Die deutschen Stehler ln der neuen Selmat
empor, zerstob über ihren Köpfen, aber es kam
Die erste Kirchweih
Nach einigen Jahren besuchte Graf Mercy die neuen Siedlungen im Banat. Tie Straßen waren zwar noch unfertig, die Sümpfe mit Milliarden von Insekten bevölkert, die Grenzbezirke gegen Siebenbürgen unwegsam. Aber das Land hatte doch schon ein neues Gesicht.
„Freut euch", predigte der Torfpfarrer zu den Versammelten, „jetzt steht ihr nicht mehr
Sackelbauie«. eine Siedl««« der Banater Schwabe»
allein in der Fremde. Jetzt hat auch Gott sein Haus in eurer Mitte, und jetzt wird die Fremde zur Heimat."
Am Mittag zogen die Kirchweihbuben ju- belud durch das Dorf, überall begrüßt, in jedem Haus bewirtet. Nach der Vesper begann der Tanz um das Faß. Und die Musi- kanten spielten schöne alte Liedertänze, zu denen die Mädchen sangen und sich im Neigen drehten. Ja. das wär die Taufe dieser fremden Welt zur Heimat.
lAus ..Ter Schwabenzug".)
Wassersnot im Banat
Seit Tagen kämpfen die Menschen mör- derifch gegen die Wasser der Theiß, die sich langsam und unheimlich heranwälzen. Das tiefliegende Land ist mit Dämmen gegen die Hochwasser geschützt. Aber schon wird der Hauptdamm an einigen Stellen überflutet, schon zeigen sich Nisse und Senkungen. Alles, herab bis zum 14. Jahr, arbeitet fieberhaft. Tag und Nacht schassen sie in Wasser, Sturm und Sumpf. Von überallher werden die höchsten Wasserstände gemeldet. Das Torf ist in Todesgefahr. Es müssen 1000 Arbeiter her, wenn es gerettet werden soll. Der madjarische Strombauingenieur hat viel zu viel versäumt. Der Klugsbaltzer. der Torfrichter, fährt in schärfstem Trab ins Torf und in die anderen Dörfer, um Hilfe zu holen.
Zwischen der majestätischen Donau, diesem Urweltstrom, der durch das Herz Europas rauscht und die Wasser der deutschen Alpen bis an die Küste von Asien hinspült, und der tückisch schleichenden, ewig bohrenden Theiß lag ihre Welt, lagen ihre Gräber und ihre Zukunftshoffnungen. Immer war Krieg bei ihnen, jedes Kolonistenjahr zählt doppelt in diesem gesegneten und ständig bedrohten Stück Erde. Und jetzt hatten sie wieder einmal eine große Schlacht verloren!
Erst am zweitnächsten Tage war der Klugsbaltzer mit dem Peter! heimgekehrt von seiner Rundfahrt, und es folgten ihm Helfer von überall. Aber auch sie konnten das Unheil nicht mehr abwenden. Tie Er- eignisse vollzogen sich wie nach einem vor- bestimmten Verhängnis.
Ter Tonaudamm hatte zuerst einen Bruch bekommen. Aber der Komitatsingenieur Stepan mit den dreihundert Männern aus Jofefsfeld besiegte die Gefahr. Und es eilten ihm zwei Kompanien Pioniere zu Hilfe, die den Damm in seiner ganzen Ausdehnung besetzten und hüteten. Tie Josefsfelder hatten zwei Tote zu beklagen, ehe die Hilfe kam In nervöser Ueberreizung. in einer Art Verzweiflung. war der Oberstnhlrichter nach Karlsdors geeilt. Der Vizegespan. Herr von Talliansfy. kam ebenfalls. Und während Herr von Tallianfsh da aus dem zweiten Tamm stand, inmitten all der erdeschaufeln den und karrenschiebenden Bauern, gellte auf einmal ein Schrei des Entsetzens ans hundert Kehlen durch die Lust, und alle Hände deuteten nach einer Richtung. Tort rückwärts war der äußere Tamm gebrochen während er vorne, beim Spitz, mit Löwen- mut verteidigt wurde. Kaum drei FuÜ breit war der Niß. durch den das lehmige, gelbe Wasser plötzlich hereinbrach und von der Dammhöhe in die Riedselder niederrauschte. Aber die Lücke wurde im Nu doppelt so groß und ein Vach sauste hindurch. Jetzt kam das Unheil, jetzt mußten die inneren Dämme ihre Widerstandskraft beweisen.
