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werden, um wenigstens einigermaßen den Verkehr aufrecht zu erhalten. Da Schneider heute dienst« frei war, wurde derselbe ebenfalls zum Dienst befohlen und nahm in der Maschinenhalle mit einem Maschinenführer an einer Maschine eine Reparatur vor. Plötzlich zerplatzte ein Dampfrohr und der ausströmende Dampf verbrühte den Unglücklichen im Gesicht und an der ganzen linken Seite vollständig. In seinen großen Schmerzen sprang der Aermste in eine in der Maschinenhalle mit schmutzigem Wasser gefüllte Senkgrube und wurde dann in seine Wohnung verbracht, wo ihm die erste Hilfe zu teil wurde.
Stuttgart 27. Dez. Der Wahlvorschlag für die Proporzwahlen zur zweiten württember- gischen Kammer der Konservativen unh des Bunde? der Landwirte lautet: Für den Neckar-Jagflkreis: 1) Kraut, Heinrich, Rechtsanwalt, 2) Pergler von Perglas, Wilhelm, Gutsbesitzer, 3) Graf von Leutrum-Ertingen, 4) Be- ringer, Reinhold, Kaufmann, Stuttgart, 5) Frank, Michael, Landwirt, Oberaspach, 6) Haag. Wilhelm, Weingärtner Heilbronn, 7) Lang, vr., Gustav, Professor, Heilbronn, 8) Schwarz, Georg, Landwirt, Eichhof OA. Gerabronn, 9) Tscherning, Walter, Hofdomänepächter in Klein-Hohenheim. Für den Schwarzwald-Donaukreis: 1) Adlung, Friedrich, Oekonomierat, Sindlingen, 2) Bollinger, Johannes, Schultheiß, Nellingen OA. Blaubeuren, 3) Fahrion, Gustav, Landwirt, Hof Dicke OA. Calw, 4) Keppler, Friedrich, Sägwerksbefitzer, Calmbach, 5) Körner, Theodor, Redakteur, Stutt- gart, 6) Lemppenau, Andreas, Schultheiß in Eschenbach OA. Göppingen, 7) Raser, Rudolf, Kaufmann in Hedelstngen OA. Cannstatt, 8) Ziegler, Joh., Direktor des Knabeninstuts Wilhelmsdorf OA. Ravensburg.
Reutlingen 28. Dez. In Eningen stellte sich bei der dortigen Posthalterei ein junger Mensch als Knecht eines bekannten Pferdehändlers von Buttenhausen vor und erhob 200 ^ Darlehen. Zu spät bemerkte die Frau, daß sie geprellt war.
Tübingen 28. Dez. Einem jungen Mann von Niedernau, welcher sein Herz an eine Schöne von Nellingsheim gehängt hatte, wurde von den eingesessenen Burschen der Zuwandel auf „schlagende" Art und Weise entleibet und als dieses nichts fruchtete, wurde er mit Revolverkugeln vertrieben. Wie man hört, befassen sich die Gerichte mit der Angelegenheit.
Oberndorf 27. Dez. Eine feenhafte Pracht lag am ersten der Weihnachtsfesttage über unserer Schwarzwaldgegend. Märchenhaft schimmerten die mit Schnee bedeckten Neste der Tannen, ächzend unter der schweren weißen Last. Und erst der Zauber, wenn abends und zur Nachtzeit das Silberlicht des Mondes durch das Gewölk über die Landschaft fiel! Da setzte am zweiten Festtag ein dichter Schneefall ein und zu ihm gesellte sich nachts ein heftiger Nordwest, der heulend die Schneemaflen durch die Schluchten ünd Straßen fegte: ein Schneesturm von seltener Stärke. Dieser dichtete auf den Anhöhen derartige Verwehungen an, daß die zahlreichen Arbeiter vom Land heute nur mit größter Mühe und Verspätungen hierher gelangen konnten. Der Verkehr mit mehreren der hochgelegenen Bezirksorte ivar beinahe vollständig unterbrochen, bis der Bahnschlitten geschleift wurde. An letzeren mußten nicht weniger als 12 Pferde vorgespannt werden, die teilweise mit ihren Leibern in den Schnee einsanken, so daß Man genötigt war, die Tiere herauszuschaufeln. In der Stadt liegt der Schnee etwv 30—40 cm hoch. Die Bahnzüge hatten teilweise recht bedeutende Verspätungen.
München 28. Dez. Die nach Rückkehr von einer Hochzeitsreise vermißte Landgerichtsrätin Sauer aus Würzburg wurde bei Thüngersheim tot im Main aufgefunden.
