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Stuttgart 13. April. In stark besuchten Versammlungen der Maurer, Steinhauer und Zimmerer kam ein Antwortschreiben des Ballgewerkvereins zur Verlesung, worin die Arbeitgeber mitteilten, daß sie bereit seien, mit der Lohnkommission der Arbeiter wegen Abschlusses eines neuen Tarifvertrags in Verhandlungen zu treten. Der vor 2 Jahren abgeschlossene Tarifvertrag läuft am 1. Mai ab.
Stuttgart 13. April. Der Ausstand der Schuhmachergehilfen ist nach drei- tägiger Dauer durch Zugeständnisse der Meister beigelegt worden. Die Arbeit wird am Montag früh wieder ausgenommen. Die Meister bewilligten eine zehnprozentige Lohnerhöhung; in den Schuhbesohlanstalten wird die Arbeitszeit um eine Stunde verkürzt.
Stetten i. R. 10. April. Der „Cannst. Ztg." schreibt man: Aus der hiesigen Herl- und Pfleganstalt ist im August v. I. ein Pflegling aus Angst vor Versetzung in eine andere Anstalt verschwunden, nachdem er vorher geäußert hatte, er gehe lieber in den Tod. Alle Nachforschungen blieben erfolglos. Nun ist der junge Mensch letzten Montag in einem Brunnen der Anstaltsfiliale Rommelshausen in stark verwestem Zustand aufgefunden worden. Dieser Tatbestand ist festzustellen gegenüber den in einige Blätter ge- langten Nachrichten, die davon sprechen, es sei fraglich, ob der Gefundene freiwillig den Tod gesucht habe oder von einem wegen Mißhandlung dieses Zöglings entlassenen Wärter hineingeworfen worden sei.
Kirchheim u. T. 13. April. Von den Jagdberechtigten wurde auf hiesiger Markung im Jahre 1906/07 im ganzen 179 Raubvögel erlegt, wofür von der Stadtpflege 60 86 iZ
Schußgelder (34 -4 pro Stück) ausbezahlt wurden. Im Interesse des Vogelschutzes ist die Vertilgung des Raubzeuges sehr zu begrüßen.
Dettingen 13. April. In einem unbewachten Augenblick entfernte sich gestern Abend der 3'/- Jahre alte Knabe des Jakob König von Hause. Das Kind wurde spät abends auf der Hohenwaide (Markung Kirchheim) gesehen. Die noch in der Nacht angestellten Nachforschungen blieben erfolglos, dagegen wurde das Kind heute früh V-6 Uhr bei der Galgenbergbrücke als Leiche geländet. Es muß während der Nacht in die Lauter geraten sein.
Aalen 13. April. Nachdem Werkmeister Rückgauer erst gestern die Hebung des Schmiedmeister Sattler'schen Hauses um 1 m 70 cm in einer Zeit von 3 Stunden ausgeführt, wird er in Bälde ein weiteres heben. Mit der Hebung des Schwarz'schen Hauses wäre das in kurzer Zeit die dritte Hebung. — Die beiden Sträf- linge, welche gestern in Hall aus dem Landes
gefängnis entwichen waren, wurden bereits heute in aller Frühe hier wieder festgenommen.
Marbach 14. April. Im Sommer ds. Js. findet im Schillermuseum zum Gedächtnis des 100. Geburtstags von Fr. Th. Bischer (1807 bis 1871) eine besondere Ausstellung statt. Der Sohn des großen vaterländischen Gelehrten, Prof. Robert Bischer in Göttingen, wird dazu Handschriften und Bildnisse seines Vaters zur Verfügung stellen.
Biberach 14. April. Die zahlreichen Reisenden des 1.27 Uhr nachmittags heute hier abgegangenen Personenzugs Friedrichshafen—Ulm wurden kurz nach Verlassen der Station Laupheim in nicht geringe Aufregung versetzt. Kaum war der Zug einige Minuten in Fahrt, als das Notsignal ertönte und der Zug zum Stehen gebracht wurde. In einem dicht mit Italienern besetzten Wagen 4. Klasse wurde von den Schaffnern der Täter ermittelt. Einer der Insassen desselben hatte die Notbremse gezogen, ob aus Unwissenheit oder Mutwillen ließ sich im Augenblick nicht feststellen. In Ulm wurde er dem Bahnhofvorstand vorgeführt, um seine Strafe diktiert zu erhalten.
