiner mit stürmischer Begeisterung aufgenommener.. Rede in der reich ausgeschmückten Festhalle des Werkes nahm der Gauleiter gemeinsam mit der Betriebsführung und der Gefolgschafi das Mittagsmahl ein und besichtigte die vorbildlichen sozialen Einrichtungen, so insbesondere die für die Erholung in der Freizeit bestimmten umfassenden Grünanlagen und die Sportplätze, die Gemeinschaftsund Umkleideräume, die betriebswichtigsteu Fabrikationsstätten und die hervorragend ausgestatteten Lehrlingswerkstätten, in denen rund 15a Lehrlinge ihre Ausbildung erhalten.,
Dr. Goebbels weilte mehrere Stunden in tem Betrieb und wurde auch bei seiner Ab- Lchrt von der Belegschaft und der Mariestl- selider Bevölkerung lebhaft gefeiert.
,Atemalldsland" im Lhaco
Endgültiger Schiedsspruch
Buenos Aires. 12. Oktober.
Unter dem Bo-rsttz des argentinischen Außenministers trat am Dienstag das Schiedsrichterkollegium, bestehend aus Vertretern Argentiniens, Brasiliens, Chiles, Perus Uruguays und der USA, in Buenos Aires zusammen, um den Spruch über die endgültige Lhaco-Grenzziehung den Bevollmächtigten Boliviens und Paraguays bekanntzugeben. Gegen die Entscheidung, die auf Grund topographischer Feststellungen in dem umstrittenen Gebiet gefällt wurde, ist ein EinsPruch Unmöglich. Ein jahrzehntelanger Streit ist damit endgültig beigelegt.
Auf Grund dieser Grenzzichung fällt rin großer Teil -es nördlichen Chacos an Paraguay. zwar nicht das ganze Gebiet, aber doch weit mehr, als frühere Schiedssprüche diesem Lande zuerkannten. Um Konfliktsmöglichkisi- ten auszuschließen, wurde ein sogenanntes »Niemandsland" geschaffen, das von keiner Partei befestigt werden darf. .
Für ein neues Frankreich
Forderungen der sranzöfische« Frontkämpfer
Paris. 12. Oktober.
Henri Pichot, der Präsident der „Union Federale", des größten französischen Front- kämpferderbandes, gab am Dienstag vor Pres- severtretcrn bedeutsame Erklärungen ab, dir in der Forderung nach einer „Regierung des öffentlichen Wohles" gipfelten.
Frankreich, so erklärte Pichot, befinde sich in einer äußerst schwierigen Lage, die. wenn sie auch nur noch einige Zeit anhalte, das Land an den Rand des Abgrundes bringen könne. Die Frontkämpfer, ohne die es Hein kein Frankreich mehr geben würde, seien ' Ansicht, daß ihr Opfer ihnen das Recht gebe, ihre Meinung laut und srei zu äußern.
Die eine Million Frontkämpfer der Uniott Federale hätten seit Kriegsende Abscheu und schließlich Verachtung angesichts der Enttäuschungen empfunden, die dem französischen Volk immer wieder zugemutet worden seien. Die französische Republik, so wie sie sich heute darstelle, sei nicht mehr die Republik von früher, auch nicht mehr die des großen Krieges. Der Reichtum verfalle mehr und mehr, und während die anderen Länder sich konzentrieren, löse Frankreich sich auf. Immer deutlicher erweise sich die Unfähigkeit des Parlaments, die Lage zu meistern.
Pichot machte dann bemerkenswerte Feststellungen. Der Staatshaushalt weise ständig einen Fehlbetrag auf. Die Währung gleite weiter ab, und zwar stärker, als es im Kurs des Franken zum Ausdruck komme. Die Verschuldung sei soweit angestiegen, daß die Hälfte des Steuerauskommens für die Zinsen dieser Schulden ausgewandt werden müsse. Die Produktion liege heute unter der des Jahres ISIS, und die Wirtschaft sei zersplittert. Seit zehn Jahren verschlimmere sich die Lage strotz aller Stener-
Wie selbst in der englischen Presse mit großer Offenheit zugegeben wird, herrschen in Palästina chaotische Zustände. Der Sonderberichterstatter der dem englischen Außenamt nahestehenden Zeitung „Daily Telegraph" schreibt, er habe niemals einen derartigen balligen Zusammenbruch jeder Regie- rungsantorität erlebt. Die Macht der britischen Behörde« in Palästina beschränke sich auf die Stadtgrenzen von Jerusalem, Tel Aviv und Haifa. Das ganze übrige Land, vor allem Ser Süden, bis zur ägyptischen Grenze, werde von den Aufständischen beherrscht.