Frankfurt a. M. 28. Dez. Aus Hillesheim in der Eifel wird gemeldet, daß sich dort dieser Tage seit dem Jahre 1888 wieder der erste Wolf gezeigt hat. Es wurde Jagd auf ihn gemacht. Die unheimlichen Gäste verirren sich nur ab zu vereinzelt in die Gebirgstäler der Eifel und Vogesen, sonst find sie seit längerer Zeit schon dort ausgerottet.
Wildungen 28. Dez. Die auf der Reise aus dem Eisenbahnzuge heraus erfolgte Verhaftung des Wildunger angesehenen Badearztes Dr. Reinhold Rörig II erregt in den beteiligten Kreisen peinliches Aufsehen. Es handelt sich dabei in der Hauptsache um ein recht geheimnisvolles Geschehnis, um den plötzlichen Tod der früheren Krankenschwester Fräulein Meyer aus Preußisch. Minden, die sich in die Behandlung des erwähnten Arztes im Herbst ds. Js. begeben hatte und infolge von Eingriffen operativer Art plötzlich verstarb. Jedenfalls schwebt gegen Dr. Röriz II seit längerer Zeit ein Strafverfahren aus § 218 des R. Str. G. B. sowie wegen fahrlässiger Tötung.
Berlin 26. Dez. Vom Kriegsschauplatz in Südwestafrika ist gestern eine amtliche Meldung eingetroffen, daß der Stamm der Bondelz- warts sich unterworfen hat. Johannes Christian hat sich mit seinem nächsten Anhang dem Oberstleutnant v. Estorff in Heirachabis gestellt. Die Zahl der Männer beträgt 120, die der abgegebenen kleinkalibrigen Gewehre 105. Dazu kommen nach einem späteren Telegramm weitere 35 Männer mit 19 kleinkalibrigen Gewehren. Zerstreute Banden und Stammesangehörige, die vom britischen Gebiet zurückkehren, sind in die Unterwerfung einbezogen. Kein Bondelzwart darf Schußwaffen tragen. Die Unterworfenen sollen bei Keetmannshoop und Kalkfontein Lokationen erhalten und dort unter militärischer Aufsicht in Lagern gehalten werden. Die Durchführung der Unterwerfungsbestimmungen wird noch einige Zeit erfordern. Auch stehen noch einzelne Banden von anderen Stämmen, wie Simon Copper und Fiedling, im Felde.
Berlin 27. Dez. Nach einer Meldung aus dem Neuen Palais hat sich Prinz August Wilhelm von Preußen mit der Prinzessin Alexandra Viktoria von Schleswig-Holstein verlobt. Die Verlobung fand im Schloß zu Glücks, bürg statt. (Prinz August Wilhelm ist der 4. Sohn des Kaisers. Er ist am 29. Jan. 1887 geboren also nicht ganz 20 Jahre alt. Die Braut, eine Tochter des Herzogs Friedrich Ferdinand zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, ist ein paar Monate jünger. Ihre ältere Schwester ist seit 11. Okt. 1905 mit dem Herzog Karl Eduard von Sachsen-Koburg-Gotha vermählt.)
Berlin 28. Dez. Gouverneur von Linde- quist ist aus London zurückgekehrt, nachdem über alle wesentlichen Wünsche der deutschen Reichsregierung in Bezug auf gemeinsame Maßregeln für den Grenzschutz bei Eingeborenen-Auf- ständen ein Einverständnis mit dem Londoner auswärtigen Amte erzielt worden ist.
Berlin 28. Dez. Die Regierung hat eine Anzahl in der Provinz ansässiger Polen außerdeutscher Staatsangehörigkeit als lästige Ausländer ausgewiesen. Die Ausweisungen erfolgten, well die Kinder der Ausgewiesenen sich weigerten, im Religions-Unterricht deutsch zu antworten.
Posen 28. Dez. Die streikenden Sckulkinder der Stadt Posen wurden zu Weihnachten von den katholischen Geistlichen reichlich beschenkt. Auch aus der Provinz laufen Nach- richten ein, wonach vermögende polnische Guts- besitzer rc. die streikenden Schulkinder ihres Bezirks an den Feiertagen zu sich luden und sie in demon- strativer Weise beschenkten und bewirteten.
Posen 28. Dez. In der Stadt Posen herrscht große Aufregung, da in den letzten Tagen etwa 10 große Brände gelegt worden sind. In fast allen Fällen haben die Verbrecher sich die am Rande der Stadt gelegenen Bauern- Höfe als Ort ihrer Tätigkeit ausgesucht. Durch die fortgesetzten Großfeuer sind die Mannschaften der hiesigen Feuerwehr bis aufs äußerste er- schöpft. Ein großer Teil von ihnen ist bereits dienstunfähig. Von den Brandstiftern fehlt bisher jede Spur, trotzdem die Polizei alle Hebel in Bewegung setzt, um ihrer habhaft zu werden.