Ravensburg 13. April. Im Höllwald unterhalb des Krebserguts hiesigen Stadtbezirks hat sich gestern mittag zwischen 11 und 12 Uhr ein schrecklicher Unglücksfall ereignet, dem der 12 Jahre alte hoffnungsvolle Sohn Rudolf des Landgerichtsrat UHIand von hier zum Opfer fiel. Rudolf Uhland spielte mit seinem 11jährigen Bruder und einem gleichaltrigen Kameraden des letzteren am Ort des Unfalls, wo sie in Sand Höhlen bauten; plötzlich löste sich oben ein überhängendes Felsstück ab, stürzte herunter und traf den Rudolf U. so unglücklich in das Genick, daß er, von Geröll und Sand halb verschüttet, auf der Stelle tot war.
Friedrichshafen 12. April. Heute sind die Tiroler Hütekinder mit Extraschiff ein- getroffen und waren viel begehrt; 80—200 ^ für den Sommer wurden als Lohn gefordert und bewilligt, samt dem doppelten Gewand und 2 ^ für den Besuch des Blutfreitags.
Paris 14. April. Gegen die Exkaiserin Eugenie ist in Mentone Prozeß angestrengt worden auf Zahlung von 4600000 Francs. Die Klage bezieht sich auf eine von Napoleon im Jahre 1868 eingegangene Verpflichtung.
London 13. April. Der Daily Telegraph meldet aus Paris, daß der Bruder des Königs, der Herzog von Connaught, zum Oberbefehlshaber sämtlicher englischer Truppen in den Garnisonen des Mittelmeeres ernannt wurde. Der Herzog wird in Malta residieren. Seine Befugnisse schließen auch den Oberbefehl über die englischen Truppen in Aegypten ein. Man glaubt,
daß diese Ernennung den Einfluß Englands im Mittelmeer vermehren werde. Bemerkenswert ist, daß die englische Regierung zuerst bei den Regierungen von Frankreich, Spanien und Portugal anfragte, ob die Ernennung des Herzog» ihnen angenehm wäre. Alle drei Regierungen erklärten ihr Einverständnis. Der Herzog wird bald die neue Stellung antreten.
London 13. April. Der in Berliner Luftschifferkreisen bekannte Dr. Wagner und Herr Koch aus Frankfurt a. M., haben als Erste im Ballon die Nordsee überschritten und sind in Enderby bei Leicester gestern Nachmittag 3 Uhr 15 Min. gelandet. Sie brachen von Bitterfeld am Mittwoch Abend 8 Uhr 15 Min. auf. Schon am Harz hatten sie die Orientierung verloren, da sie starke Wolkenschichten unter sich hatten. Am Donnerstag morgen 6 Uhr 15 Min. kamen sie an die Nordsee und erreichten dann weiter Ash um 11 Uhr 15 Min. Dann ließen sich die Aeronauten in Enderby um 3 Uhr 15 Min. (englische Zeit) nieder. Dr. Wagner mußte schließlich den unteren Teil des Ballons aufreißen, um aussteigen zu können. Die Ueberfahrt selbst war ereignislos. Der Ballon stieg nie über 2000 m.
Petersburg 14. April. Das Zaren« paar beabsichtigt, sobald in Rußland Ruhe ein- tritt, eine Auslandreise anzutreten. Voraussichtlich wird sich das Zarenpaar nach Darmstadt begeben, um dort den Sommer zu verbringen. Falls sich der Plan verwirklicht, wird Kaiser Nikolaus in Darmstadt eine Begegnung mit Kaiser Wilhelm haben.
Riga 14. April. Sämtliche 115 bei der gestern stattgehabten Meuterei im hiesigen Zentralgefängnis beteiligt gewesene Gefangene werden auf Befehl des General-Gouverneurs vor ein Kriegsgericht gestellt.