In einem Teil der englischen Presse kommen kritische Stimmen gegen die britische Politik in Palästina zum Ausdruck. So schreibt „News Chronicle", die Regierung sei seit vielen Jahren zur Genüge gewarnt worden, daß der „Palästina-Topf" eines Tages überkochen würde. Das zögernde Verhalten der Regierung in der Palästina-Frage habe zu einem nicht geringen Teil zu der gegenwärtigen Krise beigetragen.
Arabische Aaiionalregieruna ausgerufen
Welches Ausmaß die chaotischen Zustände in Palästina erreicht haben, geht aus Nachrichten hervor, die aus Kairo eintrefsen. Trotz der strengen Zensur, der alle Nachrichten aus Palästina unterliegen, wird in Kairo behauptet, daß in der vorigen Woche in Palästina eine arabische Nationalregierung aus
erhöhungen und Notverordnungen.
Die Frontkämpfer seien mit dieser Lage nicht einverstanden. Sie wollten setzt ihre Meinung äußern als einfache Bürger und als Männer, die im Falle eines neuen Krieges wiederum die Uniform anziehen würden. Pichst kündigte eine große Propaganda im ganzen Lande an. Man sei sich in Frankreich über die Macht der Frontkämpserbewe- gung noch nicht genügend klar. Die Union Federale haben ihren Plan. In großen Zügen gesehen, besage der Plan Folgendes:
Frankreich müsse eine Regierung des öffentlichen Wohls haben, möge man sie auch als „nationale" Regierung bezeichnen, das sei gleichgültig. Sre müsse von charakterfesten Männern gebildet werden, die außerhalb der Parteien und Bünde stünden und überzeugte Republikaner seien. Diese Regierung werde die notwendige Zeit erhalten, um arbeiten zu können, mindestens aber ein Jahr, das heißt also bis zu den nächsten Wahlen. Die Negierung werde wirtschaftliche, finanzielle md diplomatische Vollmachten erhalten. Wenn das Parlament diesen Plan verwerfe, so sei seine Auflösung notwendig. Die Frontkämpfer würden sich dann in den Kampf stürzen, und man könne versichert sein, baß die politische Laufbahn der meisten augenblicklichen Parlamentarier dann abgeschlossen sein werde.
Da lädier nehme eine hervorragende Stellung ein. Nach all dem, was er getan habe, um Frankreich einen Krieg zu ersparen, seien ihm die französischen Bürger tiefe Dankbarkeit schuldig. Diese Stellung lege ihm aber auch eine entsprechende Verantwortung aus. Möge er die ihm durch die Vollmachten gegebene Zeitspanne auszunutzen, um die notwendigen Enschlüsse zu fassen. Das Frankreich der Frontkämpfer verlange das von ihm.
gerufen worden sei. Die arabischen Freischärler sollen bereit drei Viertel des Landes beherrschen, so daß sich nur ein Viertel des Landes unter englischer Kontrolle befindet.
Die arabische Nationalregierung verfüge über ein eigenes, militärisch organisiertes und Wohl bewaffnetes Freikorps von etwa 15 000 Mann, während dazu alle nicht organisierten Araber je nach der Lage freiwillige Hilfsdienste leisten, so daß eine genaue Kopfzahl der arabischen Freiheitskämpfer nicht bekannt sei.
An verschiedenen Stellen des Landes seien regelrechte arabische Militärübungslager eingerichtet worden. Ferner seien Sondergerichte eingesetzt, die Landesverrat und ähnliche Verbrechen sühnen, aber auch zivile Streitfälle schlichten. Regelmäßig würden amtliche Verlautbarungen durch Flugblätter verteilt. Kennzeichnend dafür, daß es bei dom Freihcitskampf sich nicht um religiösmohammedanische, sondern um eine nationale arabische Kampfidee handelt, sei die Tatsache, daß die arabischen Christen den Sonntag als Feiertag aufgegeben hätten, so daß nunmehr im ganzen arabischen Palästina nur noch der Freitag als Feiertag gelte. Die Befehle der Nationalregierung würden überall strengstens befolgt.
Vollmachten für den Hohen Kommissar
Sprengungen, Ueberfälle und Brandstiftungen, die sstch täglich in Palästina ereignen.
zeugen von der starken Unruhe im Jordan- land. Aus allen Teilen des Landes werden Sabotageakte und blutige Zusammenstöße gemeldet, die wieder zahlreiche Tote fordertest. Wie verlautet, wird der zur Zeit in Londört weilende britische Hohe Kommissar für Palästina, Sir Harald MacMichael, am Donnerstag nach Jerusalem zurückfliegen und außerordentliche Vollmachten mitnehmen. Er ist vom englischen Kolonialminister, MacDonald, beauftragt worden, mit allen Mitteln und unter allen Umständen zunächst einmal Ruhe und Ordnung wiederherzu, stellen. Aus Indien, Malta und Aegypten sind bereits Truppenverstärkungen unterwegs, die helfen sollen, diesen Auftrag zu erfüllen.
