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'Volke

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Nr. 23

Eonbrrbeikage der NS.-Vrem Württemberg

1934

Dezember /

ES ist eine stille, bedeckte Zeit. TaS Jahr ist niüde. Immer kürzer werden die Tage, immer länger die Nächte. Immer später schlägt der Tag die verschlafenen Augenlider aus blinzelt träge in tue nebellchleierver- hangenen Stunden des Tages hinein, rafft sich dann und wann zu einem kurzen Lächeln aus wenn die Sonne in den Mittagsstunden ein wenig Meister geworden ist läßt aber in den verdämmernden Nachmittagsstunden immer früher wieder die Lider sinken. Das Leben in der Natur steht völlig still und hat sich gleichsam in den bergenden Mutterschoß der Erde zurückgezogen. Auch das Leben der Menschen und Tiere geht nur in verhalte­nem Atem als sammle eS neue Spannkraft sür ne"-'K Leben. ES ist ei» seltsamer Zu­stand in den Breitearaden der gemäßigten Zone Biel viel stärker als die Menschen der südlichen Breiten erleben wir die großen Gegensätze alles LebenS. Sommer und Win­ter Licht und Finsternis Tag und Nacht. Hitze und Kälte Sonne und Schnee Bewe­gung und Ruhe Leben und Tod. Wo es keinen Winter gibt ist der Frühling und Sommer nichts Besonderes kein Erlebnis. Da gibt es kein Warten keine Hoffnung auf diese Zeiten keine Spannung und keine Er­füllung. Aus dem Erlebnis dieser Gegensätze und aus ihren Spannungen schöpfen wir unsere leiblichen und seelischen Kräfte die Fähigkeiten die Zeiten der Leere und

Schwere zu überwinden, in den Monden des gedämpften und zurückgedrängten Lebens

neue Kräfte zu sammeln und mit einzigarti­ger Spannkraft und wundersamem Aufge- schlosiensein dem nenerwachten Leben uns

entgeaenzuwerfen gewissermaßen alle Töne

der ganzen Tonleiter zu spielen und alle Re­gister der großen Lebensorgel zu ziehen.

In den langen, dunklen Nächten regen sich allerhand Geheimnisse, und seltsame Gestal­ten durchgeistern sie. einmal die Gaben hei­schenden Nn^lopskinder aber auch der Niko­laus. der Knecht Ruprecht und der Pelz­märte. die Gestalten, denen man mit einer Mischung von Furcht und Freude entgegen­blickt. Uralter Bäterglanbe wird lebendig und verschwistert sich seltsam mit dem christ­lichen und aus den Schleiern der Heiligen Nacht tritt die lichtumstrahlte, holde Gestalt des Christkindes.

Schnee bedeckt schon manchmal die Felder und eine Eisdecke überspannt das Master. So soll es sein nach uralter Erfahrung und Weisheit.

Der heil'ge Christ will 'ne Eisbrücke haben. Fehlt sie. wird er selbst sich damit begaben.

Schnee und Eis und Kälte gehören zu den rechtschaffenen Erfordernissen des Dezember- monatS so daß sie geradezu als Voraus­setzungen sür ein gutes Jahr gelten. Uner­müdlich münzt sich alte Bauernweisheit in unzähligen Bauern, und Wetterregeln aus:

Kalter Dezember und fruchtbar Jahr Sind vereinigt immerdar.

Aus kalten Dezember mit tüchtigem Schnee Folgt ein fruchtbares Jahr mit reichlichem

Klee.

Von Hans Reyhing

Dezember kalt mit Schnee Gibt Frucht auf jeder Höh'.

Die Kehrseiten dieser Münzen bringen in ebenso unermüdlicher Mannigfaltigkeit die­

selbe Wahrheit von der Gegenseite gesehen.

Grüne Weihnachten weiße Ostern. Steckt die Krähe zu Weihnacht im Klee. Sitzt sie um Ostern oft im Schnee. Christmond im Dreck.

Macht der Gesundheit ein Leck.

Winternacht (Aus dem KalenderKunst und Leven") Henneuiann

Die bäuerliche Atemvauke /

Voit Hans Rehhing

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Biinerl. Wintert,cschiisiigung: Dresche« «. Holzhaue« Kuvferdruck von Schleuen nach D. Cboüowicki 172S bis 1801

Schneegestöber fegt schon im Dezember über die Fluren. Die Ackerscholle gefriert und wehrt dem Pflug und der Hacke. Der Bauer hat die Felder verlosten und richtet sein Leben nun ganz für Haus und Scheune ein. Die letzten Garben werden gedroschen. Der Fruchtertrag an Weizen. Roggen. Hafer und Gerste liegt auf dem Boden, und es ist erne angenehme, das Gemüt mit eitel Wohl­behagen erfüllende Tätigkeit, wenn der Bauer mit der hölzernen Fruchtschaufel seine Vorräte umschaufelt, damit sie nicht..warm" werden und etwa zu keimen anfangen. In der wohlgefüllten Scheune wird Ordnung geschaffen. Sobald Raum vorhanden ist. werden die ..Strohschober" draußen vor dem Dorf oder gleich hinter der Scheuer ange­brochen und das Stroh hineingeschasst. Man sieht nach dem Stand der Arbeitsgeräte und ersetzt die fehlenden Rechenzähne, die ausge­brochenen und schadhaften Sproßen der Scheunenleitern sieht da und dort nach dem

rechten, bästelt an diesem oder jenem herum, nach dem alten Spararund- satz:Die Axt im Haus erspart den Zimmermann." Oder ist im Gar­ten ein alter Apfel­oder Birnbaum umzuhauen, ist der Gartenzaun zu flicken. Es ist setzt alles ein geruhiges Arbeiten, ohne Hast u. Uebertreibung, wie es vielfach der Sommer mit sich bringt. Es ist ganz so wie der schwä­bische Mundart­dichter August Lämmle im Schwobespiegel" die Tätigkeit des Bauern in dieser Zeit schildert:

ZUM

.Schaffell om. was halt em Winter bei de Baure z' schaffet geit:

Böm ausputze. Wengert reude', Schaubband mache'. Wiede' schneide'

usw.