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„Guenn," sagte er mit der ihm eigenen, seltsamen Betonung, die ihr jedesmal das Herz erzittern machte, „ich muß nun wirklich gehen, gib das bitte, dem kleinen Kadoc — hast Du mich noch nicht gern?"
Wie war er ihr so nahe mit seinem schönen, lächelnden Gesicht. Wenn sie nur wenigstens hätte schreien oder weglaufen können. Wenn er mit solcher Stimme „Guenn" sagte, fühlte sie sich schwach und ohnmächtig ihm gegenüber.
„Ich — ich Haffe Sie!" —
„Immer noch ? Nun, laß nur gut sein, wenn Du erst einmal mein Modell bist, wirst Du mich noch sehr gern haben. Leb' wohl für heute, kleine Guenn!"
Mit wenigen raschen Schritten hatte er dar felsige Ufer erklommen und nickte ihr jetzt von oben herab noch einmal herzlich zu, als ob das beste Einvernehmen zwischen ihnen bestände.
„kassvur," erklang es vom jenseitigen Ufer. Ein paar ungeduldige Künstler hatten lange zu warten, bis Guenn ihr Boot mit schweren, müden Schlägen hinüberbrachte. In ihren Augen hingen heiße Tränen und ihr Herz war seltsam bedrückt. Wohin sie auch sah, immer war sein Gesicht vor ihr und immer hörte sie ihren Namen von seiner schmeichlerischen Stimme aussprechen. Jetzt endlich war er ihren Augen entschwunden. Wahrscheinlich lächelte er jetzt zu den Kindern, die auf dem Dorfanger spielten. Wenn sie nur nie sein Lächeln sehen, und niemals, niemals mehr seine Stimme zu hören brauchte, wie sie „Guenn" flüsterte mit so bestrickendem Ton!
Unmutig stampfte sie mit dem Fuß und begann aus allen Kräften zu rudern. „Ich hasse ihn — hasse ihn dennoch!" rief sie aufschluchzend, und suchte dann hastig die hervorquellenden Tränen mit der Hand wegzuwischen.
VIII. Kapitel.
Unterdessen hatte Hamor den Pfarrer auf den Mmüoiis keineswegs vergessen. In seiner Phantasie trug er sich längst mit den mannigfaltigsten Ideen und Plänen für ein großes Werk, in dem Tymerts bedeutende Persönlichkeit eine Hauptrolle spielen sollte. „Ich muß den Mann studieren," sagte er sich täglich, „muß mich in ihn einleben und mit ihm verkehren. Wenn ich ihn so malen könnte, wie er in jener Nacht unter der rohen, trunkenen Menge stand, stark und sieghaft, vom Strahl der Laterne beleuchtet — das wäre ein Motiv — aber so etwas will doch auch gemalt sein!"
Hamor betrachtete es als ein natürliches Recht der Künstlergilde, die ganze Welt für ihre Zwecke mit Beschlag zu belegen. Wer seine Modelle mit kundigem Auge herausgefunden, mußte sich ihrer auch nach Lust und Muße bedienen dürfen. Daß er sich um Guenn Rodellec und Thymert erst noch sonderlich bemühen sollte, wollte ihm nicht recht in den Sinn, doch hielt er's unter den Umständen für das Richtigste, die beiden durch seine Liebenswürdigkeit zu besiegen.
Er nahm sich daher vor, den versprochenen Besuch auf den I-aimions abzustatten. Nachdem er seine beiden Freunde Staunton und Douglas überredet hatte, ward beschlossen, am Sonntag Morgen in aller Frühe abzusegeln.
Nun hatte aber Hamor die mißliche Gewohnheit, seine Freunde häufig lange auf sich warten zu lassen. Erschien er dann endlich, nachdem ihre Geduld beinahe erschöpft war, so setzte er dieselbe meist durch seine unverwüstlich gute Laune auf eine harte Probe. Was hatte er aber auch unterwegs alles mit Leuten zu besprechen, die ihn gar nichts angingen! Bald stand er hier still, bald da, um ein Kind zu liebkosen und dabei der Mutter einen freundlichen Blick zuzuwerfen, oder er fand für gut, eine scherzhafte Bemerkung an den grämlichsten alten Dorfbummler zu verschwenden.
(Fortsetzung folgt.)