Bomben vom Dach aus
Strafexpcdition in Lidda
Jerusalem, 12. Oktober.
In Jerusalem Wunden Dienstag vier Bomben vom Dache auf aus Kraftwagen mit Militär und Polizei herabgeworfen, wobei der Wagen des Distrikskommiffars in Gefahr geriet. Zwei der Bomben explodierten. Es wurde ledoch niemand verletzt. Die Attentäter entkamen unerkannt.
Im Bezirk von Jaffa wurden zwei arabische Funkstationen durch Brandstiftung eingeäschert.
In Lidda wurden zwanzig Häuser durch Militär in die Luft gesprengt. Dieses Vorgehen wurde zur Vergeltung für den kürzlich erfolgten Angriff auf die Miti- tärwache der Station Lidda unternommen.
Acht Forderungen der Araber
Kairo, 11. Olt. Der panislamitische Palästina-Kongreß in Kairo nahm folgende Entschließungen an:
1. Sofortiger Verzicht auf die Balfour- Erklärung;
2. sofortiges endgültiges Abstoppen der Judeneinwanderung nach Palästina;
3. jede Teilung ist unzulässig, Palästina muß unbedingt ungeteiltes Araberland bleiben;
1. sofortige Bildung einer Araberregierung und Ausschreibung von Parlamentswahlen, ferner Abschluß eines Vertrages mit England nach dem Vorbild Iraks;
5. politische Amnestie;
6. die Erfüllung der erwähnten Forderungen ist die Voraussetzung für die Freundschaft zwischen England und den islamitischen arabischen Staaten, eine Nichterfüllung wäre ein Akt der Gegnerschaft und der Feindschaft und würde mit entsprechenden wirtschaftlichen und politischen Gegenmaßnahmen beantwortet werden;
7. bei allen arabischen Fürsten und Regierungen wird die gemeinsame Durchsetzung der vorliegenden Entschließungen befürwortet, die Entschließungen werden England, Frankreich und dem Völkerbund mitgeteilt;
8. die Kongreßarbeiten werden durch einen ständigen Araberausschuß, dem Parlaments- Vorsitzende Syriens, Libanons und des Iraks angehören, weitergeführt.
Englische Bomber abgestürzt — Drei Tote
London, 12. Okt. Die englische Luftwaffe Wurde am Dienstag wieder von einem schweren Unfall betroffen. Zwei Bomber des 10. Bombengeschwaders stießen über dem Uebungsplatz von Pernhos zusammen und stürzten brennend ab. Drei Fliegeroffiziere wurden getötet, ein vierter, der mit dem Fallschirm abspringen konnte, ist leicht vorletzt worben.
London: Lhaos ln KalMiva
Sreivierlel des Landes in der Sand der Aufständischen
llrheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz,München
liandroman voaIritz Weder
22. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Ein Mädchen erschien und meldete, daß der Tisch gedeckt sei. Baron Andermatt war froh, auf ein anderes Thema übergehen zu können.
„Du bist wohl eine fehr tüchtige Hausfrau geworden?" fragte er lächelnd. „Wenn ich mich recht erinnere, hat man dir das Talent dazu immer abgesprochen."
„Wie dir die Fähigkeit, Geschäfte zu machen! Ja, man lernt allerlei im Leben."
Das Abendessen in der kleinen, holzgetäfelten Stube verlief ungemein nett. Gespräche gingen leichthin von Mund zu Mund, und alle drei waren guter Laune. Andermatt erzählte von seinen Fahrten im fernen Osten, von Chinesen und Malayen, aber immer in scherzhaftem Ton und ohne die Bitterkeit, die ihn sonst erfüllte, wenn er an diese Zeit zurückdachte. Selbst Dr. Kammlacher taute auf. Seine wortkarge Steisheit ging sogar in ungewöhnliche Geschwätzigkeit über.
„Schade, dag Sie um ein paar Wochen zu spät heimgekommen sind, Baron," sagte er plötzlich.
„Zu spät? Was habe ich denn versäumt?"
„Meine Schwägerin Inge Stand. Das Teufelsmädel ist uns durchgebrannt, einfach durchgebrannt. Wahrscheinlich war ihr die ganze Gegend zu eng. Sie werden sich kaum mehr an Inge erinnern, wie?"
Mareis Augen flammten einen Augenblick lang auf, als erwarte sie etwas Ungeheuerliches. Aber Andermatt beugte sich gleichmütig über seinen Teller, er schien der Frage keine Bedeutung beizulegen.
,Znge? Ach ja, deine kleine Schwester!" sagte er. „Wenn Ich aufrichtig sein soll, ist sie für mich nichts als ein Name. So als Kind kannte ich sie. War ein arger Range, wie?"
Dr. Kammlacher hob den Zeigefinger seiner Rechten wie ein dozierender Professor.
„Ja, war!" rief er. „Aber die sollten Sie jetzt sehen, Baron! Bildschön! Entzückend! Meiner Frau wie aus dem Gesicht geschnitten!"
Marei warf ihrem Gatten einen Blick zu, .der Unheil verhieß.
„Höre nur, wie er schwärmt, Konrad!" warf sie ein.
„Ich sage nur die Wahrheit. Also Inge, die wäre so Ihr Geschmack, Baron! Die müßten Sie sich einmal ansehen!"
Andermatt lachte. „Sie scheinen ja wirklich mehr von mir zu wissen, als ich selbst, Doktor," sagte er. „Sie verfügen über ein staunenswertes Einfühlungsvermögen. Aber da müßte man die Probe aufs Exempel machen. Wo kann ich denn Inge sehen?"
Dr. Kammlacher wollte antworten, doch Marei schnitt ihm das Wort ab. „Sie ist in Wien," sagte sie verstimmt. „Eines Morgens war sie weg, ohne es auch nur der Mühe wert zu finden. Behüt Gott zu sagen."
„So! Also ganz modern?"
„Nein, gar nicht modern! Einfach ungeschliffen! Ich verstehe sie nicht, ich habe sie nie verstanden."
„Nananana!" Kammlacher ereiferte sich mehr, als man es an ihm gewohnt war. „Was du nicht sagst, Marei! Ihr habt euch ausgezeichnet verstanden bis zu dem Augenblick, an dem du ihr den Floh ins Ohr setztest, ihr Studium wieder auszunehmen. Keramik! Lächerlich! Ein Mädel wie Inge sollte heiraten und Kinder kriegen, aber nicht das Hafnergewerbe lernen. Also, weiß der Kuckuck, dieses ewige Gerede ist ihr eben zu dumm geworden und sie hat die Flucht ergriffen."
„Und jetzt studiert sie wieder?"
„Keine Spur. Zum Studium fehlt ihr doch das Geld. Wenn sie mir ein Wort gesagt hätte, wäre alles anders geworden. Aber so... Es ist verdammt schade um sie."
Mareis Augen schossen Blitze.
„Jetzt aber genug von Inge!" rief sie empört. „Du redestz ja so dumm daher, daß Konrad glauben muß, meine Schwe
ster sei auf dem besten Weg, irgendwo in der Welt zu verkommen. Sie ist in Wien Beamtin einer Versicherungsgesellschaft, das haben wir durch Bekannte erfahren. Daß sie uns nicht schreibt, geschieht aus Trotz."
Andermatt war von Mareis ungewöhnlicher Heftigkeit peinlich berührt. Das grenzte ja an jenen Haß, den bei Frauen nur die Eifersucht auslöst.
„Sieht sie dir wirklich so ähnlich?" fragte er in der Absicht, das Gespräch noch einmal auf Inge Stand zu lenken.
„Lächerlich! Wir sind ganz verschieden. Unsere Ähnlichkeit ist eine der merkwürdigen Erfindungen meines Mannes. Ich werde dir gelegentlich ein Bild Inges zeigen, da kannst du dich selbst überzeugen, daß nicht ein Wort davon wahr ist," sagte Marei.
Eine Weile bewegte sich das Gespräch um andere Dinge, und Dr. Kammlacher siel wieder in seine Wortkargheit zurück. Marei hob die Tafel auf. Man begab sich in die Halle, wo Likör und schwarzer Kaffee serviert wurden.
Es war etwa neun Uhr, als das Stubenmädchen erschien und Dr. Kammlacher zuflüsterte, es sei ein Mann draußen, der ihn dringend zu sprechen wünsche. Der Arzt ging, kam nach einigen Minuten zurück und sagte: „Verzeihen Sie vielmals, lieber Baron, aber ich muß leider Weggehen. Ein Krankenbesuch, drüben in Lehrnfeld bei Len Hochlehenhäusern. Sie kennen ja die Gegend! Aber ich hoffe, Sie bei meiner Rückkehr noch anzutreffen. In längstens zwei Stunden bin ich wieder hier!"
Er verabschiedete sich und ging. Minutenlang herrschte eine beklemmende Stille. Andermalt war ganz trunken von dem unwahrscheinlichen Glück, mit Marei allein zu sein. Marei aber schien sehr betroffen. Sie saß zusammengesunken in dem breiten Ledersessel und starrte wie geistesabwesend vor sich hin.
Konrad tastete nach ihrer Hand. „Du!" sagte er leise, zärtlich.
(Fortsetzung folgt.)