Montag den 7. Dezember 1936
Der Enztäler
84. Jahrgang Nr. 28S
In diesen Tagen nimmt Kreispfleger Franz Echmid Abschied von seinem KreiZverband Nied- lingen. dem er fast sein ganzes berufliches Schaf- fen geschenkt hat.
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Frau Gottliebin Elsäßer aus Vaihingen a. F., die älteste der hier geborenen Frauen, bs. ging am Sonntag ihren SO. Geburtstag. Sie ist geistig noch außerordentlich frisch.
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Auf der Bergerhauser Straße in Biberach verunglückte die Zugmaschine der Ziegelei Aßmannshardt, die einen mit Drainage- röhren beladenen Anhänger beförderte. Als der Fahrer sich eines auf den Anhänger ausspringen- den jungen Burschen erwehren wollte, verlor er die Herrschaft über sein Steuerrad, kam von der rechten auf die linke Fahrbahn und stürzte über den Straßenhang.
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Zn einem Feuerbacher Fabrikanwcsen er- litt ein 37 Jahre alter Arbeiter durch »»vor- sichtiges Hantieren mit Benzin, das plötzlich in Brand geriet, so starke Brandwunden, daß er kurz daraus im Hofraum, wohin er sich zu retten versuchte, tot zusammenbrach.
Hettvronn. Dezember. (Ossenba- r u n g s-F a l sch e i d.) Der erste Fall der Schwurgerichtsperiode betras den 46 Jahre alten E. K. von hier. Dieser hatte in einer Zwangsvollstreckutigssache des Stadt. Steueramts Stuttgart gegen ihn am 27. t. 1932 ror dem Amtsgericht Brackenheim in einem Ver- mögensverzeichnis zwei ihm zustehende Forderungen gegen seinen Schwager in Höhe von S 400 RM. verschwiegen und darauf den Osfenbarungseid geleistet. Aus Grund der Verhandlung kam das Gericht zu der Auffassung, daß mindestens ein Teil der Forderung bei der Ossenbarungsleistung angabe- pflichtig war. Von einer wissenttichen Gides- Verletzung konnte es sich nicht überzeugen und verurteilte den Angeklagten wegen eines Vergehens des fahrlässigen Falscheids zu einer Gefängnisstrafe von 10 Monaten, woraus 6 Monate Untersuchungshaft in Anrechnung kommen.
Tankstelle ta Flammen
Korntal, 6. Dezember.
An einer Tankstelle in Korntal ereignete sich am Freitag, gegen 21 Uhr, ein schwerer Unfall. Ein Benzin - Lieferwagen hatte eben den Tank frisch aufgesüllt, als die Besitzerin der Tankstelle unvorsichtigerweise eine Sturmlaterne in die Nähe des Wagens stellte, der sofort in über haushohen Flammen stand. Der sofort herbeigerufenen Feuerwehr gelang es schon nach wenigen Mnuten, den Brand zu löschen und die umliegenden Scheuern und Wohnhäuser vor Schaden zu bewahren. Die Besitzerin der Tankstelle erlitt im Gesicht und an den Händen sehr schwere Brandwunden.
Linen Mann überfahren und geflohen
Stuttgart. 6. Dezember.
In der Nacht zum Sonntag, um 2 Uhr morgens, ist Ecke Tübinger- und Christophstrabe in Stuttgart ein der Persönlichkeit nach bis jetzt nicht festgestellter Mann, etwa KO Jahre alt. 1,75 Meter groß, grau- schwarzer Anzug, von einem die Tübinger
Straße einwärts fahrenden Personenkrast- wagen angefahren und so schwer verletzt worden, daß er während seiner Verbringung in das Krankenhaus st a r b. Der Wagenführer muß nach der Sachlage den Unfall bemerkt haben. Er ist jedoch, ohne anzuhalten, fluchtartig- weiterge- fahren.
In der Nacht zum Samstag kam in der Rotebühlstraße ein 62 Jahre alter Mann infolge Angetrunkenheit zu Fall und zog sich dabei eine so schwere Hinterkopfver- letzung zu. daß bei seiner Einlieserung ins Krankenhaus der Tod bereits eingetreter war.
Die Tradition der „Siebener" lebt weiter
Stuttgart, 6. Dezember.
Am Sonntag beding die Regimentskamc- radschast Kaiser Friedrich (Ehemalige Siebener) im Festsaal der Liederhalle ihre 2 8. Siebener-Jahres- und Kamerad- schaftsseier, die mit einer Weihnachts- seier und dem 66. Champigny-Gedenktag verbunden war. Kameradschaftsführer Fasse hielt die Begrüßungsansprache, in der er einen längeren Rückblick auf die ruhmreichen Taten des Regiments Kaiser Friedrich im Weltkrieg gab. Namens der Offiziersvereinigung Kaiser Friedrich wies deren zweiter Vorsitzender, Freiherr von Ziegesar auf das innige Verhältnis zwischen Kameradschaft und Offiziersverein hin. Er teilte mit, daß Offizicrsverein und Negimentskameradschaft beschlossen haben, anläßlich des Uebergangs der Tradition von der 3. und 4. Kompanie auf das III. Bataillon IR. 119 den beiden Kompaniechefs Frei- Herr von Schellerer und Freiherr von Wolfersdorfs zur Erinnerung an die seitherige innige Verbundenheit mit ihren Kompanien dieSilberneEhrennadel der Regimentsvereinigung zu übergeben. Hierauf nahm der stell». Kommandeur des III. Bataillons IR. 119, Major Leopold, namens des erkrankten Bataillonskommandeurs die Tradition des Regiments Kaiser Friedrich in die Obhut des III. Bataillons. Im weiteren Verlauf der Feier wurde die Ehrung von elf Kameraden für 25jährige
Zugehörigkeit zu der Regimentsvercinigung vorgenommen. Sie wurden mit der Silbernen Ehrennadel der Kameradschaft ausgezeichnet.
Landfunksendungen aus Aauernböfrn
Stuttgart, 6. Dezember.
Der Reichssender Stuttgart hat in Zusammenarbeit mit der Landesbauernschaft Württemberg in den Höfen von Bauern und Landwirten im Oberland und im Allgäu eine Reihe von Hörberichten ausgenommen. Am Mittwoch. 9. Dezember, bringt der Reichssender Stuttgart den ersten dieser Hörberichte, der in einem mustergültigen Obstlagerkeller ausgenommen wurde und anschließend daran die Schilderung eines Bauernhofes, wie er sein soll. Der dritte Hörbericht, den der Neichssender Stuttgart am 10. 12. um 11.30 Uhr sendet, behandelt die Fleckviehzucht. Am 11. 12. um 19.45 Uhr bringt er in seiner Sendereihe Erzeugungsschlacht einen vierten Hörbericht, der die richtige Güllcwirtschalt schildert.
Landstreicher in gestohlenem Auto
Tettnang, 6. Dezember.
In Bremen hatten zwei Burschen im Alter von 20 bis 25 Jahren am 23. November einen Hansa-Personenkraftwagen gestohlen, mit dem sie eine größere Reise antraten und dabei in Enzisreute (Kreis Waldsee), Friedrichshafen, Kreßbronn und in badischen Orten ankehrten. Sie lebten von Miet- und Zechbetrügereien und auch den für ihren
Vorbeugen!
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Wagen notwendigen Betriebsstoff erschwtn- dclten sie. Bei dem einen der Schwarzfahrer handelt es sich um den am 21. 12. 1918 m Bremen geborenen Hans Günther Christian Clausfen, während sich sein Begleiter Alfred Schneider, geb. am 21. II. 1916 in Bremen, oder auch Willy Lehmann nennt. Clausfen ist 1.70 Meter groß, schlank, bartlos, mit schwarzem Kopfhaar und trägt marineblauen Anzug. Schneider ist 1.68 Meter groß blaß, er macht keinen guten Eindruck, hat vorstehende Backenknochen und trägt dunkelblauen Anzug, weißen Umlegkragen, schwarze Krawatte mit länglicher Nadel, auffallend Hellen Battist-Staubmantel. Der Wagen wird wie folgt beschrieben: Marke Hansa mit polizeilichem Kennzeichen 18 147 200, hell gestrichen, Viersitzer, Typ 1100, Fahrgestell- Nummer 51 901, Motornummer 40 670. Soll- ten die beiden irgendwo auftreten. wird gebeten, sofort die nächste Polizei- oder Landjägerstelle zu benachrichtigen.
Große Bauvorhaben in Ebingen
Ebingen, 6. Dez. Nach dem Bericht, den Bürgermeister Hayer in der letzten ösfent- lichen Sitzung mit den Natsherren gab. steht die Stadtgemeinde Ebingen vor einer Reihe wichtiger Aufgaben. Co muß die Erweiterung des KnabenschulhauseS in den nächsten Jahren weitergeführt und zu Ende gebracht werden. Sodann ist ein dringendes Vorhaben der Bau einer neuen Turn- halle. Weiter ist vorgesehen die Erstellung eines GerätehausesfürdieFeuer- wehr. Infolge der regen Bautätigkeit in den zurückliegenden Jahren warten nicht wenige Straßenzüge auf den ortsbau- planmäßigen Ausbau. Eine brenende Frage ist die des KrankenhauSbaueS.
