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Wildbader NS-Preffe Birkenfelder, Lalmbacher und Herrenalber Tagblatt
Amtsblatt für Sas Oberamt ^Neuenbürg
Nr. 4«
Freitag den 28. Februar 1938
94. Jahrgang
Frankreichs schwerwiegender Schritt
Der Sowjetpatt wurde angenommen — Lärm und Mtßverttiindnifte in der Kammer
Paris, 27. Februar.
Die französische Kammer hat sich mit 353 gegen 164 Stimmen für die Ratifizierung des französisch-sowjetrussischcn Paktes ausgesprochen.
In der DonnerStag-Nachmittagsitzung ereignete sich ein lärmender Zwischenfall, der den stellvertretenden Kammerpräsidenten zur vorübergehenden Unterbrechung der Sitzung ver- anlaßte.
Zunächst hatte der rechtsgerichtete Abgeordnete Amidien du Clos gegen die Ratifizierung gesprochen. Dann nahm der ebenfalls rechtsgerichtete Abgeordnete Henriot das Wort. Er rollte erneut den bekannten Fall Eberlein auf, indem er Unterlagen dafür erbrachte, daßdieDritteJnternatio- nale jich nicht an die Bestimmun- en des zwischen Frankreich und o w f e t r u ß l a n d g es ch l o s s e n e n Anerkennungsvertrages gehalten hat, der die 'Nichteinmischung in'die inneren Angelegenheiten beider Länder bestimmt. Als Henriot im einzelnen angab, welche Summen der in Straßburg verhaftete Ebcrlein, der eine führende Rolle in der Dritten Internationale spielt, an französische kommunistische Zeitungen usw. verteilt hat, unterbrachen die Kommunisten den Redner durch andauernden Lärm, in dein die Worte Hcnriots untergmgen. Der Lärm legte sich vorübergehend, als der Abgeordnete Creyssel die'Tribüne bestieg, um ebenfalls gegen die Ratifizierung zu sprechen.
Daraus nahm ein sozialistischer Abgeordneter das Wort, um die Haltung seiner Partei darzulegen. Als ans der Rechten fortwährend Protestrnsc laut wurden, begab sich der sozialistiche Abgeordnete Brake auf die rechte Seite des Hauses und setzte sich neben die Abgeordneten der äußersten Rechten, um sie an den Zwischenrufen zu verhindern. Es entstand ein großes Durcheinander. Verschiedene rechtsgerichtete Abgeordnete versuchten. Brake von der rechten Seite des Hauses zu entfernen, während sich die Kammerdiener vergeblich bemühten, die Abgeordneten ans ihre Plätze'znrückzubringen. Man sah erhobene Fäuste und der Sit- ungssaal war von ungeheurem Lärm er- üllt. Tie Sitzung wurde schließlich aufgehoben. Es dauerte jedoch noch einige Minuten. bis sich das Knäuel aus der rechten Seite des Hauses löste.
Mißverständnis über die Vertrauensfrage
Nach der Sitzungspause herrschte in der Kammer wieder Ruhe. Redner der Linken legten die Gründe dar, die sie veranlaßten, sür die Ratifizierung zu stimmen.
Der radikalsvzialistische Abg. Pierre Cot äußerte sich in diesem Zusammenhang vor allem über die Schlagkraft der Noten Armee und ihrer Luftstreitkräfte. Er stützte sich dabei auf einen eingehenden Bericht einer französischen Offiziersabordnung, die an den letzten Lustmanövern in Sowjeirußland teilgenommen hat. Keine Lustarmee der Welt, so sagte er. könne z. B. so viel Kriegsmaterial befördern, wie die sowjetrussische. Sie Hab? bei den letzten Manövern gezeigt, daß Kanonen. Tankwagen, Maschinengewehre und anderes Kriegsmaterial in ausreichendem Umfang von Flugzeugen befördert werden könnten. Er glaube an die Schlagkraft der Noten Armee, ebenso wie der französische Generalstab daran glaube.
