Schwäbischer Menflug

Um-die Wende des 18. Jahrhunderts, d. h. in den Jahrzehnten, vor- und nachher, erlebte Schwaben einen ungemeinen Aufbruch des Geistes. Nun kommt für die Schwaben eine neue Zeit der Achtung und Beachtung, des

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MLtche» »an de« Silber» l» Tracht

Sobs. Jeder zehnte Schwabe sei ein Dichter, hieß es, und bekannt ist ja das stolze Wort: Der Schelling und der Hegel,

Der Uhland und der Hauff,

Die sind bei uns die Regel,

Das Mt uns gar nicht auf.

Man darf in dieser Zeit von einer hohen Geistigkeit des schwäbischen Volkes und Volks­tums sprechen, denn die Wirkungen gingen in k diesem familienhaft zusammenlebenden Volk herüber und hinüber, herauf und hinunter, i und es ist wohl eine Besonderheit, aber durch- . aus kein Zufall, wenn ein schwäbischer Bauer , und Leineweber von der Alb mit seinem Schul­kameraden, dem Pfarrersbuben, Latein und

- Griechisch lernt und auch später mit ihm in gei­stiger Verbindung bleibt, nachdem der Psar-

, rerssohn auf die Universität gekommen war.

Wenn wir in der Dichtung Hölderlins und in der außerordentlichen sittlichen Schwung­kraft Schillers den größten Ausdruck der schwä > bischen Seele, die höchste Blüte am Baum des schwäbischen Volkstums sehen, so wollen wir dies nicht nur als Aeußerung der schwäbischen Seele hinnehmen und gelten Men, obwohl sich Schiller immer als Schwabe gefühlt und gegeben hat, sondern als eine Aeußerung der deutschen Seele schlechtweg, und den Schluß ziehen, daß das deutsche Wesen im schwäbischen ^eine seiner stärksten Ausprägungen erfahren hat. War es nicht ein Aufbruch der Geister aus der Enge der Stammesheimat hinaus in den deutschen geistigen Luftkreis, was wir in der ansehnlichen Zahl großer Köpfe um die Wende des 18. Jahrhunderts und nachher erlebt haben, also zu einer Zeit, da das gesamte deutsche Gei-

- stesleben, wie rn Jugendkraft sich reckend, einen so bedeutsamen Ausstieg und so entscheidende

. Formung angenommen hat? Und war es nicht ° eigentlich eine Sprengung des schwäbischen We­sens, das in der Enge so gerne lebt und blüht und sich gerne in seinen Kirchturm verguckt? In diesen beiden entgegengesetzten Polen haben wir zweifellos dieselbe Erscheinung wie in dem Fernweh und dem Wandertrieb des Schwaben, der auch die so gänzlich anders geartete Gegen­seite der Heimseligkeit ist erne einzigartige große Offenbarung einer Spannung, welche jede Höhe der Erwartung übertrifft.

So blieb dann nicht mehr viel übrig von dem Spott, der durch die Jahrhunderte ging,vondem Spott über den dummen Schwaben und über den groben Schwaben, und was übrig blieb, war eine Quelle reinsten und fröhlichsten Hu­mors, in den der Schwabe selbst fröhlich ein­stimmte.

Und gegenüber dem Vorwurf des groben Schwaben lassen wir uns gerne die Ehren­rettung gefallen, die uns von dem Dichter Vik­tor Scheffel zuteil wurde:

..sind doch

Teufelskerle diese Schwaben.

( Ungehobelt sind sie alle

Und von grobem Schrot und Korn;

^ Aber in den eck'gen Köpfen

Liegt viel Klugheit aufgespeichert,

Mancher geisteSdürre Schlucker,

Könnt' sich dran verproviantieren."

Ist es nun ein Zufall, daß die Deutschen in der Schweiz in abfälligem Sinn teilweise -schlechtweg alsSchwabe" bezeichnet werden, ebenso im Elsaß? (Es soll in diesem Zusam­menhang von dem geradezu tragischen Umstand, haß dies sogar in alemannisch-schwäbischen Ge­rieten der Fall ist, abgesehen werden). Auch in Ungarn finden wir diese Bezeichnung für Deutsche, aufgekommen nach einem Kriegszug des Kaisers Maximilian, an dem viele Schwa­ben teilnahmen. Wenn von einem groben Schwaben, von einem dummen Schwaben die Rede ist, will es uns fast bedünken, als ob hier per Schwabe der Märtyrer für den Deutschen

fei. Ist nicht der dumme Schwab' und der deutsche Michel im Grund ein und dasselbe? Und wir finden vielleicht, daß beide eine ge­meinsame Heimat haben, das reiche Gemüts­und Geistesleben als Hemmung der Tatkraft, das harte Ringen um den Entschluß unter dem Einfluß der unwägbaren und unmeßbaren Dinge, deren Realität ihm immer fühlbar ist, ein unauslöschliches Gefühl für die Verbindlichkeit aller sittlichen Gesetze und die nie ersterbende Bereitschaft zum Kampf um die letzten Dinge das Faustische.

Ihr ihr dort außen in der Welt, Die Nasen eingespannt!

Auch manchen Mann, auch manchen

Held.

Im Frieden gut und stark im Feld, Gebar das Schwabenland.

Friedrich Schiller.

Schwäbische Aufgabe uu Jemen Rech

Das Dritte Reich der Deutschen ist ein Hochziel. Die Eckpfeiler und tra­genden Säulen sind eingerammt, der Ausbau ist in Angriff genommen. Großzügige Pläne lieben vor, werden immer ergänzt und immer neu ge­schaffen. So ein Aufbau und Ausbau ist der große Tag, die hohe Zeit eines Kolkes, wenn sich alle Kräfte regen, wenn ein Ringen und Werden im Gange ist, das aus den eigenen Tiefen schöpft. Und so ist das Große und Dauerverheißende an den Bau- und Ausbauplänen des Dritten Reiches die demütige und entschiedene Rück­kehr zu Volk und Volkstum, das Schöpfen aus dem Volk, das rück­haltlose Bekenntnis zum Natürlichen und Arteigenen und die heiße Liebe und Sorge um artgemäßes, unverbogenes, gerades Wachs­tum, geschenkt und getragen von Kräften, die leiblich und geistig aus Blut und Boden kommen und sich aus ihnen dauernd nähren. Erschauernd schön und das Herz vor Glück sprengend muß es sein, dieses hohe Ziel zu er­reichen oder ihm wenigstens immer näher zu kommen: Das deutsche Volk!

Unter den deutschen Volksstämmen tverden denjenigen besondere Aufgaben gestellt, denen

S. R.

Das schwäbische Volkstum muß sich die Quellen der Natur und des Natürlichen und die Zugänge dazu rein und gesund erhallen. Es muß ans seiner großen geistigen und sitt­lichen Ueberliefernng scyopfen und sich daran aufbauen, daß es echt und wahr bleibt.

Es muß seiner wundervollen, schollenfrischen Mundart treu bleiben und sich weiterhin zu ihr bekennen. Es ist der wahrhaftige Strom von Blut und Boden, der darin rauscht.

Es muß die glückliche Verbindung von Arbei­ter und Bauer, von Ackerscholle und Werkstatt weiterhin gepflegt werden, die dadurch ihren besonderen Ausdruck findet, daß Tausende und aber Tausende von Industriearbeitern in den mittleren und kleineren Städten und in den wachsenden Jndustriedörfern eigenes Harts und eigene Scholle haben.

Es muß und kann der mittlere und kleinere Bauer nicht pflegsam genug behandelt und ernst genug genommen werden, denn aus sei­nem Blut, aus seiner Kraft, aus seiner Zähig­keit und Treue kam letzten Endes immer die große Spannkraft des Stammes, die Wendig­keit und Tüchtigkeit, der Arbeit, und daraus kamen größtenteils auch die krisenfesten wirt­schaftlichen Verhältnisse, die ganz Deutschland ein lockendes Vorbild dünken.