London 28. Dez. Fünf Frauenrecht, ler innen, die zu mehreren Tagen Gefängnis verurteilt worden waren wegen Teilnahme an öffentlichen Kundgebungen vor dem Parlaments.
gebäude wurden gestern, nachdem sie ihre Strafe verbüßt hatten, im Triumphzuge von ihren Kolleginnen aus dem Gefängnis abgeholt und in ein Restaurant geführt, wo ihnen zu Ehren eine große Weihnachtsfeier stattfand. Zur Zeit befinden sich im Gefängnis von Holloway noch 15 Frauenrechtlerinnen. Seit Beginn der diesjähr. Bewegung sind 35 Frauen, darunter 22 Ver- heiratete wegen derartigen Kundgebungen vor dem Parlament zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.
Vermischtes.
— Der Kaiser hat das Haus, in dem Kaiser Wilhelm I die Nacht vor der Schlacht bei Gravelotte verbrachte, für 20 000 ^ angekauft. Das Haus liegt am äußersten Ende des Dorfs Rezonville an der Straße nach Vionville. Der Eigentümer darf das Haus bis an sein Lebensende bewohnen.
Zu Weihnachten heimgekehrt. In Cuxhafen ist am zweiten Weihnachtstag der Post- dampfer „Gertrud Wörmann" mit 20 Offizieren und höheren Militärbeamten, sowie 480 Unteroffizieren und Mannschaften an Bord, von Deutsch. Südwestafrika kommend, eingetroffen. Für die Heimgekehrten fand eine Weihnachtsfeier mit Be- scherung statt.
Schreckliches Unglück. Beim Spielen mit einem Revolver erschoß auf Schloß Rothkirch in Schlesien im Schlafzimmer der erst 18jährige Majoratsherr Severin Freiherr von Rothkirch seinen Jagdgast, seinen früheren Mitschüler an der Ritterakademie, Victor von Heinz aus Liegnitz, und verübte danTl Selbstmord.
DerAlkohol in den Kolonien. Der Deutsche Verein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke hat auf seiner 23. Jahresversammlung in Karlsruhe am 2.-4. Okt. 1906 eine Reihe von Resolutionen gefaßt, die der großen Gefahr der Alkoholeinfuhr für die Eingeborenen in den Kolonien Vorbeugen sollen. Aus der die Resolutionen einleitenden Rede des in Kolonial- und Missionskreisen wohlbekannten Kaufmanns I. K. Vietor in Bremen heben wir folgendes hervor: Mit der Erschließung Westafrikas seit 1884 trat eine bedeutende Steigerung des Spirituosen- Handels ein. Der Branntwein wurde immer billiger» das Trinken nahm überhand zum schweren Schaden der Bevölkerung. In Keta waren z. Ä. die Bootsleute öfters so betrunken, daß man die Arbeit einstellen und schließlich überhaupt andere Leute von auswärts aüwerben mußte. Von der Küste drang der Branntwein immer mehr ins Innere. Im privaten und öffentlichen Leben, bei Besuchen, Verhandlungen und Festlichkeiten, überall spielt der Branntwein eine große Rolle. Kein Wunder, daß in den 90er Jahren die Spirituoseneinfuhr in Togo 20—30 "/«, in Kamerun 12—15 °/v der Gesamteinfuhr betrug. Erfreulicherweise wird auch aus den Kreisen des Handels eine Erhöhung de« Einfuhrzolles für Branntwein in den Kolonien verlangt. Die deutschen Kaufleute in Togo haben sich einstimmig für eine Zollerhöhung auf 80 für das Liter, sowie für eine Erhöhung der Eisenbahnfrachten ausgesprochen, damit die Spirituosen nicht mehr so billig in das Innere gebracht werden können. Auch die Bremer Handelskammer hat sich auf den gleichen Standpunkt gestellt und die Regierung aus wirtschaftlichen Rücksichten gebeten, eine weitere Verseuchung der Kolonien durch Spirituosen nicht zuzulassen.
Standesamt Calw.
G eborene.
21. Dez. Matilde Frida, T. d. Adolf Wellhäußer, Lokomotivführers hier.
23. „ Otto, S. d. Jakob Friedrich Buck, Bäckers
hier.
23. „ Karl Friedrich, S. d. Karl Walther,
Schreiners hier.
24. „ Maria Maria, T. d. Benjamin Lörcher,
Fabrikarbeiters hier.
25. „ Richard Friedrich Gustav, S. d. Teodor
Eugen Mößner, Schaffners hier.
Gestorbene.
28. Dez. Johann Elias Haisch, Müller in Weiken- mühleGde. Breitenberg, 48Jahrealt. 28. „ Elisabete, T. d. Philipp Merz, Hilft-
bremsers Hier, 2 Monate und 8 Tage alt.