Die Kammer beschloß darauf, die Aus- spräche zu beenden, obwohl noch etwa 2V Redner aus der Liste standen. Es wurde zur Abstimmung über die Artikel des Natifizierungs- gesctzes geschritten, ohne daß die Negierung die Vertrauensfrage gestellt hatte. Um 18 Nh, wurde d'.e Sitzung, die während der Abstimmung unterbrochen war. wieder ausgenommen. Der Kammerpräsident teilte mit, daß eine namentliche Auszählung der Stimmen erforderlich sei. Der Ministerpräsident erklärte darauf, daß ein Mißverständnis entstanden sei. Er habe eigentlich die Absicht gehabt, zu der Abstimmung über den einzigen Artikel der NatifizlernngSvorschläge die Vertranens- srage zu stellen. Tie Sitzung wurde darans- unterbrochen, um die namentliche Auszählung der Stimmen Vvrznnehmeii.
Die Abstimmung in der Kämmer scheint bon lauter Mißverständnissen begleitet gewesen zu sein. Zunächst einmal hatten viele Abgeordnete nicht verstau- den. daß sie über die Ratifizierung abznstim- men hätten, sondern glaubten, daß sie über den Schluß der Aussprache ab stimmen sollten.
Außerdem hatte die Regierung cs versäumt, die Vertrauensfrage zu stellen, die nachträglich trotz der Erklärung des Ministerpräsidenten (die nur ein moralisches Gewicht hat) auch nicht nachgcholt werden konnte. Die in den Wandelgängen der Kammer zuerst bekanntgewordenen unverbindlichen Abstimmungsergebnisse von etwa 380 Ja-Stimmen finden ihre Erklärung in den falschen Voraussetzungen, unter denen die Abstimmung stattgefunden hat.
Außenminister Flaudin wird bereits am Freitag die von der Kammer angenommene Gesetzesvorlage über die Ratifizierung des
Tokio, 27. Februar.
Der Handstreich der Offiziere und Mannschaften des 1. Japanischen Infanterie-Regiments von Mittwoch steht vor seiner Liquidierung. Zwischen den Generalen Mazaki und Abe einerseits und den jungen Offizieren andererseits soll nach den letzten Nachrichten ein Kompromiß zustandcgekommen sein, wonach die 3000 Mann versprochen haben, amFreitagsrühmitallenWaffen und allem Gepäck in die Kasernen abzurücken.
Damit ist aber nicht gesagt, daß der Handstreich, der vier von den „alten Staatsmännern" Japans — auch Finanzminister Taka- hashi ist inzwischen seinen Verletzungen erlegen — ohne innenpolitische Auswirkungen bleibt. Im kaiserlichen Palast finden laufend Besprechungen über die Umbildung der Regierung statt, an denen auch die Brüder des Kaisers und die Mitglieder des Obersten Kriegsrates teilnehmen. Auch der Prinz Sajonji, der einzige noch lebende „alte Staatsmann", ist auf Wunsch des Kaisers nach Tokio zurückgekehrt.
Irgendwelche besonderen Maßnahmen gegen die Putschisten, die auch jetzt noch regelmäßig ihre Verpflegung erhielten, seien, soviel man sehen könne, nicht getroffen worden. Eine spätere Meldung besagt, daß die Beamten des Innenministeriums zur Wie- oerausnayme ihrer'Arbeit ausgesorderl worden seien, da die Putschisten das Gebäude geräumt hätten.
Donnerstag früh um 6 Uhr hatten die Mitglieder des geschäftsführenden Kabinetts Goto, die trotz ihres Nücktrittsgesnchs gebeten wurden, v o r l ä u f i g i m A m t e z n bleiben, eine Besprechung mit den Mitgliedern des Obersten Kriegsrates, an die sich eine Aussprache mit den Vertretern des Kriegsministeriums und des Grneralstabes über die Abwehrmaßnahmen anschloß. Auch der Kaiser von Japan hatte im Laufe des Tages mehrere Besprechungen über die Lage. General Kaschii, der zum Militär- gouvernenr von Tokio ernannt worden ist. veröffentlichte einen Aufruf, in dein er die Bevölkerung auffordert, bei der Anfrecht- erhaltung von Ruhe und Ordnung mitzu- wirken und den umlaufenden Gerüchten keine Aufmerksamkeit zu schenken. An Stelle des ermordeten Takahaschi ist Machida zum vorläufigen Finanzminister ernannt worden.