Man hat immer das Stammesartliche als die Quelle einer natürlichen starken Kraft er­kannt. Aber es ist immer auch so gewesen, daß das Stammesartliche eine Hemmung gewesen ist für die notwendige Geschlossenheit der ge­samten deutschen Nation, weil sich mit der Pflege der Stammesart in gegebener Weise dynastisches Sonde rieben verband und leider auch Eigensüchte und Eigenwilligkeiten, die dem Ganzen abträglich waren. Die Geschlossenheit des Reiches und oer Nation, ein tausendjähri­ger Wunsch und Traum, ist in Erfüllung gegan­gen. Der mittelpunktmäßigen Reichsqewalt teht keine andere mehr gegenüber und sie hat ich mit keiner anderen mehr auseinanderzu- etzen und zu vergleichen. Um so mehr kann sie das völkische Leben ganz auf das Natürliche stellen, kann auf Gau und Stamm, auf Blut und Boden aufbauen, also einen Körper scha' 'en, der sich auf den Gesetzen der Natur au aut, den einzigen, die Dauer verbürgen.

Der Schwabe muß auch weiterhin seine Stammesheimat so innig und heiß lieben, wie es immer war, er liebt daisiit Deutschland, das von Schwaben mit einem Barbarossa und einem Schiller beschenkt wurde, deren Geist

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der Kräftezustrom des Heimatbodens besonders stark geflossen ist, weil bei ihnen die Natur und das Natürliche vor Verschüttungen bewahrt blieben. So hat auch der schwäbische Volks­stamm seine besondere Bedeutung und seine be­sondere Aufgabe, die alle kennen müssen, denen sie aufgegeben ist.

immer hinauswies aufs Ganze, zu dem sich der Schluß des schwäbischenNationalliedes" im­mer eindeutig und jubelnd bekannte:

Ja, wackere Deutsche laßt uns sein, >

Drauf reichet euch die deutsche Hand;

Denn Schwabenland ist's nicht allein:

Das ganze Deutschland ist mein Heimatland!"

Was andere Wer die Schwaben sagen

Torfgerichte selbst halten und auf diese Weise nicht ihrem Vogte oder Amtmann .»klein, auch in den geringsten Dingen, blinden Ge­horsam zu leisten haben ...

Friedrich Nicolai, der bekannte Ber­liner Buchhändler und Neifeschriftsteller 1795: Die Schwaben zeichnen sich im allgemeinen bloß durch eine unter dem gemeinen Mann mehr verbreitete Gemächlichkeit, Zufriedenheit und Ruhe aus. Dabei ist eine gewisse Treu­herzigkeit und ein unbefangenes Wesen bei ihnen, das selbst nichts von Arglist hat und sie bei anderen auch nicht vermutet. . . Die Land­leute (bei Echterdingen) gingen mit uns eine ziemliche Strecke den Berg hinauf. Schön waren weder die Mannsleute noch die Frauenspersonen; aber alle Hahlen etwas Ruhi­ges und Zufriedenes, die Männer etwas Ehr­liches und die Weiber etwas Naives in ihrem Ansehen. Sie gingen auch still und beinahe tiefsinnig vor sich her, ganz unterschieden von den jovialischen bayrischen und den sinnlichen österreichischen Landleuten.

Karl Braun, der Parlamenta­rier aus Wiesbaden 1869: Ich halte den schwäbischen Stamm, mitinbegriffen die Württemberaer, welche freilich nur einen Teil desselben bilden, für den begabtesten Deutsch- lanos. Hat er uns nicht, um von andern zu schweigen, Kepler, Schiller, Wieland, Hegel, Strauß gegeben?

JosephGörres 1819: Ihr werdet Wohl finden, daß die Leute dort zu Lande gerade das haben» was denen über der Elbe fehlt, nämlich Sinn für die Sache innerlich. Die Fenster sind ihnen nur eben angelaufen, darum scheint'» etwas trüblich durch, und da ist eure Sendung, klar zu machen und hell zu putzen.

Wolfgang Menzel 1877: Der Volks­stamm im Neckartal ist nicht sehr anschmiegend und gewandt, auch nicht sehr mitteilsam und redselig, aber solid von Charakter, gut geschult und daher reich an Kenntnissen. Man kommt dem Fremden nicht gleich entgegen, aber man nimmt ihn an, wenn er sich natürlich gibt und nicht unbescheiden ist.