. (Bänder machen. Weiden schneiden)

Darunter hinein denkt man auch der angenehmen Tatsache, daß im Keller neuer Most liegt, im Kamin Rauchfleisch hängt und daß die Bäuerin vom neuen Metst ein gutes Brot ge­backen hat. Vielfach wird un Dezember ein Schweinlein ge­schlachtet. Jetzt hat man Zeit und Muße für ein bäuerliches Schlachtfest und kann sich unge­stört dem wohlverdienten Ge­nuß der Metzelsuppe hingeben Auf Weihnachten muß man so­wieso etwas Ordentliches aus dem Tisch haben.

Jüngere Bauern, die keinen großen Umtrieb haben, gehen als Holzmacher in den Wald, vorab ^ der Gemeindewald.

Die Daheimbleibenden machen sich gelegentlich Besuche, na­mentlich abends und bereden den Lauf der Zeiten. Ehedem konnte man sich diesen Nach- barsbesuche, viel mehr hin­geben, und sie waren voll Be­haglichkeit und winterlicher Rühestimmung. Die moderne Zeit nimmt die Menschen stär­ker in Anspruch, und die win­terlichen Bauernfeiertage sind rarer geworden. Jedoch ist auch heute noch der langsamere Gang und der ruhigere Atem des Lebens wohltätig.fühlbar.

Von den Feldern weg zu sein, den Un­bilden der winterlichen Witterung entrückt, bereitet dem Bauern ein sichtliches Behagen. Er liebt und schätzt den Ofen und die Wärme und genießt sie, ach, so ganz von innen heraus.

Doch unbewußt lebt in ihm die Sehn- sucht nach den Wachstumskräften der Na­tur auch ln den winterlichen Wochen und Monaten, und es mutet einen an. als käme das Heimweh nach diese» Kräften zum Durchbruch und als wollte man sich ver­sichern. daß sie wirklich nicht völlig gestorben seien, wenn man nun

die Barbarazweige

schneidet und im Wasserglas in die warme Stube stellt.

Die Barbarazweige! Zweige von Kirsch- bäumen sind es meist, aber auch von ande­ren Obstbäumen, von Ebereschen. Syringen, am Barbaratag (4. Dez.) geschnitten. In der warmen Zimmerluft beginnen sich ihre Knos­pen leise zu regen. Des Menschen Herz freut sich an dem nun langsam erwachenden Leben. Es ist ihm eine wohltuende Gewiß­heit, daß das Leben in der Natur, die wun­dersame Trieb- und Wachstumskraft, nicht erloschen Ist. daß es geheimnisvoll von einem Jahr in» andere hinübergerettet wird. Nicht nur in ländlichen Gebieten, auch in Indu­striegegenden werden um diese Zeit solche Zweige feilgeboten und verwendet. Auch die Stadtmenschen haben das Urgefühl des Zusammenhangs mit der Natur nicht ver­gessen.

Die blühenden Barbarazweige selbst wer­den da und dort am Tag der Unschuldigen Kindlein (28. Dezember) zum Fttzeln der Mädchen verwendet, ein alter Brauch (die Wissenschaft spricht hier von einem Analogie­zauber). bei dem durch Berührung mit dem blühenden Zweig Gesundheit. Wachstums­und Lebenskraft und Fruchtbarkeit aus die damit Berührten, die Gekitzelten, übertragen werden soll.

Die Barbarazweige gelten außerdem als Vorhersage eines guten Frühjahres, wenn sie bis Weihnachten zum Blühen kommen. Wenn sie erst nach Weihnachten blühen, gibt es ein spätes Frühjahr. Außerdem versprechen diese blühenden Zweige Glück in der Liebe.

Diese Erhellung der Zukunft erwartet man auch von der

Andreasnacht.

Sie schließt den November ab und leitet die Adventszeit ein und das neue Kirchen-^ jahr, und so hat die Andreasnacht an besten' Eingang auch eine die Zukunft erforschende' Kraft wie die Silvesternacht fürs neue Jahr.' Llsus cksus Lieber St. Andreus Gib. daß ich in dieser Nacht Den doch seh.

Mit dem ich einst Vor dem Altar steh'.

So spricht ein Mädchen, das im Traum der Nacht den Zukünftigen sehen will, in- >

Winterliches Schn>ei«eschlacht-«

Holzschnitt von H. L. Schäufeke«

dem sie vor dem Bett drei Knire macht »atz dreimal an die Bettlade stößt. In der

Thomasnacht (21. Dezember)

soll man ebenso die Zukunft erfahren Nivl nen. Vor dem Zubettgehen wirft das Mäd-' chen das Kopfkisten aus den Stubenbod«, tritt daraus und sagt den Spruch: