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Gedächtnisrede, in der er mit warmen Worten der Verdienste des Verstorbenen gedachte. Er feierte ihn als einen Veteranen der Freiheit, als edlen Menschen und treuen Hüter der Tradition des Kernerhaufes. Namens der Stadtgemeinde legte Stadtschultheiß Seufferheld einen Lorbeer­kranz am Grabe nieder. Weitere Kränze legten nieder. Herr Hild im Namen des Frauenvercins und einen zweiten Kranz im Namen der Familie Hild. Ferner legten Kränze nieder: Professor Meißner im Namen des Justinus Kernervereins, Rechtsanwalt Rosengart-Heilbronn namens der deutschen Volkspartei, Lehrer Sailer-Ludwigsburg namens des Männergesangvereinr Ludwigsburg, Heinrich Kleinbach für den Feuerbestattungsverein, Dr. Fries im Auftrag des Aerztebezirksvereins, sodann ein Vertreter des Volkrvereins und der Diener des Frauenvereins. Mit dem von den vereinigten Gesangvereinen Weinsberg gesungenen Lied:Stumm schläft der Sänger" schloß die eindrucksvolle Feier.

Ulm 14. Aug. Die Schweinefleisch­preise find auch hier im steten Steigen begriffen. Vor 4 Wochen wurden für das Pfund 7075 bezahlt, vor 14 Tagen trat ein Aufschlag von 5 -g ein und vom 16. Aug. ab müssen 8085 für das Pfund bezahlt werden. Da« Kalbfleisch und das Hammelfleisch haben um je 10 ^ abge­schlagen und kosten vom 16. ds. Mts. ab 6075 --Z, bezw. 6080 iZ.

Ulm 14. Aug. Aus Furcht vor Strafe, weil er sich am Eigentum von Kameraden ver­griffen hatte, erhängte sich gestern der Ulan Heim aus Kirchbierlingen. Erschossen hat sich mit seinem Dienstgewehr der Sergeant Huber vom Grenad.-Reg. 123.

Ulm 15. Aug. Aus Anlaß der großen Pionierübung bei Ulm wird vom 19. bis 31. August in Eggingen bei Einfingen ein Pro- viantenmagazin eingerichtet, das mit 1000 Ztr. Lagerstroh, 190 ebw weichem Holz, 52 Ztr. Ochsenfleisch und 260 Ztr. Kartoffeln ausge­rüstet wird.

Ulm 15. Aug. Beim Arbeitsamt waren im Juli ds. I. bei der männlichen Ab­teilung 1083 offene Stellen zu verzeichnen, wo­von 453 besetzt wurden. Von 833 Stellesuchen, den kamen 441 in Arbeit. Bei der weiblichen Abteilung waren 560 offene Stellen angemeldet, 107 wurden besetzt. Von 324 Stellesuchenden erhielten 107 Arbeit. Das Baugewerbe hatte wie in den Monaten Mat und Juni geringeren Bedarf an gelernten und ungelernten Arbeitern als im Vorjahr. Günstiger als in diesem war die Arbeitsgelegenheit in der Metall- und Maschinenbranche, ferner Lederarbeiter, Schneider, Schuhmacher und Maler; in letzterer Berufsart machte sich ein erheblicher Mangel an Arbeitern fühlbar.

Aulendorf 14. Aug. In den Hopfen­gärten der Umgegend ist eine Blattkrankheit an den Hopfenpflanzen festgestellt, die weite Aus- dehnung anzunehmen droht. Die ganze Hopfen, ernte erscheint bereits sehr gefährdet. Jetzt hat sich der Besitzer der bekannten Brauerei Härle an die 54. württ. Jnf.-Brigade, die soeben ihr Brigadeexerzieren in Münfingen zum Abschluß gebracht hat, gewandt mit der Bitte, ihm Leute der Brigade zur Bekämpfung der Hopfenkrankheit zur Verfügung zu stellen. Das Kommando, etwa 40 Musketiere mit einigen Chargen ist gestern von Münfingen abgegangen.

Tettnang 12. Aug. Die Hopfenernte wird bei dem gegenwärtigen schönen Wetter all­gemein werden. Die Klagen über geringen Aus- fall der Ernte halten an. Es sind weitere Käufe zu 7580 zu verzeichnen. Am Freitag fanden 5 Ballen am Nürnberger Markt einge­troffene Frühhopfen zu 95 ^ sofortige Abnahme. Am Samstag find weitere 4 Ballen schön grün aber nicht trocken angekommen und zu 98 ^ pr. Ztr. abgesetzt worden. Aus dem Schweizer Kanton Tessin waren 4 Ballen eingetroffen, welche mit 110 ^ pr. Ztr. bezahlt wurden. Steiermärker blieben unverkauft.

Baden-Baden 15. Aug. Der Staats­anwalt weilte am gestrigen Tage abermals hier. Seine Anwesenheit galt einer weiteren Verneh­

mung der Freiherrn von Linden au. Ueber dessen Anwesenheit in Baden-Baden am 6. Nov. v. I. ist bisher noch kein Beweis erbracht worden.

Köln 14. Aug. Wie die Kölnische Zeitung aus Casablanca meldet, sind die Stämme der nächsten Umgebung bereit, sich zu unterwerfen. Aus der Stadt geflohene Mauren erhalten viel­fach die Erlaubnis, zurückzukehren. General Drude schreitet gegen die Zügellosigkeit seiner Truppen ein. 9 Mann wurden vor ein Kriegsgericht ge­stellt. Europäische Damen wurden von Posten belästigt. Der englische Konsul fand einen plün- dernden Soldaten in seinem Haus und legte auf ihn an. Der deutsche Kaufmann Figge traf 12 Soldaten, die sein verschlossenes Lager bewachen sollten, beim Plündern an. Ein Offizier, den Figge um Unterstützung anrief, erklärte, dienstlich beschäftigt zu sein. Es werden strenge Strafen gegen die Plünderer verhängt.

Essen 13. Aug. Im Hause Krupp von Bohlen und Haibach ist heute mittag 2 Uhr ein Stammhalter geboren worden. Kanonen­schüsse verkündeten das freudige Ereignis. Doktor Krupp von Bohlen und Halbach teilte dem Direktorium der Firma Friedrich Krupp (A.-G.) mit:Dem Direktorium drängt es mich gleich im Namen meiner Frau in erster Stunde mit­zuteilen, daß uns soeben ein kräftiger Junge geboren wurde, dem wir in Erinnerung an seinen großen Ahnen den Namen Alfred beilegen wollen. Möge er in den Kruppschen Werken, auswachsend in praktischer Arbeit, sich die Grund­lagen schaffen, zu der wichtigen Uebernahme der verantwortungsvollen Pflicht, deren Größe ich mit jedem Tag näher erkenne! Nach testamentarischer Bestimmung des Großvaters geht aus den jetzt geborenen Stammhalter bei seiner Volljährigkeit das ganze Fabrikunternehmen über. Er wird nach den Bestimmungen, die der Kaiser im vorigen Jahre getroffen hat, wie sein Vater den Namen Krupp v. Bohlen und Halbach führen."

Essen 14. Aug. Auf der Eisenbahnstrecke Wanne-Recklinghausen wurde in einem Abteil 4. Klaffe einem Reisenden von einem Mitreisenden vergifteter Kognac gegeben. Der Mann brach bewußtlos zusammen, wurde seiner Barschaft nebst Uhr beraubt und liegt hoffnungslos dar­nieder. Der Täter ist entkommen.

Herbstein (Oberheffen) 15. Aug. Ein in der letzten Nacht aurgebrochenes Feuer legte einen Teil der Stadt in Asche. Es brannten 65 Gebäude ab, darunter 34 Wohnhäuser, das katholische Pfarrhaus nebst zwei Schulen, drei Bäckereien und mehrere Wirtschaften. Zwei Kirchen waren in größter Gefahr, konnten jedoch gerettet werden. Das stark gefährdete Amts­gericht wurde teilweise gerettet. Personen sind nicht umgekommen, doch ist einige« Vieh verbrannt. Der Brand begann gestern Abend 6 Uhr in einer Bäckerei. Die Entstehungsursache konnte noch nicht ermittelt werden. Von den Abgebrannten soll mehr als die Hälfte nicht versichert sein. Wie hoch sich der Schaden beläuft läßt sich bis jetzt noch nicht Überblicken. Die Sparkasse, die Apotheke konnten gerettet werden.

Frankfurt a. M. 15. Aug. Heute Vor­mittag wurde auf Veranlassung der Coblenzer Staatsanwaltschaft der Chemiker Dr. Scriba von hier und dessen Chauffeur zur Vernehmung vor­geführt. Dr. Scriba hat in einem, Rheinorte auf Kinder, die ihn mit Steinen beworfen hatten, mehrere Reoolverschüsse abgegeben und hat ein unbeteiligtes Mädchen schwer verletzt. Bei der Vernehmung bekannte sich Dr. Scriba als den Täter, worauf der Chauffeur entlassen wurde. Dagegen soll der jähzornige Schütze selbst, wie ein Berichterstatter dem Frkf. Gen.-Anz. zu berichten weiß, in Haft behalten und auch gegen eine an­gebotene ansehnliche Kaution nicht auf freien Fuß gestellt worden sein.