Aber schon waren die Karlsdorfer herbeigeeilt. Ter Entsetzensschrei der Zuschauer riß sie zum Aeußersten fort. Der riesige Straub michel und die beiden Haffner stürzten sich ohne Besinnen in die Lücke und boten dem Wasser die Brust. Männer und Buben in bunter Reihe folgten ihnen; sie bildeten eine doppelte, eine dreifache Mauer und füllten die Lücke mit ihren Leibern. Das Wasser schäumte an ihnen
rpc
nicht mehr hindurch. Da sanken sie unmerklich tiefer; man fühlte, wie das Wasser unter ihren Füßen das Erdreich wegfraß; schon war nur mehr der Kopf des Straubmichels sehen, und ein kalter Schauer ging durch dre Seelen von Hunderten.
„Sie ertrinken alle!" schrie der Oberstuhlrichter. Aber die ersten Sandsäcke waren schon da und wurden rasch vor ihnen versenkt; die
Männer setz- ten die Füße drauf. Und so kam Sack um Sack, und ihr Grund wurde sicherer. Man schlug Pflöcke vor ihnen ein n. legte Baum- stämme dazwischen. füllte die Lücken mit Erdsäckcn, und die flinken Dorfbuben brachten biegsame Weiden aus den Auen herbei und flochten sie als Wand an die Pflöcke. Nach einer Stunde konnten die
Männer ihre Todeskette wieder lösen. Einige mußten mit Slibowitz gelabt werden, viele erbrachen erst jetzt das Wasser, das sie geschluckt hatten.
Eine Tat war vollbracht. Man hatte wieder Zeit gewonnen. Und Herr v. Talliansfy ritt auf einem Bauernpferd durch die aufgeweich
ten, in dem trüben Wasser ertrinkenden Saat-
um den
anz durchnäßt kam er zurück. Man hatte ein Telegramm für ihn gebracht, und er las es hastig. „In Budapest beginnt die Donau schon zu fallen!" rief er.
„Da steigt sie hier noch dreißig Stunden," sagte der Klugsbaltzer betrübt. .An uns muß alles vorüber!"
Es war alles verloren . . .
Zu Hunderten kampierten die Menschen im Freien, Dampfschiffe kamen und führten sie fort; man teilte sie indessen auf in andere Gemeinden. Als das Master zu sinken begann, umschlichen die Auswanderungsagenten wie die Hyänen das Dorsi uns zu ihnen gesellten sich übereifrige ungarische Sendlinge. Die eine» hofften auf ein fettes Geschäft, die anderen lauerten auf größere Beute — sie warteten auf S.'n Beschluß der Gemeinde, sich aufzulösen. Du war dann Raum für eine nationale Siedlung auf Staatskosten im Mittelpunkt deutschen Lebens. Aber die einen und die anderen fielen ab mit ihren Hoffnungen und Wünschen.
Wohl löste sich die Gemeinde auf für einen Sommer, nur wenige Familien konnten Zurückbleiben. Aber nach Amerika wollte keiner, dem noch ein Stück Feld gehörte unter dem Schlamm der Theiß. Und hätte er s-in Vätererbe mit den Fingern aus diesem Schlamm hervorgraben müssen, preis gab er es nicht.
Als Knechte und Mägde mußten sich viele verdingen, als Schnitter in die großen Schwabendörfer gehen, um sich das Brot zu verdienen für dieses verlorene Hahr. Dann aber, wenn die Wasser dieser Sintflut wieder abgelaufen waren, dann wollten sie alle, alle wiederkommen und ihr Lebenswerk von vorne beginnen. Sie waren nicht niederzuringen, die Schwaben von Karlsdorf, weder durch die Menschen, noch durch die Elemente.
(Aus A. Müller - Gultenbrunn »Die Glocken der Heimat".)
Die letzte Schulstunde des Oberlehrers Mmüller
Die Frühjahrsprüfungen in den Dorfschulen gelten immer als ein großes Ereignis. Auch wenn nur der Pfarrer den Vorsitz führt, sind sie feierlich genug. Und sie
Äauater Schwabe«vil«a i« Ba«at«r Erd«
sind öffentlich. Alle Eltern, alle Honoratioren des Dorfes haben Zutritt, und sie machen auch Gebrauch von dieser Freiheit, sie kommen.
