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Pfullingen 11. Aug. Heute früh wollte ein hiesiger Messerschmied im Garten eines Nach­bars einen Habicht erlegen. Er lehnte sich dabei zu weit aus dem Fenster, das Gewehr fiel zu Boden, entlud sich und die Kugel traf den un­glücklichen Jäger in die Herzgegend. Er ver­mochte seiner Frau noch den Hergang zu schildern, ehe er starb.

Wellendingen OA. Rottweil 13. Aug. Der Wellendinger Brandstifter treibt sein böse» Handwerk immer noch, trotzdem die Kgl. Staatsanwaltschaft aufs neue wieder 1000 ^ Belohnung auf seine Entdeckung gesetzt hat. Gestern nacht brannte ein kleines Wohn- und Oekonomiegebäude daselbst, von zwei älteren ledigen Leuten bewohnt, bis auf den Grund nieder. Der Brandplatz ist wie in den letzten fünf Fällen wieder am Bach gelegen.

Ulm 13. Aug. Der frühere Soldat 2. Klasse Josef Fendt vom 12. Jnf.-Regiment in Neu-Ulm ist vor 12 Jahren desertiert, wurde aber ergriffen und ließ sich nach einer wieder­holten Fahnenflucht als Fremdenlegionär anwerben. Nachdem er 4^ Jahre in Afrika gedient hatte, erschoß er als Grenzposten auf Madagaskar einen Legionär, der einen Vorgesetzten angegriffen hatte. Zu 10 Jahre Gefängnis verurteilt, nach 6 Jahren aber begnadigt, wurde er aus Frankreich ausge­wiesen und beim Ueberschreiten der Grenze fest­genommen. Er wurde nun zu I Jahr Gefängnis und neuerlicher Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes verurteilt.

Pforzheim 10. Aug. Im Alter von erst 55 Jahren starb in dem französischen Vogesen­bad Plornbiäres an einem Herzschlag einer der bedeutendsten Industriellen Pforzheims, Herr Carl Wilh. Lutz, der Mitbegründer und Mitleiterder Silberwarenfabrik Lutz und Weiß, G. m. b. H., die derzeit hier und in Altensteig an 500 Per­sonen beschäftigt. Der Verstorbrne war Jahre lang zugleich Mitglied des Stadtrates, der Handels­kammer und des Aufsichterais des Pforzheimer Bankvereins.

Karlsruhe 12. Aug. Der Verteidiger Hau' s, Rechtsanwalt Dr. Dietz hat heute Morgen den ersten TeÜ seiner umfangreichen Revisions- fchrift dem hiesigen Landgericht zur Weitergabe an das Reichsgericht eingereicht. Den Rest der Revifionsschrift hofft er im Laufe dieser Woche noch fertigzustellen. Die Revision enthält 5 Punkte, in denen Verstöße gegen die Strafprozeßordnung im Laufe der Verhandlung vorgekommen sind. Die Verteidigung stützt sich auf die rein formale Seite. Dr. Dietz hat, wie er erklärt, einen Straf­antrag gegen Olga Molitor wegen Körperver­letzung mit tödlichem Ausgange nicht gestellt. Er behält sich jedoch weitere Schritte in dieser Rich­tung vor.

Karlsruhe 12. Aug. Die Rechtsanwälte Dr. Dietz und Oppenheimer, die Verteidiger Hau's wollen gegen Fräulein Molitor Straf­antrag wegen Meineid stellen. Die Aussage Fräulein Moliiors, daß sie den Täter gesehen habe und zu der Ueberzeugung gelangt sei, Hau sei der Täter, stehe im krassen Widerspruch zu den Aussagen, die Fräulein Molitor dem steno­graphischen Bericht zufolge im Prozeß gemacht hat. Sie ist von dem Vorsitzenden wiederholt gefragt worden, ob sie eine Vermutung habe, wer der Täter sei und hat regelmäßig mit Nein ge­antwortet. Sie ist auch gefragt worden, ob sie den Täter gesehen habe und hat darauf geantwortet, daß sie nur einen fliehenden Mann gesehen habe.

Kassel 13. Aug. Reichskanzler Fürst v. Bülow ist heute Morgen 8 Uhr in Kassel eingetroffen und hat sich alsbald nach dem könig­lichen Schloß Wilhelmshöhe begeben, wo der Fürst auf Einladung des Kaisers Wohnung nimmt. Der Kaiser nahm Vormittags einen längeren Vortrag de; Reichskanzlers entgegen. Fürst Radolin, der den gestrigen Tag in Norderney ver­brachte und dort mit dem Reichskanzler eine längere Unterredung hatte, ist ebenfalls in Wilhelmshöhe eingetroffen und wird heute vom Kaiser empfangen werden.

Berlin 12. Aug. Wie nunmehr feststeht, wird König Eduard Mittwoch, den 14. ds. zum Besuch des Kaiser« in Wilhelmshöhe ein- tnffen und von 9 Uhr Vormittags bis 8 Uhr Abends daselbst verweilen, um sodann die Reise nach Ischl zum Besuch des Kaisers Franz Josef fortzusetzen. Außer dem Reichskanzler Fürsten Bülow, der am Tage vorher in Wilhelmshöhe eintrifft, soll der Staatssekretär des Auswärtigen von Tschirschky an der Entrevue teilnehmen. Es wird in diplomatischen Kreisen hieraus geschlossen, daß er sich bei der Zusammenkunft der beiden Souveräne um bestimmte politische Vereinbarungen handelt, die derselben eine besondere Bedeutung verleihen.

Berlin 12. Aug. Der Kaiser hat an die Witwe des Generals von Kessler aus Wilhelmshöhe folgendes Telegramm gerichtet: Ich spreche Ihnen meine aufrichtige Teilnahme beim Heimgange Ihres vortrefflichen Mannes aus, dessen großen Verdienste im Generalstabe und an der Spitze des Armee-Bildungswesens ihm in der vaterländischen Geschichte und meinem dankbaren Gedächtnis ein ehrendes und bleibendes Andenken für alle Zeiten sichern.

Berlin 13. Aug. DieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Seine Majestät der König Eduard trifft morgen früh auf Schloß Wilhelmshöhe ein, um einen Tag mit dem deutschen Kaiserpaar zu verbringen. Wir begrüßen diesen Besuch als ein besonders nach zwei Richtungen willkommenes Ereignis. Er ergänzt in erwünschter

Weise die so erfreulich verlaufene Begegnung vor Swinemünde und die bevorstehende Zusammen, kunft des Königs mit dem Kaiser Franz Josef in Ischl. In dieser Folge von Monarchen« Begegnungen darf man eine Bekräftigung der friedlichen Tendenzen erblicken, welche in den Beziehungen der Nationen auf allen Seiten zu Tage treten. Sodann entspricht die Begegnung in Wilhelmshöhe auch den freundschaftlichen Ge- sinnungen die mehr und mehr in der Bevölkerung Deutschlands wie Englands wieder herrschend werden. Die uneigennützigen Bemühungen um die Stärkung und Vertiefung dieser Volksstimmung werden auf beiden Seiten durch das Beispiel der Monarchen eine Förderung erfahren. Indem wir Seine Majestät den König von England auf deutschem Boden ehrerbistigst willkommen heißen, wünschen wir seinem Aufenthalt in Wilhelmshöhe wie seiner Weiterreise glücklichen Verlauf.

Berlin 13. Aug. Bei den Landungs- Manövern der Flotte, die voraussichtlich in der Zeit vom 9. bis 13. September in der Nähe von Apenrade stattfinden werden, sollen außer ver­schiedenen Automobilen vom deutschen Freiwilligen Automobil-Korps ebenso wie bei den diesjährigen Kaiser-Manövern auch von Privatpersonen ge- führte Krafträder im Nachrichten- und Verkehrs- Dienst zur Verwendung gelangen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden als Grundlage dienen für die geplante Bildung eines Freiwilligen Motor-Radfahrer-Korps, wie solche in anderen Ländern, speziell in England, Frankreich und Italien schon seit längerer Zeit geschaffen worden find.

DerKöln. Ztg." telegraphiert man aus Tanger, 11. August: Die Verluste der Deut­schen zählen nach Millionen. Es ist zu hoffen, daß die Entschädigungsfrage rasch erledigt werden wird. Die Deutschen haben den französischen Kommandanten gebeten, von der Zerstörung der deutschen Farmen außerhalb der Stadt abzusehen. Eine volle Berücksichtigung der deutschen Interessen ist umsomehr Frankreichs Pflicht, als die Deutschen gemeinsam mit den Engländern am Mordtag durch Einwirken auf die Kabylen die sichere Bergung der französischen Kolonie auf die Schiffe ermöglichten.

Tanger 13. Aug. Den letzten Nachrichten des Admirals Filtbert zufolge ist in Casablanca alles ruhig. Dennoch sind die französischen Vor­posten wegen der häufig gegen sie gerichteten Angriffe verdoppelt worden. Bei dem am 10. August stattgehabten Gefecht ist auf französischer Seite ein Soldat getötet worden, während 10 weitere Verwundungen davontrugen. Die Ver­luste der Marokkaner waren bedeutend. Das Gefecht endete mit einem Bajonnet-Angriff. Die Lage in Mazagan ist immer noch ernst. Auf der Rhede liegen die Kriegsschiffe Admiral Aube, Conde und Gucydon. In Rabat hat sich die Lage gebessert.

Gerettet!

Roman von Walter Schmidt-Hätzler, Stuttgart.

(Fortsetzung.)

Während Kurt sich mit neuen Gästen angelegentlich unterhielt, bückte sich Werner auf das Bild, um ein Datum zu lesen, das auf der Schleife mit Bleistift vermerkt war. Er zuckte zusammen, als hätte ihn eine Viper gestochen.

Er war das Datum des Balles im Seltenschen Hause, acht Tage vor heute! In derselben Nacht also, wo Werner mit der liebreizenden Braut dieses Mannes sich im Kotillon gegenübergestanden hatte, war aus diesem selben Glase der Abschieds-Champagner in Budapest getrunken worden, und Kurt hatte wohl kaum nachher all die ernsten moralischen Vorlesungen gehalten wie Werner, hatte sich wohl schwerlich mit seinem Gewissen im Widerstreite befunden!

Kurt erzählte, daß er nur gekommen sei, um seine Familie flüchtig wiederzusehen. Diesen Monat noch müsse er geschäftlich nach Paris, und gegen Weihnachten erst käme er zurück. Seine Hochzeit solle dann im kommenden Frühjahr stattfinden mit allem Glanz und dann wolle er sich mit seiner jungen Frau noch einige Monate Italien ansehen.

Die Gläser klangen zusammen, aber zu seinem eigenen Verdrusse fühlte Werner in seinem Innersten dabei einen leisen, aber recht schmerz­vollen Stich, und wie in einem Nebelschleier gehüllt, schien vor seinem geistigen Auge für einen Moment Erikas holdselige Gestalt vorüberzuschweben wie eine Nixe. Er fühlte mit unheimlicher Intensität, daß in seinem Herzen wirklich etwas nicht ganz in Ordnung war, denn dieses fast klägliche Gefühl war ihm etwas ganz Neues und vollständig Unbekanntes, und je mehr er sich mit aller Philosophie dagegen sträubte, desto gewaltiger und unwiderstehlicher schien es ihn zu packen, wie wenn jemand mit vollen Backen

in ein bereits prasselndes Feuer hineinbläst, um es zu ersticken, wie man

ein Zündhölzchen ausblasen kann. Je mehr er dagegen ankämpfts, desto lebhafter empfand er das Vorhandensein eines heftigen Gefühls, und als er aus der kleinen Gesellschaft nach Hause ging und durch die Straßen im leichten Regen dahinschritt, da war es ihm zur Evidenz klar, daß er die Braut seines Freundes liebte, und zwar mit der ganzen Innigkeit seines Herzens, daß er den Glücklichen brennend beneidete um den Schatz, für den er kein Verständnis hatte, den zu schätzen er absolut unfähig war.

Ein allmächtiger Bundesgenosse im Kampfe zwischen seinem Rechts­gefühl und seiner Neigung war ihm das Bild der Balletdame mit dem Champagnerkelch, die Kurt gewiß nicht so ostentativ auf seinen Schreibtisch gestellt hätte, wenn er sich seiner Pflichten im mindesten bewußt und seiner Braut auch nur im Entferntesten würdig gewesen wäre!

In rascher Aufeinanderfolge reihte sich nun ein Fest an das andere, bald bei Exzellenz von Selten, bald beim Kommerzienrat Rhoden, zu Ehren des nur so kurze Zeit unter den Seinen weilenden Verlobten. Werner, den Kurt förmlich mit Beschlag belegt, und bei seinem Vater eingeführt hatte, war der ständige Gast beider Familien, und schnell wurde er hier wie überall, durch die herzgewinnende Liebenswürdigkeit seines Charakters, durch den Charme seines Wesens der erklärte Liebling Aller. Werner war nun mal einer von den Menschen die im Sturme sich die Zuneigung der Leute gewinnen, vermöge der ganzen Eigenart seines persönlichen Jchs, ohne oft die Absicht zu diesen Eroberungen zu haben» denn z. B. Kurt gegenüber tat er gar nichts, um ihn freundschaftlich an sich zu ketten, da er ihm seit jenem Souper in seiner Garyonwohnung oft wenn er sich alles vergegenwärtigte, geradezu unsympatisch und verächtlich erschien, und doch schien gerade er ohne ihn gar nicht mehr leben zu können und sich von Rhoden ostentativ zurückziehen, hätte auch ein Verzichten auf ein öfteres Wiedersehen mit Erika bedeutet. Und dar vermochte er nicht mehr! Dazu war es zu spät. (Forts, folgt.)