Kassel 14. Aug. Entgegen des ursprüng­lichen Reiseplanes traf König Eduard erst um 1 Uhr 15 Min. in Wilhelmshöhe ein. Der Empfang erlitt jedoch hierdurch keine Beeinträch- tigung. Das aus den Truppen der Residenzstadt Kassel und den umliegenden Garnisonen sowie patriotischen Vereinen, christlichen Gewerkschaften und Schulen gebildete Spalier stand um 12^

Uhr in der Wilhelmshöher Allee bereit. Die Zuschauermenge dürfte wohl 10 000 betragen haben. Das Wetter ist herrlich. Um 1 Uhr traf der Kaiser in der Uniform der Royal Dragoner mit dem Hosenbandorden in Wilhelms­höhe ein. In seiner Begleitung befand sich Fürst Äülow, der Chef des Militär-Kabinets Graf von Hülsen-Häseler und der Gesandte Jenisch. Um 1 Uhr 15 Min. lief der Sonderzug des Königs ein. Der König trug die Uniform des 1. Garde- Dragoner-Regiments, dessen Chef er ist, mit dem schwarzen Adlerorden. Die Begrüßung der Monarchen war eine herzliche. Sie umarmten sich wiederholt und küßten sich auf beide Wangen. Auf der Fahrt wurden die Monarchen durch stürmische Zurufe begrüßt. Dis Truppen präsen­tierten und die Militärkapelle spielte die englische Nationalhymne. Vor dem Schloß marschierten die am Spalier beteiligten Truppen vorbei, während die Majestäten auf der Terrasse standen.

Wilhelmshöhe 14. Aug. Die Kaiserin begrüßte den König von England bei seiner Ankunft im Schloß und wohnte dann mit den Monarchen dem Vorbeimarsch der Truppen bei, ebenso die Prinzessin Viktoria Luise, Fürst Hohen. lohe-Langenburg und sämtliche Damen und Herren der Umgebungen. Hierauf nahmen der Kaiser und die Kaiserin mit dem König, den englischen Herren des Gefolges und den Herren des Ehren­dienstes das Frühstück ein. Um 4*/s Uhr machten die Fürstlichkeiten mit sämtlichen Herren der Um­gebung einen Ausflug nach Schloß Wilhelmstal in Automobilen, wo der Tee eingenommen wurde. Beide Herrscher und sämtliche Herren trugen Zivil. Im ersten Automobil nahmen Platz der Kaiser und der König, der Reichskanzler und der kommandierende General Herzog Albrecht v. Würt- temberg. Das Publikum begrüßte die Herrscher allenthalben auf das herzlichste. Nach dem Tee im Schloß Wilhelmstal besuchten die Majestäten das Gestüt in Beberbeck und fuhren gegen 8 Uhr wieder in Schloß Wilhelmshöhe ein. Um 9 Uhr fand im Schloß Wilhelmshöhe eine Tafel statt. Bei der Abendtafel brachte der Kaiser einen Trinkspruch aus, worin er sagte, er erblicke in dem Besuch des Königs den Ausdruck verwandt- schaftlicher und freundschaftlicher Gefühle des Königs gegen die Kaiserin, ihn selbst und sein Haus. Er erblicke zugleich in dem König den Vertreter des großen englischen Volkes und in seinem Besuch den Ausdruck der guten Beziehungen zwischen den beiden Völkern. Der Kaiser trank auf das Wohl des Königs und der Königin, des englischen Königs­hauses und des englischen Volkes. König Eduard erwiderte deutsch, indem er zu­nächst von ganzem Herzen dankte für den Herz, lichen Empfang durch den Kaiser und die Kaiserin, die Armee und das Volk. Der König bedauerte, daß der Besuch so kurz sei. Er sagte, es sei sein größter Wunsch, daß zwischen Deutschland und England nur die besten und angenehmsten Beziehungen bestehen. Ec freue sich sehr, daß der Kaiser und die Kaiserin ihn bald in England besuchen werden. Er sei fest überzeugt, nicht nur seine Familie, auch das ganze englische Volk werde die Maje­stäten mit größter Freude empfangen. Der König toastete auf den Kaiser und die Kaiserin. Nach der Tafel fand, wie dasBerl. Tagbl." meldet, zwischen dem König Eduard und Kaiser Wilhelm eine persönliche Besprechung statt. Um 11 Uhr 30 Min. erfolgte die Abfahrt des Königs nach der Station Wtlhelmshöhe. Der Kaiser geleitete den König zur Bahn. Die Ver­abschiedung war eine überaus herzliche.

Berlin 14. Aug. Wie das Reichs-Kolonial- amt mitteilt, ist der deutsche Botschafter in London im Hinblick auf die erneute zweifelhafte Hal- tung Morengas an der deutsch-südwest-afri- kanischen Südgrenze bei der britischen Regierung vorstellig geworden. Daraufhin hat ihm die britische Regierung entgegenkommende Erklärungen gegeben. Dem deutschen Botschafter ist nunmehr von der britischen Regierung mitgeteilt worden, die Kapkolonie sei bereit, ihre Unterstützung zu leihen. Es seien Maßregeln angeordnet worden, um Morenga unverzüglich nach Upington zurück­zubringen und ihm einen Wohnsitz fern von der deutschen Grenze anzuweisen. Falls er sich weigere, werde er aus der Kap-Kolonie deportiert werden.