Heuer kam wieder einmal der königliche Schulinspektor zur Prüfung. Und aus den flachen Bänken, die rings an den Wänden Herumliesen, saßen die Gäste und überzeugten sich bei diesem öffentlichen Verfahren von den Fortschritten ihrer Kinder. Ter Klugsbaltzer mit den Gemeindevertretern war da. der Haffnerslippl stand im Kreis von Vätern, der Bindersmichel und selbst der alte WichnersePP fehlten nicht.
Warum war der gestrenge Schulinspektor, der hinter dem Prüfungstisch saß. gekommen? Er war da. um sich zu überzeugen, ob die Schüler der letzten Volksschnlklasse fähig waren, in allen Gegenständen madjarisch zu antworten. Sie besaßen diese Fähigkeit aber nicht. Ter Oberlehrer Heckmüller, der ein wenig bleich war und nervös, ging im Mittelgang zwischen den Bänken hin und her und hals seinen Lieblingen, so gut er konnte. Ihm schien es genügend, was sie in der schweren fremden Sprache leisteten; der Schulinspektor aber tat sehr befremdet.
Vergeblich suchte Heckmüller auch eine lleberprüsung seiner Schüler in deutscher Sprache durchzusetzen. Tas interessierte Aen Herrn Schulinspektor nicht, und er erkundigte sich zum Schlüsse ganz auffällig darnach. wer der nächstälteste Lehrer der Gemeinde wäre. Auch dessen Klasse wollte er prüfen.
„Halmos!" ries der Kaplan Petrovics.
Es gab ein lautes Murren unter den Gästen; die Bauern führten erregte Gespräche und der Dorfrichter machte den Pfarrer, der schweigend neben dem Inspektor saß, mit einem Wink aufmerksam, daß er sprechen wollte.
Er erhob sich und richtete eine hochdeutsche Ansprache an den Vorsitzenden. Er dankte im Namen des Schulstuhles und dem der Gemeinde für die Ehre dieser Schulvisitation und sagte dann: Es mag sein, daß der Herr Schulinspektor an bessere Ergebnisse im Ungarischen gewohnt ist, als er sie hier erlebt hat. Das möge ihn aber nicht irre machen. Alle Männer, die hier sitzen, haben ihr Wissen in dieser Schule und von diesem verehrten Lehrer, der ein Dorfkind ist, empfan
gen. Diese Schule sei eine güte. Fünfundneunzig von hundert Kindern bleiben im
Dorf und werden Bauern. Daß sie gut lesen, schreiben und rechnen können, sei das wichtigste. Tas alles in zwei Sprachen zu können. wäre sehr
schwer. Nur Aus
nahmekinder lernen das. Die meisten verdummen dabei. Was in die höheren Schulen gehört, soll man nicht schon von der bäuerlichen Dorfschule verlangen. ..Wir sind dreitausend Schwaben in Karlsdorf. und unter uns leben nur sieben Fami- lien. die ungarisch sprechen. Von wem sollen unsere Kinder also die Staatssprache lernen?" fragte er.
„Von der Schule!" ries der Inspektor da- zwischen.
„Des geiht amol nitt!" ries der Klugs- baltzer. der sich bis dahin zu dem gespreiztesten Hochdeutsch gezwungen hatte.
„Sau g'cheit is ka Lehrer, und sau hell sin amol unsere Schwobeschädel nitt.
Alle Achtung vor un. ferm Herrn Schul- inspektor. Was er hennt ersahre Hot bei unsre Kinner. des könnt' vielleicht a Vermahnung sein, nitt meihner lmehr) zu verlange, als ga- leischt «geleistet) wer- den konn. Nir iür ungut! Kinner". wandte er sich an die Klasse, „rufts: El,en der Herr Schulinspektor!"
Und die ganze Klasse brüllte: „El-
jen!" Die Bauern aber stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen und schmunzelten.
Ter Schulinspektor verneigte sich ein wenig betroffen und erwiderte:
„Ich danke sehr für die Begrüßung durch den Herrn Torfrichter. Mit seinen Änssüh- rungen aber kann ich mich nicht ganz einverstanden erklären, und es war nicht hier
der Ort. das alles zu sagen. Die Neuschule hat höhere Ziele, als die alte sie gehabt hat. Die Völkerschaften Ungarns, die alle zusam- men die ungarische Nation bilden, sollen m einer fernen Zukunft eine einheitliche Sprache reden, und nur wer dieses Ziel zu fördern versteht, darf heute aus die Anerkennung sei- ner Lberbehörde rechnen. Man kann ein ganz vortrefflicher Lehrer sein und doch die- sen neuen Zielen nicht mehr mit Erfolg dienen können. Tie madjarische Nation wünscht es heiß, daß ihre Gastvölker endlich das volle Heimatsrecht hier erwerben, daß sie sich hier assimilieren. Ich will aber diilch- aus nicht sagen, daß diese Klasse nicht gelernt hat. Gott bewahre: ich bin nur der Meinung, daß sie keine genügende Reise in der Staatssprache bewiesen hat. Damit schließe ich meinerscits die Prüsung."