In Politischen Kreisen der Hauptstadt bezeichnet man die Bildung einer starken, von Einflüssen jeder Art freien Negierung als wesentliche Voraussetzung für die Wiederherstellung der normalen Lage. Wie bereits amtlich gemeldet wurde, verlangen die von jungen Offizieren geführten nationalen Aktivisten i m Sinne der Sch v w a - N c st a n rati v n ein c n t s ch l v s s e n e Z, » n a b h ä ngigeS
französisch-sowjetrussischen Paktes dem Senat überweisen. In diesem Zusammenhang wird der Außenminister den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Senator Verenger, am Freitag vormittag im Quai d'Orsay empfangen. Der Auswärtige Ausschuß des Senats selbst wird am Freitag nachmittag zu- saminentreten, um über das Ersuchen des Außenministers, einen Berichterstatter zu ernennen, zu beraten. Der Wunsch der Negierung geht dahin, daß über die Gesetzesvorlage noch vor den Wahlen endgültig abgestimmt werden soll.
Ehambrim bet MuWtnl
Rom, 27. Februar
Der französische Botschafter in Rom, Chambrun, ist nach einer längeren Unterredung mit dem italienischen Staatssekretär des Aeutzern, Suv ich, von Mussolini empfangen worden.
Kabinett zur Ueberwindung der gegenwärtigen Krisenzeit und zur Sicherung der kaiserlichen Staats form. Es ist demnach wahrscheinlich, daß bei der Regierungsbildung neue Persönlichkeiten auftreten, die dem Programm der Aktivisten nahestehen.
Im Laufe des Nachmittags sammelten sich große Menschenmassen vor dem durch Truppen- abteilungen abgesperrten kaiserlichen Palast an, um dem Kaiser ihre Huldigungen darzubrin- gen. I» Tokio nimmt das Leben wieder seinen gewohnten Gang. Theater und Kinos haben ihre Vorstellungen wieder ausgenommen. Die Bewachung der Regierungsgebäude durch Militär ist in den Morgenstunden aufgehoben worden. Die Plätze, die am Mittwoch abgesperrt worden waren, sind dem Publikum wieder zugänglich gemacht worden.
Der neue Stadtkommandant hat das Eintreffen von Verstärkungen ans benachbarten Städten angckündigt und erklärt, daß das Kriegsrecht in aller Strenge angewendet würde, obwohl keine Aenderung der Lage ein- getreten sei und überall Ruhe herrsche.
Das Programm der akkivistischen Jugend Japans
Die letzten Ereignisse in Japan werden von gut unterrichteter Seite auf Bestrebungen zurückgeführt, die in verschiedenen Jugendverbänden ihre Hauptträger haben. Vor allem sei es die sogenannte Schoso-Jugend und der Verband der Offizierssugend Schoko, die als notwendige Fortsetzung der Meiji-Restauration die sogenannte Schowa-Restauration anstreben. Nach Auffassung dieser Kreise seien die zeit- gebundenen Ideen der Meiji-Restauration heute veraltet, wenn auch die zur Zeit in Japan herrschenden Schichten immer noch von ihrem Gedanken getragen werden.
Das Programm der aktivistischen Jugend Japans ist bereits im Jahre 1919 entworfen worden. Nach Mitteilungen von japanischer Seite fordert es die Begrenzung der Kapitalbildung iind die Abschaffung des mit dem Kapitalismus eng verflochtenen demokratischen Prinzips. Es sieht, wie es weiter heißt, die Ausschaltung des Parlaments für einen Zeitraum von 3 Jahren vor. Innerhalb dieses Zeitraumes soll eine Neuformimg des Staatswesens unter Beachtung folgender drei Grundgesetze oorgenommcn werden:
« lairung d e s K a i s e r g e d a n k e n S auf Grund der göttlichen Abstammung des Herrscherhauses, ferner Herstellu „ g einer Volksgemeinschaft und Durchführung einer Reform des S t a a t s a u f b a u e s. Der Neubau des Staates soll dem Programm zufolge auf ständischer Grundlage bei starker Berücksichtigung der ehemaligen Soldaten vorgenommen werden. Bezüglich der Armee verficht das Rcforniproaramm den Gedanken der Fortsetzung Seite 2
Mutige ciirvow äer Attentate ln gapuu. — IVer vuren 8»U« un,t OK»«I»?
Die politischen Attentate in Tokio, die zahlreiche Opfer gefordert haben sollen, setzen die Kette der Demonstrationen fort, mit denen die jungen politischen Offiziere ihrer Ueberzeu- ung und ihrem Glauben Ausdruck verliehen aben, seit sie aktiv in die Geschäfte des Staates eingegriffen haben.