Der Leipziger Historiker W. Wachsmuth 1862: Unbestritten ist Eigen- gut des Schwaben, ohne Unterschied der Land­schaft, der Staatsverwaltung und des Kirchen- tums, die so viel besprochene Gemütlichkeit in Tiefe und Wärme der Empfindung. In ihm wurzelt seine Treuherzigkeit und Arglosigkeit, eine Gutmütigkeit und höflich« Gefälligkeit, eine Bescheidenheit und Duldsamkeit. Von ihr lammt auch die Zahmheit seines Humors, der nicht leicht in Frivolität oder Fidelität über­geht, der Ernst rn seiner Weltanschauung, dem Windbeutelei, Großtuerei und anmaßliche Hoffärtigkeit, eingeschultes und aufgespreizteS Wesen widerwärtig, die Ruhe seines Selbst­bewußtseins, das sich nicht gern überhebt. Leb­haftigkeit geistiger Regungen mangelt ihm kei­neswegs, aber er hat nicht den Drang, diese sofort äußerlich kundzugeben. Es ist bei ihm nach der Tiefe zu messen.

Emanuel Geibel 1876:

Was säumt ihr ernsten Schwaben, Vorkämpfer einst im Reich?

Wohl ist an Geist und Gaben Kein Stamm dem euren gleich;

O laßt den Schatz nicht rosten,

Ihr sollt auch über'm Main,

^ Wo Lichtgedanken sproßten,,

- Die Bannerträger sein!

Unsere Alten

Horch: o'sre Alte hent des Land sich kauft mit iahrem Bluat. ond hent mit Schwoiß ond Schwiele sich erworbe Hab ond Guat.

Se hent iahr Leabe drei nei g'steckt, hent Stadt ond Dörfer baut, ond hent sich g'sreut an Haus ond Hof als Bräutigam ond Braut.

Ond iahre Knoche ond iahr Bluat, ^ die schlafet drenn em Feld; draus wachset Bleamle raus ond Korn. Dees ist d'r Lauf d'r Welt.

- AugustLämmlk

Im sächsischen Annolted aus dem 11. Jahrhundert heißen die Schwaben ein kluges, redefertiges Volk, die sich oftmals als gute Necken auszeichneten, streitsertig und sieghaft.

Wernher von Tegernsee in Bayern (1197):

Ich habe der Schwaben Würdigkeit in fremden Landen viel gesehen.

Da warben sie also nach Preis.

Daß man ihnen Würde mußte zugestehen.

Hartmann von Aue (allerdings viel­leicht selbst ein Schwabe, also kein fremdes Zeugnis):

Da empfingen sie die Schwaben mit lobelicher Gabe,

Das war ihr williglicher Gruß.

Gott weiß wohl, den Schwaben muß

Jeder Biedermann gestehen.

Der daheim sie hat gesehen.

Daß bess'rer Wille nirgends war.

Heinrich Hansjakob: Diese (die württembergische Schlauheit) im besten Sinn des Wortes genommen, ist jedem echten Schwaben von Natur aus eigen und der Grund, warum dieselben in Handel und

Wandel, in Wissen und Können, ihren Nach­barn in Baden und Bayern in alleweg über­legen sind. Vermöge dieser Eigenschaft sind die Schwaben, geistliche und weltliche, vor­sichtig, überlegt, und lieber hörend als spre­chend. wenn sie mit anderen deutschen Leu­ten Zusammenkommen. Und das lob ich um so mehr, je mehr ich die gegenteiligen Prä­dikate verdiene.

Johann Georg Keyßier aus Thurnau in Franken in einem berühmten Neisewerk: Die Schwaben müssen unschul­digerweise viele Histörchen von sich ausbreiien lassen: sie sind aber so klug, daß sie selbst solche zur Belustigung der Gesellschaften er­zählen und sich nebst anderen Nationen mit gleichem Recht oder Unrecht an den Schwei­zern wieder zu erholen pflegen ... Ueber- haupt muß ich gestehen, daß bei der schwäbi­schen Nation so viel guter Verstand und da­bei vielleicht mehr von der alten deutschen Treue und Redlichkeit gesunden werde, als bei mancher anderen. Absonderlich sind im Württembergischen die Bauern so klug und witzig, als in anderen Ländern kaum die ge- meinen Bürger, wozu meines Erachtens die- ses nicht wenig beiträgt, daß sie ihre kleinen'

Alter schwäbischer Baue«

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