Bleich, am ganzen Körper bebend, stand Heckmüller im Mittelgang seiner Klasse, und alle Augen waren ans ihn gerichtet. Er war keines Wortes mächtig nnd sah mir wie durch einen Schleier, daß die Ellern und die anderen Gäste der Prüfung jetzt die Kinder beschenkten, wie es die Sitte erheischte. Bei denen, die die besten Antworten gegeben hatten, regnete es Zehn- und Zwanzigheller, münzen. Selbst Kronen gab es.
Indes plauderte der Herr Schulinspektor mit den Gemetudevertretern. dem Pfarrer und dem Kaplan. Und Heckmüller lah. daß von ihm die Rede war. . . Hatte der Mann dort nicht wieder von den .Gasivölkern" Ungarns gesprochen und von Assimilierung? Vom Ausgeben der deutschen Art vom Verschmelzen mit dem Madjarentum? Irgendeine Antwort sollte man ihm doch geben. Und als jetzt eine kleine Panse eintrat m dem Gesurre, satzte Heckmüller rasch einen Entschluß. Er wußte. eS war vielleicht die letzte Handlung, die er in dieser Schule unternahm. Nun denn — Io sollte sse cs sein. Er hob beide Arme hoch und die Klasse verstummte. „Kinder, das Schwabcnlied. Vier Strophen" sprach er.
Und schmetternd erhoben sich die Knaben- stimmen:
Wer mag den Schwaben sremd tn Ungar»
schelten?
Hier saß vor ihm der Türke, der Tatar.
Er will als Herr auf seiner Scholle gelten.
Ist Bürger hier und nicht dein Gast. Madjar!
Sprachlos schaute der Schulinspektor den Pfarrer an. und auch dieser war höchlich betrossen. Nur der Kaplan Petrovics lächelte dämonisch.
Er hat geblutet in Prinz Eugens Heeren. Vertrieb den Feind, der hier im Land ge»
gehaust.
Dein eigner König rie? ihn einst in Ehren: ..Pflüg' mir den Boden, wackre Schwabenfaust."
Ans einer Wüste ward ein blühend Eden.
Aus Sümpfen hob sich eine neue Welt.
Von diesem Land laßt deutsch lind treu unS
reden.
Verachten den. der's nicht in Ehren hält.
O Heimat, deutschen Schweißes stolze Blüte, Du Zeugin mancher herben Väternot - Wir segnen dich, an! daß dich Gott behüte. Wir stehn getreu zu dir in Not und Tod."
Ein Andachtsschauer war den Versammelten, die alle das Lied zum ersteumal gehört hatten, durch die Adern gelaufen.
Der Schulinspektor aber schrie jetzt auf wie ein Rasender, und seine Stimme kippte um: „Das ist Ihre Schule! Das treiben Sie hier! Herr Oberlehrer — ich entlasse Sie aus dem Dienst!"
Eine große, peinliche Pause.
Man erwartete, daß der so jäh seines Amtes entsetzte Oberlehrer, der diese Schule dreißig Jahre lang geleitet hatte, etwas erwidere. Er ta« es nicht. Ihm war so eigen ... als hörten ein fernes, wunderschönes Glockengeläute.. So war ihm schon während des Gesanges...
Ja. tn diesen Knaben- stimmen läutete» sie. und immer lauter wer-
Dortttrakie in Guttenbriinn.
der Helmal dcS Nauater DtckUcrS Adam Mültcr-GnIIenbrnu«
de» sie erklinge». Während Heckmüller so träumte, trat der Kaplan vor seine Klasse nnd machte mit großer Gebärde das Zeichen des Kreuzes für das Schlußgebet.
tAus: Adam Müller c- uttenbruiin „Tie Glucken de-- Heimat" Verlas L. Staackmann. Leipzig.>
HerauSaeaeben im Auttraa der iitS.-Prelie Württemberg von HaiSRevüina <Mm a T.i