Nicht weniger als fünf japanische Ministerpräsidenten sind in den letzten anderthalb Jahrzehnten aufderStreäege blieben; neben zahlreichen Militärs, Großindustriellen und Gelehrten, die aus politischen oder weltanschaulichen Gründen der Wiederanfbaubewegung im Wege standen und daher beseitigt wurden. Menschenleben zählen bei solch großen Zielen im Lande der ausgehenden Sonne wenig; sei es, daß sie ansgetilgt werden, NM anderen Platz zu machen, sei es, daß sie aufs Spiel gesetzt werden, um eine grausame, aber immerhin folgerichtige Logik in die Tat umzusetzen.
Im November tS 2 1 wurde aus dein Bahnhof zu Tokio Ministerpräsident Hara erdolcht, der erste Regierungschef, der nicht aus der Samuarai - Kaste hervorgegangeu war. Ebenfalls im November, und zwar im Jahre 1930 fiel der zweite Ministervrä- sident, H a m a g u ch i, dem inan vorwarf, das Londoner Flottenabkommen intternnch- net zu haben, das nach Ansicht der Aktivisten entehrende Bedingungen enthielt, die nur mit dem Tode gesühnt werden konnten. Am 15. Mai 1 932 ermordeten junge Offiziere und Kadetten den Ministerpräsidenten I n u- ka i, der an der zwiespältigen Haltung der japainschen Negierung in der Mandschukno- und Schanghai-Frage die Schuld tragen sollte. Und am 2 6. Februa r, frühmorgens um 5 Uhr^ mußten der ehemalige Minister- Präsident Saito und der amtierende Regierungschef Oka da das bittere Los tragen, ermordet zu werden, weil sie dem imperialistischen Wollen des jungen Japan im Wege standen. Man warf ihnen vor, anslands- freundlich zu sein und der siegreichen Verwirklichung der großen Ziele Japans auf deni asiatischen Kontinent feindlich gegenüber zu stehen.
Wie man aus Tokio hört, haben die jüngsten Ereignisse durchaus nicht nur amtierenden Ministern gegolten. In gleichem Maße hat sich der Haß der Attentäter auch auf hohe Offiziere und Industrielle erstreckt. Auch frühere Mordpläne haben sich auf Wirtschaftler und Militärs bezogen. Man erinnere sich an den Großindustriellen Tan, der zusammen mit dem ehemaligen Innenminister Jnouve im Frühjahr 1931 fiel. Am 16. April des gleichen Jahres wurde auf der Paradetribüne in Schanghai ein General tödlich- verletzt und gleichzeitig ein Admiral sowie der Gesandte in China, der heutige Vize- minister des Auswärtigen Shigcmitsu schwer verletzt. Vor einigen Monaten geschah das letzte der großangelegten Attentate, bei dciK Oberstleutnant Aizawa den Generalmajor Nagata erschoß. — Jedoch ist auch der Tod des Gelehrten Minobe, der am Tgge der letzten japanischen Reichstagswahl gemeldet wurde, in die Kategorie der politischen Attentate einzureihen, denn Minobe war der Vertreter einer neuen politischen Lehre, die den Mikado in den Nahmen einer konstitutionellen Monarchie einbeziehen wollte, während er vcranntttch heule göttliche Ehren genießt und nicht nur Monarch, sondern gewissermaßen auch Papst der Japaner ist.
Ter Tod Saitos, zuletzt Siegelbewahrer der japanischen Krone, läßt die Motive der Tat besonders deutlich er- kenueu. Er nahm — bereits Großadmiral der Flotte — 1927 als japanischer Hauptdclc- gierter an der Flottenabrüstnngskonferenz der drei Seemächte NSA., England und Japan teil. Im Jahre 1928 war er Vorsitzender der „Gesellschaft zur Förderung der russisch-japanischen Beziehungen" und setzte sich stets für eine Zusammenarbeit dieser beiden Mächte ein. Er bildete nach dem Lode Inn- kais eine überparteiliche Konzentrationsregierung mit entschieden tolerantem Kurs gegen China und Rußland. Sein Sturz erfolgte 1934 im Zusammenhang mit Korruptionsaffärcn, in die einige Minister hineingezogen worden sein sollen. Kompromiß zwischen den Parteien des Lander-,
Vor einem Kompromiß in Japan
Neue Regierung unter EiniÄlnß der RstionaWen