Stuttgarter Wochenmarktpreise vom 5. 12. Großverkauf. Obst: Edeläpsel 30—38, Lafeläpsel einheimische 20—25. ausländische netto 23—30, Kochäpfel 15—20, Tafelbirnen einheimische 20—35, ausländische netto 15 bis 20, Quitten ausländische netto 26—28. Walnüsse einheimische 30. ausländische netto 32—45, Haselnüsse ausländische netto 33 bis 35 Rps. für je V- Kg.; Gemüse: Vr Kg. Kartoffeln 3.3; 1 St. Kopfsalat 6—18, 1 St. Endiviensalat 5—12, V- Kg. Wirsing (Köhlkraut) 6—7, Vr Kg. Weißkraut (rund) 5—6, V- Kg. Rotkraut 6—7. 1 St. Blumenkohl 20 bis SO, 1 St. Rosenkohl 10—18, V- Kg. Rosenkohl 20—25, V, Kg. Grünkohl 10—12, Vr Kg. Note Rüben 7—8, Vr Kg. Gelbe Rüben (lange Karotten) 7—8, 1 Bd. Karotten, runde kleine. 10—12, Vr Kg. Zwiebel 6 bis 8, 1 St. Gurken, große 20-60, 1 St. Rettich 4—8, 1 Bd. Monatrettich, rote, 8 bis 10. weiße 10-15, 1 St. Sellerie 6—20, V» Kg. Schwarzwurzeln 25—35, Vr Kg. Spinat, hiesiger, geputzt, 18-22, 1 St. Kopfkohlrabi 4—10, Vr Kg. Weiße Rüben 4—5 Rpf. AIS Kleinhandelspreise gilt ein Zuschlag bis zu 33 Prozent zu den Großhandelspreisen alS angemessen. Die Bruttopreise für Auslands- Ware liegen 10—12 Prozent unter den angegebenen Nettopreisen. Marktlage: Zu- fuhr in Obst und Gemüse reichlich, Verkauf in Obst zurückhaltend, in Gemüse befriedigend.
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Toni Lasaler
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llrheverrechtsschutz durch Verlag-anstalt Man,, München 7. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Ist auch allerhöchste Zeit. Bisher hat er sowieso nur von meinem Geld gelebt. Gedacht hat er an mich nur, wenn er Spielschulden hatte. Dann Hab' ich blechen dürfen wie ein Schmied. Uebrigens habe ich ihm schon bei seinem letzten Hiersein ausdrücklich erklärt, daß er über seinen Monatswechsel hinaus um Geld nicht mehr zu kommen braucht."
„Vielleicht braucht Herbert kein Geld. Du tust ihm manchmal doch unrecht, Papa."
„Du meinst, daß er nur kommt, weil er vielleicht das Bedürfnis hat, mich und dich einmal wieder zu sehen. Nein, Spatz. Da kenne ich meinen Herbert! zu gut. Allerdings, in dem Augenblick, wo ich erkenne, daß ich ihm unrecht tue, ändere ich meine Ansicht. Aber nun Gott besohlen, Kleine. Halt' dich munter bis zum Abend."
Draußen im Flur nimmt der Graf das Gewehr vom Zapfbrett und drückt sem verwittertes Filzhütl ins weiße Haar.
Juta sieht chm nach, wie er rüstig durch den Park geht und dann um die Mauer verschwindet. Ein unsagbares Gefühl der Leere überfällt sie mit einem Male. Wie gut haben es dagegen die Töchter der Bauern. Die haben Arbeit und füllen ihre Tage damit aus. Aber sie bat ja gar nichts zu tun. Für jeden Handstreich ist eine bezahlte Kraft da. Bisher hat sie das alles nicht so gefühlt, weil Toni manche Leere ausgefüllt hat. Aber nun kann auch das nicht mehr sein. Ein Wort ist gefallen, gestern abend aus seinem Mund. Ein Wort, das wie ein Schwert zwischen ihnen niedergcfallen war. Er liebt eine andere.
„Wenn doch der Winter schon da wäre", denkt sie verzweifelt. Im nächsten Moment graut ihr aber schon wieder
davor. Was ist der Winter? Da geht man in Gesellschaften, besucht Bälle, geht auf ein paar Wochen an den Bodensee und wenn man Lust hat, kann man auch mit dem Vater nach Ungarn reisen. Und da ist es dasselbe wie hier. Der Vater ist den ganzen Tag auf der Jagd und sie ist allein. Immer allein. Wenn doch die Mutter noch lebte!
Ganz still sitzt sie, hat die Hände im Schoß verschlungen und blickt zum Fenster hinaus.
Da sind die Berge. Frieden und unendliche Einsamkeit ist da oben. Und einsam ist auch ihr eigenes Leben. Das war eigentlich immer so, seit ihre Mutter gestorben ist. Einsam war ihre Kindheit, freudlos ihre Jugend, bis auf einmal ein kleines Licht auf ihren Weg siel: das Erwachen der ersten Liebe. Und nun ist alles zu Ende. Dunkel und grau liegt der Weg vor ihr. Und plötzlich rinnen zwei Tränen über ihre Wangen.
Erschreckt springt sie auf, steht mitten im Zimmer und reckt sich.
Wegen dem Toni weinen? Da ist es schon besser, man zeigt ihm, wie wenig einem an ihm liegt. Sie will ihm, wenn sie ihm begegnet, die Worte.recht trocken und kurz hinwerfen. Etwa so: „Glaubst du vielleicht, Toni, ich wäre auf die Monika eifersüchtig? O, nicht im geringsten. Weißt du, einmal habe ich geglaubt, ich hätte dich lieb. Aber das war ein Irrtum. Jawohl, mein Herr Toni, ein ganz gewaltiger Irrtum."
Juta wischt sich mit einer energischen Bewegung über die Augen, laust hastig aus dem Zimmer, über den Hof und ruft zum Stallfenster hinein:
„Heh, Bichler! Sie müssen zum Dreiuhrzug aus die Bahn fahren. Mein Bruder kommt heute."
Wenige Minute» später geht sie selber aus dem Hof. Sie will zum Toni auf die Wiese und ihm sagen, was sie sich vorgenommen. Alles will sie ihm sagen, was in ihr tobt und brennt. Aber da sieht sie den Toni in seiner ganzen Harmlosigkeit auf dem Anger stehen, mitten im Heu. Und als sie zu ihm hinkommt, weiß sie von allem kein Wort mehr. Sie sagt nur ganz leise und demütig:
„Darf ich dir helfen, Tonele?"
Von Jägern und Wildschützen.
Graf Bruggstein geht durch den Wald. Er achtet nicht des Weges, sondern geht einfach zwischen den Stämmen durch und erreicht nach zweistündiger Wanderung die Lerchenalm. Dort kehrt er zu, trinkt ein Glas Milch und fragt die Sennerin so nebenbei:
„Und was machen die Herren Wildschützen? Kehr'n sie noch immer fleißig zu bei dir?"
Die Sennerin, ein schwarzhaariges, fesches Ding aus dem Isartal, antwortet schnippisch:
„Meint vielleicht der Herr Graf, ich seh' dös einem schon am G'sicht an, ob er ein Wildschütz' ist?"
„Nein, soviel Menschenkenntnis trau ich dir gar nicht zu. Aber den Steinmüller Bartl kennst?"
„Der wildert net! Ich Hab' ihn noch nie mit der Büchsen g'seh'n."
„Der braucht keine, weil er 's Wild mit der Schlinge fangt, der Haderlump. Aber eines Tages geht er uns schon ein und du damit, weil du ihm das Wild allweil versteckst."
Mir! schwenkt den Scheuerlappen dicht vor der N Ce des Grafen.
„Dös möcht ich mir schönstens verbitten."
„Verstell dich nicht, Mirl, wir wissen Bescheid."
Der Graf legt ein Geldstück aus den Tisch und verläßt die Hütte. Als er sich zufällig nochmal umdreht, sieht er am Fenster das grinsende Gesicht des Steinmüller Bartl.
„Denkt Hab' ich mir's ja, daß er in der Hütte steckt."
Kopfschüttelnd geht der Graf weiter. Es erscheint ihm wie ein Rätsel, daß man des Steinmüller Bartls noch nie habhaft werden konnte. Aber mit dem Büchler Sebastian, dem zweiten Jagdgehilsen, wird er heute ein Wort auf gut deutsch reden. Wenn der glaubt, er werde bezahlt fürs Spazierengehen, dann so» er sich verrechnet haben. Nirgends in seiner Jagd wird soviel gewildert wie im dortig? Revier.
(Fortsetzung folgt.)